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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 20 U 29/01
Rechtsgebiete: VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 16 Abs. 2
VVG § 20
VVG § 21
VVG § 22
BGB § 123
BGB § 142
ZPO § 97
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Ziffer 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 29/01 OLG Hamm

Verkündet am 12. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen, das am 17. November 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

- abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO -

I.

Der Kläger verlangt mit der Klage Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die er bei der Beklagten auf der Grundlage seines Antrags vom 06.05.1998 in Verbindung mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung und mit dem aus dem Versicherungsschein vom 27.05.1998 (Blatt 81 der Akte) ersichtlichen Inhalt abgeschlossen hat. In dem Antragsformular, das vom Kläger unterzeichnet und von dem Agenten K. der Beklagten ausgefüllt worden ist und wegen dessen Inhalts auf Blatt 79f der Akte verwiesen wird, sind die zur Gesundheitsprüfung gestellten Fragen mit Ausnahme der Frage Nummer 1 verneint. Die Frage Nummer 1: "Sind Sie in den letzten 5 Jahren von Ärzten oder anderen Behandlern untersucht, beraten oder behandelt worden, oder wurde Ihnen eine Behandlung angeraten?" ist bejaht und die für diesen Fall ergänzende Frage "Routineuntersuchung ohne krankhaften Befund" ebenfalls bejaht und die Alternative "sonstige Angaben unter 6" nicht ausgefüllt worden. Unstreitig litt der Kläger, der den Beruf eines Metzgers erlernt hat und zuletzt in einem Schlachthof als Ausbeiner/Zerleger im Akkord beschäftigt war, aber seit 1996 an einer Arthrose in der linken Hand, und zwar vornehmlich in den Fingergelenken. An der rechten Hand war er 1986 wegen eines Karpaltunnelsyndroms operiert worden.

Er war in der Zeit vom 04.09. bis 16.09.1996, 21.01. bis 14.03.1997, 08. bis 21.07.1997, 24.11. bis 15.12.1997, 20.01. bis 08.02.1998 und zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits seit dem 17.04.1998 jedenfalls wegen der Beschwerden im Bereich der linken Hand arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit 1992 war er bei dem Orthopäden Dr. D. in ambulanter Behandlung, und zwar seit September 1996 unter anderem wegen Schmerzen in der linken Hand und Arthrose der Fingergrundgelenke dieser Hand.

Bereits unter dem 26. November 1997 hatte er bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur berufsfördernden Rehabilitation gestellt und war in diesem Zusammenhang vom Arbeitsamt Herford mit Schreiben vom 24. März 1998 zu einer "Gruppeninformation" eingeladen worden, die am 28. April 1998 stattfinden sollte.

Im November 1999 meldete der Kläger der Beklagten den Eintritt seiner Berufsunfähigkeit und gab an, er könne seine Tätigkeit als Fleischer wegen "Arthrose der linken und rechten Hand" nicht mehr ausüben. Auf dem ihm übersandten "Fragebogen an die versicherte Person zur Prüfung der Berufsunfähigkeit" gab er als Beginn der Erkrankung "1997" und bezüglich des Beginns der Arbeitsunfähigkeit "1998" an. Nach Eingang des Fragebogens am 04.12.1999 erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.1999 (Blatt 5f der Akte) und erneut nach Erhalt des an den behandelnden Arzt Dr. D. gerichteten Fragebogens am 30.12.1999 (Blatt 64ff. der Akte) mit Schreiben vom 27. Januar 2000 (Blatt. 7f der Akte) den Rücktritt vom Vertrag über die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sowie im Verlaufe dieses Rechtsstreits mit Schriftsatz vom ... September 2000 (Blatt 99 der Akte) die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Der Kläger hat behauptet, er sei seit November 1999 berufsunfähig, da die Arthrose der Finger insbesondere der Fingergrundgelenke stark zugenommen habe. Er hält den von der Beklagten erklärten Rücktritt und die Anfechtung des Zusatzvertrages nicht für gerechtfertigt und hat behauptet, er habe bei Abschluß des Versicherungsvertrages den Agenten Küster der Beklagten die Arthritis in der linken Hand sowie eine beginnende Arthrose der Fingergelenke und die Behandlung bei Dr. D. geschildert. Der Agent K. habe jedoch erklärt, das brauche nicht in den Antrag aufgenommen zu werden, da er, der Kläger, "schließlich keine Schmerzen habe".

