Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.08.2001
Aktenzeichen: 22 U 15/01
Rechtsgebiete: ZPO, ErbbRVO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 253
ZPO § 888
ZPO § 890
ZPO § 894
ErbbRVO §§ 1 ff
BGB § 571
BGB § 577
1.

Zur Bestimmtheit des Klageantrags

2.

Zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage

3.

Der Vollzug eines Erbbaurechtsvertrages wird nicht dadurch unmöglich, daß ein von ihm betroffenes Grundstück verpachtet ist.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 15/01 OLG Hamm

Verkündet am 27. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 27. August 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann und die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23. November 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 15.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger auf Flächen, über die mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten ein Erbbaurechtsbestellungsvertrag abgeschlossen worden ist, Vermessungsarbeiten zum Zwecke der Vertragsabwicklung durchführen darf. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des am 23.11.2000 verkündeten Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg verwiesen.

Durch sein Urteil hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg den Beklagten verurteilt, dem Kläger den Zutritt zu den Grundstücken Gemarkung Flur 4 Nr. 47 und 159 zu gestatten und es zu unterlassen, ihm den Zutritt zu den (vom Beklagten verpachteten) Grundstücken Gemarkung Flur 4 Nr. 33, 49 und 141 zu verweigern.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er rügt im Rahmen der Zulässigkeit der Klage die Unbestimmtheit des Klageantrags und eine unstatthafte Unterlassungsverurteilung durch das Landgericht. In seinen Rechtsausführungen zur Begründetheit wendet er sich gegen die Wirksamkeit des am 28.7.1994 vom Notar in (UrkRegnr. /1994) beurkundeten Erbbaurechtsbestellungsvertrages, weil die in § 20 des Vertrages vorausgesetzten Genehmigungen fehlten oder nicht bestandskräftig erteilt seien. Jedenfalls sei die Erbbaurechtsbestellung durch zwischenzeitlich erfolgte Verpachtung des Grundstücksteils Flur 4 Nr. 33 unmöglich geworden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Klageantrag sei bestimmt genug, der Vertrag sei wirksam, die in § 20 des Vertrages vorausgesetzten Genehmigungen lagen vor, bezüglich der Baugenehmigung für die Golfplatzerweiterung habe das OVG Münster - 7 A 537 /01 - (unstr.) den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Arnsberg vom 19.12.2000 - 4 K 2207/00 - abgelehnt. Weder liege eine Teil- noch eine Gesamtunmöglichkeit vor.

Der Senat hat zu den auf GA 203 aufgeführten Fragen eine Auskunft der Stadt eingeholt. Diese wurde mit Schreiben vom 9.7.2001 erteilt und Kopien hiervon den Anwälten zugeleitet. Auf die Auskunft, GA 205 f., wird Bezug genommen.

Wegen des Parteivortrags im einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

A.

I.

Der Beklagte rügt die Unbestimmtheit des Klageantrags zu Unrecht, da dieser den erhobenen Anspruch gegenständlich und konkret - "den Zutritt zu den Grundstücken Gemarkung Flur 4 Nr. ... zu gestatten" - bezeichnet. Davon abgesehen stellen Klagebegründung und Berufungserwiderung klar, daß der Zutritt zum Zwecke der in § 1 des Vertrages vom 28.7.1994 vorgesehenen Vermessung erfolgen soll. Für die Bestimmtheit reicht es ohnehin aus, daß der Kläger in der Berufungsinstanz den Gegenstand der Klage dadurch ausreichend konkretisiert hat, daß er das zu seinen Gunsten ergangene landgerichtliche Urteil verteidigt (BGH NJW-RR 1995, 1119).

II.

Der Ausspruch des Landgerichts, es zu unterlassen, dem Kläger den Zutritt zu den verpachteten Parzellen Flur 4 Nr. 33, 49 und 141 zu verweigern, ist kein aliud, sondern halt sich im Rahmen des Antrags : statt eines aktiven Tuns - den Zutritt zu gestatten - wird eine Unterlassung ausgesprochen. In der Tat hatte der Kläger auch von vornherein die andere Kehrseite derselben Medaille beantragen und bezüglich aller Parzellen Unterlassen der Verweigerung des Zutritts begehren können. Der Schwerpunkt der vom Beklagten verlangten Verhaltensweise liegt in der Hinnahme der Vermessung; ein aktives Tun des Beklagten wird zur Durchführung der Vermessung nicht verlangt.

