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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 20 U 26/07
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AVB


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 124
BGB § 124 Abs. 1
BGB § 124 Abs. 2
VVG § 22
AVB § 6 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Dezember 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der beizutreibenden Beträge leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt als Bezugsberechtigte aus einer seitens ihres verstorbenen Ehemannes bei dem Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung Versicherungsleistungen.

Der Ehemann der Klägerin, Dr. L, beantragte am 02.09.2004 über den Versicherungsmakler T1 bei der Beklagten den Abschluss einer Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall. Die bei Antragstellung u.a. gestellten Gesundheitsfragen,

"2. Waren Sie in den letzten 10 Jahren in ärztlicher Behandlung wegen Herz-/Kreislauferkrankungen /z. B. Herzinfarkt, Angina pectoris), Beschwerden der Wirbelsäule und Gelenke (z. B. Bandscheibenvorfall, Rheuma, Gicht), Erkrankungen der Atmungsorgane (z. B. Asthma), der Verdauungsorgane (z. B. Morbus Crohn), der Nieren (z. B. Zystennieren), Tumorerkrankungen, psychischer Leiden/Nerven- oder Geisteskrankheiten (z. B. Depressionen, Selbstmordversuch) oder Suchterkrankungen?,

3. Haben in den letzten 5 Jahren ärztliche oder andere Behandlungen, Krankenhaus-, Heil- oder Kuraufenthalte stattgefunden?,

(...)

7. Haben Sie in den letzten 5 Jahren mehr als einen Monat lang täglich Medikamente genommen oder an mehr als 30 Tagen im Jahr ein gleichartiges Medikament (auch Schlaf-, Schmerz-, Aufputsch- oder Beruhigungsmittel)?"

beantwortete der Ehemann der Klägerin ausweislich des schriftlichen Antragsformulars (Bl. 5 R) zu 2. und 7. mit "nein" und zu 3. mit "ja" und gab hierbei ergänzend an:

"Nierenspende, 2001, keine Folgen".

Die Beklagte policierte am 29.09.2004 mit Versicherungsbeginn 01.10.2004. Versichert waren eine anfängliche Todesfallsumme von 185.000,00 € bei Versterben bis zum 01.10.2005 sowie eine Erlebensfallsumme von 51.850,00 €. Zudem sollten die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Kapitalversicherung mit Wahlrecht auf Kapitalzahlung oder Verrentung gelten (AVB/vgl. zu den Einzelheiten des Versicherungsscheines Bl. 9 ff).

Nachdem der Ehemann der Klägerin am 28.05.2005 verstorben war, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die in der Lebensversicherung bedungenen Leistungen.

Die Beklagte ermittelte über die den Ehemann der Klägerin behandelnden Ärzte und dessen privaten Krankenversicherer, dass bereits vor Antragstellung bestehende Alkoholprobleme ärztlicherseits dokumentiert worden waren. Ausweislich des Arzt-Fragebogens Dres. med. C vom 13.06.2005 (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 19.05.2006) bestanden seit 2000 chronische rezidivierende Alkoholprobleme, wegen deren der Ehemann der Klägerin sich auch stationärer Entwöhnungsbehandlungen unterzogen hatte. Nach dem Arztbericht des Asklepius Fachklinikum X vom 11.10.2001 (Anlage K 7 zum Schriftsatz vom 19.05.2006) war dort im Zeitraum 14.09.2001 bis 04.10.2001 eine Entwöhnungsbehandlung nach diagnostizierter Gamma-Alkoholabhängigkeit durchgeführt worden. Eine weitere stationäre Behandlung in dieser Klinik erfolgte vom 24.06.2002 bis 14.10.2002 (vgl. Rehabilitationsbericht für die Oberfinanzdirektion D/Anlage K 8 zum Schriftsatz vom 19.05.2006).

In dem Leistungsauszug des privaten Krankenversicherers sind ärztliche Behandlungen im Zusammenhang mit diagnostizierten Störungen durch Alkohol und alkoholischer Fettleber u.a. an folgenden Behandlungsdaten dokumentiert worden: 07.09.2001, 14.09.2001, 22.04.2002, 16.06.2002, 18.06.2002, 03.07.2002, 10.05.2004, 07.06.2004, 05.07.2004, 16.08.2004 und 14.09.2004.

