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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.01.2000
Aktenzeichen: 20 W 21/99
Rechtsgebiete: VVG, VHB 92


Vorschriften:

VHB 92 § 22
VVG 12 III
§§ 22 VHB 92, 12 III VVG

1) Die Vorlage von hinsichtlich des Ausstellungsdatums unrichtiger Anschaffungsbelege und von Belegen, bei denen der Aussteller bei Ausstellung ausdrücklich sagt, deren Richtigkeit auf Nachfrage nicht bestätigen zu können, ist arglistig.

2) Zur Fristwahrung muß eine gegen einen ablehnenden Beschluß eingereichte PKH-Beschwerde innerhalb einer Frist von 14 Tagen eingereicht und auch begründet werden, falls eine solche Begründung angekündigt wird.

Beschluß des 20. Zivilsenats des OLG Hamm vom 25. Januar 2000 (20 W 21/99)


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

20 W 21/99 OLG Hamm 4 O 519/98 LG Bielefeld

In Sachen

Klägerin,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Beklagte,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde der Klägerin vom 07. Juli 1999 gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 08. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther am 25. Januar 2000 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von ihrem Hausratversicherer eine Einbruchdiebstahlsentschädigung von 121.351,82 DM. Diese Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

1.

Zu Recht hat das Landgericht bei seinem Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß in erster Linie darauf abgehoben, daß nach derzeitiger Aktenlage eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 22 Nr. 1 der vereinbarten VHB 92 wegen versuchter arglistiger Täuschung über Tatsachen, die für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, anzunehmen ist.

Die Klägerin räumt ein, bei drei der von ihr der Beklagten zum Schadensnachweis vorgelegten Kaufbelege das Ausstellungsdatum verfälscht zu haben. Das erfüllt den Verwirkungstatbestand des § 22 Nr. 1 VHB 92. Für den Arglistvorwurf ist nicht erforderlich, daß der VN durch seine Falschangaben einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil erstrebt. Ausreichend ist vielmehr die Verfolgung eines gegen die Interesse des Versicherers gerichteten Zwecks - sei es die Beschleunigung der Schadensregulierung oder das Ausräumen von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung auch berechtigter Deckungsansprüche -, verbunden mit dem Wissen, daß durch dieses Fehlverhalten die Schadensregulierung des Versicherers möglicherweise beeinflußt werden kann. Die Klägerin selbst trägt in ihrer Klageschrift vor, sie könne sich ihr Vorgehen im Nachhinein nur dadurch erklären, daß ihr die drei aus 1994 datierenden Belege "auffällig" erschienen seien, weil alle anderen Belege aus den Jahren 1996 und 1997 datierten. Damit war ihr Vorgehen ersichtlich darauf ausgerichtet, möglichen Schwierigkeiten bei der Schadensregulierung vorzubeugen.

Zu Recht verweist die Beklagte darüber hinaus auf die Vorlage eines Belegs über 22.000,00 DM des Leih- und Pfandhauses KG vom 10.09.1997 betreffend Schmuckkäufe in den Jahren 1994 bis 1997. Von der Polizei dazu befragt (Bl. 72 ff. EA StA, hat der Zeuge bekundet, er habe den Beleg nur deshalb ausgestellt, weil die Klägerin "sehr bestimmend und fordernd" aufgetreten sei, obwohl er ihr zuvor mitgeteilt habe, die von ihr getätigten Schmuckkäufe seien nicht mehr nachzuhalten, so daß er keine exakten Angaben über die Höhe der Kaufsumme machen könne; er habe deshalb auch darauf hingewiesen, falls die Klägerin die Quittung für eine Versicherung brauche und diese bei ihm nachfrage, könne er auf keinen Fall bestätigen, daß die Klägerin tatsächlich Ware für 22.000,00 DM bei ihm gekauft habe.

Wenn vor diesem Hintergrund die Klägerin den Beleg der M KG kommentarlos bei der Beklagten zum Nachweis von Schmuckkäufen im Umfang von 22.000,00 DM vorlegte, erfüllt auch dies den Tatbestand einer arglistigen Täuschung im Sinne des §§ 22 Nr. 1 VHB 92. Aufgrund der Äußerungen des Belegausstellers wußte sie genau, daß dieser "Beleg" tatsächlich nicht dem Wissensstand des Zeugen entsprach und deshalb auf etwaige Nachfrage der Beklagten auch nicht bestätigt werden würde. Auch die Vorlage dieses Belegs erklärt sich sinnvollerweise nur dadurch, daß die Klägerin etwaigen Schwierigkeiten beim Schadensnachweis aus dem Wege gehen wollte.

Bei dieser Sachlage kann der Beklagen die Berufung auf völlige Leistungsfreiheit nicht nach Treu und Glauben als unverhältnismäßig verwehrt werden. Die versuchte Täuschung in vier Fällen bezieht sich in ihrer Gesamtsumme nicht auf einen nur geringen Teil des eingetretenen Schadens. Die Klägerin wird auch nicht nachweisen können, daß sie subjektiv nicht aus Gewinnsucht gehandelt hat. Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, daß ein vollständiger Anspruchsverlust eine Existenzgefährdung der Klägerin zur Folge hätte.

Soweit die Beschwerde aus medizinischen Gründen eine Schuldunfähigkeit der Klägerin geltend macht, wird sie dies aller Voraussicht nach nicht beweisen können. Die diesbezüglich vorgelegte ärztliche Besscheinigung Dr. vom 27.10.199 (Bl. 127 d.A.) zeigt lediglich auf, daß die Klägerin sich seit 1996 wegen eines Schmerzsyndroms und einer länger andauernden psychischen Dekompensation in ambulanter psychiatrischer Behandlung befindet. Soweit darauf hingewiesen wird, eine derartige psychische Beeinträchtigung "könne" auch dazu geführt haben, daß die Klägerin irrational handelte und Belege ohne Unrechtsbewußtsein veränderte, um damit die Schadensregulierung zu erleichtern, ist dies keine psychiatrische Feststellung schuldlosen Handelns. Der Senat hält es aufgrund seiner Erfahrungen für nahezu ausgeschlossen, daß dieser Nachweis geführt werden kann.

2.

Abgesehen davon ist die der Klägerin von der Beklagten mit Ablehnungsschreiben vom 30.07.1998 (Anlage K 7 zur Klageschrift) wirksam nach §§ 12 Abs. 3 VVG, 22 Nr. 2 VHB 92 gesetzte 6-Monats-Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nicht gewahrt. Dieses Schreiben ist bei den anwaltlichen Vertretern der Klägerin am 04.08.1998 eingegangen, so daß die Frist am 04.02.19.99 ablief.

Zwar ist die (mit dem Prozeßkostenhilfegesuch verbundene) Klage am 07.10.1998 und damit rechtzeitig beim Landgericht eingereicht worden. Die bisher nicht erfolgte Zustellung dieser Klage kann jedoch nicht mehr "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO vorgenommen werden. Ein rechtzeitig angebrachtes Prozeßkostenhilfegesuch ist nur dann zur Wahrung der Frist der §§ 12 Abs. 3 VVG, 22 Nr. 2 VHB 92 geeignet, wenn der VN alles ihm Zumutbare tut, damit die Klage "demnächst" zugestellt wird. Daran fehlt es hier. Der landgerichtliche Beschluß vom 08.06.1999, durch den Prozeßkostenhilfe versagt worden ist, ist lt. Aktenvermerk am 24.06.1999 an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers abgesandt worden. Daraufhin ist am 08.07.1999 die Beschwerde beim Landgericht eingegangen, deren Begründung in einem gesonderten Schriftsatz angekündigt wurde. Diese Beschwerdebegründung ist am 11.08.1999 und damit zur Fristwahrung verspätet beim Landgericht eingegangen. Dies hätte vielmehr innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der ablehnenden Prozeßkostenhilfeentscheidung geschehen müssen (BGH VersR 1990, 882 unter I; Römer/Langheid, VVG, § 12 Rdn. 71). Es ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich, daß aufgrund einer besonderen Sachverhaltsgestaltung gleichwohl eine Fristwahrung anzunehmen wäre.



Ende der Entscheidung

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