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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 20 U 228/06
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 7 Abs. 1 Nr. 1
AUB 88 § 7 Abs. 1 Nr. 2 a
AUB 88 § 7 Abs. 1 Nr. 2 b
AUB 88 § 7 Abs. 1 Nr. 2 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. September 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach dem Urteil vollstreckbaren Beträge abzuwenden, falls die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt als Versicherungsnehmer die Beklagte auf Zahlung einer (weiteren) Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung, der die AUB 88 zugrunde liegen, und in der Sohn des Klägers (im Folgenden: der Versicherte) versichert ist, in Anspruch.

Die vereinbarte Invaliditätsgrundsumme beträgt unstreitig 159.023,00 €, die vereinbarte Progression 350 %. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Nr. 19 der Besonderen Bedingungen (verbesserte Gliedertaxe, Bl. 100 d. A.), Geltung findet. Dies hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2006 ausdrücklich bestätigt (Bl. 85 d. A.).

Der Versicherte erlitt am 02.04.2003 einen schweren Unfall (Sturz von einer rd. 4 m hohen Arbeitsbühne). Er erlitt dabei einen Genickbruch im Bereich des 2. Halswirbelkörpers (der operativ behandelt wurde), einen Kompressionsbruch des 6. Brustwirbelkörpers (der konservativ behandelt wurde) sowie diverse Hautverletzungen.

Die LVA hat mit Bescheid vom 06.05.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung anerkannt.

Nach Meldung des Unfalls beauftragte die Beklagte die Begutachtung des Versicherten durch C. In dem Gutachten vom 03.05.2004 gelangte dieser zum Ergebnis, dass der Invaliditätsgrad 50 % betrage. Dieses Ergebnis wurde durch das Gutachten von U vom 16.03.2005 bestätigt.

Die Beklagte erkannte daraufhin einen Invaliditätsgrad von 50 % an und zahlte eine Invaliditätsentschädigung (unter Verrechnung von Vorschüssen) in Höhe von 159.023,00 €.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Invaliditätsgrad des Versicherten 80 % betrage, sodass die Beklagte - wegen der Progressionsstaffel - weitere 238.534,00 € schulde.

Der Kläger hat beantragt,

1.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 238.534,50 € nebst Zinsen zu zahlen,

2.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn den über 238.534,50 € hinausgehenden Betrag zu zahlen, der sich aus der Unfallversicherung aufgrund der festgestellten Invalidität ergibt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eine über 50 % hinausgehende Invalidität bestritten. Bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades sei nur auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 c AUB 88 nach einem objektivierten Maßstab abzustellen, ohne das konkrete Umfeld des Versicherten zu berücksichtigen.

Das Landgericht hat das Gutachten des Sachverständigen G vom 06.04.2006 (Bl. 34 ff. d. A.) eingeholt und den Sachverständigen ergänzend mündlich angehört (Bl. 77 ff. d. A.). Es hat die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

Es sei - da die Gliedertaxe nicht anwendbar sei - auf die Beeinträchtigung der normalen körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit abzustellen. Eine Wechselwirkung zwischen Gliedertaxe und allgemeiner Beeinträchtigung gebe es nur im begrenzten Umfang. So könne eine 100 % Invalidität nicht erst dann bejaht werden, wenn der VN gar nicht mehr beruflich tätig sein könne und auch nicht am täglichen Leben teilnehmen könne. Denn nach der Gliedertaxe könne bereits der Verlust einzelner Glieder zu einer 100%igen Invalidität führen.

Nach dem Gutachten von G sei aber keine über 50 % hinausgehende Invalidität festzustellen. Insbesondere habe der SV die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der LWS und die Kraftminderung an der rechten Hand berücksichtigt.

Ein erhöhter Anspruch folge nicht aus der verbesserten Gliedertaxe, denn diese sei nicht vereinbart worden.

Wegen der weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er (nur noch) seinen erstinstanzlichen Zahlungsanspruch weiterverfolgt.