Mit Schreiben vom 23.09.2005 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung und lehnte die Erbringung von Leistungen aus der bei ihr genommenen Lebensversicherung ab.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.10.2005 zur Zahlung auf. Die Beklagte hielt an ihrer Leistungsablehnung fest.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen. Die erklärte Anfechtung sei mangels arglistiger Täuschung ihres Ehemannes unwirksam. Hierzu hat sie behauptet, der Versicherungsmakler T1 habe nach Angabe der Nierenspende aus 2001 erklärt, es sei nicht notwendig, sämtliche weiteren Erkrankungen aufzunehmen. Die Beklagte werde ohnehin Rückfrage bei dem behandelnden Arzt nehmen (Beweis: Zeugnis Sven T1). Die Klägerin hat weiter behauptet, ihr Ehemann habe weder vor noch nach Antragstellung an einer Suchterkrankung gelitten. Behandlungen seien ausschließlich präventiver Natur und mithin nicht anzeigepflichtig gewesen. Sie hat in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, die Fragen der Beklagten nach Behandlungen wegen Suchterkrankungen seien ohnehin unklar und damit unbeachtlich gewesen. Es sei nicht definiert gewesen, was eine Sucht darstelle. Außerdem habe von ihrem Ehemann nicht verlangt werden können, derartige mit einem Makel behafteten Dinge dem Vermittler und zugleich seiner finanzierenden Bank zu offenbaren.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 185.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2005 sowie 1.334,41 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich wegen der erklärten Anfechtung für leistungsfrei gehalten. Sie hat behauptet, dass sie entsprechend den Vorgaben seines Rückversicherers den Versicherungsantrag nicht angenommen hätte, wenn ihr die Alkoholkrankheit des klägerischen Ehemannes bekannt gewesen wäre.

Das Landgericht hat die Klage ohne Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen.

Der zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten zunächst zustande gekommene Vertrag über eine Kapitallebensversicherung sei durch die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung als von Anfang an nichtig anzusehen. Der Klägerin stünden als Bezugsberechtigte aus der auf das Leben ihres Ehemannes genommenen Lebensversicherung Ansprüche auf Versicherungsleistungen nicht zu.

Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasse nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen sei, sondern auch Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert seien und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein müsse. Auf Arglist als innere Tatsache könne regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung sei somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen wolle und sich bewusst sei, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angabe mache. Arglistig täusche i.S.d. § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst sei, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet sei, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebots zu beeinflussen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei auch im Streitfall von einem arglistigen Verschweigen auszugehen. Der Ehemann der Klägerin habe zum Zeitpunkt der Antragstellung seit Jahren bestehende Alkoholprobleme, wegen derer er sich mehrfach in ambulanter und stationärer ärztlicher Behandlung befunden habe, gegenüber der Beklagten nicht angegeben.

Die Beklagte habe in ihrem Antragsformular den Ehemann der Klägerin ausdrücklich und eindeutig nach Behandlungen, Krankenhaus-, Heil- oder Kuraufenthalten in den letzten fünf Jahren gefragt. Der Ehemann der Klägerin habe die diesbezügliche Frage einschränkend lediglich dahingehend beantwortet, dass im Jahre 2001 eine ärztliche Behandlung im Zusammenhang mit einer Nierenspende erfolgt sei. Jedenfalls die stationären Entwöhnungsbehandlungen wären vom Ehemann der Klägerin auf die Frage der Beklagten nach ärztlichen Behandlungen anzugeben gewesen. Es könne nämlich keinem Zweifel unterliegen, dass solche Behandlungen objektiv stattgefunden hätten, wobei letztlich offen bleiben könne, ob sie wie die Klägerin behauptet allein präventiven Charakter gehabt hätten. Klassische Entwöhnungsbehandlungen würden für jeden durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar ärztliche Behandlungen wegen Suchterkrankungen im Sinne der Fragestellung darstellen. Dies gelte erst recht für einen Volljuristen wie den Ehemann der Klägerin.

