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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 20 U 73/04
Rechtsgebiete: VGB 88


Vorschriften:

VGB 88 § 13 Nr. 2
VGB 88 § 22 Nr. 1 Satz 1
VGB 88 § 22 Nr. 1 Satz 2
VGB 88 § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 11.2.2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger weitere 23.704,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 46.682,84 € für den Zeitraum vom 24.3.2001 bis zum 2.2.2004 und aus 23.704,36 € seit dem 3.2.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der 1. Instanz tragen der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden zu 79 % dem Kläger und zu 21 % der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Gegenseite Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger macht einen Restanspruch aus einer bei der Beklagten genommenen Gebäudeversicherung (VGB 88) geltend. Die Parteien streiten in dieser Instanz nur noch über die Frage einer Unterversicherung.

Das um das Jahr 1900 errichtete, etwa im Jahr 1970 um einen Anbau erweiterte Gebäude wurde erstmals im Jahr 1988 von der Beklagten versichert; für diese war tätig der Agent C. Welche Versicherungssumme vereinbart wurde, ist streitig. In dieser Instanz ist auch streitig, zu welcher Summe das Gebäude von dem Vorversicherer versichert worden war.

Das Gebäude wurde - wie schon in erster Instanz unstreitig gewesen und vor dem Senat unstreitig geblieben ist - in den Jahren 1990 bis 1994 renoviert und ausgebaut.

Im Jahr 1998 wurde die Versicherung geändert in eine "Verbundene Wohngebäudeversicherung" mit "Super-Deckung"; die Versicherungssumme beträgt jedenfalls seitdem 85.000 Mark (Wert 1914).

Am 10.02.1999 brannte das Gebäude teilweise ab.

Es wurde ein Sachverständigenverfahren gemäß § 23 VGB 88 durchgeführt. Die Sachverständigen kamen zu folgender Schadensbewertung:

 Neuwertschaden (des Brandes) 796.398 DM
Mietausfall (ohne Verursacher) 60.688 DM
Aufräumkosten 28.733 DM
insgesamt 885.819 DM.

Außerdem gaben die Sachverständigen einen Neuwert am Schadentag von 2.382.053 DM an, was nach ihrer Berechnung 113.974 Mark (Wert 1914) entsprechen soll; sie vermerkten dazu:

"Auf der Grundlage der vorstehenden überschläglichen Berechnung wird festgestellt, daß die Versicherungssumme [...] nicht ausreich[t]. Die [...] erfolgte Feststellung des Versicherungswerts ist allein für die Abrechnung des eingetretenen Schadens maßgebend und dient nicht der Festlegung der ggf. zur ausreichenden Versicherung erforderlichen Versicherungssumme."

Die Beklagte zahlte vorprozessual 615.688 DM. Während des Rechtsstreits hat sie auf der Basis der vorstehenden Sachverständigenzahlen weiter abgerechnet insgesamt mit einer Quote von 85.000/113.974 und einen weiteren Betrag von 22.978,48 EUR (= 44.942 DM) gezahlt.

Der Kläger hat - soweit jetzt noch relevant - zum einen geltend gemacht, der Neubauwert habe tatsächlich nur 85.000 Mark betragen; die abweichende Angabe der Sachverständigen sei unverbindlich.

Zum anderen hat er gemeint, die Beklagte könne sich auf Unterversicherung nicht berufen. Dazu hat er behauptet: Im Jahr 1988 sei eine Versicherungssumme von 57.142 Mark vereinbart worden; dies sei auch die Summe bei dem Vorversicherer gewesen. Im Jahre 1998 - also nach den Umbauten - habe er, der Kläger, den Agenten C gebeten, die richtige Versicherungssumme zu bestimmen und in den von ihm bereits blanko unterschriebenen Antrag einzutragen; C habe 85.000 Mark eingetragen.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des am 03.02.2004 gezahlten Betrags von 22.978,48 EUR in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 126.772,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 149.750,74 EUR vom 24.03.2001 bis 02.02.2004 und aus 126.772,26 EUR ab 03.02.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abgewiesen.

