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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: 21 U 70/05
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/B § 4 Nr. 3
VOB/B § 4 Nr. 7
VOB/B § 4 Nr. 7 S. 3
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1
BGB § 154 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.01.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Abrechnung eines gekündigten Einheitspreisvertrages.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Geschäftszweig Herstellung von Betonfertigteilen. Die Beklagte, die im Jahre 2002 aus der V GmbH und der V2 GmbH hervorgegangen ist, befasst sich mit Flächensanierung. Aufgrund einer Angebotsabfrage der V2 GmbH (i. F. einheitlich: die Beklagte) vom 25.2.2002 unterbreitete die Klägerin unter dem 8.3.2002 ein Angebot über die Herstellung und Lieferung von Blockstufenelementen aus Beton für das Bauvorhaben Internationale Gartenbauausstellung (IGA) 2003 in S Los B 28.0 - Ufersicherung. Zugrunde lagen unter anderem die VOB und - zumindest - die S. 25-33 eines - von der IGA S 2003 GmbH, der Auftraggeberin der Beklagten, erstellten - LV vom 8.2.2002. In der "Vorbemerkung Stahlbetonbau" (S. 25 f. LV) heißt es zu den Anforderungen an den Beton unter anderem:

"Maßgebend für alle Betonarbeiten ist die DIN 1045. Die Stahlbetonteile (siehe Baubeschreibung) erfordern einen Beton mit besonderen Eigenschaften.

Es ist ein wasserundurchlässiger Beton, ein Beton mit hohem Frost- und Tausalzwiderstand und ein Beton mit meerwasserbedingtem hohem Widerstand gegen "starken" chemischen Angriff erforderlich. Außerdem sind für den Beton vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung einer schädigenden Alkalireaktion entsprechend der Feuchtigkeitsklasse "feucht und Alkalizufuhr von außen" erforderlich (siehe DAfStB-Richtlinie Alkalireaktion im Beton). Für die Herstellung der Betonbauteile gelten unabhängig von der erforderlichen Betonfestigkeitsklasse grundsätzlich die Bedingungen für einen Beton B II.

Es ist ein Beton mit niedriger Hydrationswärme erforderlich. (...)

Für die Zuschlagsstoffe sind nur gebrochene Materialien zugelassen (auch das Kleinstkorn muss aus Brechkies bestehen).

Der Beton muss meerwasserbedingt im durchfeuchteten Zustand häufigen Frost-Tau-Wechseln und, bedingt durch Winterstreudienst, einer schroffen Frost-Tausalz-Beanspruchung ausreichend widerstehen. Entsprechend ist ein Luftporenbeton nach DIN 1045 mit einem Luftporengehalt = 5% einzubauen. Auch der Zuschlag muss einen erhöhten Widerstand gegen Frost und Taumittel aufweisen, wobei der Widerstand gegen "Frost bei starker Durchfeuchtung des Betons" (DIN 4226, Teil 3, Abschnitt 3.5.3) zu prüfen ist, und der Durchgang durch das vorgesehene Prüfsieb 0,4 M.-% nicht überschritten werden darf."

Nachdem die Klägerin unter Hinweis auf die "Angebotsgrundlagen gemäß Hauptangebot" ein überarbeitetes und um die Montage der Elemente ergänztes Angebot vom 3.5.2002 vorgelegt hatte, kam es am 15.5.2002 zu einer Besprechung über Vergütungsfragen, in deren Verlauf die Klägerin nach ihrer Behauptung auch Bedenken dagegen äußerte, dass die Anforderungen des LV an den Beton technisch zu erfüllen seien. Die Klägerin übergab der Beklagten in diesem Zusammenhang einen Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 über die Zusammensetzung eines Betons der Sorte 535065 B 35 WU, der als Ausgangsstoff einen Zement CEM I 52,5 R ft mit schneller Festigkeitsentwicklung, einen Luftporengehalt von 4,30% und in der Korngruppe 0/2a - ungebrochenen - Sand als Zuschlagsstoff vorsah, sowie ein Schreiben der W GmbH vom 30.1.1998, in dem es u. a. heißt: "Die Forderung an den Beton gegen häufigen Frost-Tau-Wechsel beständig zu sein und einen hohen Tausalzwiderstand zu besitzen, würde den Einsatz von LP-Mittel erfordern. Dagegen steht die Forderung des Einsatzes von Zement mit hohem Sulfatwiderstand (CEM III B). Luftporen im Beton unter Einsatz von Hochofenzement (CEM III A und CEM III B) herzustellen ist in der Praxis nicht zu realisieren."

Auf der Grundlage eines im Preis überarbeiteten Angebots vom 22.5.2002, das wiederum auf die "Angebotsgrundlagen gemäß Hauptangebot" verwies und - wie auch die vorausgegangenen Angebote - die Urschrift des LV als allein verbindlich anerkannte, verhandelten die Parteien am selben Tag über die Bedingungen des Auftrags. In dem - von beiden Parteien unterschriebenen - Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002, das wegen der Vertragsgrundlagen unter anderem auf die VOB verweist, heißt es zum Leistungsumfang:

"1.1 Gegenstand der Verhandlung ist das auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung gefertigte Angebot vom 22.05.2002.

1.2 Ergänzungen bzw. Änderungen:

Die Herstellung der Dichtungsfuge wird gesondert geregelt (Fugenmaterial).