Es bedürfe keiner weiteren Darlegung, dass es sich bei den unstreitig nicht angegebenen Behandlungen um gefahrerhebliche Umstände in der Lebensversicherung handele. Die Offenlegung der Alkoholproblematik hätte dazu geführt, dass der Versicherungsantrag gar nicht oder jedenfalls nicht ohne Einschränkung angenommen worden wäre.

Der Ehemann der Klägerin habe arglistig gehandelt. Wer nach ärztlichen Behandlungen gefragt werde und daraufhin über Jahre hinweg erfolgte ärztliche Konsultationen und sogar stationäre Entwöhnungsbehandlungen verschweige, wisse, dass er damit Einfluss auf die Entscheidung über den Abschluss eines solche Risiken deckenden Versicherungsvertrages nehme; er wolle es auch. Der dem Versicherer obliegende Indizienbeweis für die Arglist des Versicherungsnehmers sei in der Regel als geführt anzusehen, wenn schwere oder erkennbar chronische Erkrankungen oder nicht nur ganz kurzfristige Krankenhausaufenthalte verschwiegen würden.

Die Behauptung der Klägerin, der Versicherungsmakler T1 habe nach Angabe der Nierenspende in 2001 erklärt, es sei nicht notwendig, sämtliche weiteren Erkrankungen aufzunehmen, da die Beklagte vor Policierung ohnehin Rückfrage bei dem behandelnden Arzt nehmen werde, rechtfertige eine abweichende Beurteilung nicht. Selbst wenn der den Antrag aufnehmende Versicherungsmakler trotz eindeutiger Fragestellung eine solch beschwichtigende Äußerung abgegeben hätte, seien die eindeutigen und einschränkungslosen Fragen der Beklagten nach dem Gesundheitszustand für den Ehemann der Klägerin erkennbar unzureichend beantwortet und die ganz offensichtliche Zielrichtung der Fragen mit dem Hinweis des Maklers völlig verfehlt gewesen. Der Ehemann der Klägerin habe sich letztlich im schriftlichen Antrag als völlig gesund dargestellt, so dass für die Beklagten gerade kein Nachfragebedarf bestanden habe.

Der Arglistvorwurf entfalle auch nicht dadurch, dass dem Ehemann der Klägerin die Offenbarung des Makels einer Alkoholabhängigkeit gegenüber dem Versicherungsmakler T1 nicht habe zugemutet werden können. Dabei verkenne die Kammer nicht, dass Arglist ausscheiden könne, wenn Angaben aus falsch verstandener Scham unterblieben. Dies könne indes dann nicht gelten, wenn Vorerkrankungen und behandlungen so erheblich seien, dass es auf der Hand liege, dass sie für die Annahmeentscheidung des Versicherers von zentraler Bedeutung seien. Die Beklagte weise daher zu Recht darauf hin, dass in diesem Fall eine Offenbarung unmittelbar ihm gegenüber hätte erfolgen könne, worauf auch im Antragsformular ausdrücklich hingewiesen worden sei.

Die Klägerin greift dieses Urteil mit ihrer Berufung an.

Die Kammer sei unzutreffend davon ausgegangen, dass ihr Ehemann bewusst gegenüber der Beklagten die seit Jahren bestehenden Alkoholprobleme nicht angegeben habe. Aufgrund der bekannt gegebenen Nierenspende sei es zur Aussage des für den Beklagten tätigen Versicherungsmitarbeiters gekommen, dass wegen dieser Nierenspende keine weitere Aufnahme von Erkrankungen notwendig sei, weil ärztliche Berichte ohnehin eingeholt würden (Beweis Zeugnis T und Q).

Die Klägerin habe erst nach der angegriffenen Entscheidung davon Kenntnis erhalten, dass der Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Mitarbeiter T des Versicherungsbüros T1 erfolgt sei. Das Beweisangebot sei insofern zu korrigieren. Auch sei es um die Zeugin Q zu ergänzen.

