Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.07.2003
Aktenzeichen: 21 U 24/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 31
BGB § 195
BGB § 199 n. F.
BGB § 253 Abs. 2 n. F.
BGB § 288 n. F.
BGB § 291
BGB § 651 f Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

21 U 24/03 OLG Hamm

Verkündet am 08. Juli 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 08. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jansen, den Richter am Oberlandesgericht Nubbemeyer und die Richterin am Landgericht Zarth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 09. September 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.502,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2002 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 36 % und die Beklagte 64%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2 i. V. m. 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B.

Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

Die Beklagte schuldet dem Kläger 4.502,29 € Schadensersatz für den Motorschaden, den der Kläger am 08.04.2002 mit seinem Pkw ... erlitten hat.

Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ist § 823 Abs. 1 BGB.

Der Motor des Fahrzeugs ist am 08.04.2002 erheblich beschädigt worden. Das stellt eine Verletzung des Eigentums des Klägers dar, für die die Beklagte gem. § 823 Abs. 1 BGB verantwortlich ist.

An dem Schadenstag hat das Fahrzeug des Klägers einen kapitalen Motorschaden erlitten, der durch einen Lagerschaden an der Umlenkrolle verursacht wurde. Das hat der Sachverständige Dipl.-Ing. ... dem Senat bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 08.07. 2003 überzeugend dargelegt. Der Sachverständige hat zugleich festgestellt, dass der Motor beim Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger - abgesehen von der schadensträchtigen, weil erheblich abgenutzten und bei den früheren Inspektionen nicht erneuerten Umlenkrolle - noch unbeschädigt war. Bei der schadensursächlichen Umlenkrolle handelt es sich zudem, auch das hat der Sachverständige dem Senat erläutert, um ein vom übrigen Motor abgrenzbares und ohne erheblichen Aufwand zu reparierendes Teil.

Bei dieser Sachlage stellt der am 08.04.2002 eingetretene Motorschaden eine Eigentumsverletzung dar, da der Motorschaden mit dem Mangel, der dem Fahrzeug bereits beim Erwerb des Klägers anhaftete, nicht stoffgleich ist. Letzterer beschränkte sich auf die schadensträchtige Umlenkrolle. In ihrem (Un-)Wert verkörpert sich das deliktsrechtlich nicht geschützte Nutzungs- und Äquivalenzinteresse, während der Schaden an den weiteren, beim Erwerb des Fahrzeugs noch unbeschädigten Motorteilen das deliktsrechtlich geschützte Integritätsinteresse des Klägers verletzt hat (vgl. BGH NJW 2001, 1346 ff).

Für die Eigentumsverletzung ist die Beklagte verantwortlich. Sie hat es versäumt, bei den von ihr beim Kilometerstand von 120.000 km durchgeführten Inspektionsarbeiter mit dem Zahnriemen zugleich die Umlenkrolle zu erneuern. Das war eine mit dem Stand der Technik unvereinbare Arbeit. Auch hiervon geht der Senat nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... aus. Nach seinen Ausführungen hätte die Umlenkrolle bei der im Juli 2000 durchgeführten Inspektion gewechselt werden müssen. Die Beklagte durfte sie auch dann nicht im Fahrzeug belassen, wenn eine optische und mechanische Prüfung keine Beanstandungen ergab. Die Umlenkrolle ist ein dem Verschleiß unterliegendes Teil des Motors, das - jedenfalls bei einer Motorlaufleistung von 120.000 km - so schadensträchtig ist, dass ihr Defekt vor dem nächsten Wechselintervall zu erwarten ist. Da dieser Defekt die Gefahr einen umfangreichen Motorschadens birgt, war die Umlenkrolle zu erneuern. Das auch dann, wenn die Herstellervorgaben der Fa. den Wechsel nicht ausdrücklich als zwingend notwendig darstellen, wie die Beklagte eingewandt hat. Entscheidend ist insoweit, dass der Wechsel bereits im Juli 2000 aus technischer Sicht notwendig war und dies auch von den beteiligten Fachkreisen seinerzeit so beurteilt wurde, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. ... glaubhaft erläutert hat.

