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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2000
Aktenzeichen: 20 U 53/00
Rechtsgebiete: AUB 88, ZPO


Vorschriften:

AUB 88 § 7 I Abs. 1 Satz 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 53/00 OLG Hamm 15 O 406/99 LG Münster

Verkündet am 30. August 2000

Spilker, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Januar 2000 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hölle leistet.

Die Sicherheitsleistung kann von beiden Parteien durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten als mitversicherte Person aus einer von seiner Ehefrau genommenen Unfallversicherung - vereinbart sind die AUB 88 - auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung von 86.100,00 DM in Anspruch.

Er hat behauptet, aufgrund eines Arbeitsunfalls (Leitersturz) vom 29.07.1996 zu 70 % invalide zu sein.

Der Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Er hat sich auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung im Sinne des § 7 I Abs. 1 Satz 3 AUB 88 berufen und überdies einen unfallbedingten Invaliditätseintritt sowie den behaupteten Invaliditätsgrad bestritten.

Durch das angefochtene Urteil, auf das verwiesen wird (Bl. 63 ff d. A.), hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine bedingungsgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung liege nicht vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zum fristgerechten Eintritt einer bedingungsgemäßen Invalidität von mindestens 70 % (1/1 Armwert): Sein linker Arm sei vollständig gebrauchsunfähig. Bewegungen dieses Arms, die ohnehin nur erheblich eingeschränkt möglich seien, könnten nur unter Schmerzen ausgeführt werden. Deshalb sei er gezwungen gewesen, seinen Beruf als Maler und Lackierer aufzugeben.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 86.100,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtenen Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Berufung überhaupt zulässig ist, weil die Berufungsbegründung auf die tragenden Gründe der landgerichtlichen Entscheidung - Fehlen einer bedingungsgemäßen ärztlichen Feststellung im Sinne des § 7 I Abs. 1 Satz 3 AUB 88 - nicht eingeht. Trotz Hinweises des Senats ist hierzu auch im Senatstermin nicht ergänzend vorgetragen worden.

II.

Jedenfalls ist das Rechtsmittel unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil eine fristgerechte ärztliche Feststellung eines unfallbedingten Invaliditätseintritts vom Kläger nicht vorgelegt worden ist.

1)

Die innerhalb der 15-Monats-Frist erstellten ärztlichen Äußerungen sind nicht ausreichend.

- Der Durchgangsarztbericht Dr. vom 29.07.1996 (Bl. 50 d. A.) enthält die Diagnose einer unfallbedingten leichten Schulterzerrung sowie Ellenbogenprellung links. Ein Dauerschaden wird darin nicht attestiert.

- Der Arztbrief des Klinikums M (Chirurg Prof. Dr. E vom 16.07.1997 (Bl. 51 f) enthält ebenfalls keine Invaliditätsfeststellung. Außerdem fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß die diagnostizierten körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers auf den Unfall vom 29.07.1996 zurückzuführen sind.

Mit Schreiben vom 07.10.1997 an die Anwälte des Klägers (Bl. 31) hat Prof. Dr. ausdrücklich darauf hingewiesen, nach Aktenlage sowie aufgrund der bisher durchgeführten Untersuchungen des Klägers sei eine eindeutige Aussage hinsichtlich des Ursachensammenhangs zwischen dem erlittenen Arbeitsunfall und dem gegenwärtigen Krankheitsbild in der gewünschten Form nicht möglich.

2)

Dem Beklagten ist es auch nach Treu fand Glauben oder aus anderen Rechtsgründen flicht verwehrt, sich auf das formale Hindernis des Fehlens einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung zu berufen.

Der Kläger ist in vorbildlicher Weise auf das Fristenerfordernis des § 7 1 Abs. 1 Satz 3 AUB 88 hingewiesen worden (vgl. Bl. 21, 23 f und 28 d. A.). Trotz mehrfach eingeräumter Fristverlängerungen - zuletzt bis zum 15.12.7.997 - ist es dem Kläger nicht gelungen, eine bedingungsgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung zu bekommen. Da die Einhaltung der Frist eine objektive Anspruchsvoraussetzung ist (BGH VersR 1988, 286; 1998, 175), kommt es nicht darauf an, ob ihn an der Fristversäumnis ein Verschulden trifft. Die Frist gilt auch dann, wenn die ärztliche Feststellung fristgerecht deshalb nicht erfolgen konnte, weil die Unfallfolgen nicht übersehbar waren.

Dass der Beklagte trotz fehlender ärztlicher Invaliditätsfeststellung nach Fristablauf eine chirurgische Begutachtung durch Dr. B (Bl. 34 ff d. A.) veranlaßt hat, verbietet ihm nicht, nach dem für den Kläger negativen Gutachtenergebnis im Deckungsrechtsstreit (auch) Fristversäumnis geltend zu machen. Eine vom Unfallversicherer vorgenommene Kulanzprüfung darf ihm nicht zum Nachteil gereichen (Senat r+s 1997, 130; OLG Düsseldorf r+s 1997, 129; 1999, 524; NVersZ 1999, 478; OLG Karlsruhe VersR 1998, 882; OLG Frankfurt VersR 1996, 618).

Im übrigen kann ein Vertrauenstatbestand dergestalt, daß der Beklagte von einer Rüge der Fristversäumnis absehen werde, beim Kläger ohnehin nicht entstanden sein. Aufgrund des Schreibens des Versicherers vom 05.01.1998 (Bl. 32) mußte dem Kläger unmißverständlich klar sein, daß der Beklagte von einem Anspruchsverlust durch Fristversäumnis ausging und sich lediglich "ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung" zur Einholung des Gutachtens bereit fand.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Beschwer des Klägers beträgt 86.700,00 DM.



Ende der Entscheidung

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