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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 21 U 3/07
Rechtsgebiete: HOAI, BGB, ZPO


Vorschriften:

HOAI § 15 Leistungsphase 9
BGB § 195 a. F.
BGB § 635 a. F.
BGB § 638 a. F.
BGB § 638 Abs. 1 Satz 1 a.F.
BGB § 638 Abs. 1 Satz 2
BGB § 639 Abs. 1 a. F.
ZPO § 251 a Abs. 2
ZPO § 331 a
ZPO § 538 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.10.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Essen mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erhebt Schadensersatzansprüche wegen angeblich mangelhafter Architektenleistungen. Beklagt war zunächst der im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene und von ihr allein beerbte Ehemann der Beklagten, Herr G.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks X 77 in H, das mit einem mehrstöckigen Haus aus dem Jahr 1889 bebaut ist. Sie und ihr 1996 verstorbener Ehemann, den sie allein beerbt hat, beauftragten Herrn F 1988 zum Pauschalfestpreis von 80.000 DM mit Architektenleistungen zum Umbau und Ausbau des Objektes in ein Mietshaus. Mit Schreiben vom 15.02.1989 bestätigte der Architekt die Erteilung des Auftrages über die Erbringung "sämtlicher Architektenleistungen"... "nach § 15, Punkte 1 - 9" (Anlage K 2, separat geheftete Anlagen zur Klageschrift).

Der Umfang der dem Ehemann der Beklagten in Auftrag gegebenen Leistungen sollte sich aus der von ihm erstellten Baubeschreibung vom 06.12.1988 ergeben (Anlage K 3). Danach sollten in dem damals leerstehenden Haus - welches nach Angaben dieser Baubeschreibung zwar erhebliche Missstände aufweise, dessen Bausubstanz aber gesund sei - abgeschlossene Wohnungen entstehen, die Dachkonstruktion sollte repariert und mit Dachgauben versehen, die Fassaden gesäubert und nach Bedarf ausgebessert oder erneuert, ein baufälliger Schuppen abgerissen, das Hofgelände eingeebnet und befestigt und Begrünungszonen, Einstellplätze und ein Kinderspielplatz errichtet werden.

In der Folgezeit wurden umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten an dem Objekt durchgeführt, so dass es im Jahre 1991 bezugsfertig war.

Die Klägerin und ihr Ehemann rügten - z. T. durch den Ehemann der Beklagten - Mängel bei den bauausführenden Unternehmen, weil einige Mieter der Wohnungen Feuchtigkeitsmängel beklagt hatten und es zu einem selbständigen Beweisverfahren gekommen war, in dem der Sachverständige X1 erhebliche Feuchtigkeitsschäden festgestellt und Beseitigungskosten in Höhe von 65.000,- DM geschätzt hatte.

Den Ausgang dieses Beweisverfahrens teilte der Ehemann der Klägerin dem Architekten mit Schreiben vom 02.12.1991 mit. Mit Schreiben vom 07.01.1992 wies der Ehemann der Klägerin den Architekten G darauf hin, dass in der Wohnung 1. OG und der Wohnung im EG (noch immer) Feuchtigkeit vorhanden sei und die Mieter dies gerügt hätten. Dieser antwortete mit Schreiben vom 11.01.1992, bei der Feuchtigkeit handele es sich um "Rest-Baufeuchtigkeit" infolge schlechter Belüftung. Falls in den Kellern die Feuchtigkeit beseitigt werden solle, so könnten die Kellerwände außen freigelegt und abgedichtet oder im Injektionsverfahren trockengelegt werden. Seiner Auffassung nach würden diese Maßnahmen aber den finanziellen Rahmen des Bauvorhabens sprengen. Mit Schreiben vom 17.01.1992 erklärte der Ehemann der Klägerin, der als "Rest-Baufeuchtigkeit" bezeichnete Mangel zeige zunehmende Tendenz und forderte den Ehemann der Beklagten als "seinen Architekten" auf, seine Interessen als Auftraggeber zu vertreten und Schäden von ihm abzuwenden. "Vorsorglich" weise er darauf hin, dass er "Forderungen, die aus diesen Mängeln hergeleitet werden" würden, an ihn weiter geben werde.