Für den versäumten Wechsel der Umlenkrolle haftet die Beklagte aufgrund eines Organisationsverschuldens. Ihr Vertreter hat im Senatstermin erklärt, dass ihre Mitarbeiter bei den 120.000-km-Inspektionsarbeiten an den Motoren des vorliegend in Frage stehenden Fahrzeugstyps auf einen Wechsel der Umlenkrollen verzichteten, wenn eine optische und mechanische Prüfung der Rolle keine Beanstandungen ergab. Diese mit der Stand der Technik nicht zu vereinbarende Praxis hätten die für die Betriebsleitung verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten korrigieren müssen. Dass das versäumt wurde, stellt ein fahrlässiges Verhalten ihrer leitenden Mitarbeiter dar, denen der damalige Stand der Technik bekannt sein mußte. Das muss die Beklagte gemäß § 31 BGB gegen sich gelten lassen.

Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zu der Zeit, als die Beklagte die Inspektionsarbeiten ausführte, noch nicht Eigentümer des ... war. Die Pflicht, das Fahrzeug mit einer fachgerecht durchgeführten Inspektionsarbeit vor Beschädigungen zu schützen, hatte die Beklagte nicht nur gegenüber ihrem Auftraggeber, sondern auch gegenüber dem jeweiligen Eigentümer, bei dem sich die von ihr gesetzte Gefahr später realisierte. Die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB knüpft an die Verletzung des Eigentums an. Diese ist nicht bereits mit der fehlerhaften Reparatur, sondern erst durch den danach verursachten Motorschaden zu einer Zeit eingetreten, in der der Kläger Fahrzeugeigentümer war. Dass es hierbei um eine Verletzungshandlung geht, die vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger lag, ist für die deliktische Haftung unerheblich (BGH NJW1993, 655 (656)).

Ein den Schadensersatzanspruch minderndes Mitverschulden des Klägers kann der Senat nicht feststellen. Dass sich der eingetretene Motorschaden durch ein ungewöhnliches Motorgeräusch stets so frühzeitig ankündigt, dass ein Fahrer noch rechtzeitig vor dem Schadenseintritt eine Werkstatt aufsuchen kann, hat der Sachverständige nicht bestätigt.

Dem Kläger ist ein Schaden in Höhe von 4.502,29 € entstanden, den die Beklagte zu ersetzen hat.

Der Kläger kann die Kosten für den Einbau eines Austauschmotors ersetzt verlangen, da dies eine sach- und fachgerechte Instandsetzung des beschädigten Motors darstellt, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. ... dem Senat im Einzelnen erläutert hat. Diese Kosten sind nach dem vom Kläger vorgelegten und der Höhe nach nachvollziehbaren Angebot der Fa. ... vom 10.04.2002 mit 6.843,17 € zu bemessen. Hiervon ist zunächst der Betrag abzusetzen, den der Kläger vor dem Schadensfall hätte aufwenden müssen, um den notwendigen Austausch der Umlenkrolle nachzuholen. Das sind 368,88 €, wie der Sachverständige ermittelt hat. Abzusetzen ist weiter ein Betrag in Höhe von 2.000,00 €, da das Fahrzeug des Klägers mit dem Einbau eines Austauschmotors eine derartige, für den Kläger ausgleichspflichtige Wertsteigerung erfahren würde (Abzug "neu für alt"). Auch bei der Bemessung dieses Betrages ist der Senat dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... gefolgt, der überzeugend dargelegt hat, dass ein von ihm rechnerisch ermittelter Betrag von ca. 3.000,00 € der tatsächlichen Marktsituation nicht gerecht wird, während ein Wertzuwachs von ca. 2.0000,00 € eine realistische Größenordnung darstelle.

Neben dem sich aus den vorstehenden Schadenspositionen ergebenden Betrag in Höhe von 4.478,29 € kann der Kläger noch eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € beanspruchen (§ 287 ZPO).

Den als Ersatz für einen Urlaubstag verlangten Betrag von 198,14 € kann der Kläger nicht verlangen. Er hat aus Anlass des Schadensereignisses keinen Verdienstausfall in dieser Höhe erlitten, da er einen Tag bezahlten Urlaub genommen, also seinen Lohn für den Urlaubstag erhalten hat. Eine Entschädigung für seine aufgewandte Urlaubszeit steht ihm nicht zu, weil es keine gesetzliche Grundlage für diesen Anspruch gibt. Die §§ 253 Abs. 2 BGB n.F. und 651 f Abs. 2 BGB sind nicht einschlägig.

Die Klageforderung ist auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB n. F. war zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Mai 2002 nicht vollendet.

Die Zinsforderung beruht auf den §§ 291, 288 BGB n. F.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

Ende der Entscheidung

Zurück