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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 21 U 46/09
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 631 Abs. 1
VOB/B § 4 Nr. 3
VOB/B § 4 Nr. 7
VOB/B § 13 Nr. 7 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.12.2008 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.794,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.246,38 € seit dem 29.10.2006, aus 870,30 € seit dem 01.03.2007 und aus 1.677,32 € seit dem 28.04.2007 sowie weitere 507,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.06.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Restwerklohn in Höhe von insgesamt 6.794,00 € gem. § 631 Abs.1 BGB.

Zwischen den Parteien ist unstreitig unter Einbeziehung der VOB/B ein Werkvertrag über die Errichtung eines Glasvorbaus für den Eingangsbereich des Bauvorhabens "L" in H geschlossen worden.

Der Werklohnanspruch der Klägerin ist auch fällig. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls wann eine Abnahme des Gewerks der Klägerin erfolgt ist. Die Fälligkeit des Anspruchs ergibt sich nämlich daraus, dass zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis besteht. Die Beklagte macht vorliegend nur noch einen Schadensersatzanspruch wegen des behaupteten Mangels geltend und stellt diesen zur Aufrechnung. Nacherfüllung wird unstreitig nicht verlangt. Der Nacherfüllungsanspruch ist damit erloschen und der Vertrag in ein reines Abwicklungsverhältnis umgestaltet worden. In diesen Fällen kann sich der Auftraggeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf eine etwa fehlende Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung berufen (BGH NJW 1999, 3710, NJW 2002, 3019, BauR 2003, 88, BauR 2005, 582).

Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 13 Nr.7 Abs.3 VOB/B (nach Abnahme) oder gem. § 4 Nr.7 VOB/B (vor Abnahme) wegen des mit dem Bauherrn vereinbarten Minderungsbetrages und der ihm erstatteten Anwaltskosten erloschen.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist zunächst das Vorliegen eines der Werkleistung der Klägerin zuzuordnenden Mangels. Dabei ist ein zum Schadensersatz führender Mangel nicht nur bei Defekten im technischen Sinne zu bejahen, vielmehr können auch optische Mängel zum Schadensersatz verpflichten, zumal wenn der Auftraggeber ein spezielles Interesse an einem optisch einwandfreien Gewerk hat (OLG Dresden, IBR 2000, 487 ff; OLG Stuttgart, BauR 1979, 432 ff).

Ein solcher optischer Mangel liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen - dies ist zwischen den Parteien letztlich unstreitig - vor. Die nach den Planungen vorgesehene und vertraglich geschuldete Parallelität der von der Klägerin errichteten äußeren Glasfassade zu der von einem Drittunternehmer montierten innenliegenden sichtbaren Stahlkonstruktion ist nicht erreicht worden. Die Abstände zwischen den inneren Stahlträgern und der verglasten Pfosten-Riegel-Konstruktion der Klägerin differieren zum Teil erheblich. Diese Abweichungen sind im Innenbereich der Eingangshalle erkennbar und führen zu einer wesentlichen optischen Beeinträchtigung der auch repräsentativen Zwecken dienenden Eingangshalle.

Die Ursache für die optische Beeinträchtigung liegt nach dem Gutachten des Sachverständigen Graul jedoch allein in der Montage der innenliegenden Stahlkonstruktion. Die Stahlträger stünden nicht im Lot und liefen aus der Flucht. Dies führe zu den hier sichtbaren erheblichen Maßabweichungen. Ein Ausführungsfehler der Klägerin liege dagegen nicht vor. Der äußere Glasvorbau sei entsprechend den Planzeichnungen errichtet worden und stehe korrekt auf dem darunter liegenden Fundament. Eine Vermessung der äußeren Glasfassade habe nur geringfügige Maßabweichungen gegenüber den Planungen ergeben, die alle innerhalb der zulässigen Toleranzen nach der hier einschlägigen DIN 18202 lägen. Diese Maßabweichungen seien auf die Länge der Seiten gesehen minimal und mit dem bloßen Auge ohnehin nicht sichtbar. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der sein Gutachten im Termin klargestellt sowie nachvollziehbar und plausibel erläutert hat. Danach sind die nur minimalen, innerhalb der zulässigen Toleranzen liegenden Ungenauigkeiten bei der Errichtung der äußeren Glasfassade nicht als Ausführungsfehler der Klägerin zu werten. Sie haben auch keine Auswirkungen auf den optischen Gesamteindruck; bei einer plangenauen Montage der Stahlträger wäre die Parallelität mit der äußeren Glasfassade vielmehr ohne weiteres gegeben. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, dass im Hinblick auf die starren Glasscheiben auch eine bessere Anpassung der äußeren Glasfassade an die schiefstehenden innenliegenden Stahlträger nicht möglich gewesen wäre, so dass unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls kein zum Schadensersatz führender Ausführungsfehler der Klägerin vorliegt.