Die verbesserte Gliedertaxe sei vereinbart worden. Wegen des Grundsatzes, dass sich die Invaliditätsfeststellung nach allgemeinen Grundsätzen sich nicht mit der Invaliditätsfeststellung nach der Gliedertaxe in Widerspruch setzen dürfe, folge, dass die normative Erhöhung nach der verbesserten Gliedertaxe auch bei der Invaliditätsfeststellung außerhalb der Gliedertaxe Berücksichtigung finden müsse.

Der Invaliditätsgrad betrage zumindest 80 %. Das Gutachten des Sachverständigen G sei - auch wenn auf einen Durchschnittsbürger abzustellen sei - nicht überzeugend. So habe er zwar angegeben, dass bei Einschränkungen an der Wirbelsäule allein aufgrund eines Röntgenbefundes es nicht möglich sei, eine eindeutige MdE zu bestimmen. Gleichwohl habe er an Hand der Bilder eine MdE von 20 % festgestellt. Der Sachverständige habe die ausstrahlenden Gesundheitsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule auf andere Körperteile nicht berücksichtigt. Dies gelte zunächst für die Kraftminderung an der rechten Hand. Gleiches gelte in Bezug auf die Gangeinschränkungen, die auf die unfallbedingte Beeinträchtigung der HWS beruhten.

Es sei weiterhin nicht zu ersehen, dass der Sachverständige die - auch vom SV festgestellten - Schmerzzustände beim Versicherten berücksichtigt habe.

Beim Versicherten läge auch eine unfallbedingte Bewegungseinschränkung beider Arme dergestalt, dass der rechte Arm nur leicht über die Schulterlinie angehoben werden könne, der linke Arm nur bis zur Schulterlinie.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 238.534,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.07.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil:

Der Invaliditätsgrad des Versicherten betrage nach den Feststellungen des Sachverständige G (ebenso die Vorgutachter) nicht mehr als 50 %. Die verbesserte Gliedertaxe sei auch nicht vereinbart worden. Im Übrigen könnte der Kläger daraus keine erhöhte Invaliditätsentschädigung herleiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat den Sachverständigen G ergänzend angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 09.05.2007 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gemäß §§ 7 I Nr. 1, Nr. 2 c AUB 88 in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag kein Anspruch auf Zahlung einer (über die bereits gezahlten 159.023,00 € hinaus) weiteren Invaliditätsentschädigung zu. Die Invaliditätsentschädigung bemisst sich nach einem unfallbedingten Invaliditätsgrad des Versicherten von 50 %. Bei einer vereinbarten Versicherungssumme von 159.023,00 € und unter Berücksichtigung der vereinbarten Progressionstabelle entspricht das - unstreitig - einem Betrag von 159.023,00 €, den die Beklagte bereits gezahlt hat.

1.) Die Parteien streiten vorliegend (nur) um:

- den unfallbedingten Invaliditätsgrad

- die Geltung der verbesserten Gliedertaxe und

- einer evtl. Auswirkung der verbesserten Gliedertaxe auf den Invaliditätsgrad bzw. auf die Höhe der Invaliditätsentschädigung.

2.) Invaliditätsgrad:

a) Vorliegend ist die unfallbedingte Invalidität des Versicherten nach § 7 I Nr. 2 c AUB 88 zu bestimmen, da der unfallbedingte Wirbelsäulenschaden nicht von der Gliedertaxe umfasst ist.

b) Danach ist maßgebend, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist.

aa) Die Schätzung eines Invaliditätsgrades hat sich an der körperlichen Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen (normalen) Versicherungsnehmers zu orientieren. Die Tätigkeit in einem ausgeübten Beruf ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in der Unfallversicherung anders als in der Berufsunfähigkeitsversicherung kein maßgebendes Beurteilungskriterium. In der Unfallversicherung ist das Risiko einer unfallbedingten Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit versichert (§ 7 I (1) AUB 88), nicht jedoch das Risiko, berufsunfähig zu werden.