Grundlage ist die angebotene Rezeptur. Änderungen müssen bis zum 31.5.2002 mitgeteilt werden. Bei Änderung verzögert sich eine Produktionsaufnahme bzw. Ende. Bauseitige Gestellung für die Montage 3-4 ABM-Kräfte.

1. Der AN versichert, dass sein Angebot gem. Ziffer 1.1 nicht von der Ausschreibung des AG abweicht. Sollten Abweichungen im Angebot von der Leistungsbeschreibung des AG dennoch vorhanden sein, werden sie nur Vertragsbestandteil, soweit sie unter Ziffer 1.2 besonders behandelt werden."

Nachdem die Parteien wenige Tage später übereingekommen waren, dass die - im Angebot vom 22.5.2002 enthaltene - Fugenausbildung ausgeklammert werden solle, unterbreitete die Klägerin am 28.5.2002 ein weiteres Angebot, das unter Berücksichtigung eines Nachlasses mit Summen von 337.628,16 € (Lieferung Fertigteile) und 91.085,52 € (Montage abzüglich Fugenausbildung) abschloss. Durch Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte, "hiermit" den Auftrag zu erteilen, und kündigte an, die "formelle Bestellung" gehe der Klägerin in Kürze zu. Die Klägerin übersandte daraufhin eine Auftragsbestätigung vom 31.5.2002, in der sie verschiedene Vorbehalte machte und Mehrkosten anmeldete, und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Fertigung nach der Mischrezeptur erfolge. Die Beklagte antwortete hierauf am 5.6.2002 zunächst, sie sehe sich nunmehr außerstande, den Auftrag zu erteilen. Am 7.6.2002 teilte sie dagegen mit, die Stornierung sei gegenstandslos, und kündigte eine "neue Bestellung" an.

Als die Klägerin mit Schreiben vom 10.6.2002 unter anderem einen Prüfbericht und eine Mischanweisung der C2 GmbH S vom 31.5.2002 vorlegte, die im Unterschied zu der am 15.5.2002 übergebenen Rezeptur einen Luftporengehalt von 5% vorsahen, sich aber unverändert über einen Beton der Sorte 535065 B 35 WU mit Zement CEM I 52,5 R ft mit schneller Festigkeitsentwicklung als Ausgangsstoff und ungebrochenem Sand als Zuschlagsstoff in der Korngruppe 0/2a verhielten, lehnte die IGA S 2003 GmbH die Betonmischung gegenüber der Beklagten als nicht vertragsgemäß ab. Zwischen den Parteien kam es daraufhin zum Streit darüber, welche Betonmischung geschuldet sei. Die Beklagte meinte, maßgeblich sei allein das LV vom 8.2.2002, und wies die Bedenken der Klägerin gegen die darin ausgeschriebene Rezeptur mit Schreiben vom 17.6.2002 zurück. Die Klägerin vertrat demgegenüber mit Schreiben vom 28.6. und 2.7.2002 die Auffassung, maßgeblich sei allein das Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002, in dem die Beklagte ihre - dem Prüfbericht vom 11.1.2001 zugrunde liegende - Rezeptur als vertragsgemäß gebilligt habe, und zeigte unter Hinweis auf deren Nichtfreigabe Behinderung an; zugleich stellte sie der Beklagten anheim, eine andere Rezeptur vorzuschlagen, und kündigte an, im Fall ihrer Eignung ein neues Angebot vorzulegen.

Die Beklagte übersandte daraufhin mit Schreiben vom 5.7.2002 erneut die Seiten 25 und 26 ("Vorbemerkung Stahlbetonbau") des LV vom 8.2.2002 und - nach Behauptung der Klägerin: erstmals - auch dessen Seite 4, auf der es zur Hydrationswärmeentwicklung heißt: "Der Temperaturanstieg im Bauteil darf 35 K nicht übersteigen." Die Klägerin gab die Unterlagen - verbunden mit der Bitte, eine entsprechende Rezeptur zu erstellen - an ihre Betonlieferanten weiter und teilte dies der Beklagten durch Schreiben vom 8.7.2002 mit; zugleich hielt sie an ihrem Rechtsstandpunkt fest und zeigte abermals Behinderung an.

In der Folgezeit überreichte die Klägerin unter dem 9.7.2002 einen Prüfbericht der C2 GmbH S vom 9.7.2002 über einen Beton der Sorte 536065 S, der als Ausgangsstoff nunmehr einen Zement CEM II/B-S 32,5 R mit mittlerer Festigkeitsentwicklung, einen Luftporengehalt von 5% und in der Korngruppe 0/2a - ungebrochenen - Sand als Zuschlagsstoff vorsah, und legte mit Schreiben vom 19.7.2002 Stellungnahmen der MFPA X2 und des Verbandes C- und G Nord e. V. zur Eignung der Mischung vor. Die Beklagte bemühte sich daraufhin, wie sie der Klägerin unter dem 10.7.2002 mitteilte, einerseits gegenüber der IGA S 2003 GmbH um eine Freigabe der neuen Betonrezeptur, andererseits forderte sie die Klägerin unter dem 22.7.2002 auf, spätestens bis zum 26.7.2002 eine gemäß den Vorgaben ihrer Auftraggeberin geeignete und genehmigungsfähige Betonrezeptur vorzulegen, und drohte an, ihr nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen und ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Als auch ein weiterer Schriftwechsel, bei dem die Beklagte erneut auf ihre Verhandlungen mit ihrer Auftraggeberin hinsichtlich der Betonrezeptur hinwies, keine Einigung darüber erbrachte, welche Betonrezeptur zum Einsatz kommen solle, erklärte die Beklagte unter dem 15.8.2002, sie könne die Klägerin bei der Durchführung des Bauvorhabens nicht berücksichtigen, sondern habe sich für einen anderen Unternehmer entschieden. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.9.2002 stellte sie sich auf den Standpunkt, den Auftrag durch ihr vorausgegangenes Schreiben gekündigt zu haben; hilfsweise erklärte sie ausdrücklich die Entziehung des Auftrags nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 iVm § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B.