Erst recht stellt der Anspruch auf Gestattung keinen Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung dar. In Rechtsprechung und Literatur wird der Sachverhalt nicht unter § 894 ZPO, sondern unter § 888 ZPO (Zwangsvollstreckung bei nicht vertretbarer Handlung - "Zugangsgewährung bei einem Anwesen") und unter § 890 ZPO (Erzwingung der Duldung oder Unterlassung einer Handlung - "Gestattung der Besichtigung einer Wohnung") subsumiert (Zöller-Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rdn 3 ; § 890 Rdn 3 m.w.N.). Die Vollstreckung erfolgt durch Zwangsgeld bzw. Ordnungsgeld bzw. Haft.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für den begehrten Unterlassungsanspruch besteht: noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte erklärt, er werde dem Kläger den Zutritt zu seinen Grundstücken zum Zwecke der Vermessung nicht gestatten, da er den Vertrag nicht als wirksam ansehe; denkbar und nicht auszuschließen ist deshalb, daß der Beklagte seine Pächter veranlaßt, dem Kläger den Zutritt zu den von der Verpachtung betroffenen Flurstücken des Erbbaurechtsbestellungsvertrages zum Zwecke der Vermessung zu verweigern.

Daß der Unterlassungsausspruch des Tenors auch auf das Flurstück Flur 4 Nr. 159 zu erstrecken ist, weil auch dieses verpachtet sei, hat der Beklagte entgegen seinem bisherigen Vortrag, GA 83 f., und den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unbelegt und ohne Beweisantritt behauptet. Der Kläger hat diesen Vortrag sogleich bestritten. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, bezüglich dieses Flurstücks von einer Verpachtung auszugehen.

B.

Der Zutrittsanspruch ergibt sich aus § 1 Abs. 3 des Erbbaubestellungsvertrages vom 28.7.1994, der den Kläger ermächtigt, die amtliche Vermessung der vom Erbbaurecht umfaßten Teilfläche auf seine Kosten durchzuführen.

I.

1.

Auf die fehlende Bestandskraft der Baugenehmigung für die Erweiterung des Golfplatzes, die das Inkrafttreten des Vertrages gemäß § 20 hindere, kann sich der Beklagte nicht mehr mit Erfolg berufen : das OVG Münster hat durch Beschluß vom 14.8.2001 - 7 A 537/01 - den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Arnsberg vom 19.12.200 - 4 K 2207/00 - abgelehnt, mit der seine gegen die Baugenehmigung gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen wurde. Gemäß § 124 a Abs. 2 S. 3 VwGO ist das Urteil des VG Arnsberg damit rechtskräftig.

2.

Auch ein Fehlen einer denkmalsrechtlichen Erlaubnis hindert nicht das Inkrafttreten des Vertrages.

§ 20 stellt auf behördliche Genehmigungen zur Errichtung des Golfplatzes und der Verwirklichung der Anlage ab. Darin wird deutlich, daß der Genehmigungsvorbehalt des § 20 allein dem Schutz des Erbbauberechtigten dient, der die von ihm angestrebte Nutzung des Geländes durch behördliche Genehmigungen sichergestellt haben will, ehe er den Vertrag zu erfüllen hat.

Soweit es die baugenehmigungspflichtigen Maßnahmen betrifft, ist auch die denkmalrechtliche Erlaubnis als Anlage zur - inzwischen bestandskräftigen - Baugenehmigung vom 9.9.1998 erteilt, GA 207.

Baugenehmigungsfreie Maßnahmen der Golfplatzerweiterung werden bereits vom Wortlaut des § 20, der nur baugenehmigungspflichtige Maßnahmen betrifft, nicht erfaßt.

Darüber hinaus hat der Beklagte nicht dargelegt, um welche Maßnahmen es sich handelt und inwiefern sie der denkmalsrechtlichen Erlaubnis bedürfen.

Schließlich hat die Stadt als gemäß §§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 21 Abs. 1, Abs.2 DSchG zuständige Untere Denkmalsbehörde in ihrer Auskunft vom 9.7.2001, GA 205 f., an den Senat, klarstellend zum Schreiben vom 29.11.1999, A 13 f., unter Ziff. 3 mitgeteilt

"Der hat zwar lediglich im bauaufsichtlichem und nicht separat im denkmalrechtlichen Verfahren am 22.5.1998 den Antrag zur Genehmigung der Erweiterung des Golfplatzgeländes gestellt. Da jedoch die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis durch Bescheid vom 9.9.1998 erfolgte, bestehen insoweit - ungeachtet des Fristablaufs - keine Bedenken gegen die Golfplatzerweiterung."

II.

1.

Auch die vom Beklagten erhobenen Bedenken gegen die Möglichkeit der Eintragung eines wirksamen Gesamterbbaurechts greifen nicht durch.

a)