Mit Schreiben vom 07.07.1992 (Bl. 216 d. A.) teilte der Architekt G dem Ehemann der Klägerin mit, dass ihn die Flut der völlig unnötigen und überflüssigen Schreiben an ihn und an die am Bau beteiligten Handwerker veranlasse, den Auftrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen.

Am 08.10.1991 erstellte der Ehemann der Beklagten eine Honorarschlussrechnung über 80.000 DM, die er unter Anrechnung von Abschlagszahlungen über 68.000 DM vor dem Landgericht einklagte. Am 23.04.1993 ersetzte er die Rechnung durch eine neue den Mindestsätzen der HOAI entsprechende Rechnung über Architektenleistungen bzgl. der Leistungsphasen 1 bis 9 in Höhe von 84.180 DM. Durch Urteil vom 01.07.1993 (Az. 18 O 32/93) wies das Landgericht Essen seine Klage auf Zahlung des Resthonorars ab. Die Forderung sei noch nicht fällig, da der Ehemann der Beklagten die Leistungen nach § 15 Leistungsphase 9 HOAI noch nicht erbracht habe. Fällig sei lediglich eine Abschlagsforderung für die Leistungsphasen 1 - 8 in Höhe von 67.207,66 DM, die durch Abschlagszahlungen ausgeglichen sei.

Mit Schreiben vom 20.12.2003 forderte der Ehemann der Klägerin den Architekten G auf, die Schlussrechnung der Fa. Elektro - L2 zu prüfen (Bl.350 d.A.). Hierzu sei er aufgrund seiner Abrechnung vom 23.04.1993 verpflichtet, da seine Kündigung unwirksam sei.

Mit Antrag vom 15.02.2000, bei Gericht eingegangen am 24.02.2000 und dem damaligen Beklagten zugestellt am 31.03.2000, leitete die Klägerin wegen der im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Mängel ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Essen ein. In dem Beweisverfahren 9 OH 13/00 erstattete der Sachverständige Dipl. Ing. G2 ein Gutachten vom 11.07.2001 (lose in den Beiakten) mit Ergänzung im Schreiben vom 20.03.2002 (Bl. 234 ff. d. BA.) sowie die Ergänzungsgutachten vom 09.04.2003 und 02.09.2003 (lose in den Beiakten).

Das Beweisverfahren endete mit Einreichung der vorliegenden Klage am 24.08.2005, mit der die Klägerin Schadensersatz wegen einer Vielzahl von Mängeln begehrt.

Die Klägerin hat gemeint, dass der Ehemann der Beklagten wegen Planungs- und Bauaufsichtsmängeln für Fassadenschäden, Feuchtigkeit, eine mangelhafte Kellertreppe, mangelhafte Fensteranschlüsse und mangelhafte Deckenbefestigungen einzustehen habe. Zudem habe er die Rechnungsprüfung fehlerhaft durchgeführt.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen G2 sei dadurch unter Berücksichtigung des nutzlosen Aufwandes und eines Zuschlags von 30 % wegen der mangelhaften Sanierung einerseits und Abzug von Sowieso-Kosten andererseits ein Gesamtschaden in Höhe von 130.815,87 € entstanden (Bl. 28 ff d. A.). Außerdem habe die Klägerin einen Mietausfallschaden, da eine Wohnung aufgrund der Mängel seit März 2002 leer stehe. Bei einer Miete von 553,05 € errechne sich für die Zeit vom 01.03.2002 bis zum 31.08.2005 ein Betrag in Höhe von 11.876,34 €. Hinzu kämen weiterlaufende Betriebskosten in Höhe von 2.654,34 € und Heizkosten in Höhe von 1.093,12 €.

Die Klägerin hat beantragt,

den Ehemann der Beklagten zu verurteilen, an sie 146.439,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagezustellung (05.10.2005) zu zahlen.