Die Klägerin errechnete sich daraufhin auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens der BMC Baumanagement & Controlling Prof. Dr.-Ing. X vom 5.8.2003 einen Vergütungsanspruch von 954 € zzgl. USt. für erbrachte Leistungen sowie von 214.634,70 € (ohne USt.) für nicht erbrachte Leistungen, den sie - ebenso wie einen Ersatzanspruch wegen der durch die Beauftragung der BMC und eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten - mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.8.2003 geltend machte. Die Beklagte lehnte am 8.10.2003 jedwede Zahlung ab.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe den Vertrag am 15.8.2002 frei gekündigt. Schon nach dem Wortlaut handele es sich bei dem Schreiben nicht um eine Kündigung aus wichtigem Grund. Ferner fehle es an einer wirksamen Kündigungsandrohung. Auf die Kündigungsandrohung aus ihrem Schreiben vom 22.7.2002 könne sich die Beklagte nicht berufen. Nachdem sie - unstreitig - noch mit Schreiben vom 31.7.2002 erneut auf ihre Verhandlungen mit ihrer Auftraggeberin hinsichtlich der Betonrezeptur hingewiesen habe, sei ihre Kündigung nämlich "aus heiterem Himmel" gekommen. Die hilfsweise erklärte ausdrückliche Entziehung des Auftrags nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B vom 11.9.2002 leide unter demselben Mangel; zudem sei sie ins Leere gegangen, da der Vertrag zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Kündigung vom 15.8.2002 beendet gewesen sei. Schließlich habe auch kein Kündigungsgrund vorgelegen. Zum einen gelte § 4 Nr. 7 VOB/B schon deshalb nicht, weil es sich bei der Vorlage der Betonrezepturen nicht um die Ausführung der Leistung, sondern noch um Phase der Bauvorbereitung gehandelt habe. Zum anderen seien die vorgelegten Rezepturen gerade nicht vertragswidrig gewesen. Für das Vertragssoll sei nämlich allein das Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002, in dem die Beklagte ihre - dem Prüfbericht vom 11.1.2001 zugrunde liegende - Rezeptur als vertragsgemäß gebilligt habe, maßgeblich gewesen.

Hierzu hat die Klägerin behauptet, die Parteien hätten sich bereits im Rahmen eines Treffens am 22.4.2002 in C3 über die Betonrezeptur abgestimmt. Bei der weiteren Besprechung am 15.5.2002 habe sie unter Hinweis auf den Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 und das Schreiben der W GmbH vom 30.1.1998 Bedenken dagegen geäußert, dass die Anforderungen des LV an den Beton technisch zu erfüllen seien. Auf die beabsichtigte Verwendung von Sand als Zuschlagsstoff habe ihr Geschäftsführer zwei Mitarbeiter der Beklagten, X2 und E, im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen hingewiesen. Überdies sei die Forderung, auch das Kleinstkorn müsse aus Brechkies bestehen, bei einer - unstreitigen - Baubesprechung vom 13.6.2002 von dem Bauingenieur P - einem Mitarbeiter der für die IGA S 2003 GmbH tätigen Tragwerksplanerin b & o Ingenieure I - in Gegenwart von Vertretern der Parteien fallengelassen worden. Damit sei die Rezeptur von der IGA S 2003 GmbH zwar noch nicht akzeptiert gewesen. Allerdings habe P die am 9.7.2002 überreichte Rezeptur - die, wie sich aus der gutachterlichen Stellungnahme der C GmbH & Co. KG vom 6.11.2003 ergebe, ebenso wie diejenige vom 31.5.2002 den Anforderungen der Ausschreibung entsprochen habe - schließlich am 15.7.2002 insgesamt freigegeben.

Die Klägerin hat die Klageforderung nach teilweiser Klagerücknahme zuletzt mit 227.030,34 € beziffert (1.106,64 € Vergütung für erbrachte Leistungen einschl. USt. gem. Gutachten vom 5.8.2003, 210.748,70 € Vergütung für nicht erbrachte Leistungen (ohne USt.) gem. Gutachten vom 5.8.2003 abzgl. 3.886 € für Transportanker, 3.339 € Anwaltskosten gem. Rechnung vom 10.12.2002 (ohne USt.), 10.000,00 € Kosten für das Gutachten vom 5.8.2003 gem. Rechnung vom 26.7.2003 (ohne USt.), 1.836,00 € Kosten für die gutachterliche Stellungnahme vom 6.11.2003 gem. Rechnung vom 25.11.2003 (ohne USt.).

