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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 20 U 78/04
Rechtsgebiete: VGB 88, VGB 62, VVG


Vorschriften:

VGB 88 § 15 Ziff. 1 b
VGB 88 § 20 Ziff. 1 a
VGB 88 § 20 Ziff. 1 e
VGB 62 § 7
VVG § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.3.2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr genommenen Wohngebäudeversicherung auf Erstattung angeblich notwendiger Reparaturkosten nach zwei behaupteten Wasserrohrbrüchen in Anspruch.

Der Kläger schloss mit der Beklagten unter Vermittlung des Versicherungsmaklers K für seine 1958 erbaute Immobilie in W eine Wohngebäudeversicherung, mit der u.a. die Risiken "Rohrbruch und Wasserleitungsschaden" versichert wurden. Die VGB 88 wurden Vertragsbestandteil.

Am 7. Januar 2002 bemerkte der Kläger in seinem Haus im Anschlussbereich zwischen dem in einem Anbau befindlichen Gäste-WC und dem darunter liegenden Partykeller Feuchtigkeit im Wand-/Deckenbereich.

Außerdem entdeckte er - was zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig ist in der Folgezeit einen weiteren Feuchtigkeitsaustritt unter dem Bad des 1. Obergeschosses. Ob der Kläger die Schäden unverzüglich telefonisch dem Maklerbüro K mitgeteilt hat und die Meldungen von dort an die bei der Beklagten für die Entgegennahme von Schadensmeldungen zuständige Versicherungsmaklerfirma "Y" (dort: die Zeugin N weitergeleitet wurden, ist zwischen den Parteien streitig.

Schriftlich erhielt die Firma Y mit Schreiben vom 6.3.2002, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, eine konkrete Beschreibung des Schadens im 1. Obergeschoss.

Die Zeugin N2 leitete die Schadensmeldung am selben Tag an die Beklagte weiter, die ihrerseits als Schadenregulierer den Zeugen C2 einschaltete.

Der Kläger, der bis zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten noch keine Mitteilung erhalten hatte, gab die Beseitigung der Schäden Anfang März 2002 in Auftrag; der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig. Im Bad im 1. Obergeschoss wurde die eingemauerte Badewanne herausgenommen, die Einmauerung sowie die Bodenplatte wurden entfernt und die Sanitäreinrichtung sowie die Fliesen wurden erneuert. In dem unter dem Bad im Erdgeschoss liegenden Flur/WC wurden die Rigipswandplatten an der Decke erneuert, tapeziert und gestrichen. Im Gäste WC wurden nach Erneuerung der Rohrzuleitungen die Wände geschlossen und Fliesen ersetzt. Als der Zeuge C2 am 20.3.02 das Objekt in Augenschein nahm, präsentierte der Kläger ihm je ein defektes Rohrstück; im übrigen war der Schaden weitgehend behoben.

Auf die ihm am 30.7.02 vom Kläger übersandte Abrechnung sowie die nachgereichte Rechnung der Firma L vom 4.10.02, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, teilte der Zeuge C2 mit Schreiben vom 25.10.2002 mit, dass die in Rechnung gestellten Arbeiten weitgehend Sanierungsarbeiten darstellten. Er erklärte sich bereit, zusätzlich zu den bereits als Abschlag gezahlten 3.000 € aus Kulanz weitere 1.000 € zahlen zu wollen; weitergehende Zahlungen lehnte er ab.