Sie hat behauptet, schon im Jahr 1988 sei eine Versicherungssumme von 85.000 Mark vereinbart worden.

Das Landgericht hat den Agenten C als Zeugen vernommen. Dieser hat bekundet: Im Jahre 1988 sei eine Versicherungssumme von ca. 57.000 Mark vereinbart worden. Mitte der 90er Jahre sei diese auf seinen, C', Vorschlag, auf 85.000 Mark erhöht worden. Im September 1998 sei nur auf "Super-Deckung" umgestellt worden. Kurze Zeit danach habe er, C, von Umbaumaßnahmen erfahren und den Kläger darauf angesprochen; der Kläger habe eine Erhöhung der Versicherungssumme - jedenfalls vorerst - abgelehnt.

Das Landgericht ist daraufhin zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf eine Unterversicherung berufen könne (S. 10-13 des Urteils), und hat diese zur Zahlung von 115.137,31 EUR nebst Zinsen aus 138.115,79 EUR vom 24.03.2001 bis 02.02.2004 und aus 115.137,31 EUR ab 03.02.2004 verurteilt. Wegen einer sonstigen Restforderung des Kläger hat es die Klage abgewiesen.

Wegen der Begründung und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte erstrebt mit der Berufung die Abweisung der Klage.

Sie legt nunmehr die Reproduktion eines Versicherungsscheins 27.05.1988 (Durchschrift für Direktion) vor, wonach schon damals die Versicherungssumme 85.000 Mark betrug. Sie behauptet unter Beifügung weiterer Reproduktionen, es sei seinerzeit zunächst vorläufige Deckung zu einer Versicherungssumme von 57.142 Mark gewährt worden; die Summe sei erhöht worden, nachdem der Vorversicherer mitgeteilt habe, dass auch er bereits mit 85.000 Mark versichert habe. Ferner behauptet sie, C habe von den Umbauten der Jahre 1990 bis 1994 nichts gewusst. Es sei im Jahre 1998 schlicht auf "Super-Deckung" umgestellt worden, ohne dass die Versicherungssumme erörtert worden wäre.

Der Kläger verteidigt das Urteil. Er behauptet weiterhin, die Versicherungssumme sei nach den Umbauten, nämlich im Jahre 1998 auf 85.000 Mark erhöht worden. Diese sei nicht geringer als der Neubauwert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S und C; hierzu wird auf den Berichterstattervermerk vom 17.12.2004 (Bl. 264 ff. d.A.) Bezug genommen. Außerdem hat der Senat ein schriftliches Gutachten des Architekten N eingeholt, welches der Sachverständige noch mündlich erläutert hat; hierzu wird auf das Gutachten (Hefter) und den Berichterstattervermerk vom 13.01.2006 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet. Der Einwand der Unterversicherung ist berechtigt. Die Beklagte hat aber den von ihr behaupteten Neubauwert im Schadenszeitpunkt von 113.974 Mark (Wert 1914) nicht beweisen können. Bewiesen hat sie einen Neubauwert von 106.500 Mark. Dementsprechend hat der Kläger noch Anspruch auf eine Restentschädigung von 23.704,36 EUR.

1.

Aufgrund des schriftlichen und mündlichen Gutachtens des Sachverständigen N steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Gebäude im Schadenszeitpunkt einen Neubauwert im Sinne des § 13 Nr. 2 VGB 88 von - jedenfalls - 106.500 Mark (Wert 1914) hatte.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an, an dessen Sachkunde und Erfahrung keine Zweifel bestehen. Der Sachverständige hat insbesondere überzeugend dargelegt, dass sich auch bei einer Berechnung nach der Wohn- und Nutzfläche ein Neubauwert von jedenfalls 106.500 Mark ergibt. Die vorgenommene Umrechnung Mark (Wert 1914) - DM ist unstreitig richtig. Die Einwände des Klägers - und des von diesem als Privatgutachter beauftragten Architekten B2, der als weiterer Parteivertreter des Klägers an der Anhörung des Sachverständigen N teilgenommen hat - greifen nicht durch.