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 227.030,34 € nebst 5% Zinsen über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit dem 9.10.2003 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr die Umsatzsteuer iHv 34.341,55 € zu erstatten habe, falls sie von ihrem zuständigen Finanzamt bestandskräftig zur Umsatzsteuer insoweit veranlagt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, sie habe den Vertrag wirksam nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 iVm § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B aus wichtigem Grund gekündigt. Bei der Vorlage der Betonrezepturen habe es sich bereits um die Ausführung der Leistung, nicht etwa noch um Phase der Bauvorbereitung gehandelt. Die vorgelegten Rezepturen seien auch vertragswidrig gewesen. Denn für das Vertragssoll sei allein das LV vom 8.2.2002 maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Klägerin in ihren Angeboten vom 8.3., 3.5. und 22.5.2002 - unstreitig - die Urschrift des LV als allein verbindlich anerkannt habe. Hierdurch habe die Klägerin den Eindruck erweckt, dass das Angebot nicht von der Ausschreibung abweiche; an diesem Vertrauenstatbestand müsse sie sich als Fachunternehmen festhalten lassen. Daher beziehe sich die Wendung "angebotene Rezeptur" im Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002 auch nicht etwa auf den Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001, sondern - letztlich - auf das LV vom 8.2.2002. Ziffer 1.2 des Verhandlungsprotokolls bedeute deshalb lediglich eine Option zur Änderung der Betonrezeptur und stelle in diesem Zusammenhang nur klar, dass sich bei Ausübung der Option sowohl die Aufnahme als auch das Ende der Produktion verzögern würden.

Hierzu hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe nie deutlich gemacht, von den Vorgaben des LV abweichen zu wollen. Vor diesem Hintergrund sei für sie nicht zweifelhaft gewesen, dass die in dem Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 angesprochene Betonmischung derjenigen entspreche, die im LV gefordert werde. Das Schreiben der W GmbH vom 30.1.1998 sei für sie ohnehin unverständlich gewesen. Den Vorgaben des LV habe keine der Rezepturen der Klägerin entsprochen. Dies ergebe sich nicht zuletzt schon aus der von der Klägerin selbst vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme der C GmbH & Co. KG vom 6.11.2003. Danach erfülle weder die Rezeptur 535065 vom 31.5.2002 noch die Rezeptur 535065 S vom 9.7.2002 die Anforderung, dass auch das Kleinstkorn aus Brechkies bestehen müsse. Darüber hinaus verfehle die Rezeptur 535065 vom 31.5.2002 auch die Anforderung an die Hydrationswärmeentwicklung (Temperaturanstieg im Bauteil nicht über 35 K), da bei diesem Beton vielmehr von einem Temperaturanstieg von mehr als 40 K auszugehen sei. Die Forderung, auch das Kleinstkorn müsse aus Brechkies bestehen, sei bei der Baubesprechung vom 13.6.2002 schließlich auch nicht etwa fallengelassen worden. Im Gegenteil habe sie, wie sich auch aus dem Protokoll der Besprechung ergebe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anforderungen zur Betonrezeptur gemäß Ausschreibung einzuhalten seien. Dabei sei es, wie das Protokoll der Baubesprechung vom 15.7.2002 zeige, auch geblieben.

Darüber hinaus ist die Beklagte der Abrechnung entgegen getreten.

Das Landgericht hat zu dem Ergebnis der Baubesprechung vom 13.6.2002 Beweis erhoben und die Klage sodann abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Rezepturen der Klägerin seien vertragswidrig gewesen, weshalb die Beklagte am 15.8.2002 nach § 8 Nr. 3 iVm § 4 Nr. 7 VOB/B habe kündigen dürfen.

Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, eine Betonrezeptur nach den Anforderungen des LV vom 8.2.2002 vorzulegen. Durch das Verhandlungsprotokolls vom 22.5.2002 habe die Beklagte nicht etwa die - dem Prüfbericht vom 11.1.2001 zugrunde liegende - Rezeptur der Klägerin als vertragsgemäß gebilligt. Gegen eine Billigung sprächen die Regelungen unter Ziffer 1.1 und 1.2.1 des Protokolls. Dass die "angebotene Rezeptur" vom LV abweiche, sei unter Ziffer 1.2 des Protokolls nicht ausgeführt worden. Auf den Prüfbericht vom 11.1.2001 könne sich die Klägerin nicht berufen. Denn die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Daten des Prüfberichts mit den Anforderungen des LV zu vergleichen, sondern habe sich auf die Versicherung der Klägerin unter Ziffer 1.2.1 des Protokolls verlassen dürfen.

Die Anforderung des LV, dass auch das Kleinstkorn aus Brechkies bestehen müsse, werde von keiner der Rezepturen der Klägerin erfüllt. Dass das LV in diesem Punkt einvernehmlich abgeändert worden sei, habe die Klägerin nicht bewiesen, da die Beweisaufnahme zu keinem klaren Ergebnis geführt habe. Zwar stehe fest, dass der Zeuge P bei der Baubesprechung am 13.6.2002 sinngemäß gesagt habe: "Mit dem Zuschlagsstoff habe ich keine Probleme mehr". Allerdings sei fraglich, ob diese beiläufige Erklärung als verbindliche Änderung des LV zu werten sei. Darüber hinaus habe der Zeuge nach seiner Aussage weder für die Beklagte noch für die IGA S 2003 GmbH rechtsverbindliche Erklärungen abgeben dürfen. Gegen eine Abänderung des LV spreche schließlich auch, dass davon im Protokoll der Baubesprechung keine Rede sei.