Der Kläger hat mit der Klage die Zahlung der für den Fall seiner Berufsunfähigkeit zugesagten Rente in Höhe von monatlich 784,00 DM für die Zeit ab Dezember 1999 verlangt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihn von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die abgeschlossene Zusatzversicherung zu befreien habe.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen G. K. und C. G. die Klage abgewiesen und den Rücktritt der Beklagten vom Vertrag betreffend die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für gerechtfertigt gehalten, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, daß der Kläger den Versicherungsvertreter der Beklagten jedenfalls nicht in vollem Umfang auf seine bestehenden Vorerkrankungen hingewiesen habe. Er habe vielmehr arglistig gehandelt, da er gewußt und gebilligt habe, daß der Agent K. der Beklagten erhebliche Umstände bei der Weiterleitung des Antrags nicht mitteilen werde, um den Versicherer zur Vertragsannahme zu bewegen.

II.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers ist nicht begründet.

1.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte trotz des gemäß den §§ 16 Abs. 2, 20 VVG erklärten Rücktritts von dem die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung betreffenden Vertrag gemäß § 21 VVG verpflichtet ist, die für die Zeit ab Dezember 1999 beantragten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu erbringen, weil die verschwiegenen Vorerkrankungen des Klägers keinen Einfluß auf den behaupteten Eintritt seiner Berufsunfähigkeit im November 1999 gehabt haben, wie der Kläger in der Berufungsbegründung behauptet. Die Beklagte ist nämlich schon deshalb nicht zur Leistung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verpflichtet, weil dieser Vertrag auf Grund der von der Beklagten gemäß den §§ 22 VVG, 123 BGB fristgerecht erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 142 BGB nichtig ist.

2.

Der Senat ist auf Grund der eigenen Angaben des Klägers in Verbindung mit dem unstreitigen Sachvortrag und dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, daß der Kläger die Beklagte bei Aufnahme des Antrags vom 06. Mai 1998 zum Abschluß der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung über die unstreitig bestehenden Vorerkrankungen arglistig getäuscht hat.

Der Kläger hat in dem von ihm am 06.05.1998 unterzeichneten Versicherungsantrag unzutreffende und unvollständige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht:

Er hat die Frage Nummer 2 "Bestehen oder bestanden Krankheiten oder Beschwerden oder Vergiftungen (z. B. ... der Wirbelsäule, der Knochen, der Gelenke, der Muskulatur oder des übrigen Bewegungsapparates, ...)?" verneint und damit eindeutig falsch beantwortet; denn er war vom 28.09.1992 bis 26.10.1992 wegen eines Karpaltunnelsyndroms links und seit dem 04.09.1996 fortlaufend wegen Arthritis der Fingergelenke und beginnender Polyarthrose der Fingergelenke bei dem Orthopäden Dr. D. in Behandlung. Dies ergibt sich aus dessen Antworten auf die Fragen in dem "Fragebogen an den Arzt zur Prüfung der Berufsunfähigkeit", den Dr. D. am 27.12.1999 ausgefüllt und an die Beklagte zurückgesandt hat und auf dessen Einzelheiten auf Blatt 64ff. der Akte verwiesen wird. Wie den Antworten des Arztes auf die Fragen Nr. 2 "Welche Beschwerden gab die versicherte Person zu Beginn der Behandlung an" und Nr. 4 "Wann traten nach Auskunft der versicherten Person diese Beschwerden erstmals auf zu entnehmen ist, hat sich der Kläger bei dem Orthopäden am 28.09.1992 und am 04.09.1996 wegen Schmerzen im linken Handgelenk bzw. in der linken Hand vorgestellt und am 04.09.1996 darüber geklagt, daß er die Finger nicht beugen könne. Wegen der Beschwerden in den Fingergelenken ist der Kläger seit 1996 fortlaufend bis zum Sommer 1999 von Dr. D. behandelt worden, der auch eine weitere ambulante Untersuchung im März 1997 in der Rheumathologie des Klinikums Minden veranlaßt hat. Der Kläger selbst hat schließlich auch in dem "Fragebogen an die versicherte Person zur Prüfung der Berufsunfähigkeit", den er am 02.12.1999 unterzeichnet hat, auf die Frage "Wegen welcher Erkrankungen bzw. Verletzungen halten Sie sich für berufsunfähig" angegeben "Arthrose der linken und rechten Hand" und auf die weitere Frage "Seit wann bestehen diese Erkrankungen oder Verletzungen" eingetragen "1997". Er hat damit selbst eingeräumt, zum Zeitpunkt der Beantragung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an Beschwerden gelitten zu haben, wie sie in der Frage Nummer 2 beispielhaft aufgeführt sind.

Der Kläger hat auch die Frage Nummer; 1 "Sind Sie in den letzten fünf Jahren von Ärzten oder anderen Behandlern untersucht, beraten oder behandelt worden, oder wurde Ihnen eine Behandlung angeraten" falsch beantwortet. Er hat zwar die Frage bejaht, die darauffolgende Frage "Routineuntersuchung ohne krankhaften Befund" aber ebenfalls bejaht und nicht, wie es richtig gewesen wäre und die alternative Fragestellung unter Ziffer 1 im Fragebogen vorsieht, weitere Angaben über Art und Verlauf der Erkrankung gemacht. Daß anläßlich der Behandlung durch den Orthopäden Dr. Drews ein krankhafter Befund, nämlich Arthritis der Fingergelenke bzw. beginnende Polyarthrose der Fingergelenke festgestellt worden war, war dem Kläger seit September 1996 bekannt, wie dem Bericht des Dr. D. vom 27.12.1999 zu entnehmen ist (Blatt 65 der Akten dort unter Ziffer 6).

Diese jedenfalls seit 1996 fortlaufend bestehenden und behandelten Beschwerden hat der Kläger der Beklagten arglistig verschwiegen.

Soweit er schriftsätzlich vorgetragen und sowohl bei seiner Anhörung vor dem Landgericht als auch vor dem Senat erklärt hat, er habe dem Agenten K. aber bei Antragstellung "alles erzählt" und unter anderem gesagt, daß er an der linken Hand eine Arthrose habe und krankgeschrieben sei, sowie im Jahr 1986 an der rechten Hand wegen eines Karpaltunnelsyndroms operiert worden sei, kann die Richtigkeit seiner Behauptung dahinstehen. Der Kläger wußte nämlich, daß der Beklagten diese Vorerkrankung und die bestehenden Beschwerden verschwiegen werden sollten. Er hat vor dem Senat eingeräumt, daß er das Formular noch einmal durchgesehen habe, nachdem der Agent K. den Antrag ausgefüllt hatte, und dabei bemerkt habe, daß der Agent die von ihm gemachten Angaben nicht eingetragen hatte. Der Kläger wußte also, daß die zur Gesundheitsprüfung gestellten Prüfung unrichtig und unvollständig von dem Agenten Küster beantwortet waren. Gleichwohl hat er den Antrag unterzeichnet und mit seiner Unterschriftsleistung gebilligt, daß die Vorerkrankung und die bestehenden Beschwerden im Antragsformular unerwähnt geblieben sind. Das hat zur Folge, daß sich der Kläger im Verhältnis zu der Beklagten auf die Kenntnis des Agenten K. nicht berufen kann.