Dies gilt zunächst für den Einwand, das Gebäude sei aufgrund einer Gebäudetiefe von ca. 13 m zu einem Preis zu errichten, welcher niedriger sei als der Betrag, der sich bei einer Berechnung mit den von dem Sachverständigen N angesetzten Kubikmeter- (25 Mark für den Hauptbau, 21 Mark für den Anbau) bzw. Quadratmeter-Preisen (135 Mark für die Wohn- und Gewerbefläche, 15 Mark für die sonstige Nutzfläche) per 1914 ergebe. Der Sachverständige N hat hierzu erklärt, dass die Gebäudetiefe allein keine Aussage über den Kubikmeter- bzw. Quadratmeter-Preis erlaube. Preissenkend (pro Kubik- oder Quadratmeter) könne eine besonders große Grundfläche sein, welche hier aber nicht gegeben sei. Vielmehr entspreche die Grundfläche des Gebäudes der üblichen Größe von Gebäuden der Wende zum vorigen Jahrhundert, für welche die angesetzten Kubikmeter- bzw. Quadratmeterpreise richtig seien. Auch sei es nicht so, dass die Vorderfront des Gebäudes hier preiswerter zu errichten sei als bei den angesetzten Kubikmeter- bzw. Quadratmeterpreisen angenommen; dies gelte, zumal bei dem Gebäude des Klägers (vgl. Foto 1 des Gutachtens Maschlanka) auch die rechte Seitenfront des Hauptgebäudes aufwändig gestaltet sei. Diese Ausführungen sind überzeugend, auch in Bezug auf die Einschätzung der Vorder- und rechten Seitenfront. Konkrete Kritik daran hat auch der Architekt B2 nicht vorgebracht; die nicht begründete Einschätzung in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12.10.2005, wonach die Fassade "als relativ einfach anzusehen" sei, hat er nicht wiederholt.

Nicht durchgreifen kann aber auch der Einwand, das Gebäude sei aufgrund der großen Geschosshöhen zu einem Preis zu errichten, welcher niedriger sei als der Betrag, der sich bei einer Berechnung mit den angesetzten Kubikmeter- bzw. Quadratmeter-Preisen ergebe.

Dieser Kritik kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie sich - bezeichnenderweise - nicht mit der von dem Sachverständigen N (auch) vorgenommenen Berechnung nach Quadratmetern auseinandersetzt. Dieser Berechnung nach Quadratmetern kann der hier diskutierte Einwand von vornherein nicht entgegen gehalten werden; denn ein Bau mit außergewöhnlich großen Geschosshöhen kann allenfalls einen höheren Quadratmeterpreis haben als der Bau mit gewöhnlichen Geschosshöhen.

Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen hierzu, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, gehen die von dem Sachverständigen zugrunde gelegten Preise zudem von Geschosshöhen aus (Obergeschoss 3,50 m, Keller 2,80 m, Erdgeschoss 4 m) , welche das Gebäude insgesamt nur um ca. 1/2 m überschreitet. Auch hieraus ergibt sich, dass nicht - wie der Architekt Agethen es vorschlagen hat - wegen der Geschosshöhen ein beträchtlicher Abschlag von dem von dem Sachverständigen N genannten Neubauwert zu machen ist.

Letztlich entscheidend ist, darin hat auch in der mündlichen Verhandlung Einigkeit bestanden, ohnehin die notwendige Gesamtbetrachtung. Hier sind zum einen die etwas erhöhten Geschosshöhen und der teilweise einfache Baustandard zu berücksichtigen, zum anderen der Umstand, dass die Straßenfassade und auch die rechte Seitenfront des Hauptgebäudes besonders aufwändig gefertigt sind. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Sachverständige diese Gesamtbetrachtung fachgerecht vorgenommen hat.