Mit der Berufung stützt die Klägerin ihren Anspruch hauptsächlich auf den Gesichtspunkt der Erfüllungsverweigerung, hilfsweise auf § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Sie rügt, das Landgericht habe verkannt, dass für das Vertragssoll allein das Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002 maßgeblich sei, in dem die Beklagte ihre - dem Prüfbericht vom 11.1.2001 zugrunde liegende - Rezeptur als vertragsgemäß gebilligt habe. Sie bestreitet, dass der Beklagten bei der Verhandlung am 22.5.2002 die Abweichung von den Vorgaben des LV nicht klar gewesen sei. Hierzu behauptet sie, schon bei der Besprechung am 15.5.2002 habe sie den Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 und das Schreiben der W GmbH vom 30.1.1998 nicht etwa nur beiläufig übergeben. Vielmehr sei es in diesem Gespräch insbesondere auch um die Qualität des Betons gegangen. Dabei habe sie die in dem Schreiben vom 30.1.1998 angesprochenen Punkte "mit hoher Wahrscheinlichkeit" noch genauer und ausführlicher erklärt. Deshalb habe die Beklagte "zweifellos" verstanden, dass sie Bedenken gegen die ausgeschriebene Rezeptur angemeldet habe. Am 22.5.2002 sei es ihr "offensichtlich" gelungen, die Beklagte von der Qualität des angebotenen Betons zu überzeugen. Dabei habe man "offensichtlich" darüber diskutiert, ob Änderungen der Rezeptur vom 11.1.2001 ohne Gefährdung des Produktionsbeginns möglich sein sollten. Vor diesem Hintergrund sei dem Mitarbeiter der Beklagten, der unter Ziffer 1.2 eingetragen habe: "Grundlage ist die angebotene Rezeptur. Änderungen müssen bis zum 31.5.2002 mitgeteilt werden. Bei Änderung verzögert sich eine Produktionsaufnahme bzw. Ende.", klar gewesen, dass es um eine Abweichung vom LV gegangen sei. Mit der Rezeptur vom 11.1.2001 habe auch ein funktionstaugliches Werk erstellt werden können. Die Verwendung von Brechkies sei unter technischen Gesichtspunkten verfehlt gewesen. Auch ein Beton mit niedriger Hydrationswärme (Temperaturanstieg im Bauteil nicht über 35 K) sei nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Essen vom 19.1.2005 - 41 O 27/04 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 227.030,34 € nebst 5% Zinsen über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit dem 9.10.2003 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr die Umsatzsteuer iHv 34.341,55 € wegen der streitgegenständlichen Zahlung zu erstatten habe, falls sie von ihrem zuständigen Finanzamt deshalb bestandskräftig zur Umsatzsteuer veranlagt werde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, eine Erfüllungsverweigerung liege schon deshalb nicht vor, weil sie den Vertrag jederzeit habe kündigen dürfen. Im Übrigen verteidigt sie die Ausführungen des Landgerichts zum Vertragssoll.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus dem Vertrag über die Herstellung, Lieferung und Montage von Blockstufenelementen aus Beton für das Bauvorhaben Internationale Gartenbauausstellung (IGA) 2003 in S Los B 28.0 - Ufersicherung mit Recht verneint.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch weder unter dem Gesichtspunkt der Erfüllungsverweigerung (§ 280 Abs. 1 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt der Vertragskündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zu.

1.

Ein Schadensersatzanspruch wegen Erfüllungsverweigerung (§ 280 Abs. 1 BGB), auf den sich die Klägerin im Berufungsrechtszug in erster Linie stützt, scheidet schon deshalb aus, weil § 8 Nr. 1 VOB/B die Rechte des Unternehmers für den Fall der endgültigen Erfüllungsverweigerung (Kündigung) eines VOB-Vertrages durch den Auftraggeber abschließend regelt (vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1973, 114/115; Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl. 2005, Rdnr. 1302; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 15. Aufl. 2004, § 8 Nr. 1 VOB/B Rdnr. 73). Dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 15.8.2002 nicht von Kündigung gesprochen, sondern ausgeführt hat, mit der Klägerin "noch keinen Vertrag über die Lieferung der Fertigteile abgeschlossen (zu) haben", spielt keine Rolle. Ob eine Erklärung als Kündigung zu verstehen ist, ist Auslegungsfrage. Das Wort "Kündigung" muss nicht gebraucht werden, sofern nur zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, dass der Vertrag vorzeitig beendet werden soll (Vygen, in: Ingenstau/Korbion, Vor §§ 8 und 9 VOB/B Rdnr. 6; Kniffka, in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, 9. Teil Rdnr. 2). Danach kann man hier an einer Kündigung nicht zweifeln. Der Wille der Beklagten, die Zusammenarbeit mit der Klägerin zu beenden, war offensichtlich, zumal sie in dem Schreiben ausdrücklich erklärt hat, sich bereits für einen anderen Unternehmer entschieden zu haben. Auf ihre - unrichtige - Wertung, die Parteien seien über Vertragsverhandlungen nicht hinaus gekommen, kommt es schon deshalb nicht an, weil der Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht im Streit steht.