Der Kläger hat geltend gemacht:

Er habe den ersten Schaden unverzüglich telefonisch dem Maklerbüro K gemeldet, das ihn sofort telefonisch der Sachbearbeiterin N2 bei der Firma Y weitergeleitet habe. In der Folgezeit habe er gegenüber dem Büro K insgesamt mindestens 5 Mal auf den Schaden aufmerksam gemacht und vergebens um Begutachtung gebeten. Ein weiteres Zuwarten sei ihm nicht zuzumuten gewesen, daher habe er die Firma L beauftragt. Die im Schreiben vom 30.7.02 geltend gemachten Beträge von insgesamt 13.999,67 € seien - bis auf einen Betrag von 1000 € für von der Fa L verwendete 50 lfd Meter Rohre, die zur Sanierung eingesetzt worden seien und nur versehentlich in die Rechnung mit aufgenommen worden seien - allein zur Schadensbeseitigung aufgewendet worden und notwendig gewesen. Werde von dem am 30.7.02 abgerechneten Betrag für die Rohrleitungen ein Abzug von 1000 € angesetzt und die bereits von der Beklagten gezahlten 3000 € abgezogen, verbleibe ein zu erstattender Betrag von 9.999,67 €.

Die Beklagte hat geltend gemacht:

Aus den vorgelegten Rechnungen ergebe sich zwanglos, dass keine punktuelle Schadensbeseitigung, sondern eine umfassende Sanierung erfolgt sei. Dass die Kosten zur Reparatur notwendig und zudem angemessen seien, werde bestritten. Sie sei zudem wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei: Der Kläger habe ohne Absprache mit ihr die Schadensstelle massiv verändert, § 20 Ziffer 1 e VGB 88 und zudem die Schäden nicht unverzüglich im Sinne von § 20 VGB 88 gemeldet.

Das Landgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.2.2004 persönlich angehört. Mit seinem am 10.3.04 verkündeten Urteil (Bl. 114 f), auf das zur näheren Sachdarstellung und Begründung Bezug genommen wird, hat es die Klage abgewiesen und dies im Kern damit begründet, dass der Kläger seinen angeblichen Schaden nicht hinreichend substantiiert habe und die Beklagte außerdem wegen nicht unverzüglicher Anzeige des zweiten Schadensfalles leistungsfrei sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag - reduziert auf einen Betrag von 6.549, 35 € - weiter.

Er macht ergänzend geltend, beide Schadenfälle seien der Fa Y unverzüglich durch die von ihm informierte Zeugin H gemeldet worden.

Als die Arbeiten dann durch das Maklerbüro K freigegeben worden seien, habe er, der Kläger, dann etwa in der 11. KW ( 11. - 15.3.02) die Fa L beauftragt.

Die erstinstanzlich begehrten Beträge seien zu korrigieren; es sei seinerzeit übersehen worden, dass in die Aufstellung vom 30.7.02 zum Teil Schätzbeträge eingeflossen seien. Korrekt seien folgende Beträge die zur Schadensbeseitigung erforderlich und angemessen gewesen seien:

 Fa X 718,20 €
Fa L 7.099,68 €
Fa P 184,59 €
Fa X 80,39 €
Fa B 218,43 €
Fa V 948,06 €
Fliesenverlegearbeiten 1.300,00 €
Gesamt 10.549,35 €
Unter Abzug der gezahlten 3.000,00 €
sowie von 1.000,00 €
ergebe sich ein Rest von 6.549,35 €.

Die Beklagte verteidigt das Urteil. Sie meint, das Vorbringen des Klägers zu dem angeblich zweiten Schadensfall sei unsubstantiiert und neu im Sinne des § 531 II ZPO; letzteres gelte auch für die Konkretisierung der Schäden unter Einreichung der Rechnungen.

B.

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von den bereits geleisteten Betrag von 3.000 € übersteigenden Reparaturkosten aus §§ 4, 7, 15 b VGB 88; 1, 49 VVG iVm dem Versicherungsvertrag.

1.

Entgegen der Auffassung des Landgericht scheitert der Erstattungsanspruch des Klägers allerdings nicht schon an mangelnder Substantiierung seines Vorbringens zur Schadenshöhe. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zum Umfang der angeblichen Sanierungsarbeiten ergänzend konkrete Ausführungen unter Bezugnahme auf die Rechnung der Firma L vom 4.10.02 gemacht hat, hätte das Landgericht auf die nach seiner Auffassung fehlende Substantiierung zumindest hinweisen müssen, bevor es gestützt darauf die Klage abweist. Dafür, dass ein solcher Hinweis erfolgt ist, ist indessen nichts ersichtlich.

