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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.11.1999
Aktenzeichen: 22 U 142/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 459
BGB § 463
BGB § 465
BGB § 472
BGB § 476
§ 459 BGB § 463 BGB § 465 BGB § 472 BGB § 476 BGB

1. Der dem Käufer einer Wohnung verschwiegene Kauf eines Carports anderer Eigentümer stellt einen Mangel dar.

2. Handelt einer der Verkäufer arglistig, ist der Gewährleistungsausschluß hinfällig und die kurze Verjährung gemäß § 477 BGB ausgeschlossen.

OLG Hamm Urteil 18.11.1999 - 22 U 142/99 - 7 O 562/97 LG Bielefeld


hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dreher sowie die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 10. Juni 1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 13.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. November 1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 64 % der Kläger und zu 36 % die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Während die Berufung des Klägers teilweise Erfolg hat, hat die Anschlußberufung der Beklagten keinen Erfolg. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB in Höhe von 13.500,00 DM gegen den Beklagten zu 3). Die Beklagten zu 1) und 2) haften gesamtschuldnerisch aus Minderung gemäß §§ 459, 462, 463, 465, 472 BGB in gleicher Höhe.

I.

Haftung des Beklagten zu 3)

Der Beklagte zu 3) haftet dem Kläger auf Schadensersatz aus § 463 Satz 2 BGB.

Eine Haftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gem. § 463 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht. Der Bau des Carports war vor oder bei Vertragsschluß nicht Gesprächsgegenstand zwischen den Parteien. Es ist deshalb nicht ersichtlich, daß der Verkäufer die Gewähr für ungehinderte Sicht aus der Wohnung oder die Einbettung der Wohnung in eine harmonische Gesamtanlage übernehmen wollte. Davon abgesehen dürfte ein bestehender Anspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft verjährt sein. Gem. § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB beträgt die Gewährleistungsfrist bei Grundstücken 1 Jahr ab Übergabe. Im vorliegenden Fall ist gem. § 5 des Vertrages die Besitzübergabe am 01. 11. 1996 erfolgt. Die Verjährungsfrist lief somit am 31. 10. 1997 ab. Die Klage gegen die Beklagten wurde jedoch erst am 27. 11. 1997 bei Gericht anhängig gemacht. Die Zustellung erfolgte erst unter dem 29. 11. 1997. Damit kommt der Klage keine verjährungsunterbrechende Bedeutung mehr zu.

Der Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB findet seine Rechtfertigung in dem arglistigen Verschweigen des Beklagten zu 3).

Bei Täuschung durch Verschweigen handelt der arglistig, der einen Fehler zumindest für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH NJW 1990, 42; NJW 1992, 1953).

Die veräußerte Wohnung, bestehend aus der Erdgeschoßwohnung und den zum Wohnen geeigneten Räumen im Souterrain ist mangelhaft. Der unschöne, mit einem häßlichen Dach ausgestattete Carport verunstaltet den Ausblick aus der Wohnung und beeinträchtigt den Lichteinfall in die Souterrainwohnung. Nach den Feststellungen des Sachverständigen stellt dieses eine Beeinträchtigung des Verkehrswertes der Wohnung dar, da die Wohnqualität beeinträchtigt ist. Eigenschaften der Sache können auch Umweltbezüge sein, soweit sie nach der Verkehrsauffassung den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache beeinflussen und ihr unmittelbar anhaften, also in der Sache ihren Grund haben. Der Carport ist ein dem Grundstück innewohnender Umweltbezug und weicht - nimmt man unter Heranziehung der von BGH NJW 1997, 2874 aufgestellten Grundsätze auf Grund des Lichtbildes des Exposé eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Einbettung des als Wohnung verkauften Kaufobjekts in die Gemeinschaftsanlage zwischen den Parteien an - ungünstig von dieser Beschaffenheitsvereinbarung ab, jedenfalls stellt er sich als ungünstige Abweichung von der zumindest normalen typischen Beschaffenheit von Eigentumswohnungen dar. Darauf, daß bezüglich des Souterrains lediglich eine Nutzung als Werkstatt genehmigt sei, können die Beklagten nicht verweisen: Das Exposé des Maklers weist als Kaufobjekt ausdrücklich zwei Eigentumswohnungen, nämlich eine im Erdgeschoß und eine im Souterrain, aus. Da die Beklagten dem Makler die Führung der Verhandlungen überlassen haben, müssen sie sich den Inhalt des Prospektes gem. §§ 278, 166 BGB zurechnen lassen. Auch die Räume im Souterrain sind somit durch den Bau des Carports in der Wohnqualität beeinträchtigt. Gleichfalls unerheblich ist, daß im Zeitpunkt des Kaufvertrags oder des Gefahrübergangs der Carport noch nicht errichtet war. Es kommt allein darauf an, daß er von der Eigentümergemeinschaft bereits vor Abschluß des Kaufvertrages am 24. 05. 1995 beschlossen und somit die Ursache des Fehlers im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gesetzt war (Palandt-Putzo, BGB, 58. Aufl., § 459 Rdn. 6).