2.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B stützen. Denn bei der Kündigung vom 15.8.2002 handelt es sich nicht etwa um eine ohne wichtigen Grund ausgesprochene ("freie") Kündigung, sondern um eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B). Kündigungsgrund ist, dass die Klägerin an einer vertragswidrigen Betonrezeptur festhielt. Ob das ein Fall des § 4 Nr. 7 VOB/B oder ein in der VOB/B nicht geregelter ("sonstiger") Kündigungsgrund ist, steht dahin.

a)

Eine Kündigung aus wichtigem Grund scheidet nicht etwa schon nach dem Wortlaut des Schreibens vom 15.8.2002 aus. Dies gilt selbst dann, wenn zu verlangen sein sollte, dass der Auftraggeber den Kündigungsgrund in der Erklärung nennt (ablehnend: Kniffka, in: Kniffka/Koeble, 9. Teil Rdnr. 9). Denn die allgemeine Angabe des wichtigen Grundes, die man allenfalls fordern kann (vgl. Werner, in: Werner/Pastor, Rdnr. 1315; Vygen, in: Ingenstau/Korbion, § 8 VOB/B Rdnr. 4), kommt in dem - im Schreiben vom 15.8.2002 gleich zweimal enthaltenen - Hinweis der Beklagten auf die Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Betonrezeptur zum Einsatz kommen solle, hinreichend deutlich zum Ausdruck.

b)

Der Kündigung vom 15.8.2002 ging eine - nach § 4 Nr. 7 VOB/B, aber auch im Fall einer Kündigung aus sonstigem wichtigen Grund grundsätzlich erforderliche (vgl. Vygen, in: Ingenstau/Korbion, § 8 Nr. 3 VOB/B Rdnr. 22) - wirksame Kündigungsandrohung voraus.

Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.7.2002 aufgefordert, spätestens bis zum 26.7.2002 eine gemäß den Vorgaben ihrer Auftraggeberin, der IGA S 2003 GmbH, geeignete und genehmigungsfähige Betonrezeptur vorzulegen, und angedroht, ihr nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen und ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es der Beklagten nicht etwa deshalb versagt, sich auf die Kündigungsandrohung zu berufen, weil sie noch mit Schreiben vom 31.7.2002 erneut auf ihre Verhandlungen mit der IGA S 2003 GmbH hinsichtlich der Betonrezeptur hinwies.

Zwar kann das Kündigungsrecht nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B wieder verloren gehen, wenn der Auftraggeber nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Fortsetzung der Arbeiten durch den Auftragnehmer hinnimmt (vgl. Vygen, in: Ingenstau/Korbion, § 8 Nr. 3 VOB/B Rdnr. 12). Davon - oder von einem vergleichbaren Vertrauenstatbestand - kann aber im Streitfall keine Rede sein. Denn die Beklagte verfuhr ersichtlich zweigleisig. Einerseits bemühte sie sich, wie sie der Klägerin unter dem 10.7.2002 mitteilte, gegenüber der IGA S 2003 GmbH um eine Freigabe der Betonrezeptur, die die Klägerin unter dem 9.7.2002 vorgelegt hatte. Andererseits bestand sie darauf, die Klägerin müsse spätestens bis zum 26.7.2002 eine gemäß den Vorgaben ihrer Auftraggeberin geeignete und genehmigungsfähige Betonrezeptur vorlegen. Diese Position hat die Beklagte auch nicht etwa dadurch aufgegeben, dass sie mit Schreiben vom 31.7.2002 erneut auf ihre Verhandlungen mit der IGA S 2003 GmbH hinsichtlich der Betonrezeptur hinwies. Der Wortlaut des Schreibens bietet für ein solches Entgegenkommen keinerlei Anhaltspunkt. Dass die Beklagte der Klägerin im Zusammenhang mit ihrem Hinweis auf die Verhandlungen - wenn auch unter Bezugnahme auf ein offenbar nicht existentes Schreiben vom 26.7.2002 - zugleich eine "letzte Nachfrist" bis zum 6.8.2002 setzte, spricht sogar eindeutig dagegen. Danach kam die Kündigung am 15.8.2002 entgegen der Ansicht der Klägerin gerade nicht "aus heiterem Himmel".

c)

Die Beklagte war schließlich auch berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen (§ 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B). Denn die Klägerin wollte die in Auftrag gegebenen Blockstufenelemente nach einer vertragswidrigen Betonrezeptur fertigen. Das erfüllt zumindest die Voraussetzungen eines in der VOB/B nicht geregelten ("sonstigen") wichtigen Grundes.

aa)

Die Klägerin schuldete entsprechend den Anforderungen des LV vom 8.2.2002 ei Beton mit niedriger Hydrationswärme, einem Luftporengehalt von 5% und mit Brechkies als Zuschlagsstoff auch im Kleinstkorn. Das ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung im Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2002, auf die sich sowohl das letzte Angebot der Klägerin vom 28.5.2002 als auch die Auftragserteilung durch die Beklagte vom 28.5.2002 beziehen.

Welche Betonmischung die Klägerin anbieten wollte, wird in dem Verhandlungsprotokoll in einer Weise beschrieben, die der Auslegung bedarf.

