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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 21 U 46/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 284 Abs. 2 S. 1 a. F.
BGB § 286 Abs. 1 a. F.
BGB § 291
BGB § 631
BGB § 633 Abs. 2 S. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 19.11.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 1.556,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.4.2003 zu zahlen.

Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin weitere 4.800,00 € Zug um Zug gegen Beseitigung folgender Mängel an der Doppelhaushälfte I-Straße 5 in E zu zahlen:

- Riß an der Verblendung im Wohnzimmerbereich,

- mangelhafte Abdichtung des Klinkeraufstandsbereiches linksseitig des Garagenzufahrtstores im erdberührten Bereich,

- Undichtigkeiten des Kellerraumes unterhalb der Garage einschließlich der dadurch bisher verursachten Feuchtigkeitsauswirkungen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich derer des selbständigen Beweisverfahrens 8 H 2/02 AG Dorsten werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten noch einen Restwerklohnanspruch gemäß § 631 BGB in Höhe von 6.356,51 €, der entgegen dem landgerichtlichen Urteil auch fällig ist. Dieser Anspruch ist nicht ganz oder teilweise durch Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen der Beklagten erloschen, weil solche Forderungen der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht bestehen. Gegenüber einem Teil des Restwerklohnanspruchs in Höhe von 4.800,00 € steht den Beklagten jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Klägerin gemäß § 633 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB noch - und zwar mit einem voraussichtlichen Aufwand von 1.600,00 € - Mängel beseitigen muß.

1.

Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 7.12.2000 stand, wie in erster Instanz unstreitig geworden ist, noch ein Betrag von 13.967,57 DM = 7.141,51 € zur Zahlung offen. Hierbei handelt es sich um die 7. Rate gemäß § 13 des Vertrages unter Berücksichtigung unstreitiger Mehr- und Minderleistungspositionen sowie unstreitiger Abzüge für Mängel.

Noch nicht abgezogen, jedoch ebenfalls unstreitig abzuziehen und auch im Berufungsantrag der Klägerin bereits berücksichtigt ist ein Betrag von 285,00 € als Abgeltung für Lotabweichungen des Wandbereiches rechtsseitig der Tür zum Gäste-WC, die der Sachverständige Dipl.-Ing. N in dem selbständigen Beweisverfahren 8 H 2/02 AG Dorsten festgestellt hatte.

Ferner haben sich die Parteien im Senatstermin vom 2.3.2006 darüber geeinigt, daß ein weiterer Betrag in Höhe von 500,00 € für die von der Klägerin nicht ausgeführte Terrassenplattierung abzuziehen ist.

Es verbleibt der oben genannte Restanspruch von 6.356,51 €.

2.

Dieser Restanspruch ist auch fällig.

Die Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlußrate gemäß § 13 des notariellen Vertrages vom 7.12.2000, die vollständige Fertigstellung des Bauvorhabens, ist trotz der noch vorliegenden Mängel gegeben.

Was unter dem Begriff der vollständigen Fertigstellung, der sich an die Makler- und Bauträgerverordnung anlehnt, zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung im einzelnen uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird verlangt, daß "wesentliche" Mängel beseitigt worden sind (vgl. BGH BauR 1998, 783); teilweise wird eine vollständige Mängelbeseitigung gefordert, wobei unwesentliche Mängel dann jedoch ggf. über § 242 BGB unberücksichtigt bleiben (vgl. OLG Naumburg IBR 1999, 532; ähnlich OLG Hamm BauR 2002, 641).

Ob die an dem Bauvorhaben noch vorhandenen Mängel, wie das Landgericht ausgeführt hat, in diesem Sinne wesentlich sind, ist jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Die Beklagten haben nämlich ausdrücklich und schriftlich die Abnahme des Bauvorhabens erklärt.

Da die Abnahme unter dem Vorbehalt im einzelnen bezeichneter Mängel und Restarbeiten erklärt worden ist, ist sie zwar als solche noch nicht mit der vollständigen Fertigstellung gleichzusetzen. Hätten die Parteien nämlich eine solche Gleichsetzung gewollt, so hätten sie den Begriff der vollständigen Fertigstellung im Vertrag nicht zu verwenden brauchen, sondern es bei der Abnahme als gesetzlicher Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlußabrechnung bewenden lassen können. Die Gleichsetzung von Abnahme und vollständiger Fertigstellung würde nach dem vertraglichen Ratenplan auch zu einer - bei normalem Ablauf - gleichzeitigen Fälligkeit der vorletzten und der letzten Rate führen, weil die vorletzte Rate mit "Besitzübergabe" fällig werden sollte und diese, wie die Überschrift in dem vorformulierten "Abnahmeprotokoll/Bezugsfertigkeit und Besitzübergabeprotokoll" zeigt, regelmäßig zusammen mit der Abnahme durchgeführt wird. Es wäre aber nicht einsichtig, warum die Vertragsparteien zwei getrennte Raten hätten vorsehen wollen, wenn diese dann doch absehbar gleichzeitig fällig werden sollten (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2003, 93).