Soweit der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach einer kurzen Unterbrechung der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sein Mandant habe ihm auf dem Gerichtsflur gesagt, er sei bei Antragstellung davon ausgegangen, daß der Agent seine Angaben weitergeben werde, wahrscheinlich habe er das vergessen, weil er viele Antragsaufnahmen durchführe, und der Kläger dies bestätigt hat, ist diese neuerliche Behauptung des Klägers widerlegt. Der Kläger hat nämlich zuvor bei seiner Anhörung angegeben, der Agent K. habe ihm gesagt, das, was er ihm über Vorerkrankung und Beschwerden gesagt habe, "sei nicht wichtig". Dementsprechend hat der Kläger auch vor dem Landgericht erklärt, der Agent K. habe ihm nach Schilderung seiner Krankheiten gesagt "das brauchen wir nicht einzutragen". Dem entspricht auch der Vortrag des Klägers in der Klageschrift, wo es im Zusammenhang mit der Offenbarung der Arthritis in der linken Hand und einer beginnenden Arthrose der Fingergelenke gegenüber dem Agenten K. heißt "der Versicherungsvertreter erklärte daraufhin, diese Erklärung brauche man nicht in den Antrag aufzuführen, da er, der Kläger, schließlich keine Schmerzen habe" (Blatt 2 der Akte). Der Kläger wußte daher, daß der Agent das, was er nicht für "wichtig" hielt und bewußt nicht in den Antrag aufgenommen hatte, auch nicht "nachtragen" wollte.

Daß es sich bei den Beschwerden des Klägers im Handgelenk und in den Fingergelenken um eine schwere und für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung relevante Erkrankung handelt, liegt auf der Hand und war dem Kläger selbst auch bewußt. Schließlich war er in der Vergangenheit wiederholt und nicht nur kurzzeitig wegen dieser Beschwerden arbeitsunfähig krankgeschrieben worden und konnte auch zur Zeit der Antragstellung im Mai bereits seit mehreren Wochen wiederum seiner Tätigkeit als Fleischer in einem Schlachthof nicht nachgehen. Er hatte bereits im Herbst 1997 bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen einen Antrag auf Leistungen zur berufsfördernden Rehabilitation gestellt und nur wenige Tage vor Unterzeichnung des Antrags bei der Beklagten am 28. April 1998 an einer Gruppeninformation über Fragen der beruflichen Rehabilitation beim Arbeitsamt Herford teilgenommen. Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Kläger selbst eingeräumt, daß er "eigentlich nicht gedacht" habe, daß seine Angaben zu den Handbeschwerden unwichtig seien. Er hat dies auch dem Zeugen K. nicht geglaubt, sondern angenommen, "der Agent wolle eine Versicherung verkaufen". Davon ist auch die Ehefrau des Klägers ausgegangen, wie ihren Angaben anläßlich ihrer Vernehmung vor dem Landgericht zu entnehmen ist. Der Kläger wußte mithin, daß der Zeuge K. aus eigenem Verkaufsinteresse die Vorerkrankung und Beschwerden des Klägers nicht in den Versicherungsvertrag aufgenommen hatte. Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, daß der Kläger selbst schließlich auch das Risiko einer Ablehnung seines Antrags oder eines Risikoausschlusses bezüglich seiner Beschwerden erkannt hat, denn diese Beschwerden hatten bereits in der Vergangenheit lange Arbeitsunfähigkeitszeiten ausgelöst und hinderten den Kläger auch zum Zeitpunkt der Antragstellung an der Ausübung seiner Berufstätigkeit. Der Kläger hat in Kenntnis dieser gesamten Umstände seine Beschwerden und deren Behandlung, durch den Orthopäden Dr. D. bewußt verschwiegen und damit arglistig gehandelt.

Die Berufung des Klägers ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 10, 711 und 713 ZPO. Die Beschwer des Klägers betragt 46.354,00 DM.



Ende der Entscheidung

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