Der Senat kann sich dabei auch auf die von dem Sachverständigen durchgeführte Kontrollberechnung anhand der für das Jahr 1995 festgelegten Normalherstellungskosten stützen. Der Sachverständige hat bekräftigt, dass danach der Neubauwert nicht unter 106.500 Mark liegt. Auch in diesem Punkt hat der Senat keinen Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Ein solcher Grund ergibt sich auch nicht aus der von dem Architekten Agethen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Berechnung nach den "Wertermittlungsrichtlinien 2002". Unabhängig von der Frage, ob diese nur Aussagen über den Marktwert eines Gebäudes, nicht aber über die tatsächlichen Herstellungskosten erlaubt, gilt nämlich, dass diese Berechnung jedenfalls nicht die aufwändige Vorder- und Seitenfront des Gebäudes berücksichtigt. Dafür, dass diese Berechnung den Neubauwert nicht richtig bezeichnet, spricht im Übrigen auch, dass der Architekt B2 selbst in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12.10.2005 noch einen deutlich höheren Neubauwert angegeben hat.

Der Umstand, dass der Kläger das Gebäude nach Wiederherstellung erneut zum Versicherungswert von 85.000 Mark versichert hat, besagt nichts für den - hier zu bestimmenden - "richtigen" Versicherungswert; dies gilt bereits unabhängig von der Frage, ob der wiederhergestellte Zustand möglicherweise hinter dem Zustand vor dem Brandschaden zurückbleibt oder nicht.

Es besteht daher kein Anlass, dem Antrag des Klägers nachzukommen, ein "Obergutachten" einzuholen (vgl. § 412 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, dass ein anderer Sachverständiger über überragende Sachkunde oder besondere Erkenntnismöglichkeiten verfügen würde.

2.

Ein höherer Neubauwert als 106.500 Mark ist nicht anzusetzen.

Ein solcher ist nach dem Gutachten des Sachverständigen N nicht festzustellen. Die Beweislast liegt bei der Beklagten.

Es ist nicht etwa so, dass der in dem Gutachten des selbständigen Sachverständigenverfahrens genannte Neubauwert von 113.974 Mark (1914) bindend feststünde. Dies ist wohl schon deshalb nicht der Fall, weil die Sachverständigen dieses Verfahrens nach § 22 Nr. 1 Satz 1 VGB 88 nur die Höhe des Schadens festzustellen hatten und eine besondere Vereinbarung im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 2 VGB 88 nicht erfolgte. Jedenfalls aber fehlt es auch an einer wirklichen Feststellung des Neubauwerts in dem Sachverständigenverfahren; vorgenommen wurde dort ausdrücklich lediglich eine "überschlägliche[...] Berechnung".

3.

Die Beklagte kann sich mit Erfolg auf die hiernach bestehende Unterversicherung berufen. Ein Gegenanspruch des Klägers wegen einer der Beklagten zuzurechnenden Verletzung der Beratungspflicht besteht nicht.

a)

Nach den in dieser Instanz von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger nicht bestritten hat, und dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen S sowie der - erneuten - Vernehmung des Zeugen C vor dem Senat steht zur Überzeugung des Senats Folgendes fest:

Die Parteien vereinbarten im Jahre 1988 zunächst eine vorläufige Deckung, dies mit einer Versicherungssumme 57.142 Mark (Wert 1914). Das Gebäude war aber zuvor bei der B Versicherungs-AG bereits mit einer Versicherungssumme von 85.000 Mark versichert (Bl. 241 d.A. = Anlage B7). Dies brachte die Beklagte in Erfahrung. Die Versicherungssumme wurde daraufhin in dem im Jahre 1988 geschlossenen Hauptvertrag (im Gegensatz zur vorläufigen Deckung) von Anfang an ebenfalls auf 85.000 Mark festgesetzt (vgl. Bl. 243 f. = Anlagen B9, 10). Eine Erhöhung fand später nicht statt, auch nicht bei der im Jahre 1998 - unstreitig - erfolgten Umwandlung in eine "Verbundene Wohngebäudeversicherung" mit "Super-Deckung".

