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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: 20 U 53/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

§ 101 ZPO
Leitsatz:

1)

§ 101 ZPO gilt auch dann, wenn ein Prozeß durch gerichtlichen Vergleich - auch ohne Mitwirkung des Nebenintervenienten - beendet wird.

2)

Die Prozeßparteien können diesen Kostenerstattungsanspruch nicht beschneiden.

3)

Eine Beitrittserklärung kann nicht bedingt erfolgen. Das ist der Fall, wenn bei Abschluß eines Widerrufsvergleichs vorläufig teilweise der bisherigen Gegenpartei beigetreten wird.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

20 U 53/99 OLG Hamm 16 O 30/98 LG Essen

Hamm, 19. Juli 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen:

Tenor:

Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden zu 7/8 der Klägerin auferlegt. Seine übrigen Kosten trägt der Streithelfer selbst.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat von der Beklagten aus einer Teilkaskoversicherung Zahlung von 353.345,00 DM begehrt. Durch das landgerichtliche Urteil ist der Klage - unter Zurückweisung im übrigen in Höhe von 9.745,12 DM - stattgegeben worden.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin die Zahlung weiterer 353.599,88 DM verlangt. Mit Schriftsatz vom 26.04.1999 hat sie dem Streithelfer der Streit verkündet. Dieser ist mit Schriftsatz vom 31.05.1999 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2000 hat der Streithelfer zunächst beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Nach Bekanntgabe eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags hat er erklärt, er trete nunmehr vorläufig dem Rechtsstreit zu 12,5 % auf Seiten der Klägerin bei; im übrigen verbleibe es bei der bisherigen Erklärung. Sodann schlossen die Parteien den ihnen vorgeschlagenen Vergleich, durch den sich die Beklagte verpflichtete, über die landgerichtliche Urteilssumme hinaus weitere 50.000,00 DM an die Klägerin zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs sind in diesem Vergleich wie folgt geregelt worden: Die Klägerin übernahm 7/8 und die Beklagte 1/8 dieser Kosten. Die Kosten des Streithelfers sollte dieser selbst tragen. Nach Ablauf der beiden Parteien eingeräumten Widerrufsfrist ist der Vergleich wirksam geworden.

II.

Der Antrag des Streithelfers, die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu 87,5 % der Klägerin und zu 12 %b der Beklagten aufzuerlegen, ist nur hinsichtlich der auf die Klägerin entfallenden Quote begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, sich an den Kosten der Nebenintervention zu beteiligen.

Der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers ergibt sich aus § 101 Abs. 1 ZPO. Danach sind die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten dem Gegner der unterstützen Hauptpartei in dem Verhältnis aufzuerlegen, in dem er nach Maßgabe der §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, hat der Streithelfer die Kosten selbst zu tragen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, den Streithelfer hinsichtlich der ihm entstandenen Kosten grundsätzlich genauso zu behandeln wie die von ihm unterstützte Hauptpartei gegenüber der gegnerischen Partei (BGH NJW 1967, 983; OLG Köln NJW-RR 1995, 1215). Diese kostenmäßige Gleichstellung des Streithelfers mit der vom ihm unterstützten Partei (sog. Grundsatz der Kostenparallelität) gilt nach h.M auch für den Fall, daß die Parteien einen Vergleich ohne Mitwirkung des Streithelfers abschließen (Senat AnWBl. 1985, 587; OLG Hamm 26. ZS MDR 1990, 252; OLG München OLGZ 1992, 326; MDR 1998, 989; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rn 4; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 106 Rn. 6/10; Bork in Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 101 Rn. 7; Schneider MDR 1983, 801). Die in § 101 Abs. 1 ZPO enthaltene Verweisung auf § 98 ZPO ist so zu verstehen, daß "nicht nur im Fall des Eingreifens dieser Regel, sondern überhaupt, wenn im Vergleichswege der Gegner der Hauptpartei die Kosten des Rechtsstreits ganz oder teilweise übernimmt, diese Regelung auch zu Gunsten des Nebenintervenienten gelten soll" (BGH NJW 1961, 460, 461). Dementsprechend geht auch eine vergleichsweise getroffene Kostenregelung der gesetzlich vorgesehenen Kostenverteilung in Form der Kostenaufhebung vor. Die Verteilung der Nebeninterventionskosten zwischen dein Streithelfer und der Gegenpartei entspricht dann stets der Quote, die die Parteien in dein ohne Mitwirkung des Streithelfers geschlossenen Vergleich für die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits vereinbart haben (Senat AnwBl. 1985, 581 m.w.N.; Zöller/Herget a.a.O. § 101 Rn. 10 m.w.N.; Belz in Münchener Kommentar zur ZPO § 101 Rn 29 m.w.N.; Bork in Stein-Jonas a.a.O. 107 Rn. 7; Schneider a.a.O.).