Stellt man (nur) auf die Leistungsbeschreibung unter Ziffer 1.1 des Protokolls ("Gegenstand der Verhandlung ist das auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung gefertigte Angebot vom 2.5.2002") ab, so richtete sich das Vertragssoll im Punkt Betonqualität nach der "Vorbemerkung Stahlbetonbau" gemäß S. 25 f. des LV vom 8.2.2002. Denn das Angebot vom 22.5.2002 verwies

u. a. wegen der Betonqualität auf den "allein verbindlich(en)" Wortlaut der Urschrift des LV vom 8.2.2002. Danach war ein Beton mit einem Luftporengehalt von 5% und mit Brechkies als Zuschlagsstoff auch im Kleinstkorn geschuldet. In eine andere Richtung weisen hingegen die "Ergänzungen bzw. Änderungen" unter Ziffer 1.2 des Protokolls. Wenn es dort heißt: "Grundlage ist die angebotene Rezeptur (...)", kann damit nur diejenige gemeint gewesen sein, die dem am 15.5.2002 überreichten Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 zugrunde lag, weil die Klägerin eine andere Rezeptur bis dahin nicht vorgelegt hatte. Allerdings wäre das Vertragssoll dann - zumindest auf erste Sicht - widersprüchlich beschrieben worden. Denn die Rezeptur vom 11.1.2001 sah im Gegensatz zu der "Vorbemerkung Stahlbetonbau" einen Luftporengehalt von 4.30% und in der Korngruppe 0/2a ungebrochenen Sand als Zuschlagsstoff vor.

In einem solchen Fall gilt grundsätzlich, dass der Vertrag als sinnvolles Ganzes auszulegen ist, da davon auszugehen ist, dass der Unternehmer seine Leistung widerspruchsfrei anbieten will (vgl. BGH, BauR 2003, 388; Werner, in: Werner/Pastor, Rdnr. 1032).

Eine solche Widerspruchsfreiheit wäre zum einen gegeben, wenn die "Vorbemerkung Stahlbetonbau" die Anforderungen an den Beton nur funktional beschreiben und es dem Unternehmer überlassen würde, wie er die Anforderungen erfüllt. Gegen eine derartige funktionale Leistungsbeschreibung spricht aber, dass die "Vorbemerkung Stahlbetonbau" nicht nur das Ziel, sondern auch den Weg (u. a. Luftporengehalt von 5%, Brechkies als Zuschlagsstoff auch im Kleinstkorn) vorgibt. Dies wäre nicht erklärlich, wenn es dem Unternehmer hätte überlassen werden sollen, mit welcher Rezeptur er die Anforderungen an den Beton erfüllt. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht etwa darauf an, ob ihre Rezeptur, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, "vom Fachlichen her optimal" war.

Widerspruchsfrei wäre das Verhandlungsprotokoll zum anderen auch dann, wenn es sich bei der Regelung unter Ziffer 1.2 nicht um eine Änderung, sondern um eine bloße Ergänzung des Vertragssolls gemäß dem LV handeln würde. Das entspricht der Lesart der Beklagten, die meint, Ziffer 1.2 des Verhandlungsprotokolls bedeute lediglich eine Option zur Änderung der vom LV vorgegebenen Betonrezeptur und stelle in diesem Zusammenhang nur klar, dass sich bei Ausübung der Option sowohl die Aufnahme als auch das Ende der Produktion verzögern würden.

Dieser Auslegung ist zu folgen. Sie ist nach dem Wortlaut möglich, weil die Überschrift zu Ziffer 1.2 des Verhandlungsprotokolls neben "Änderungen" auch von "Ergänzungen" spricht. Darüber hinaus wird diese Auslegung auch der Interessenlage besser gerecht als die Annahme, die Parteien hätten die Rezeptur vereinbaren wollen, die dem am 15.5.2002 überreichten Prüfbericht der C2 GmbH S vom 11.1.2001 zugrunde lag. Die Klägerin hat dadurch, dass sie in ihren Angeboten vom 8.3., 3.5. und 22.5.2002 die Urschrift des LV vom 8.2.2002 ausdrücklich als "allein verbindlich" anerkannte, den Eindruck erweckt, dass ihr Angebote nicht von der Ausschreibung abweichen. An diesem Vertrauenstatbestand muss sie sich, wie die Beklagte mit Recht geltend macht, festhalten lassen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin in den Verhandlungen hinreichend deutlich gemacht hat, von den Vorgaben des LV abweichen zu wollen.

Was die Klägerin hierzu vorträgt, ist zum einen wenig substantiiert und zum anderen widersprüchlich. Soweit sie behauptet, die Parteien hätten sich bereits im Rahmen eines Treffens

am 22.4.2002 über die Betonrezeptur abgestimmt und sie habe bei der Besprechung vom 15.5.2002 Bedenken dagegen geäußert, dass die Anforderungen des LV an den Beton technisch zu erfüllen seien, steht ihr Vortrag im Widerspruch dazu, dass sie noch in ihren Angeboten vom 3.5. und 22.5.2002 das LV vom 8.2.2002 ausdrücklich und ohne jede Einschränkung als "allein verbindlich" anerkannt hat. Hinzu kommt, dass sich ihr Vorbringen zu dem Inhalt der Verhandlungen weithin in Vermutungen erschöpft, obwohl es um Tatsachen geht, über die sie genaue Kenntnisse haben müsste. Dies gilt insbesondere für ihre Behauptungen, sie habe die in dem - für den Laien unverständlichen - Schreiben der W GmbH vom 30.1.1998 angesprochenen Punkte am 15.5.2002 "mit hoher Wahrscheinlichkeit" noch genauer und ausführlicher erklärt und diejenige, man habe am 22.5.2002 "offensichtlich" darüber diskutiert, ob Änderungen der Rezeptur vom 11.1.2001 ohne Gefährdung des Produktionsbeginns möglich sein sollten, wobei es ihr "offensichtlich" gelungen sei, die Beklagte von der Qualität des angebotenen Betons zu überzeugen. Ihr Vortrag im Senatstermin, die Parteien hätten ihre Rezeptur von der Auftraggeberin der Beklagten "absegnen" lassen wollen, weist sogar eher darauf hin, dass eine Einigung über eine vom LV vom 8.2.2002 verschiedene Rezeptur gerade noch nicht erzielt wurde.