Der Umstand, dass der Nettobetrag des Jahresbeitrags von 1.950,80 DM im Jahre 1997 auf 2.176,20 DM im Jahre 1999 anstieg, also um etwa 11 % (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 14.06.2004, Bl. 218 f.) steht dem nicht entgegen. Dieser Anstieg erklärt sich schon durch die Umstellung auf "Super-Deckung" und evtl. allgemeine Beitragserhöhungen; eine Erhöhung der Versicherungssumme von 57.412 Mark auf 85.000 Mark, wie sie der Kläger behaupet, also um fast 50 %, hätte eine weitaus deutlichere Beitragserhöhung zur Folge gehabt.

Auch die Zeugenaussagen stehen nicht entgegen. Der Zeuge C hat vor dem Senat seine Aussage in erster Instanz berichtigt; er hat sich bei seiner Bekundung vor dem Landgericht schlicht geirrt. Der Zeuge S hat zu der Entwicklung des Versicherungsvertrages keine Angaben machen können.

b)

Hieraus folgt, dass eine der Beklagten zuzurechnende Verletzung der Beratungspflicht nur dann vorliegen könnte, wenn entweder die Versicherungssumme von 85.000 Mark bereits im Jahre 1988 zu gering gewesen wäre oder wenn der Agent C im Jahre 1998 (oder den Jahren davor) Anlass gehabt hätte, die Richtigkeit der Versicherungssumme zu hinterfragen. Beides lässt sich nicht feststellen.

aa)

Dafür, dass die Versicherungssumme von 85.000 Mark bereits im Jahre 1988 zu gering gewesen wäre, hat der Kläger nichts vorgetragen. Es ist dafür auch sonst nichts ersichtlich. Im Gegenteil: Die Summe wurde in einem Gutachten anlässlich eines Schadens im Jahre 1990 als ausreichend bezeichnet (S. 3 der Anlage B1 = Bl. 164a).

bb)

Allein die Umstellung auf eine - sei es auch von dem Agenten C angeregte - Umstellung des Vertrages auf eine "Verbundene Wohngebäudeversicherung" mit "Super-Deckung" löste keine Beratungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Versicherungssumme aus. Die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der Versicherungssumme liegt grundsätzlich beim Versicherungsnehmer (vgl. nur Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 50 Rn. 3 m.w.N.). Im Streitfall war es daher, wenn nicht besondere Umstände vorlagen (dazu sogleich), allein Sache des Klägers, den Agenten auf vorgenommene werterhöhende Umbauten hinzuweisen. Dies war dem Kläger auch ohne weiteres möglich und zumutbar. Es bedarf keiner besonderen Kenntnisse in Versicherungsdingen, zu erkennen, dass eine einmal festgesetzte Versicherungssumme durch Renovierung und Ausbau eines Gebäudes unzureichend geworden sein kann.

cc)

Besondere Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass C im Jahre 1998 (oder vorher) Anlass gehabt hätte, die Richtigkeit der Versicherungssumme zu hinterfragen und dem Kläger einen entsprechenden Hinweis zu geben, hat der - hierfür beweisbelastete - Kläger nicht bewiesen.

(1)

Es ist nicht bewiesen, dass C von den Renovierungs- und Umbauarbeiten der Jahre 1990 bis 1994 vor dem Brand Kenntnis gehabt hätte.

Der Zeuge C hat solche Kenntnis vor dem Senat ausdrücklich verneint.

Soweit er vor dem Landgericht bekundet hat, er hätte dem Kläger Mitte der 90er eine Erhöhung der Versicherungssumme vorgeschlagen, was dann auch so vereinbart worden wäre, ist dies - wie oben zu a dargelegt - falsch und nur durch einen Irrtum des Zeugen vor dem Landgericht zu erklären. Jedenfalls genügt diese Aussage vor dem Landgericht nicht dafür, eine Kenntnis C' von nennenswerten Umbauarbeiten zu belegen. Solche Kenntnis hat er auch vor dem Landgericht nicht bekundet.

