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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: 20 U 247/99
Rechtsgebiete: ARB 94


Vorschriften:

ARB 94 § 3 II c
ARB 94 § 4 III a
Leitsatz

§§ 3 II c,4 III a ARB 94

1)

Durch § 3 II c ARB 94 werden nur solche Streitigkeiten ausgeschlossen, bei denen spezifisch gesellschaftsrechtliche Rechtsfragen und Belange im Vordergrund stehen.

2)

Für den Ausschluß des § 4 III a ARB 94 reicht reine Ursächlichkeit im Sinne der Äquivalenz nicht aus. Gerade die konkrete Willenserklärung oder Rechtshandlung muß den Keim eines nachfolgenden Rechtsverstoßes in sich tragen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 247/99 OLG Hamm 15 O 163/99 LG Münster

Verkündet am 20. Oktober 2000

Lammers, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 5. April 2000 bleibt aufrecht erhalten.

Der Klägerin werden auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO

I.

Die Klägerin hat bei der Beklagten mit Wirkung ab 17.11.1998 eine Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherung für Nichtselbständige gemäß § 26 ARB 94 abgeschlossen. Sie hat mit der Klage zunächst Gewährung von Rechtsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen den Kaufmann M B begehrt, mit der sie hat festgestellt wissen wollen, daß zwischen ihr und dem Kaufmann B kein wirksamer Kaufvertrag über ihren Geschäftsanteil im Nennwert von 15.000,00 DM an der Firma B... GmbH zustandegekommen sei.

Die Klägerin hatte dem Kaufmann B unter dem 30.10.1998 ein notarielles Angebot zum Erwerb dieses Geschäftsanteils zu einem Kaufpreis von 900.000,00 DM unterbreitet, das bis zum 31.03.1999 befristet war, und behauptet, B habe die Annahme des Angebots am 07.12.1998 mündlich abgelehnt, sei aber anderen Sinnes geworden und habe am 24.03.1999 erklärt, er werde das Angebot doch annehmen, und am 29.03.1999 eine entsprechende notariell beurkundete Erklärung abgegeben. Die Beklagte lehnte unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 c und § 4 Abs. 3 a ARB 94 Rechtsschutz für die beabsichtigte Klage ab.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die mit dem Antrag zu 1) der Berufungsbegründung die Feststellung begehrt, daß das Klagebegehren in der Hauptsache erledigt sei, und mit dem Antrag zu 2) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7.030,12 DM - Erstattung der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit der von ihr beauftragten Rechtsanwälte - anstrebt.

Nachdem die Klägerin zunächst behauptet hatte, sie habe sich mit B außergerichtlich geeinigt, nimmt sie - nach Erlaß eines gegen sie im Senatstermin vom 5. April 2000 ergangenen Versäumnisurteils - von diesem Vortrag Abstand und behauptet nunmehr, die Klage gegen B habe sich lediglich erübrigt, weil sie ihre Geschäftsanteile an der Firma B GmbH an ein anderes Unternehmen derselben Branche, eine Firma GmbH, habe veräußern wollen, was auch von dem Kaufmann B begrüßt worden sei.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin Rechtsschutz für die Klage zu gewähren, die diese gegen den Kaufmann B erheben wollte. Der Antrag zu Ziffer 1) der Berufungsbegründung, festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, ist deshalb nicht begründet, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Die Klägerin kann daher auch nicht Erstattung der Kosten verlangen, die ihr durch die außergerichtliche Tätigkeit der in der Streitangelegenheit B beauftragten Rechtsanwälte entstanden sind.

1.

Der Streit der Klägerin mit dem Kaufmann B gehört zwar zu dem nach § 26 ARB 94 vereinbarten Versicherungsschutz, der sich gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung auch auf Rechtsschutz im Vertragsrecht nach Maßgabe des § 2 b ARB 94 erstreckt und die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen umfaßt, zu denen die Veräußerung eines Geschäftsanteils zählt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist hier Versicherungsschutz auch nicht nach § 3 Abs. 2 c ARB 94 ausgeschlossen, denn der Streit betrifft nicht die Wahrnehmung rechtlicher Interessen "aus dem Recht der Handelsgesellschaften". Der Gegenstand des Streits mit B war die Veräußerung/Übertragung eines Geschäftsanteils der Klägerin an einer GmbH. Eine GmbH ist zwar eine Handelsgesellschaft. Von der Ausschlußregelung des § 3 Abs. 2 c ARB 94 sollen jedoch nur solche Streitigkeiten erfaßt werden, die im Kern in typischen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren Ausgang genommen haben. Bei primär schuldrechtlicher Anspruchsgrundlage besteht kein Versicherungsschutz, wenn die Interessenwahrnehmung erst durch die Gesellschafterstellung ihr Gepräge erhalten hat. Dies gilt insbesondere für gesellschaftsinterne Auseinandersetzungen. Streitigkeiten ohne spezifisch gesellschaftsrechtlichen Einschlag, wie die Interessenwahrnehmung im Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Anteilsrechten an einer Kapitalgesellschaft, fallen aber nicht unter die Ausschlußregelung, wenn bei dem Streit nicht gesellschaftsrechtliche Belange im Vordergrund stehen (vgl. dazu Harbauer, ARB, 6. Aufl., § 4 ARB 75 Rn. 23 und Böhme, ARB, 8. Aufl., S. 114). Der Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH ist ein Schuldverhältnis, das sich nach allgemeinen schuldrechtlichen Regel richtet, wobei für die Wirksamkeit des Vertrags allerdings die Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG zu beachten sind und der Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Geschäftsanteilen an weitere Bedingungen knüpfen kann. Wenn es bei einem Streit der Vertragspartner über das Zustandekommen eines Anteilsübertragungsvertrages aber nicht um gesellschaftsrechtliche Fragen, sondern um allgemein schuldrechtliche Problematik geht, hat die Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers ihren Schwerpunkt nicht im Gesellschaftsrecht, sondern im allgemeinen Vertragsrecht. Das war hier in dem Streit der Klägerin mit dem Kaufmann B nach dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt der Fall, denn sie hatte sich mit B lediglich darüber gestritten, ob er das bis zum 31.03.1999 befristete Angebot am 29.03.1999 noch annehmen konnte, nachdem er es am 07.12.1998 bereits mündlich abgelehnt hatte. Die Beurteilung der Frage, ob durch die Ablehnung der Antrag der Klägerin gemäß § 146 BGB erloschen war, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB und nicht nach Spezialbestimmungen des GmbH-Gesetzes.