Die Definition der Invalidität, die allein auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit abstellt, zielt auf jeden Versicherungsnehmer, unabhängig davon, ob er berufstätig ist oder nicht. § 7 I (2) c) AUB führt als Maßstab "die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit" an, deren Beeinträchtigung unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte zu beurteilen ist. Anhaltspunkte dafür, dass unter "normaler Leistungsfähigkeit" nicht die eines (normalen) durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu verstehen ist, sondern dass seine eigene individuelle Leistungsfähigkeit (im Beruf? im Sport? beim Musizieren? in sozialen Bereichen?) maßgebend sein könnte, findet der Leser nicht. Die Gliedertaxe setzt ersichtlich einen generellen Maßstab ohne Berücksichtigung individueller Besonderheiten bei einzelnen Versicherungsnehmern. Die Klausel lit. c) regelt sodann die Entschädigung für die Beeinträchtigung von Körperteilen oder Sinnesorganen, die nicht in der Gliedertaxe erfasst sind, wobei diese Erweiterung des Versicherungsschutzes über die von der Gliedertaxe erfassten Körperteile hinaus bei verständiger Würdigung ebenfalls an einem generellen Maßstab entsprechend lit. a) zu messen ist. (Senat, Urteil vom 06.11.2002, NJW-RR 2003, 322). Allerdings liegt etwa 100 %-ige Invalidität nicht nur dann vor, wenn der Versicherte gar nicht mehr beruflich arbeiten und auch im Privatbereich keine Leistungen mehr erbringen kann. Eine abweichende Auffassung würde im krassen Widerspruch zu der Gliedertaxe der AUB stehen, wonach schon der Verlust einzelner Glieder oder Sinne zu einer 100 %-igen Invalidität führen kann. Die Bewertung nach § 7 I Nr. 2 c AUB 88 hat sich deshalb auch an den Vorgaben der Gliedertaxe zu orientieren. Genauere Kriterien für die letztlich sehr schwierige Bemessung des Invaliditätsgrades stellt die AUB 88 nicht zur Verfügung (Senat, Urteil vom 05.06.1992, VersR 1993, 472).

bb) Demzufolge hat nach der Bestimmung der Invalidität nach § 7 I Nr. 2 c AUB 88 auch eine Kontrollüberlegung dahingehend zu erfolgen ist, ob die "gefundene Invalidität" sich in das System und in die Wertungen der Gliedertaxe einfügt oder ob der (nach lit c) gefundene Invaliditätsgrad zu einem Wertungswiderspruch führt, so dass dieser zu erhöhen ist.

c) Der von der Beklagten vorliegend zu entschädigende Invaliditätsgrad des Versicherten beträgt 50 %. Dies folgt aus den widerspruchsfreien, von zutreffenden tatsächlichen Feststellungen ausgehenden, nachvollziehbaren und deshalb überzeugenden gutachterlichen Ausführungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen G im schriftlichen Gutachten vom 06.04.2006, der mündlichen Ergänzung vom 17.08.2006 in Verbindung mit seinen Ausführungen im Senatstermin vom 09.05.2007, denen der Senat folgt. Der Sachverständige hat - unter ergänzender Bezugnahme auf seine bisherigen gutachterlichen Ausführungen - ausgeführt, dass bei der Bemessung der Leistungsminderung des Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der Schmerzsymptomatik, von einem Grad von 50 % ausgehen ist.

aa) Der Sachverständige hat folgende Feststellungen, die sich der Senat zu eigen macht, getroffen:

(1) Objektive pathologische Veränderungen:

- geringe nach dorsal gerichtete Achsabweichung, ohne relevante Einengung des Spinalkanals (nach Schraubenosteosynthese einer Densfraktur),

- weitgehende Einsteifung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Ebenen in Mittelstellung,

- Knöchern konsolidierte BWK-6-Fraktur mit keilförmiger Deformierung sowie ver mehrter Rundrückenbildung,

- eingeschränkte Beweglichkeit der BWS,

- eingeschränkte Belastbarkeit der gesamten WS

- Gangunsicherheit durch eingeschränktes Blickfeld

- leicht depressiver Verstimmungszustand wegen des Unfalls

- Kälteintoleranz beider oberer Extremitäten und der WS.