Für die Entscheidung über die Kosten der Streithilfe ist selbst dann der Inhalt des ohne Mitwirkung des Streithelfers geschlossenen Vergleichs maßgeblich, wenn die Parteien - wie hier - den Anspruch des Nebenintervenienten ausdrücklich ausgenommen haben. Ohne Zustimmung des Streithelfers können die Prozeßparteien seinen Kostenerstattungsanspruch nicht beschneiden (BGH NJW 1967, 983; OLG Köln JurBüro 1989, 102, 103; OLG München OLGZ 1992, 326, 328; MDR 1998, 989; Thomas/Putzo a.a.O. § 101 Rn. 4; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 101 Rn. 23; Zöller/Herget a.a.O. § 101 Rn. 8; Belz in Münchener Kommentar a.a.O. § 101. Rn. 30; Bork in Stein-Jonas a.a.O. § 101 Rn. 7 a.E.; Schneider MDR 1983, 801, 802; a.A. OLG München - 3. ZS NJW-RR 1995, 1403; OLG Frankfurt NJW 1912, 1866). Der in § 101 ZPO geregelte Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers ist der prozessualen Disposition der Parteien entzogen (grundlegend BGH NJW 1967, 983; Senat AnwBl. 1985, 587; vgl. auch OLG Hamburg JurBüro 1997, 482; Belz in Münchener Kommentar a.a.O., § 101 Rn. 30; Schneider a.a.O.). Das bewußte Ausklammern des Kostenerstattungsanspruch des nicht am Vergleich beteiligten Streithelfers durch die Parteien des Rechtsstreits stellt einen unzulässigen Vertrag zu Lasten eines Dritten, des Nebenintervenienten, dar.

Der vereinzelt vertretenen Auffassung, daß in Fällen, in denen die Parteien einen Vergleich ohne Beteiligung des Streithelfers geschlossen und die Kosten der Streithilfe ausdrücklich in ihrer Vergleichsregelung ausgeklammert haben, die Kosten der Streithilfe analog § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Prozeßausgangs aufzuteilen seien (OLG Hamm - 4 ZS MDR 1988, 325; OLG Saarbrücken, Kostenrechtsprechung, § 101 ZPO Nr. 1 mit zust. Anmerkung Tschischgale; OLG Schleswig SChlHA 1957, 34; OLG Stuttgart MDR 1974, 937 mit abl. Anmerkung Stürner; OLG Celle VersR 1979, 1155), vermag der Senat nicht beizutreten, weil sie nicht in Übereinstimmung mit dem sich aus § 101 ergebenden Grundsatz der Kostenparallelität, der die Angleichung an die Kostenverteilung zur Hauptsache vorschreibt, stellt.

Aufgrund seiner Beitrittserklärung mit Schriftsatz vom 31.05.1999 kann der Streithelfer somit die Erstattung von 7/8 seiner Kosten von der Klägerin verlangen.

Der weitergehende Antrag, mit dem er die Erstattung seiner weiteren Kosten in Höhe von 1/8 von der Beklagten verlangt, ist demgegenüber unbegründet. Sein teilweiser Beitritt zum Rechtsstreit auch auf Seiten der Klägerin war unwirksam.

Zwar kann ein Streithelfer auch ohne Einwilligung der Parteien eine Rücknahme seines Beitritts erklären (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O., § 66 Rn. 4). Es ist ihm auch unbenommen, sodann seinen Beitritt auf Seiten der früheren Gegenpartei zu erklären. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Beschränkung der Streithilfe auf einen bloß quantitativen Teil eines Anspruchs (Streitgegenstandes) zulässig ist (bejahend: Thomas/Putzo a.a.O., § 66 Rn. 8; Zöller/Vollkommer a.a.O., § 66 Rn. 14; ablehnend: OLG Düsseldorf MDR 1966, 852 f; Schilken in Münchener Kommentar a.a.O., § 66 Rn. 20; Bork in Stein-Jonas a.a.O., 66 Rn. 11).

Einer ausdrücklichen Entscheidung bedarf dies im Streitfall jedoch nicht. Der vom Streithelfer im Senatstermin erklärte teilweise Betritt auf Seiten der Klägerin ist nämlich schon deswegen unwirksam, weil er lediglich "vorläufig" vor Abschluß des Vergleichs erklärt worden ist. Der Nebenintervenient hat damit die Endgültigkeit seines teilweisen Beitritts auf Seiten der Klägerin von der Wirksamkeit des von den Parteien auf Widerruf geschlossenen Vergleichs abhängig gemacht. Bei der Beitrittserklärung eines Streithelfers Bandelt es sich aber um eine regelmäßig bedingungsfeindliche Prozeßhandlung (Thomas/Putzo a.a.O, 70 Rn. 1). Es ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich, warum der hier vom Streithelfer ausgesprochene vorläufige Beitritt ausnahmsweise wirksam sein soll.

Im Übrigen spricht viel dafür, daß der - jeweils teilweise - Beitritt auf Seiten beider Parteien zudem gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Der teilweise Beitritt auf der Klägerin ist offensichtlich allein deshalb erfolgt, um aufgrund des Vergleichsvorschlages des Senats dem Streithelfer einen Kostenerstattungsanspruch zu verschaffen, der über die Quote, die ihm aufgrund seines zunächst uneingeschränkt ausgesprochenen Beitritts auf Seiten der Beklagten zusteht, hinausgeht. Ob eine derartige rein kostenorientierte Prozeßtaktik mit dem auch im Prozeßrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar ist, erscheint dem Senat zweifelhaft, bedarf einer endgültigen Entscheidung aber nicht.

Ende der Entscheidung

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