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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.08.2001
Aktenzeichen: 20 U 36/01
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 49
VVG § 43 Nr. 1
VVG § 5 Abs. 2
AKB § 12 Nr. 1 I lit. b
ZPO § 92
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 36/01 OLG Hamm

Verkündet am 29.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg sowie die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. Januar 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die C GmbH, E Straße , M , zu dem Leasing-Vertrag 81.11242.8.01 23.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Januar 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 13 % dem Kläger und zu 87 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Teilkaskoversicherung auf Zahlung einer Entwendungsentschädigung für das versicherte Leasingfahrzeug vom Typ Honda Accord (Erstzulassung am 01.09.1994) in Anspruch.

Er behauptet, er habe den Wagen am späten Abend des 29.06.1997 auf dem Parkplatz hinter dem Bistro "D in I A abgestellt und ihn am nächsten Morgen gegen 10.30 Uhr am Abstellort nicht mehr vorgefunden.

Der Beklagte bestreitet den Diebstahl.

Außerdem rügt er die Aktivlegitimation des Klägers, weil der Versicherungsvertrag nicht mit ihm, sondern mit dem bereits vor längerer Zeit verstorbenen Herrn W D zustandegekommen sei. Im Zusammenwirken mit dem Agenten F habe der Kläger sich den Schadenfreiheitsrabatt des Zeugen D erschlichen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Beklagte ist ihm gemäß §§ 1, 49 VVG; 12 Nr. 1 I lit. b AKB zur Zahlung einer Entschädigung in der ausgeurteilten Höhe verpflichtet.

1.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs zugunsten der Leasinggeberin, aktivlegitimiert.

a)

Die hier in Rede stehende Teilkaskoversicherung ist eine Fremdversicherung zugunsten der Leasinggeberin. Dieser hat der Beklagte auch einen Sicherungsschein erteilt, durch den sie als Versicherte selbst u.a. die Verfügungsbefugnis über Versicherungsansprüche erlangte.

Unwidersprochen hat der Kläger vorgetragen, ausweislich Ziffer 7 der Leasingbedingungen sei er berechtigt, im eigenen Namen und auf eigene Kosten etwaige Ansprüche aus Schadenfällen geltend zu machen. Deshalb sei er auch befugt, den Beklagten im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft auf Entschädigungsleistung an die Leasinggesellschaft gerichtlich in Anspruch zu nehmen.

Das ist zutreffend und vom Beklagten im Senatstermin auch nicht in Abrede gestellt worden. Daß der Kläger - zumindest als Leasingnehmer - ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs gegen den Beklagten hat, bedarf keiner näheren Begründung.

b)

Im übrigen wendet der Beklagte sich auch zu Unrecht gegen die VN-Stellung des Klägers.

Den für das gestohlene Fahrzeug ausgestellten Versicherungsschein hat der Beklagte vorgelegt. Diese Police datiert vom 26.10.1994 und gewährt Versicherungsschutz ab 23.09.1994.

Zwar ist darin als VN Herr W D wohnhaft unter der Adresse des Klägers, ausgewiesen. Dies ist indes unrichtig. Versicherungsnehmer ist der Kläger. Bei Beantragung des Versicherungsschutzes am 23.09.1994 war dem Agenten F des Beklagten nämlich klar, daß VN ausschließlich der Kläger sein sollte und wollte. Das hat F als Zeuge in beiden Instanzen eingeräumt. Herr W D spielte lediglich insoweit eine Rolle, als der Kläger dessen Schadenfreiheitsrabatt zwecks günstigerer Beitragsgestaltung in Anspruch nehmen sollte. Das vertragstechnische Ziel - Versicherungsnehmerstellung des Klägers unter Ausnutzung des Schadenfreiheitsrabattes des Herrn D - glaubte der Agent F durch das von ihm ausgefüllte Formular "Fahrzeugwechsel" (Bl. 64 d.A.) ausreichend und verständlich zum Ausdruck gebracht zu haben. Er habe - so der Zeuge F vor dem Landgericht - das Formular so ausgefüllt, wie es bei einer "Versicherung mit Halterabweichung" üblich sei. Als VN hat er in das Formular eingetragen: "Herr P B D außerdem ist der Eintrag "Halterabweichung" erfolgt. Unterschrieben hat dieses Formular ausschließlich der Kläger als "Antragsteller". Damit war der an den nach § 43 Nr. 1 VVG empfangsbevollmächtigten Agenten gerichtete Antrag des Klägers darauf ausgerichtet, daß er VN des beabsichtigten Vertrages sein sollte.

Indem der Beklagte Herrn D als VN in die Police eintrug, nahm er eine Abweichung vom Antrag vor, die mangels Einhaltung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG unbeachtlich ist (§ 5 Abs. 3 VVG). Demnach ist der Kläger als VN anzusehen.