Obwohl die Klägerin danach bei der Errichtung der äußeren Glasfassade die anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat, weist ihr Gewerk aber letztlich nicht die vertraglich geschuldete Parallelität mit der innenliegenden Stahlkonstruktion auf. Allein der Umstand, dass dies nicht auf einen eigenen Ausführungsfehler, sondern ausschließlich auf die von einem Drittunternehmer fehlerhaft errichtete innenliegende Stahlkonstruktion zurückzuführen ist, befreit die Klägerin nicht von ihrer Mängelhaftung. Da ihr Gewerk bezogen auf die Parallelität der Konstruktionen von den innenliegenden Stahlpfosten abhängig war, wird die Klägerin von der Mängelhaftung vielmehr nur dann frei, wenn sie ihrer Bedenkenhinweispflicht nachgekommen ist. Der Auftragnehmer hat nämlich Vorleistungen anderer Unternehmer daraufhin zu untersuchen, ob sie geeignet sind, ein mängelfreies Werk entstehen zu lassen. Dabei erkennbare Fehler hat er aufzudecken und die sich daraus ergebenden Bedenken dem Auftraggeber im Einzelnen mitzuteilen (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3.Aufl., 6.Teil Rn.24 m.w.N.). Einen schriftlichen Bedenkenhinweis gem. § 4 Nr.3 VOB/B, der zum Ausschluss der Mängelhaftung führen würde, hat die Klägerin unstreitig nicht erteilt. Ob sie hier einen inhaltlich ausreichend klaren mündlichen Bedenkenhinweis gegenüber der richtigen Person erteilt hat, ist zweifelhaft. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen.

Vorliegend ist nämlich weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch "statt der Leistung" aufrechnet und keine Nacherfüllung mehr verlangt. Die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs setzt aber grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer zuvor - unter Fristsetzung - zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist. Da die Klägerin die hier zunächst erforderliche Nachbesserung der von dem Drittunternehmer montierten innenliegenden Stahlkonstruktion nicht hätte vornehmen müssen (und dürfen), hätte die Beklagte eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung gegenüber der Klägerin mit dem Angebot verbinden müssen, für eine ordnungsgemäße Vorleistung zu sorgen. Dies ist - unstreitig - nicht geschehen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine solche Aufforderung entbehrlich war. So war - und ist - eine Mängelbeseitigung nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht unmöglich. Ferner gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Klägerin - soweit dies erforderlich gewesen wäre - ihre Mitwirkung an der Erstellung eines mängelfreien Werkes nach Herstellung einer fachgerechten Stahlkonstruktion verweigert hätte. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin im Hinblick auf einen etwa unterlassenen Bedenkenhinweis scheidet daher jedenfalls aus diesem Grund aus.

Neben ihrem Werklohnanspruch kann die Klägerin ferner Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie Verzugszinsen ab dem 01.03.2007 verlangen. Ausweislich des vorgelegten vorgerichtlichen Schriftverkehrs bestand bereits vor Rechtshängigkeit ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien. Verzug ist - wie sich aus dem Anwaltsschreiben der Klägerin vom 06.03.2007 entnehmen lässt - spätestens am 01.03.2007 eingetreten, nachdem die sonstigen Restarbeiten erledigt waren und hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Mangels keine Nacherfüllung mehr verlangt, sondern die Aufrechnung erklärt wurde.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs.2 Nr.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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