(2) Zur damit verbundenen Einschränkungen der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit hat er sich wie folgt geäußert:

Anders als z. B. bei einer Armverletzung ist vorliegend der Grad der Invalidität nicht einfach zu beurteilen. Zwei Dinge sind wesentlich: Zum einen die objektivierbaren Anhaltspunkte und zum anderen die vom Versicherten geklagten funktionellen Einschränkungen. Bei der Verletzung des 2. HWS-Körpers handelt es um eine bei dieser Art Sturz typische Verletzung. Diese Verletzung ist - nach Operation - gut ausgeheilt. Die Kompressionsfraktur des 6. BWS-Körpers macht nur wenige Beschwerden. Beim Versicherten liegen und lagen keine neurologischen Ausfälle vor; auch keine Lähmungserscheinungen.

Es liegt ein Widerspruch zwischen den vom Versicherten beschriebenen Beschwerden und dem objektivierbaren Befund. Nach dem Befund laut den Röntgenbildern etc. kann der Grad der Invalidität des Versicherten nicht auf 50 % veranschlagt werden. Der im schriftlichen Gutachten angegebene Invaliditätsgrad von 50 % rechtfertigt sich nur aufgrund der vom Versicherten angegebenen Bewegungseinschränkungen. Diese sind aber mit den aus den Röntgenbefunden ersichtlichen geringen Fehlstellungen nicht zu erklären. Eine Versteifung der HWS ist nach den Röntgenbildern nicht objektivierbar. Der Versicherte kann den Nacken aktiv nicht bewegen. Bei passiver Bewegung klagt er über Schmerzen. Das ist auf die beschriebenen funktionellen Einschränkungen zurückzuführen.

Der Versicherte kann sich selbst versorgen, anziehen und waschen. Schwere Sachen kann er aber nicht tragen. Das Tragen einer 5 Kg schweren Einkaufstasche ist ihm aber möglich. Auto fahren kann er nicht. Das Gehen ist ihm auf ebener Fläche ohne weiteres möglich. Schwierigkeiten können sich aber ergeben, wenn er auf Unebenheiten aufpassen muss. Solche kann er nicht so gut erkennen, da er den Kopf nach unten nur eingeschränkt bewegen kann. Lange Strecken kann er auch nicht bewältigen. Durch die Versteifung der Wirbelsäule im oberen Bereich wird die untere Wirbelsäule überlastet. Es ist nachvollziehbar, dass der Versicherte auch nachts Schmerzen verspürt. Diese sind auf die Überlastung der Muskulatur zurückzuführen, die dadurch entsteht, dass dem Versicherten keine entspannte Haltung möglich ist. Das Durchschlafen ist daher schwierig. Die Arme sind weitestgehend beweglich; es sind nur geringe Einschränkungen vorhanden. Die Wohnung sauber zu halten dürfte dem Versicherten Schwierigkeiten bereiten. Lesen kann er ohne Schwierigkeiten. Der Versicherte kann soziale Kontakte unterhalten. Diese schränkt er aber selbst ein, möglicherweise aufgrund depressiver Tendenzen. Ein Invaliditätsgrad von 50 % beruht auf Erfahrungstatsachen, nicht auf objektive bildgebende Befunde. Aggravationstendenzen sind aber nicht festzustellen. Die vom Versicherten geklagten Beschwerden erscheinen glaubhaft.