2.

Der Versicherungsschutz ist für die Klägerin jedoch hier nach § 4 Abs. 3 a ARB 94 ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung besteht dann kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß gegen Rechtspflichten nach § 4 Abs. 1 c, d.h. den Versicherungsfall, ausgelöst hat.

Zwar schließt nicht jede Willenserklärung, die letztlich im Sinne einer conditio sine qua non zu einem Rechtsschutzfall führt, bei der gebotenen Auslegung dieser Klausel nach ihrem Sinngehalt den Versicherungsschutz aus, denn nach dem Zweck dieser Bestimmung soll der Ausschluß nur dann greifen, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung ihrer Natur nach erfahrungsgemäß den "Keim nachfolgenden Rechtsverstoßes des einen oder anderen Teils in sich trägt", und nicht schon jedes "neutrale" Vertragsangebot erfassen, wenn es - nach Abschluß des Versicherungsvertrages - später bei der Vertragsabwicklung zu Streitigkeiten kommt (vgl. dazu Harbauer, a.a.O., § 14 ARB 75 Rdn. 76).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist hier jedoch davon auszugehen, daß der Streit, der zwischen dem Kaufmann B und der Klägerin über das Angebot der Klägerin zum Erwerb des Geschäftsanteils bzw. dessen Annahmefähigkeit nach mündlicher Ablehnung durch B entstanden ist, auf dem Angebot selbst beruht sowie auf Erklärungen des Kaufmanns B die die Klägerin zur Abgabe dieses Angebots veranlaßt haben. Wie der Zeuge H t B vor dem Senat bekundet hat, beruhte das an den Kaufmann B gerichtete Angebot der Klägerin zum Erwerb ihrer Geschäftsanteile an der Firma B auf einem vorangegangenen Gespräch der Klägerin mit B, der ihr zur Übertragung der Anteile auf ihn als Mitgesellschafter geraten und die Höhe des Kaufpreises, der angeblich dem wirtschaftlichen Wert der Geschäftsanteile entsprechen sollte, vorgeschlagen hatte. Nach den weiteren glaubhaften Erklärungen des Zeugen B ist dann aber über die Angemessenheit des Kaufpreises ein Streit zwischen dem Kaufmann B und der Klägerin bzw. ihm, dem Zeugen, entstanden, in dessen Verlauf B vorgeworfen wurde, die Klägerin übervorteilt zu haben, weil der Kaufpreis zu niedrig sei und sein Vorschlag die Interessen der Klägerin verletze. Wenn der Kaufmann B im Hinblick auf diese gegen ihn gerichteten Vorwürfe zunächst erklärt hat, er wolle von dem Angebot der Klägerin keinen Gebrauch machen, dann später aber doch in einer notariellen Beurkundung dessen Annahme erklärt, so geht der Streit der Beteiligten über die Annahmefähigkeit des Angebots der Klägerin letztlich auf den Inhalt dieses Angebots zurück. Bei dieser Sachlage kann die Willenserklärung der Klägerin nicht als "neutrales Vertragsangebot" gewertet werden. Das Angebot und die ihm vorausgegangenen Erklärungen des Kaufmanns B die die Klägerin zu seiner Abgabe veranlaßt haben, haben den späteren Verstoß des Vertragsgegners der Klägerin ausgelöst. Der wirtschaftliche Hintergrund des Streits ist nämlich nach den Bekundungen des Zeugen B letztlich die Höhe des im Angebot der Klägerin genannten Kaufpreises bzw. seine Angemessenheit. Streitauslösend ist damit der Inhalt des Angebotes, das vor Beginn des Versicherungsschutzes abgegeben worden ist. Das hat zur Folge, daß gemäß § 4 Abs. 3 a ARB 94 für den Streit mit B kein Rechtsschutz besteht.

Das die Berufung der Klägerin zurückweisende Versäumnisurteil des Senats war daher aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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