Wegen der Äußerung des Versicherungsvertreters habe der Verstorbene darauf vertrauen dürfen, dass einerseits weitere detaillierte Angaben in Anbetracht des erheblichen Eingriffs (Nierenspende) nicht erforderlich gewesen seien. Aus Sicht des Verstorbenen sei der Eingriff wegen der Nierenspende wesentlich erheblicher gewesen als die nur aus präventiven Gründen vorgenommene Alkoholbehandlung. Er habe es daher als nicht notwendig angesehen, dass er seine weitere persönliche Situation und seine Wertung der objektiven Umstände Dritten gegenüber bekannt gebe.

Ohnehin sei ihr verstorbener Ehemann aufgrund der vorgenommenen Nierenspende davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Risikobewertung durch die Beklagte ein umfassendes Gutachten über seinen Gesundheitszustand eingeholt werde. Dies entspreche auch den üblichen Versicherungsgebaren (Beweis: Sachverständigengutachten). Dies habe das Landgericht in seiner angegriffenen Entscheidung ebenfalls verkannt.

In Anbetracht der beschriebenen, besonderen Situation habe ihr Ehemann daher gegenüber dem Versicherungsmitarbeiter und der zudem anwesenden Bankangestellten, zu der aufgrund des ständigen Zusammenwirkens ein besonderes Bekanntheitsverhältnis bestanden habe, seinen Gesundheitszustand im Einzelnen nicht offenbaren müssen. Insbesondere die in diesem Zusammenhang bestandene Scham habe ein arglistiges Vorgehen ausgeschlossen. Zudem sei wegen der einzuholenden ärztlichen Auskünfte sicher davon auszugehen gewesen, dass der Beklagten die durch ihren Ehemann selbst veranlasste präventive Behandlung seiner Alkoholprobleme ebenso wie das bestehende Tourette-Syndrom mit der einhergehenden psychischen Belastung und die nicht angegebenen medikamentösen Behandlungen bekannt werden würden.

Soweit das Landgericht seine Entscheidung weiter darauf gestützt habe, dass dem Verstorbenen aufgrund der im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Antragstellung erfolgten ambulanten ärztlichen Behandlungen seine Suchtproblematik bewusst gewesen sei, sei ein entsprechender Hinweis durch die Kammer nicht erfolgt. Auch hätte ein entsprechender Schriftsatznachlass gewährt werden müssen. Tatsächlich sei der Verstorbene zu den in Rede stehenden Zeiten abstinent gewesen. Er habe an einem Tourette-Syndrom mit einhergehenden psychischen Belastungen gelitten. Bei den ambulanten Behandlungen in den Jahren 2004 und 2005 hätten aus ärztlicher Sicht keine klinischen oder laborchemischen Hinweise auf einen Rückfall in einen Alkoholkonsum nach seiner freiwilligen und engagierten Entwöhnungsbehandlung im Jahre 2002 bestanden. Zu dieser Behandlung habe er sich nur als Alkoholmissbräuchler veranlasst gesehen, um sein Krankheitsverständnis zu festigen. Die Verordnung des Medikamentes Craving Acamprosat sei gleichfalls lediglich aus präventiven Gründen des alkohol-abstinenten Ehemannes der Klägerin erfolgt (Beweis: Schreiben Dr. I vom 01.01.2006/Bl. 101; Arztbericht Dr. I vom 22.10.2002/Anlage K 8 des Schriftsatzes vom 19.05.2006; Zeugnis Dr. I).

Die Beklagte hätte auch bei Kenntnis aller Umstände der stationären und medikamentösen Behandlungen den Versicherungsvertrag ebenso wie im Hinblick auf die im Jahre 2001 erfolgte Nierenspende ohne Einschränkung angenommen. Auch dies habe das Landgericht fehlerhaft verkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 185.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.09.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, indem sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Angabe der Nierenspende in 2001 und des damit verbundenen Klinikaufenthaltes hätten in keinerlei Zusammenhang mit der Alkoholkrankheit und den anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin gestanden. Die Spende einer gesunden Niere löse auch keinerlei Nachfrage des Lebensversicherers aus, bedinge keine Einholung einer Arztauskunft und bedeute keinen Risikoausschluss oder Prämienzuschlag. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf einen zur Akte gereichten Auszug aus dem Risikoeinschätzungshandbuch ihres Rückversicherers. Danach sei bei Nierenspendern der Verlust einer Niere im Bereich der Lebensversicherung von keinerlei Auswirkungen, wenn diese länger als ein Jahr zurückliege und die verbleibende Niere normale Funktionswerte habe.