In der Abnahme unter Mängelvorbehalt ist jedoch die Erklärung der Beklagten zu erblicken, das Bauvorhaben dann als vollständig fertiggestellt anzusehen, wenn die vorbehaltenen Mängel beseitigt bzw. die aufgeführten Restarbeiten erledigt sind. Da im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich über Mängel gestritten wird, die nicht zu den im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängeln bzw. Restarbeiten gehören, ist davon auszugehen, daß diese Voraussetzung erfüllt ist.

Die nunmehr streitigen, erst nach der Abnahme zutagegetretenen oder jedenfalls gerügten Mängel hingegen können, auch wenn sie als wesentlich zu qualifizieren sein sollten, die Bejahung der "vollständigen Fertigstellung" nicht mehr hindern (vgl. auch Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Rn. 564 ff.: "wesentliche Mängel stehen entgegen, soweit keine Abnahme erfolgt ist"). Da eine einmal eingetretene Fälligkeit nicht nachträglich wieder entfallen kann, wäre ansonsten der Fälligkeitseintritt auch von dem zufälligen Umstand abhängig, ob zum Zeitpunkt der Entdeckung des neuen Mangels der letzte "Protokollmangel" schon beseitigt war oder nicht. In der Abnahmeerklärung kommt hingegen der Wille der Parteien zum Ausdruck, die zur Herbeiführung der Schlußfälligkeit noch zu schaffenden Voraussetzungen klar festzulegen und sie nicht von Zufällen abhängig zu machen.

3.

Ansprüche auf Ersatz von Verzugsschäden gemäß § 286 Abs. 1 (a. F.) BGB, mit denen die Beklagten gegen die Restwerklohnforderung hätten aufrechnen können, bestehen nicht. Die Klägerin ist nämlich mit der Fertigstellung nicht in Verzug geraten.

Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Klägerin den in § 10 des notariellen Vertrages vereinbarten Fertigstellungstermin, den 31.5.2001, überschritten hat. Dieser ursprüngliche Fertigstellungstermin, der als kalendermäßig bestimmter Leistungszeitpunkt im Sinne von § 284 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB anzusehen war, ist nämlich als nachträglich stillschweigend abbedungen anzusehen, und zwar dadurch, daß die Parteien den vertraglichen Leistungsumfang der Klägerin einvernehmlich abgeändert haben und die Aufrechterhaltung des vereinbarten Termins angesichts dieser Änderungen nicht mehr redlicherweise zu erwarten war (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, Rn. VII/6). Dabei genügt schon eine zu erwartende ganz geringfügige Bauzeitverlängerung (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2000, 1336: ein Tag), weil der sich ergebende neue Fertigstellungszeitpunkt dann jedenfalls nicht mehr kalendermäßig bestimmt ist und Verzug daher nunmehr nur noch durch eine Mahnung eintreten kann (vgl. OLG Düsseldorf aaO sowie BGH BauR 1999, 645), die hier nicht ersichtlich ist.

Die Änderung des Leistungsumfangs, die zur stillschweigenden Abbedingung des vertraglichen Fertigstellungstermins geführt hat, lag vor allem in der Herausnahme des Fenstergewerks aus dem Vertrag, die aus der handschriftlichen Minderkostenaufstellung (Anlage zum Schriftsatz vom 12.5.2003) ersichtlich wird. Obwohl es sich hier nicht um eine Vergrößerung, sondern um eine Verringerung des Leistungsumfangs der Klägerin handelte, führte sie zu einer zu erwartenden Bauzeitverlängerung. Das Fenstergewerk wirkt sich nämlich auf die Organisation des Bauablaufs in erheblichem Maße aus. Bereits der Zeitpunkt, zu dem die endgültigen Maße für die Fertigung der Fenster genommen werden können, hängt vom Baufortschritt ab, und der Einbau der Fenster hat seinerseits Einfluß auf den weiteren Baufortschritt. So müssen nach dem Fenstereinbau zumindest noch die Laibungen beigeputzt werden - bei manchen Bauten werden sogar die gesamten Putzarbeiten erst nach dem Fenstereinbau ausgeführt -, und ohne Fenster ist ein Haus auch nicht geschlossen, so daß insbesondere Heizungs- und Sanitärgegenstände wegen der Diebstahlsgefahr nicht angeliefert werden können. Gehört das Fenstergewerk zum Leistungsumfang des Bauträgers, so sind seine Erfahrungen und Abstimmungen mit dem für ihn tätigen Subunternehmer daher ein wichtige Grundlage für seine Bauablaufsplanung und damit auch für seine Terminzusage an den Bauherrn. Wird das Fenstergewerk dann jedoch vom Bauherrn in Eigenleistung übernommen, so hat der Bauträger diese zeitliche Abstimmung nicht mehr in der Hand, sondern muß nunmehr das Arbeitstempo und die terminliche Verfügbarkeit eines fremden Handwerkers oder gar des Bauherrn selbst hinnehmen. Der Bauherr kann daher nicht redlicherweise davon ausgehen, daß der Bauträger trotz dieses nicht vorhergesehenen Umstandes seine ursprüngliche Terminzusage aufrechterhalten will.