Der Beklagte zu 3) hatte Kenntnis vom Beschluß vom 24. 05. 1995. Das hat die Vernehmung des Zeugen vor dem Landgericht sowie vor dem Senat ergeben. Vor dem Senat hat der Zeuge glaubhaft bekundet, nach Abschluß des Kaufvertrages habe der Kläger ihn darüber informiert, daß der 3-teilige-Carport gebaut sei. Daraufhin habe er den Beklagten zu 3) angerufen. Dieser habe ihm eingeräumt, daß ihm das Problem bekannt sei. Der Bau des Carports sei bei einer früheren Eigentümerversammlung beschlossen worden. Er, der Beklagte zu 3), habe sich immer dagegen gewandt. Auch in seiner Vernehmung vor dem Landgericht hat der Zeuge betont, daß dem Beklagten zu 3) der Beschluß bekannt gewesen sei, in dem die Errichtung des Carports festgelegt worden sei. Er, der Zeuge, habe dem Beklagten zu 3), als er ihn auf das Protokoll der Eigentümerversammlung angesprochen habe, nichts Neues erzählt. Der Beklagte zu 3) habe von diesem Umstand gewußt. Da der Beklagte zu 3) den Fehler bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kannte, war er zu seiner Offenbarung gegenüber dem Kläger, sei es durch den Makler oder die von ihm für den Vertragsschluß bevollmächtigte Beklagte zu 2) verpflichtet. Der Beklagte zu 3) wußte und nahm billigend in Kauf, daß der Kläger den Fehler nicht kannte und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Der Kläger kann Ersatz des Wertunterschiedes zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache in Höhe von 13.500,00 DM verlangen. Folgende Erwägungen des Senats unter Heranziehung des mündlichen Gutachtens des vom Senat beauftragten Sachverständigen ... liegen dieser Bewertung zugrunde: Der Kaufpreis für das Objekt beträgt 190.000,00 DM. Von diesem Betrag ist zunächst der Wertansatz im Kaufpreis für die Garage abzuziehen. Die Garage mit Wellasbestdach wurde 1972 gebaut. Sie war somit im Zeitpunkt des Kaufvertrages nahezu 25 Jahre alt. Der Sachverständige gibt ihr eine weitere Lebensdauer von 60 Jahren. Dieses rechtfertigt nach seinen korrigierten Angaben einen Ansatz von 6.000,00 bis 6.500,00 DM. Der Senat hat einen Betrag von 6.500,00 DM abgezogen. Bezüglich der Erdgeschoßwohnung nimmt der Sachverständige nachvollziehbar einen Quadratmeterpreis von 1.800,00 DM an. Dieses ergibt für 76 Quadratmeter 136.800 DM. Die Beeinträchtigung durch den Carport rechtfertigt eine Minderung dieses Betrages um 5 %, somit um 6.840,00 DM. Denn die Erdgeschoßwohnung erleidet lediglich eine geringe Sichtbehinderung durch den Carport. Auch ist die Geräuschbeeinträchtigung lediglich gering, zumal der Carport auf einem früheren Parkplatz steht. Gravierender Art sind die optischen Mängel. So beeinträchtigt das häßliche Dach des Carports die Sicht vom Balkon der Erdgeschoßwohnung aus. Dieses Dach führt darüber hinaus zu einem Hitzestau und zu Wärmerückstrahlung im Sommer. Auch ist die Sicht aus dem Wohnzimmerfenster durch den Bau des Carports etwas verschlechtert.