Vor diesem Hintergrund ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass die Klägerin nicht hinreichend deutlich gemacht hat, von den Vorgaben des LV abweichen zu wollen. Zwar liegt die Behauptungs und Beweislast grundsätzlich auf Seiten der Beklagten, da es Sache des Auftraggebers ist, den wichtigen Grund zu beweisen (vgl. Vygen, in: Ingenstau/Korbion, § 8 VOB/B Rdnr. 7 und § 8 Nr. 1 VOB/B Rdnr. 7). Allerdings geht es hier der Sache nach um einen "Negativbeweis" (kein Hinweis auf beabsichtigte Abweichung vom LV). Deshalb trifft die Klägerin eine sekundäre Behauptungslast zu den angeblichen Hinweisen, der ihr Vortrag aber gerade nicht genügt.

bb)

Der Anforderung des LV vom 8.2.2002, nach der Brechkies als Zuschlagsstoff auch im Kleinstkorn geschuldet war, entsprach unstreitig keine der Rezepturen der Klägerin. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die gutachterliche Stellungnahme der C GmbH & Co. KG vom 6.11.2003 - scheinbar abweichend - behauptet hat, die Rezepturen vom 31.5. und 9.7.2002 hätten den Anforderungen der Ausschreibung entsprochen, ergibt sich aus S. 10 f. der Stellungnahme, dass dies nur dann gilt, wenn die Forderung nach Brechkies als Zuschlagsstoff auch im Kleinstkorn aufgegeben worden sein sollte. Das ist jedoch gerade nicht der Fall. Nach den insoweit bindenden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) Feststellungen des Landgerichts steht zwar fest, dass der Zeuge P bei der Baubesprechung am 13.6.2002 sinngemäß gesagt hat: "Mit dem Zuschlagsstoff habe ich keine Probleme mehr". Dies war nach den Umständen aber keine verbindlich gemeinte Abänderung des LV. Gegen eine Einigung spricht vor allem der Rechtsgedanke des § 154 Abs. 1 BGB. Eine Einigung über den Hauptstreitpunkt Hydrationswärme kam bei der Besprechung unstreitig nicht zustande. Dafür, dass sich die Parteien im Punkt Zuschlagsstoffe gleichwohl schon binden wollten, fehlen zureichende Anhaltspunkte, zumal im Protokoll der Baubesprechung von einer Teileinigung gerade keine Rede ist. Darin heißt es vielmehr: "Die Forderungen zur Betonrezeptur gemäß Ausschreibung sind einzuhalten. Sollte es aus Sicht des AN technische Gründe geben, die eine entsprechende Rezeptur ausschließen, sind diese durch den AN schriftlich anzuzeigen."

cc)

Der Beklagten war es nicht zuzumuten, den Vertrag fortzusetzen, weil die Klägerin bis zuletzt an der vertragswidrigen Rezeptur festgehalten hat. Insbesondere hat die Klägerin nicht etwa nur Bedenken nach § 4 Nr. 3 VOB/B angemeldet. Gegen eine bloße Anzeige nach § 4 Nr. 3 VOB/B spricht vor allem, dass die Klägerin mit Schreiben vom 2.7.2002 selbst dann noch an der Rezeptur vom 31.5.2002 festhielt und die Ausführung einer anderen Rezeptur von deren Eignung und der Vorlage eines neuen Angebots abhängig machte, nachdem die Beklagte ihre Bedenken gegen die ausgeschriebene Rezeptur unter dem 17.6.2002 bereits als unbegründet zurückgewiesen hatte.

d)

Damit erweist sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch als insgesamt ungerechtfertigt. Die Klägerin kann insbesondere auch nicht etwa eine Vergütung für das nach ihrer Behauptung gefertigte Blockstufenelement der Position 2.1.0.2 des LV vom 8.2.2002 verlangen, das sie als erbrachte Leistung abrechnen möchte. Zwar bleibt der Anspruch auf Vergütung erbrachter Leistungen von einer Kündigung aus wichtigem Grund unberührt. Jedoch handelt es sich auch bei dem Blockstufenelement der Position 2.1.0.2 um eine nicht erbrachte Leistung. Geschuldet und durch den Einheitspreis von 954 € zzgl. USt. abgegolten war nach den Angeboten vom 22.5.2002 und 28.5.2002 nämlich nicht nur die Herstellung, sondern auch die Lieferung der Elemente. Lediglich die Montage war danach gesondert zu vergüten. Deshalb kann hinsichtlich dieses Blockstufenelements nichts anderes gelten als für angelieferte, aber noch nicht eingebaute Bauteile, die grundsätzlich als nicht erbrachte Leistung abzurechnen sind (vgl. BGH, BauR 2003, 877/878; Kniffka, in: Kniffka/Koeble, 9. Teil Rdnr. 16).

e)

Auch die sonstigen Positionen - Anwaltskosten gemäß Rechnung vom 10.12.2002, Kosten für das Gutachten vom 5.8.2003 gemäß Rechnung vom 26.7.2003 und Kosten für die gutachterliche Stellungnahme der C GmbH & Co. KG vom 6.11.2003 gemäß Rechnung vom 25.11.2003 - sind danach ebenso wenig zuzusprechen wie die Feststellungsklage hinsichtlich der USt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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