Ganz anders sähe dies bei Alkoholabhängigkeit aus. Bei bestehender, also akuter Alkoholabhängigkeit sei das Risiko im normalen Rahmen nicht versicherbar. Mithin wäre im vorliegenden Fall der Antrag des verstorbenen Ehemannes der Klägerin erledigt gewesen, ohne wenn und aber abgelehnt worden, ohne dass es auf die Rückfälle, den chronischer Leberschaden, die Persönlichkeitsveränderungen und die anderen Krankheiten außerhalb des Alkoholismus sowie seiner Folgen überhaupt noch angekommen wäre. Auch in diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf ihre bzw. die Einschätzungsgrundsätze ihres Rückversicherers.

Die unzutreffenden Angaben des Ehemannes der Klägerin zu den verschiedenen Gesundheitsfragen hätten deshalb ursächlich bewirkt, dass sie die Beklagte den Antrag wie gestellt angenommen habe, was sie indes nicht getan hätte, wenn sie wahrheitsgemäß über den Krankheitszustand des Versicherten informiert worden wäre.

Diese Information habe sich auch nicht aus der von ihr Mitte September 2004 eingeholten Auskunft des Hausarztes des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, Dr. C, ergeben. In dem ärztlichen Befundbericht Dr. C vom 16.09.2004 werde insbesondere die Alkoholabhängigkeit des Versicherungsnehmers nicht erwähnt. Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf die zur Akte gereichte Abschrift des ärztlichen Befundberichtes vom 16.09.2004 (Bl. 163).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und Q und die Klägerin persönlich angehört in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2007.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 185.000,00 € aus der Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall vom 29.09.2004. Die Beklagte ist von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag mit dem verstorbenen Ehemann der Klägerin frei geworden. Sie hat diesen gem. §§ 22 VVG; 123 Abs. 1, 124 BGB wirksam angefochten.

1.

Der Anfechtungsgrund i.S.d. §§ 22 VVG; 123 Abs. 1 BGB ergibt sich aus der arglistigen Täuschung der Beklagten durch den Versicherungsnehmer und Ehemann der Klägerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages über dessen Alkoholerkrankung.

Die arglistige Täuschung im Sinne der vorbezeichneten Vorschriften setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (vgl. BGH VersR 2005, 785 f.; OLG Hamm VersR 1990, 765 f.; OLG Koblenz, Recht und Schaden 2001, 437 und Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22, Rdn. 5 ff). Eine Beweisführung des Versicherers durch Indizien ist jedoch zulässig (vgl. Prölss/Martin, a.a.O.).

Hier gab der Versicherungsnehmer unstreitig weder seine Alkoholabhängigkeit bzw. Krankheit und die alkoholische Fettleber noch die dieserhalb stationär erfolgten Krankenhausbehandlungen in der Asklepius Fachklinik X im September/Oktober 2001 und Ende Juni bis Mitte Oktober 2002 und weiteren ambulanten Behandlungen im Versicherungsantrag vom 02.09.2004 an, obwohl danach unter Ziffer 2. und 3. der "Fragen an die zu versichernde Person" ausdrücklich und eindeutig gefragt wurde (vgl. Bl. 5 R).

Entgegen der schriftsätzlichen Behauptung der Klägerin war sich ihr verstorbener Ehemann - auch im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Antragstellung - seiner Suchtproblematik durchaus bewusst. Dabei kann als zutreffend unterstellt werden, dass er zwischen Oktober 2002 und der Antragstellung im September 2004 abstinent lebte. Die im Leistungsauszug der privaten Krankenversicherung dokumentierten und auch nicht bestrittenen ambulanten ärztlichen Behandlungen im Zusammenhang mit diagnostizierten Störungen durch Alkohol und alkoholischer Fettleber noch in den Monaten Mai, Juni, Juli und August 2004 und die (angeblich) präventiv verordneten Medikamente lassen keinen Zweifel daran, dass sich der Versicherungsnehmer seiner Krankheit sehr wohl bewusst gewesen sein muss. Dieses ergibt sich auch aus dem Arztbericht Dr. I für die Oberfinanzdirektion D vom 22.10.2002 (Anlage K 8 des Schriftsatzes vom 19.05.2006). Nach diesem Bericht stellte der verstorbene Ehemann bei seiner Aufnahme zur Entwöhnungsbehandlung wegen seiner Alkoholkrankheit in der Asklepius Fachklinik X seine Suchtentwicklung übersichtlich dar und brachte ein eindeutiges Krankheitsbekenntnis zum Ausdruck. Auch die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung durch den Senat eingeräumt, dass sie sich mit ihrem verstorbenen Ehemann über dessen Alkoholprobleme unterhalten habe und er sich dieser Problematik auch bewusst gewesen sei.