Der Zeuge S hat zu einer solchen Kenntnis C' keine Angaben machen können.

(2)

Es ist nicht einmal bewiesen, dass der Zeuge C, wie er vor dem Senat bekundet hat, im Jahre 1998 wusste, dass einige Jahre nach Beginn der Versicherung einmal Leitungen unter Putz gelegt worden seien. Vor dem Landgericht hat C bekundet, solche und andere Arbeiten seien im Jahre 1998 erst geplant gewesen. Angesichts der Unsicherheiten, welche ein Vergleich der Aussagen C' vor dem Landgericht einerseits und vor dem Senat andererseits aufzeigt, kann nicht mit hinreichender, vernünftiger Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die vor dem Senat erfolgte Bekundung zu den Leitungen unrichtig ist.

Unabhängig davon gilt, dass die bloße Kenntnis des Unter-Putz-Legens von Leitungen auch noch kein hinreichender Anlass war, die - wie gesagt grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherungsnehmers zuzurechnende - Richtigkeit der Versicherungssumme zu hinterfragen und dem Kläger einen entsprechenden Hinweis zu geben.

(3)

Dahinstehen kann, ob der Kläger den Antrag auf Abänderung des Vertrages in eine "Verbundene Wohngebäudeversicherung" mit "Super-Deckung" blanko unterschrieb und den Agenten C bat, dieser möge anhand des bisherigen Vertrages die Versicherungssumme nachtragen. Der Umstand allein, dass C gebeten worden sein mag, die Versicherungssumme nachzutragen, begründete keine Pflicht der Beklagten, die Richtigkeit der Versicherungssumme zu hinterfragen und dem Kläger einen entsprechenden Hinweis zu geben.

Anders wäre dies selbstverständlich, wenn der Kläger etwa erklärt hätte, der Agent C möge die aktuell richtige Versicherungssumme eintragen; anders wäre es möglicherweise auch schon dann, wenn bei der Gelegenheit überhaupt über die Ermittlung der richtigen Versicherungssumme gesprochen worden wäre.

Derartiges aber hat der Kläger nicht bewiesen. Der Zeuge C hat vor dem Senat bekundet, die Versicherungssumme sei im Jahre 1998 "überhaupt kein Thema" gewesen. Der Zeuge S hat lediglich bekundet, C habe ihm einmal gesagt, der Kläger habe sich letztendlich zu der Umstellung auf "Super-Deckung" durchgerungen, habe dann erwartet, dass alles ganz schnell gehe, und habe daher den Antrag blanko unterschrieben.

c)

Das oben genannte, neue Vorbringen der Beklagten ist zu berücksichtigen (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat nicht hinreichend beachtet, zum einen dass die Beklagte bereits in erster Instanz insbesondere vorgetragen hat, dass die Versicherungssumme bereits im Jahre 1988 - korrekt - auf 85.000 Mark vereinbart worden sei, und zum anderen, dass die Beweislast für ein Beratungsverschulden bei dem Kläger liegt.

4.

Der Schaden des Klägers in Höhe von 885.819 DM ist daher zu einer Quote von 85.000/106.500 zu erstatten (§ 56 VVG) , was einen Betrag von 706.991,96 DM ergibt. Der Einwand der Unterversicherung erfasst auch die Aufräumkosten und den Mietausfall (§ 16 Nr. 2 VGB 88).

Hiervon sind bereits gezahlt zum einen 615.688 DM, zum anderen 22.978,48 EUR = 44.942 DM.

Daraus errechnet sich der hier ausgeurteilte Restanspruch von 46.361,69 DM = 23.704,36 EUR.

5.

Der vom Landgericht zuerkannte, von der Berufung nicht eigens angegriffene Zinsanspruch ist, was die Bezugssummen angeht, entsprechend anzupassen.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91a, 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz hat der Senat berücksichtigt, dass der in der Hauptsache für erledigt erklärte Teil der Klageforderung nur geringere Kosten verursacht hat. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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