Demgegenüber ist die Beeinträchtigung der Souterrainwohnung erheblicher. Auf die Souterrainwohnung entfällt der verbleibende Kaufpreis von 183.500,00 DM - 136.800,00 DM = 46.700,00 DM. Als gravierende Einschränkung ist insbesondere der verschandelte Ausblick aus der Souterrainwohnung zu werten. Der Carport ist ausgesprochen häßlich, da Plastikteile auf Holz gezimmert sind. Beim Wohnzimmerfenster ist der Lichteinfall durch die Carportwand beeinträchtigt. Andererseits ist der Zugang zur Souterrainwohnung nicht behindert. Diese Umstände rechtfertigen eine Minderung von 15 %. Dieses gibt auf 46.700,00 DM gerechnet 7.005,00 DM.

Der Schadensersatz berechnet sich somit wie folgt:

5 % von 136.800,00 DM 6.840,00 DM + 15 % von 46.700,00 DM = 7.005,00 DM

13.845,00 DM.

Dies ergibt abgerundet einen Betrag von 13.500,00 DM. Daß der Sachverständige in seinem mündlichen Gutachten die Souterrainwohnung mit 43.000,00 DM bewertet, beruht auf einem Rechenfehler. Denn die vom Sachverständigen zunächst genannten Beträge von 5.000,00 DM für die Garage, 136.800,00 DM für das Erdgeschoß und 43.000,00 DM für die Souterrainwohnung, ergeben nicht 190.000,00 DM, sondern 184.800,00 DM. Richtigerweise sind die Werte mit 6.500,00 DM für die Garage, 136.800,00 DM für die Erdgeschoßwohnung und 46.700 DM für die Souterrainwohnung anzusetzen. Auch folgt der Senat dem Sachverständigen nicht in der Bewertung, daß der Wert der Souterrainwohnung durch den Carport um 20 % gemindert ist. Der Ansatz von 20 % steht zum einen in unzutreffendem Verhältnis zum Gesamtwert der Souterrainwohnung von 46.700,00 DM, aber auch zu der Beeinträchtigung der Erdgeschoßwohnung, bei dem lediglich von 5 % auszugehen ist. Darüber hinaus paßt der Ansatz von 20 % nicht zur weiteren Bewertung des Sachverständigen, daß er, falls man die Souterrainräume lediglich als Werkstatträume bewertet, einen Minderungsbetrag von 10 % ansetzen würde. Berücksichtigt man, daß es sich bei der Souterrainwohnung als zum Wohnen verkaufte Werkstatträume handelt, ist lediglich ein 10 % knapp übersteigender Minderungsbetrag von 15 %, nicht dagegen aber 20 % gerechtfertigt.

II.

Haftung der Beklagten zu 1) und 2)

Sie haften gemäß §§ 459, 462, 463, 465, 472 BGB gleichfalls in Höhe von 13.500,00 DM als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 3). Daß sie selbst arglistig handelten, ist nicht dargelegt. Auch das Wissen des Beklagten zu 3) kann ihnen nicht zugerechnet werden, da sie diesen nicht mit den Verkaufsverhandlungen beauftragt haben (vgl. BGH NJW-RR 1992, 589; BGH NJW 1993, 2112). Der Makler hat vielmehr die Verkaufsverhandlungen für die Beklagten geführt, zu denen ihn der Beklagte zu 3) den Auftrag erteilt hat. Durch die Arglist eines der Verkäufer entfällt jedoch der Gewährleistungsausschluß (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1415), so daß eine Haftung der Beklagten zu 1) und 2) aus Minderung gegeben ist. Handelt nur einer von mehreren Verkäufern arglistig, so ist nicht nur der Gewährleistungshaftungsausschluß im Kaufvertrag insgesamt hinfällig, sondern auch die kurze Verjährung nach § 477 BGB ausgeschlossen (vgl. Soergel-Huber, BGB, 11. Aufl., § 476 Rdn. 42).

III.

Nebenentscheidungen

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 291 BGB, 92, 97, 708 Ziff. 10 ZPO.



Ende der Entscheidung

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