Das Argument der Klägerin, ihr verstorbener Ehemann könnte seine Alkoholabhängigkeit aus Scham bei der Antragstellung verschwiegen haben, überzeugt nicht. Zutreffend hat die Beklagte argumentiert, dass in diesem Fall eine Offenbarung unmittelbar ihr gegenüber hätte erfolgen können. Darauf wurde der Versicherungsnehmer ausdrücklich im Antragsformular hingewiesen (vgl. Bl. 5 R).

Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde auch nicht durch die angebliche Erklärung des Zeugen T (Mitarbeiter des Versicherungsmaklers T1) von der Angabe seiner Alkoholkrankheit abgehalten, dass in Anbetracht der Nierenspende keine weitere Aufnahme von Erkrankungen notwendig sei, weil ärztliche Berichte ohnehin eingeholt würden.

Der vom Senat zu diesem Beweisthema vernommene Zeuge T hat die Darstellung der Klägerin nicht bestätigt. Zwar hat er bekundet, dass er dem verstorbenen Ehemann der Klägerin wohl gesagt habe, dass wegen der angegebenen Nierenspende durch den Versicherer beim Hausarzt nachgefragt werde. Er habe ihm aber nicht erklärt, dass er deswegen weitere Krankheiten nicht anzugeben brauchte. Des weiteren hat der Zeuge ausgeschlossen, dass vom Versicherungsnehmer andere Krankheiten bzw. andere Krankenhausaufenthalte genannt worden seien. Denn diese hätte er in das Antragsformular aufgenommen.

Die Aussage des Zeugen ist plausibel und glaubhaft. Der Senat hat keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit seiner Ausführungen zu zweifeln.

Auch die bei der Antragstellung am 02.09.2004 ebenfalls anwesende Zeugin Q hat den Vortrag der Klägerin nicht bestätigt. Sie hat sich an die Einzelheiten des Gespräches zur Aufnahme des Lebensversicherungsantrages nicht mehr zu erinnern vermocht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht mithin fest, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bei der Aufnahme des Lebensversicherungsantrages am 02.09.2004 vom Zeugen T nicht abgehalten wurde, die Gesundheitsfragen zutreffend zu beantworten und insbesondere seine Alkoholabhängigkeit und die damit verbundenen längeren Krankenhausaufenthalte anzugeben. Gegen diese Darstellung der Klägerin spricht auch der Umstand, dass in dem Antragsformular (Bl. 5 R) die entsprechenden Fragen unter 2. und 7. nicht offen gelassen, sondern mit "nein" beantwortet worden sind. Die Verneinung der Fragen unter 2. und 7. im Antragsformular passt nicht zu der Behauptung der Klägerin, der Zeuge T habe die Gesundheitsfragen wegen der angegebenen Nierentransplantation offen lassen wollen.

Bei der verschwiegenen Alkoholabhängigkeit handelte es sich um eine besonders schwere und nachhaltige Erkrankung des Versicherungsnehmers. Sie hatte mit der Leber (alkoholische Fettleber) bereits ein lebenswichtiges Organ in Mitleidenschaft gezogen. Trotz zeitweiliger Abstinenz bestand die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer in alte Trinkgewohnheiten zurückfiel.

Das Verschweigen von schweren Erkrankungen oder erkennbar chronischen Erkrankungen sowie längeren Krankenhausaufenthalten spricht indiziell für die Absicht des Versicherungsnehmers durch Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einzuwirken (vgl. OLG Koblenz, Recht und Schaden 2001, 437).

Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Dem Versicherungsnehmer fehlte bei Antragstellung eine Niere, was er wahrheitsgemäß angab. Aus seiner Sicht musste die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein, dass die Beklagte bei Angabe auch der Alkoholabhängigkeit und dadurch bedingter Fettleber den Versicherungsantrag nicht oder nur unter für ihn erheblich ungünstigeren Bedingungen annehmen würde. Diese Einschätzung hat den Ehemann der Klägerin dazu veranlasst, die Alkoholabhängigkeit, die durch sie bewirkte alkoholische Fettleber und die längeren Krankenhausaufenthalte bewusst zu verschweigen, um so auf die Willensentschließung des Beklagten arglistig einzuwirken. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum der Versicherungsnehmer als promovierter Volljurist und in leitender Funktion in der Finanzverwaltung tätig hätte glauben können, er müsse die folgenlose Nierenspende angeben, seine Alkoholabhängigkeit mit der chronischen Lebererkrankung, wegen der er schon zweimal stationär (zuletzt mit einer Entziehungskur von 3,5 Monaten Dauer) behandelt worden war, dagegen nicht.

2.

Die arglistige Täuschung durch den verstorbenen Ehemann der Klägerin war für die Willenserklärung des Beklagten also die Annahme des Versicherungsantrages im September 2004 gem. § 123 Abs. 1 BGB auch kausal geworden.

Der Beklagte hat die Ursächlichkeit zwischen arglistiger Täuschung und Annahme des Versicherungsantrages in seiner Berufungserwiderung unter Hinweis und Vorlage der Risikoeinschätzungsgrundsätze seines Rückversicherers im Einzelnen dargelegt und nachgewiesen.

Das pauschale Bestreiten der Klägerin in ihrer Replik vom 08.08.2007 auf die Berufungserwiderung ist dagegen unerheblich.

Die Klägerin vermag eine Kausalität zwischen Täuschung und Annahme des Versicherungsantrages auch nicht mit dem Argument auszuhebeln, der Beklagte habe mit Schreiben vom 13.09.2004 eine umfassende Auskunft von dem Hausarzt ihres verstorbenen Ehemannes Dr. C erhalten und daher um den Gesundheitszustand, insbesondere die Alkoholabhängigkeit, des Versicherungsnehmers vor vertagsabschluss gewusst. Ausweislich des in Fotokopie zur Akte gereichten ärztlichen Befundberichtes Dr. C vom 16.09.2004 sind die hier in Rede stehenden, verschwiegenen Krankheiten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin (Alkoholabhängigkeit, Fettleber) und dadurch bedingte ambulante und/oder stationäre Behandlungen nicht angegeben worden. Ob der Hausarzt des Verstorbenen seinerzeit mit diesem kollusiv zusammenwirkte, um den Beklagten zu täuschen, kann an dieser Stelle dahinstehen. Jedenfalls ergab sich aus dem ärztlichen Befundbericht vom 16.09.2004 Dr. C keine zutreffende Aufklärung des Beklagten über den Gesundheitszustand ihres Versicherungsnehmers.

3.

Die Beklagte hat die Anfechtung des Versicherungsvertrages mit Schreiben vom 23.09.2005 (Bl. 6 f.) gegenüber der Klägerin als Bezugsberechtigte erklärt, § 6 Abs. 7 AVB.

Die Anfechtung erfolgte fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB. Es ergeben sich für eine verfristete Anfechtungserklärung der Beklagten keine Anhaltspunkte. Die Darlegungs- und Beweislast für alle Voraussetzungen des Erlöschens des Anfechtungsrechts trägt der Anfechtungsgegner, hier also die Klägerin. Sie muss daher auch beweisen, wann die Beklagte als Anfechtungsberechtigte von der arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH NJW 1992, 2346 und Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., § 124 BGB, Rdn. 5). Der Hinweis der Klägerin auf den ärztlichen Befundbericht Dr. C vom 16.09.2004 hilft ihr in diesem Zusammenhang nicht weiter. Aus diesem Bericht war für den Beklagten die arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer nicht zu erkennen (auf die obigen Ausführungen wird verwiesen).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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