Der Ehemann der Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag habe nicht die komplette Sanierung des Hauses beinhaltet, sondern eine Modernisierung im Leichtbau. Die Leistungen seien abschließend in dem Vertrag aufgeführt. Alle dort aufgeführten Arbeiten seien ordnungsgemäß fertiggestellt.

Den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen G2 ist er in weiten Teilen sowohl hinsichtlich des Vorhandenseins von Mängeln als auch hinsichtlich des Umfangs der von ihm geschätzten Mängelbeseitigungsmaßnahmen entgegengetreten.

Im Übrigen hat er die Einrede der Verjährung erhoben. Hierzu hat er behauptet, die Arbeiten seien im Jahr 1991 abgeschlossen gewesen. Aufgrund der Vereinbarung der VOB/B mit den Handwerksbetrieben habe die Gewährleistungsfrist gegenüber diesen 2 Jahre betragen, so dass die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche aus dem Architektenvertrag ihm gegenüber 1993 begonnen habe. Mit Einleitung des Beweisverfahrens im Jahr 2000 sei die Frist bereits abgelaufen gewesen.

Die Klägerin hat repliziert, mit den Handwerkern sei eine fünfjährige Verjährungsfrist vereinbart worden. Sämtliche Handwerker hätten ihre Arbeiten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1991 und Anfang 1992 abgeschlossen. Die gegenüber dem Architekten laufende Gewährleistungsfrist habe daher erst in der zweiten Jahreshälfte 1996 begonnen und sei mit Einleitung des Beweisverfahrens unterbrochen worden.

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2006 die Frage der Verjährung "unter dem Blickwinkel der Kündigung des Architektenvertrages durch den Beklagten mit Schreiben vom 07.07.1992" erörtert und den Parteien Gelegenheit gegeben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Im Termin hat der Klägervertreter beantragt, ihm zu den überreichten Schriftsätzen des Beklagten vom 26.10.2006 Schriftsatzfrist einzuräumen. Diesem Antrag hat die Kammer nicht stattgegeben.

Das Landgericht hat die Klage sodann durch Urteil vom 31.10.2006 wegen Verjährung abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin verjähre in 5 Jahren gemäß § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.. Die Verjährung habe mit dem Kündigungsschreiben vom 07.07.1992 begonnen, auch wenn die Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Denn wenn der Architekt kündige und seine Arbeit einstelle, dann gebe er zu erkennen, dass er seine Leistungen für den Bauherren als beendet ansehe. Das Bauwerk könne von dem Bauherrn abschließend beurteilt werden. Mit der fristlosen Kündigung beginne nicht nur die Verjährung des Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Planung, sondern auch diejenige wegen fehlerhafter Bauüberwachung und positiver Verletzung der sich aus dem Architektenvertrag ergebenden Verpflichtungen.

Die Verjährung sei daher im Jahr 1997 eingetreten.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Erwägungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

In der Berufungsbegründung rügt sie, das Landgericht habe unter Verletzung der richterlichen Hinweispflicht eine Überraschungsentscheidung getroffen. Erstmals im 2. Verhandlungstermin am 31.10.2006 habe das Gericht die Verjährungsproblematik angesprochen. Schriftsatzfrist sei nicht eingeräumt, sondern sogleich ein Urteil verkündet worden. Fehlerhaft habe das Landgericht darauf abgestellt, dass die Verjährungsfrist mit dem Kündigungsschreiben des Ehemanns der Beklagten vom 07.07.1992 beginne. Eine unberechtigte Kündigung könne aber nicht den Beginn der Verjährungsfrist auslösen. Darüber hinaus treffe es aber nicht zu, dass der Ehemann der Beklagten seine Tätigkeit nach dieser Kündigung eingestellt habe. Vielmehr habe er in seiner Architektenhonorarklage vor dem Landgericht Essen noch mit Schriftsatz seiner damaligen Rechtsanwälte vom 04.05.1993 Rechnungen eingeführt, die auch die Leistungsphase 9 betroffen hätten. Daraufhin habe die Klägerin den Architekten mit Schreiben vom 20.12.1993 aufgefordert, die Schlussrechnung der Fa. Elektro-L2 zu prüfen. Da er die Leistungsphasen 1 - 9 abgerechnet habe, sei er auch zur ordnungsgemäßen Rechnungsprüfung verpflichtet. Der Ehemann der Beklagten habe daraufhin ohne Widerspruch die Rechnung der Fa. L2 vom 31.12.1991 am 10.02.1994 und die Rechnung der Firma L2 vom 31.12.1992 am 22.02.1994 geprüft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnungen vom 31.12.1991 und 1992 sowie die entsprechenden Prüfvermerke des Architekten (Bl. 352, 372 d. A.) Bezug genommen. Diesen Sachverhalt vorzutragen habe das Landgericht der Klägerin keine Gelegenheit gegeben.