Der Vortrag des Klägers zur Höhe seines Schadens - insbesondere in Bezug auf die Abgrenzung der Reparatur- und Sanierungskosten - ist daher in zweiter Instanz insgesamt zuzulassen, § 531 II Nr. 2 ZPO.

2.

Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht aber fest, dass die notwendigen Kosten für die Reparatur der im Objekt des Klägers aufgetretenen Wasserschäden bei maximal 2.800 € anzusiedeln sind.

a.)

Wie nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen S, C2 und L feststeht, ist es Anfang 2002 im versicherten Objekt sowohl im Gäste- WC als auch im Bad des 1. Obergeschosses jeweils zu einem bedingungsgemäßen Wasserschaden durch ausgetretenes Leitungswasser gekommen. Ausweislich der Bekundungen des Zeugen L, die durch die vom Zeugen C2 am 20.3.2002 gefertigten Fotografien untermauert werden, befand sich eine Leckstelle an einem Rohr, das durch eine Seitenwand im Gäste- WC führte und eine weitere Leckstelle an einem Wasserrohr unter der eingemauerten Badewanne im Badezimmer des 1. Obergeschosses.

b) Der Umfang der hierfür gemäß §15 Ziffer 1 b VGB 88 zu ersetzenden Reparaturkosten bestimmt sich nach den Geboten der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit (Prölss/Martin: VVG, Rnrn 1 zu § 7 VGB 62 und Rn 48 zu § 55 VVG (Kollhosser)): Entscheidend ist, welche Arbeiten ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung zur Wiederherstellung vorgenommen hätte. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Kläger zum "gleitenden Neuwert" versichert ist: Das ist lediglich bei einer Zerstörung versicherter Sachen von Bedeutung, nicht aber bei deren Beschädigung (§ 15 Ziffer 1 a VGB 88).

Der Sachverständige Dipl- Ing. I, der das versicherte Objekt zuvor besichtigt hatte, hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat detailliert beschrieben, welche Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Schäden erforderlich gewesen sind.

Die von ihm hierfür auf insgesamt maximal 2.800 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzten Reparaturkosten hat er im Einzelnen zugeordnet und ihre Erforderlichkeit verdeutlicht. Die notwendigen Kosten beschränken sich danach auf die Leckortung, die Freilegung der Schadenstellen, den Ersatz der defekten Rohrstücke sowie den folgenden Verschluss der Wand (im Gäste WC) bzw den Einbau einer neuen Wanne (im Bad des 1. OG). In dem Gesamtbetrag sind ferner die Folgekosten, die für die Wiederherstellung der durchnässten Stellen im Flur/WC der Erdgeschosswohnung anfallen, berücksichtigt - ebenso wie die An- und Abfahrtskosten sowie ein Betrag von ca 450 € für etwaig anfallende Nebenarbeiten.

Soweit der Kläger darüber hinaus den Ersatz der Wandfliesen im Bad des 1. Obergeschoss als erforderlich angesehen und hierfür Material und Arbeitsstunden abgerechnet hat, hat der Sachverständige plausibel dargelegt, dass es dessen in Anbetracht der unter der Badewanne gelegenen Schadensstelle ebenso wenig bedurfte wie des Aufbruches/der Neuerstellung der Bodenplatte im Bad. Soweit der Zeuge L bzgl. der Wandfliesen über dem ehemaligen Waschtisch im Bad darauf verwiesen hat, dass darunter eine (kleine) Schadensstelle an einem Rohr gefunden worden und deren Freilegung erforderlich gewesen sei, geht er damit über den Vortrag des Klägers, der hierzu bislang nichts dargelegt hat, hinaus. Auch wenn gleichwohl die insoweit notwendigen Reparaturkosten auf die vom Sachverständigen angesetzten Gesamtkosten aufgeschlagen werden, wäre der von der Beklagten gezahlte Betrag von 3.000 € nicht ausgeschöpft: Für die punktuelle Schadensbeseitigung über dem Waschtisch hat der Sachverständige einen Betrag von etwa 150 € angesetzt.