4.

Den Beklagten steht jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Werkleistung der Klägerin mit Mängeln behaftet und die Klägerin daher zur Nachbesserung verpflichtet ist.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen N, denen sich der Senat anschließt, ist die Bauleistung der Klägerin gegenwärtig noch mit den in der Urteilsformel aufgeführten Mängeln behaftet. Gemäß § 633 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB ist die Klägerin zu ihrer Beseitigung verpflichtet. Das gilt insbesondere auch für den Riß an der Verblendung im Wohnzimmerbereich, von dem sie zuletzt behauptet hatte, sie habe sich mit den Beklagten darauf geeinigt, ihn durch eine Verlängerung der Gewährleistungszeit abzugelten. Diese von den Beklagten bestrittene Behauptung hat die Klägerin nicht bewiesen. Für den im Schriftsatz vom 8.9.2005 benannten Zeugen U hat sie keine ladungsfähige Anschrift angegeben; auf den zum Termin geladenen Zeugen M hat sie, als er zunächst nicht erschienen war, verzichtet.

Die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten betragen für den Riß 150 €, für die Abdichtung des Klinkeraufstandsbereichs am Garagentor weitere 150 € und für die Sanierung des Kellers 1.300 €. Hierbei ist davon auszugehen, daß die Beklagten Anspruch auf eine Abdichtung von außen her haben und nicht nur auf die geringfügig preiswertere Verpressung von innen. Zwar mag, wie der Sachverständige N dargelegt hat, die Verpressungsmethode das Durchdringen von Feuchtigkeit nach innen ebenso zuverlässig verhindern. Zu berücksichtigen ist aber, daß die Beklagten vertraglich Anspruch auf ein Bauwerk haben, das gemäß den Regeln der Technik außenseitig ordnungsgemäß abgedichtet ist und in das Feuchtigkeit daher erst gar nicht eindringt, auch nicht nur äußerlich. Zumindest wenn der Aufwand dafür, wie hier, nicht erheblich höher ist als bei der Verpressungsmethode, können sie die Herstellung des vollständig vertragsgemäßen Zustandes daher auch verlangen. Den Kostenaufwand für die Abdichtung hat der Sachverständige im Termin nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Zu berücksichtigen sind dabei nur die notwendigen Kosten, also z. B. nicht zusätzliche Fahrtkosten, die entstehen, wenn ohne sachliche Notwendigkeit eine nicht ortsansässige Firma mit der Sanierung beauftragt wird.

Der Betrag, den die Beklagten mit Hinblick auf die Nachbesserungspflicht der Klägerin zurückhalten können, beläuft sich wegen der Funktion als Druckmittel auf das Dreifache der Mängelbeseitigungskosten.

5.

Der von dem Leistungsverweigerungsrecht nicht erfaßte Teil der Restwerklohnforderung ist gemäß § 291 BGB seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein zeitlich früherer Verzugsbeginn kann nicht festgestellt werden. Die von der Klägerin vorgetragene Mahnung vom 8.11.2001 ist zeitlich noch vor der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt. Jedenfalls während des selbständigen Beweisverfahrens war der Werklohnanspruch jedoch noch nicht fällig. Der Sachverständige N hatte nämlich in seinem Beweissicherungsgutachten u. a. (S. 11-13) einen Mangel des Garagendachs - unzureichende Fixierung der Abdichtungsfolie durch Begrünung oder Kies - festgestellt, der bereits im Abnahmeprotokoll festgehalten worden war (Punkt 11: "Dachbegrünung - Kies?"). Dieser Mangel war auch von der Klägerin zumindest insoweit zu vertreten, als der Zustand der Abdichtungsfolie nicht ordnungsgemäß war; ob die Klägerin auch die Bekiesung bzw. Begrünung schuldete, wäre allenfalls für die Frage sog. Sowiesokosten von Bedeutung gewesen. Es war also noch ein sog. Protokollmangel vorhanden, der nach den obigen Ausführungen die Fälligkeit hinderte. Erst für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Klageverfahrens kann davon ausgegangen werden, daß dieses Fälligkeitshindernis nicht mehr bestand, weil der Mangel im Rechtsstreit von den Beklagten nicht mehr gerügt worden ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Angesichts des beiderseitigen Teilunterliegens und insbesondere der Zug-um-Zug-Verurteilung, die einen wesentlichen Teil der Klageforderung betrifft, erschien eine Kostenaufhebung insgesamt angemessen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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