Die Verjährungsfrist gegenüber dem Architekten habe frühestens nach Ablauf der Gewährleistungsfrist gegenüber den Handwerkern in der zweiten Jahreshälfte 1996 begonnen und sei durch Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens rechtzeitig unterbrochen worden.

Davon unabhängig vertritt die Klägerin die Auffassung, es gelte eine 30 jährige Verjährungsfrist, weil keine Abnahme vorliege.

Der Ehemann der Beklagten ist am 26.07.2007 verstorben. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.10.2007 den Rechtsstreit aufgenommen. Im 2. Verhandlungstermin vor dem Senat ist der ordnungsgemäß geladene Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht erschienen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 146.439,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagezustellung (05.10.2005) zu zahlen;

hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Außerdem beantragt sie eine Entscheidung nach Lage der Akten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise das Urteil des Landgerichts Essen aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Verjährungseinrede sei bereits in der Klageerwiderung erhoben worden und die Gegenseite habe sich mit der Verjährungsproblematik befasst, wenn auch in unzureichender Weise. Eine Verletzung von Hinweispflichten habe nicht stattgefunden. Die Beklagte macht sich die Rechtsansicht des Landgerichts zu eigen und vertritt die Auffassung, die Verjährungsfrist habe mit der Kündigung am 07.07.1992 begonnen. Danach sei das Erbringen von Restarbeiten aus der Leistungsphase 9 nicht mehr in Betracht gekommen. Hierzu behauptet sie, weitere Tätigkeit für die Klägerin habe nicht mehr stattgefunden. Der Ehemann der Beklagten habe in dieser Zeit lediglich Forderungen und Unterstellungen der Klägerin abwehren müssen. Die Rechnungsprüfung Fa. L2 gehöre in eine "frühere Phase" als der Prüfvermerk ausweise. Es habe sich dabei nicht um eine Tätigkeit für die Klägerin und deren Ehemann gehandelt. Vielmehr habe Herr L2 ihn um Rechnungsprüfung gebeten, da er befürchtet habe, kein Geld zu erhalten.

Die Beklagte trägt vor, für sämtliche in Rede stehenden Gewerke habe die Verjährung im November 1990 begonnen, da sie zu diesem Zeitpunkt erledigt gewesen seien. Es habe die zweijährige Verjährungsfrist der VOB/B gegolten. Die offizielle Abnahme habe im März 1991 stattgefunden.

Die Akten 9 OH 13/00 und 18 O 32/93 des Landgerichts Essen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß §§ 331 a, 251 a Abs.2 ZPO liegen vor. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist im Senatstermin vom 31.01.2008 trotz ordnungsgemäßer, insbesondere rechtzeitiger Ladung nicht erschienen. Im Senatstermin vom 12.06.2007 ist bereits mündlich verhandelt worden.

Auf die zulässige Berufung und den gemäß § 538 Abs.2 ZPO gestellten Hilfsantrag der Beklagten ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 538 Abs.2 Nr.1 ZPO).

A.

Grob verfahrensfehlerhaft war, dass das Landgericht, wie die Berufung mit Recht rügt, unter Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) eine Überraschungsentscheidung getroffen hat, indem es der Klägerin keine Stellungnahmefrist zu seiner Auffassung in der Frage der Verjährung eingeräumt hat.