Die vom Beklagten behauptete Unredlichkeit des Agenten, möglicherweise gar einer Kollusion zwischen F und dem Kläger hinsichtlich der Erlangung des D 'schen Schadenfreiheitsrabattes, ist unerheblich. Zum einen kann der Beklagte nicht beweisen, daß dem Kläger bekannt war, daß der von F vorgeschlagene und gewählte Weg der Rabattübertragung unzulässig, insbesondere D bereits jahrelang tot war. Unstreitig sehen die seinerseits gültigen Tarifbestimmungen des Beklagten die Rabattübertragung auf eine andere Person vor. Ausgeschlossen ist nur die Anrechnung der Schadenfreiheit aus dem Vertrag eines verstorbenen Dritten, wenn der Tod zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Anrechnung länger als 12 Monate zurückliegt. Der Zeuge F hat bestätigt, daß der Kläger vom Tod des Herrn D nichts gewußt habe. Soweit der Beklagte erstmals im Senatstermin vorgetragen hat, der Kläger habe sich gegenüber einem Mitarbeiter des Versicherers anders geäußert, ist dieses Vorbringen verspätet und deshalb unbeachtlich. Im übrigen würde selbst eine Kenntnis des Klägers von der Unzulässigkeit der Rabattübertragung seine VN-Eigenschaft nicht berühren. Bei unrichtigen Angaben des VN im Falle der Nr. 28 der Tarifbestimmungen hat der Versicherer nämlich ausschließlich das Recht, einen erhöhten Beitrag zu verlangen (Nr. 20 Abs. 2 der Tarifbestimmungen - Bl. 60 d.A.).

2.

Das äußere Bild der vom Kläger behaupteten Fahrzeugentwendung steht zur Überzeugung des Senats fest.

Das vom Zeugen P vor dem Landgericht bestätigte Abstellen des Wagens durch den Kläger am späten Abend des 29.06.1997 auf dem Parkplatz hinter dem Bistro "D in I A " ist im Senatstermin unstreitig geworden.

Der Zeuge W hat vor dem Senat das Nichtwiederauffinden des Pkw Honda am Morgen des 30.06.1997 bestätigt. Er ist der Taxifahrer, der den Kläger zur genannten Zeit zum Abstellort und - nach Entdecken des Diebstahls - zur Polizei gefahren hat. Die auf den ersten Blick ungewöhnlich späte Benennung des Zeugen hat der Kläger plausibel erklärt. Bereits in der "Schadenanzeige Kraftfahrt-Kasko" vom 18.07.1997 hat er auf die Frage: "Waren bei der Feststellung des Diebstahls Personen zugegen, die Angaben machen können?" angegeben: "Taxifahrer". Der Agent F , der diesen Eintrag ins Formular geschrieben hat, hat bekundet, den Kläger nach dem Namen des Taxifahrers nicht gefragt zu haben. Deshalb hat der Kläger erst nach dem klageabweisenden landgerichtlichen Urteil Veranlassung gesehen, den Taxifahrer W als Zeugen für das Nichtwiederauffinden des versicherten Fahrzeugs zu benennen.

3.

Hinreichende Tatsachen, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls nahelegen können, sind nicht gegeben. Das Landgericht hat insoweit die Gewichtung der Indizien verkannt.

- Widersprüchliche Angaben des Klägers zum Abstellort des Fahrzeuges am Abend des 29.06.1997 gibt es nicht.

Der in der Schadenanzeige vom 11.07.1997 vom Agenten F erfolgte Eintrag zum Schadenort ("Bahnhof I ") war sachlich nicht falsch. Wie im landgerichtlichen Urteil ausgeführt und von den Parteien nicht in Abrede gestellt, befindet sich das Anwesen A in der Nähe des I Bahnhofs; die Straße "A " mündet auf den Bahnhofsvorplatz.

Ebensowenig falsch ist die Ortsangabe "I Altstadt" in der Klageschrift.

- Daß der Kläger - wie das Landgericht meint - sich als unzuverlässig im Zusammenhang mit dem Erwerb des Schadenfreiheitsrabattes des Herrn D erwiesen hat, ist unrichtig. Die rechtliche Möglichkeit der Anrechnung des Schadenfreiheitsrabattes eines Dritten bestand. Daß Herr D schon längere Zeit tot war, war dem Kläger - so jedenfalls seine vom Zeugen bestätigte unwiderlegte Behauptung - unbekannt. Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem Agenten fehlt jeglicher Nachweis. Es macht den Kläger weder unredlich noch unglaubwürdig, daß er F Ratschlag gefolgt ist und dessen diesbezügliche Angaben im Formular "Fahrzeugwechsel" nicht beanstandet hat.

Abgesehen davon würde das Erstreben eines möglicherweise ungerechtfertigten Beitragsvorteils ohnehin nicht ohne weiteres die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles begründen.

4.

Der Höhe nach ist die Klage im Senatstermin unstreitig geworden. Die Parteien haben sich auf einen Widerbeschaffungswert für das versicherte Fahrzeug von 23.500,00 DM netto zum Diebstahlszeitpunkt geeinigt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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