bb) Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit des vom Sachverständigen angegebenen Invaliditätsgrades (der insoweit auch mit den von der Beklagten eingeschalteten Vorgutachter übereinstimmt) in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige hat unter Anwendung medizinischer Gesichtspunkte die körperlichen und geistigen Einschränkungen, die der Kläger im täglichen Leben erlebt, berücksichtigt und hat diese seiner Bewertung zugrundegelegt (s.o.). Dabei hat er einen großzügigen Maßstab angewandt. Denn die Beeinträchtigungen nach den objektivierbaren Befunden rechtfertigen einen Invaliditätsgrad von 50 % nicht. Dieser Invaliditätsgrad ist nur bei Berücksichtigung der vom Versicherten geklagten Beschwerden (die dem Sachverständige aber glaubhaft erscheinen und die er - entgegen dem Vortrag des Klägers - umfassend berücksichtigt hat) zu rechtfertigen. Aber auch nach Berücksichtigung dieser subjektiven Beschwerden (z. B. der Schmerzsymptomatik) kann der Versicherte sich selbst (annähernd voll-)versorgen und weitestgehend am sozialen Leben teilnehmen. Das Vorliegen eines Invaliditätsgrades von mehr als 50 % ist in einem solchen Falle auch nach Auffassung des Senats nicht bewiesen.

3.) Verbesserte Gliedertaxe und evtl. Auswirkungen

a) Die verbesserte Gliedertaxe (Bl. 100 d. A.) ist zwischen den Parteien vereinbart worden. Zum einen war dies erstinstanzlich unstreitig. Der Kläger hat eine entsprechende Vereinbarung vorgetragen; die Beklagte hat dies in der Klageerwiderung bestätigt ("vorab teilen wir mit, dass die versicherungstechnischen Daten unstreitig gestellt werden können", Bl. 19 d. A.). Zum anderen hat die Beklagte die Geltung der Ziff. Nr. 19 (verbesserte Gliedertaxe) selbst ausdrücklich bestätigt (Bl. 85 d. A.).

b) Die Geltung der verbesserten Gliedertaxe führt aber vorliegend nicht zur Erhöhung des Invaliditätsgrades von 50 %.

aa) Die verbesserte Gliedertaxe führt unmittelbar nur zu einer Erhöhung des nach der "normalen" Gliedertaxe des § 7 I Nr. 2 a) und b) AUB 88 ermittelten Invaliditätsgrades. So führt z. B. der Verlust einer Hand im Handgelenk (oder bei vollkommener Funktionsunfähigkeit der Hand im Handgelenk) zu einer Invalidität von 65 % (während die "normale" Gliedertaxe nur von 55 % ausgeht). Eine Erhöhung der nach § 7 I Nr. 2 c AUB 88 ermittelten Invalidität sieht die verbesserte Gliedertaxe gerade nicht vor.

bb) Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend bei der Prüfung, ob zwischen des nach § 7 I Nr. 2 c AUB 88 ermittelten Invaliditätsgrades und der Invaliditätsgrade der Gliedertaxe ein Wertungswiderspruch besteht, auf die Invaliditätsgrade der "normalen" oder der "verbesserten" Gliedertaxe abzustellen ist. Denn nach Auffassung des Senats ist auch bei Berücksichtigung der Invaliditätsgrade der verbesserten Gliedertaxe kein Wertungswiderspruch festzustellen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass jemand, der eine Hand im Handgelenk verloren hat, deutlich mehr eingeschränkt ist als der Versicherte. Er hat das - auch für den Senat überzeugend - damit begründet, dass eine Person mit dieser Einschränkung sich - anders als der Versicherte - nicht selbst versorgen kann. Sind die Beeinträchtigungen des Versicherten aber geringer als die eines Menschen, der eine Hand verloren hat, steht die beim Versicherten festgestellte Invalidität von 50 % nicht in einem solchen Missverhältnis (selbst) zu der nach der verbesserten Gliedertaxe im Falle des Verlustes der Hand anzunehmende Invalidität von 65 %, das einen Wertungswiderspruch begründen könnte.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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