Vor der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2006, in welcher die Kammer auf die Verjährungsproblematik hingewiesen hat, ist diese von den Parteien zwar (knapp) behandelt, aber nicht vor dem Hintergrund des Kündigungsschreibens des Ehemannes der Beklagten problematisiert worden. Auch er hatte dem Kündigungsschreiben eine derartige Bedeutung nicht zugemessen. Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin allein durch die Möglichkeit, im Termin zu dem Hinweis Stellung zu nehmen, nicht ausreichendes Gehör eingeräumt worden.

Die fehlende Gelegenheit zur Stellungnahme hat auch dazu geführt, dass die erforderliche Sachaufklärung durch das Landgericht unterblieben ist. Denn gerade den entscheidenden Vortrag zu der vom Ehemann der Beklagten nach der Kündigungserklärung entfalteten Tätigkeit hat die Klägerin erstmals in 2. Instanz angebracht. Dabei handelt es sich auch nicht - wie der Ehemann der Beklagten gemeint hat - um bloße Rechtsausführungen. Die von ihm nach der Kündigung entfaltete Tätigkeit stellt eine Tatsache dar, die die Klägerin durch Überreichung von Schriftstücken untermauert hat.

B.

Der Verfahrensmangel, also die Verkündung des Urteils, ohne dass der Klägerin die Möglichkeit gegeben wurde, zum Hinweis der Kammer schriftsätzlich Stellung zu nehmen und entsprechende Unterlagen zu überreichen, hat sich auch dahingehend ausgewirkt, dass eine erforderliche umfangreiche Aufklärung und Beweisaufnahme unterblieben ist, die ohne eine Zurückverweisung auf die Berufungsinstanz verlagert würde. Dies ergibt sich aus folgender sachlich-rechtlicher Beurteilung:

1. Der Vortrag der Klägerin ergibt schlüssig einen Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Architektenleistung gem. § 635 BGB a. F. (anwendbar nach Art. 229 § 5 EGBGB). Die Klägerin und ihr Ehemann haben den Ehemann der Beklagten mit der Erbringung von Architektenleistungen zum Umbau und Ausbau des Objektes der Klägerin in ein Mietshaus beauftragt. Die Klägerin hat die behauptete Mangelhaftigkeit dieser Architektenleistungen im Einzelnen dargelegt.

2. Ohne Erfolg erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

a.) Da keine Verjährungsfrist zwischen den Parteien vereinbart worden ist, gilt die gesetzliche Frist des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F., die im vorliegenden Fall fünf Jahre betragen würde.

§ 638 BGB a. F. ist grundsätzlich anzuwenden, da es um Schadensersatzansprüche wegen Mängeln des Architektenwerkes geht. Hier würde eine fünfjährige Verjährungsfrist gelten, denn bei Planungs- und Überwachungstätigkeiten im Rahmen einer Altbausanierung handelt es sich um "Arbeiten an Bauwerken" (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Auflage, 12. Teil, Rdnr. 494).

b) Denkbar wäre allerdings, dass eine Anwendung des § 638 BGB a. F. deshalb ausgeschlossen ist, weil es an einer Abnahme des Architektenwerkes fehlt. Gemäß § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB beginnt die aus dieser Vorschrift folgende Frist mit der Abnahme. Wurde die Leistung des Architekten nicht abgenommen und hat der Auftraggeber die Abnahme der Architektenleistung nicht endgültig verweigert oder ist der Vertrag nicht anderweitig beendet worden, dann unterliegt der Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a. F. nach der Rechtsprechung des BGH der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. von 30 Jahren (BGH in BauR 2000, 128, zit. nach Juris, Rdnr.12; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Auflage, Rdnr. 2397; Kniffka/Koeble, aaO, Rdnr. 504 spricht von dem "hängen gebliebenen Vertrag").

c) Ob ein solcher "hängen gebliebener" Vertrag hier anzunehmen ist, kann indessen dahingestellt bleiben, denn auch die fünfjährige Verjährung des § 638 BGB a. F. ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Sie begann nämlich frühestens im November 1995 und wurde vor ihrem Ablauf im November 2000 mit Einleitung des Beweisverfahrens im Februar 2000 unterbrochen, § 639 Abs. 1 BGB a. F.

aa.)

Die Verjährung gemäß § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. beginnt mit der Abnahme. Abnahme bedeutet die Billigung der Architektenleistung als vertragsgemäß.

Dass die Klägerin bereits mit Zahlung von Architektenhonorar in Höhe von 68.000 DM das Architektenwerk betreffend die Leistungsphase 9 gebilligt hat, ist nicht ersichtlich. Bei diesen Zahlungen handelte es sich lediglich um Abschläge. Ob darüber hinaus noch weitere Zahlungen geleistet worden sind, ist nicht vorgetragen. Zudem haben die Klägerin und ihr Ehemann im Prozess um die Honorarforderung des Architekten die Zahlung des vereinbarten Resthonorars mit dem Hinweis auf die noch nicht erbrachte Leistungsphase 9 ausdrücklich verweigert.

Eine Abnahme oder ein Abnahmesurrogat kommen allenfalls ab dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem der Architekt der Klägerin keine Leistungen mehr schuldete. Dies war frühestens im November 1995 der Fall. Denn dem Beklagten waren ursprünglich sämtliche Architektenleistungen einschließlich der Leistungsphase 9 übertragen worden. Zum Tätigkeitsumfang des Architekten in der Leistungsphase 9 gehört die Objektbegehung zur Mängelfeststellung vor Ablauf der Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche gegenüber den ausführenden Handwerker.

Gegenüber den ausführenden Handwerkern galt eine fünfjährige Gewährleistungsfrist nach § 638 Abs. 1 BGB a. F., da der Ehemann der Beklagten mit ihnen nach den in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 27.06.2007 (Bl.436-469 d.A.) überreichten Unterlagen die Gewährleistung nach dem BGB ausdrücklich vereinbart hat. Die Vereinbarungen betrafen den Dachdecker Fa. K GmbH, den Fensterbauer Fa. L GmbH, den Maler Fa. W. L1; den Heizungsbauer Fa. v. S, den Zimmerer Fa. S1 und den Fußbodenverleger Fa. S2.

Die Gewährleistungsfristen gegenüber den ausführenden Handwerkern begannen frühestens im November 1990, denn nach dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz sind die hier in Rede stehenden Gewerke im November 1990 abnahmereif fertig gestellt worden. Die Gewährleistungsfrist gegenüber dem Ehemann der Beklagten begann dementsprechend frühestens im November 1995, so dass sie frühestens im November 2000 hätte ablaufen können, wäre sie nicht durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens im Februar 2000 unterbrochen worden.

bb.)

Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, dass der Lauf der Verjährung gegenüber dem Ehemann der Beklagten schon mit dem Kündigungsschreiben des Ehemannes der Beklagten vom 07.07.1992 begonnen habe.

aaa) Kündigt der Bauherr dem Architekten den Vertrag, so beginnt mit der Kündigung die (sodann nach § 638 BGB a. F. geregelte 5-jährige) Verjährungsfrist zu laufen. Dies ist ein Fall der endgültigen Ablehnung der Abnahme, die der Abnahme gleichsteht. Denn von diesem Zeitpunkt an wird dem Architekten klar, dass sein Werk endgültig in dem Zustand verbleiben wird, den es im Zeitpunkt der Kündigung erreicht hat. Das Architektenwerk kann von da an abschließend beurteilt werden (Werner/Pastor, aaO, Rdnr. 2401). Das Landgericht hat dies auch auf den vorliegenden umgekehrten Fall - der Kündigung durch den Architekten - angewandt und den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der Kündigung datiert. Davon kann aber nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Zwar soll nach Werner/Pastor (aaO) die Sachlage "entsprechend" (der Kündigung durch den Bauherren) zu behandeln sein, wenn der Architekt selbst die Arbeiten endgültig einstellt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Architekt unberechtigt kündigt. Andernfalls könnte der Architekt in diesem Fall durch einseitige Maßnahmen den Verjährungsbeginn festlegen (Kniffka/Koeble, aaO, 12. Teil, Rdnr.503). Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH (NJW 1971, 1840) steht dem nicht entgegen, da im dort zugrunde liegenden Fall sich die Parteien auf einen Verjährungsbeginn nach Beendigung der Arbeit des Architekten ausdrücklich geeinigt hatten (vgl. Kniffka in ZfB 1998, 113, 119, Fn.88).

Von einer fehlenden Berechtigung der Kündigung ist hier auszugehen. Denn welcher Art die "Flut der Schreiben" war, die den Beklagten veranlasst haben zu kündigen, ist nicht vorgetragen.

bb.) Bei einer unberechtigten Vertragskündigung durch den Auftragnehmer ist für den Beginn der Verjährung zusätzlich zu fordern, dass der Bauherr mit der Einstellung der Arbeiten einverstanden ist. Hier liegt jedoch weder eine endgültige Einstellung der Arbeiten durch den Ehemann der Beklagten noch das Einverständnis der Klägerin und ihres Ehemannes hiermit vor.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben nicht nur im Honorarprozess geltend gemacht, die Leistungsphase 9 sei noch nicht vollständig erbracht. Die Klägerin hat auch in der Berufungsinstanz ein Schreiben vom 20.12.1993 vorgelegt, in dem ihr Ehemann der Kündigung widerspricht und diese für rechtsunwirksam erklärt (Bl. 350 d.A.). Sie behauptet, der Ehemann der Beklagten habe daraufhin Leistungen der Leistungsphase 9, nämlich auf ihre Aufforderung hin Rechnungsprüfungen, vorgenommen. Dem ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Zwar hat die Beklagte in der Berufungserwiderung der Behauptung, ihr Ehemann habe nach der Kündigung im Auftrag der Klägerin bzw. ihres Ehemannes noch Rechnungen geprüft, widersprochen. Der Vortrag, die Prüfung sei nicht zu dem auf der Rechnung ausgewiesenen Prüfungsdatum erfolgt, ist aber nicht nachvollziehbar, weil die Rechnung dem Architekten laut Schreiben des Ehemannes vom 20.12.1993 von diesem übersandt worden ist.

Auch ansonsten ist vor dem F der Leistungsphase 9 keine Zustimmung der Klägerin zu einer Leistungseinstellung des Architekten feststellbar.

C.

Der Senat hält es für angemessen, den Rechtsstreit nicht gemäß § 538 Abs.1 ZPO selbst zu entscheiden, sondern das Urteil aufzuheben und die Sache insoweit nach § 538 Anbs.2 Nr.3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Hierfür spricht im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung, dass beide Parteien ein solches Vorgehen angeregt haben. Hinzu kommt, dass die Schadensersatzforderung der Klägerin noch im erheblichem Umfang aufklärungsbedürftig ist und weiterer Sachverständigen-, ggfs. auch Zeugenbeweis erhoben werden muss. Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen G2 notwendig. Das gilt auch für die von der Klägerin gerügten Feuchtigkeitsschäden. Denn der Ehemann der Beklagte war verpflichtet, das Vorhandensein und die Wirksamkeit der Isolierung zu untersuchen, gegebenenfalls Abdichtungsmaßnahmen zu empfehlen und ihren ordnungsgemäßen Einbau zu beaufsichtigen, weil er nach dem Vertrag Architektenleistungen betreffend den Um- und Ausbau des über 100 Jahre alten Hauses zur Herstellung von geeignetem Wohnraum zu erbringen hatte. Er hatte seine Planung an dem auszurichten, was für einen diesen Anforderungen genügenden Umbau erforderlich war. Bei einem 100 Jahre alten Haus musste damit gerechnet werden, dass die Isolierung nicht vorhanden oder nicht mehr einwandfrei war. (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2005, 406, 408).

D.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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