Der Ersatz der kompletten Verfliesung im Bad des 1. OG ist auch nicht aus anderem Grunde gerechtfertigt. Der Sachverständige hat im Senatstermin darauf hingewiesen, dass Immobilieneigentümer üblicherweise Ersatzfliesen vorhalten, mit denen Fehlstellen in dem vorliegend objektiv erforderlichen Umfang aufgefüllt werden können. Er hat zudem darauf hingewiesen, dass üblicherweise Ersatzfliesen im Handel nachbestellt werden können. Dagegen ist vom Kläger konkret nichts eingewandt worden, er hat insbesondere nicht darauf verwiesen, keine Ersatzfliesen mehr zu haben bzw sie nicht mehr besorgen zu können.

Auch die übrigen vom Kläger in seine Abrechnung eingestellten Kosten sind - soweit sie nicht in den vom Sachverständigen angesetzten Beträgen aufgehen - nicht als notwendige Reparaturkosten zu bewerten.

Das gilt insbesondere für die vom Zeugen L in Rechnung gestellten Arbeiten, die nach den Darstellungen des Sachverständigen dem festgestellten Schadensbild weitgehend nicht zugeordnet werden können. Exemplarisch kann hierzu auf die in der Rechnung ausgewiesenen Rohre, die eingebaut worden sein sollen (zB Positionen 2 - 4, 43 der Rechnung vom 4.10.02), verwiesen werden: Wie der Sachverständige vor Ort nachgemessen hat, hätten für den Ersatz der Verbindungsrohre zwischen dem Gäste-WC und dem Haupthaus, der von dem Zeugen mit etwa 50 m (Pos. 2 - 4 der Rechnung) berechnet wurde und der vom Kläger als Sanierungsaufwand bezeichnet wurde, tatsächlich maximal 32,5 m Rohr eingesetzt werden müssen. Wo die übrigen Rohrlängen verbaut worden sind, bleibt offen. Der Zeuge L hat hierzu keine Erklärungen abgeben können. Er hat auch nicht erläutern können, warum bei dem gegebenen Schadensbild der Einbau von Abwasserrohren, die z. B. in Pos. 24 der Rechnung vom 4.10.02 berechnet sind, erforderlich gewesen sein soll. Ganz überwiegend nicht als schadensbedingt zu bewerten sind auch die in der Rechnung der Firma C GmbH abgerechneten Arbeiten. Wie der Sachverständige vor Ort und unter Auswertung der Fotos des Zeugen C2 festgestellt hat, bedurfte es für die Behebung der im Flur und WC der Wohnung im Erdgeschoss aufgetretenen Wasserschäden keiner großflächigen Erneuerung der Tapeten. Erforderlich war nur die Ausbesserung der beschädigten Rohrkästen sowie deren Tapezierung und ihr Anstrich; die Kosten hierfür sind in die Berechnung des Sachverständigen eingeflossen.

Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Zeugen L und C2 sowie der überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die vom Kläger abgerechneten Kosten weitgehend für die Sanierung der von den Wasserschäden betroffenen Räumen angefallen sind, für die die Beklagte nach den Versicherungsbedingungen nicht eintrittspflichtig ist. Den zur reinen Schadensbeseitigung erforderlich gewordenen Betrag von ca. 2.800 €, der dem Kläger zusteht, hat die Beklagte beglichen.

3.

Ob die Beklagte sich außerdem deshalb auf Leistungsfreiheit berufen kann, weil der Kläger gegen ihn nach § 20 Ziffer 1 a) und e) VGB 88 treffende Obliegenheitspflichten verstoßen hat, bedarf in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen keiner abschließenden Klärung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr 10., 711, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 II ZPO.

Ende der Entscheidung

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