Zum einen kann entgegen der Auffassung des Beklagten ein Erbbaurecht mit dem Inhalt bestellt werden, daß auf dem belasteten Grundstück ein Golfplatz zu errichten ist; abzustellen ist darauf, daß eine Golfanlage als Ganzes ein Bauwerk darstellt (BGH NJW 1992, 1681; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht 8. Aufl., § 1 Rdn 63). Der Spielfläche zugeordnet sind Bewirtschaftungseinrichtungen wie Wirtschaftsgebäude, Schutz- und Gerätegebäude, Gemeinschaftseinrichtungen mit Aufenthalts- und Umkleideräumen sowie sanitäre Anlagen. Eine rechtliche Aufteilung in nicht dem Erbbaurecht zugängliche Einzelbereiche (naturbelassene oder gärtnerisch umgestaltete Flächen zwischen den Spielbahnen, je nach Geländebeschaffenheit die Spielbahnen), Zweifelsfälle (Bunker und drainierte Spielbahnen) und Bauwerke (feste Straßenkörper, Wege und Parkplätze, Erschließungsanlagen mit Bauwerkscharakter) wird der Funktionseinheit der Anlage nicht gerecht. Als Einheit weist die Golfanlage die Merkmale eines Bauwerks, nämlich eine unter Arbeits- und Materialeinsatz geschaffene, mit dem Erdboden fest verbundene unbewegliche Sache, auf.

Selbst wenn man davon ausginge, daß § 2 des Vertrages den sachenrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht genüge, weil nicht die Anzahl der zulässigen Bauwerke oder jedenfalls nicht angegeben ist, welche Bauwerke errichtet werden dürfen, berührt dies nicht die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages: an ihn sind nicht die gleichen Anforderungen wie an die dingliche Einigung zu richten (BGH NJW 1992, 1681). Die dingliche Einigung samt Eintragungsbewilligung (vgl. § 14) kann gflls. ergänzt werden.

Davon abgesehen ist die Angabe der Anzahl der Gebäude nach der neueren Rechtsprechung nicht erforderlich (BGH aaO; Ingenstau aaO § 1 Rdn 66). Die Gebäude sind ihrer Art nach zu bezeichnen; in § 2 Abs. 2 und 3 des Vertrages ist aufgenommen: Clubhaus, Wetterschutzhütten, Geräte - Remisen, Toilettenanlagen. Nach der Entscheidung des BGH NJW 1994, 2024 kann ein Erbbaurecht sogar nur mit dem Inhalt bestellt werden, daß der Erbbauberechtigte jede baurechtlich zulässige Art von Bauwerken errichten darf (so auch Ingenstau aaO).

b)

Unerheblich ist auch, daß die einzelnen Grundstücke mehreren Eigentümern gehören und ein Gesamterbbaurecht zu bilden ist. Die Zulässigkeit der Bildung eines Gesamterbbaurechtes an mehreren Grundstücken wird allgemein bejaht (BGH NJW 1976, 519), ob nun die Grundstücke verschiedenen Eigentümern gehören und das Gesamterbbaurecht durch gleichzeitige Belastung der Grundstücke, Teilung eines Grundstückes oder Erstreckung eines bereits bestehenden Einzelerbbaurechts auf ein weiteres Grundstück erfolgt (Ingenstau aaO Rdn 42; Palandt-Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 1 ErbbRVO Rdn 8).

2.

Schließlich ist der Vollzug des Vertrages nicht unmöglich geworden, weil das Grundstück Flur 4 Nr. 33 - das unstreitig Bestandteil des Erbbaurechtsvertrages gemäß § 1 ist - verpachtet ist und der Beklagte kein Sonderkündigungsrecht gemäß § 9 des Pachtvertrages vom 12.7.1990, A 40 gegen Nachfolgepächter hat.

Auf Miet- und Pachtverträge, die bereits vor Bestellung des Erbbaurechts von dem Eigentümer geschlossen worden sind, finden über § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbVO die §§ 571, 577 BGB entsprechende Anwendung (Ingenstau aaO § 30 Rdn 10; Palandt-Weidenhoff aaO § 577 Rdn 1). Die Bestellung des Erbbaurechts wird nicht unmöglich, sondern der Berechtigte erwirbt ein mit einem Rechtsmangel (vgl. BGHZ 96, 385), dem Pachtrecht, belastetes Erbbaurecht, das ihn allerdings berechtigt, gemäß §§ 434, 440 BGB gegen den Beklagten vorzugehen und etwa einen Teil des Erbbauzinses zurückzuhalten.

Auch der Zutritt vor Eintragung des Erbpachtrechtes ist möglich: Zwar ist in den Pachtverträgen mit eine Mitbenutzung nur der Wege (§ 1 des Pachtvertrages vom 12.12.1978, A 19) bzw. für die Holzwirtschaft (A 33) bzw. eine Hofbesichtigung (A 30) vorgesehen. Ein Zutrittsrecht des Vermieters/Verpächters in bestimmten Fällen wird aber im Miet- und Pachtrecht bejaht, auch wenn es zuvor nicht vereinbart ist, u.a. vor Verkauf und Neuvermietung für die Besichtigung von Interessenten (Palandt-Weidenhoff, BGB, 60. Aufl., § 581 Rdn 13; 535 Rdn 39). Entsprechendes gilt für die Vermessung zur Vorbereitung eines Rechtsübergangs, den der Mieter/Pächter zu dulden verpflichtet ist.

C.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück