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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 22 U 162/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 166
Leitsatz:

Die Kenntnis des Architekten, den der Grundstückseigentümer mit der Planung und Durchführung einer Umbaumaßnahme beauftragt hat, von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit kann dem Grundstückseigentümer bei einem späteren Verkauf des Grundstücks, der in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Umbau steht, nicht analog § 166 BGB zugerechnet werden.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 162/00 OLG Hamm 2 O 530/99 LG Paderborn

Verkündet am 3. Mai 2001

Oberdorf, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann und die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25. August 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Streithelfers trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landgericht hat den Beklagten wegen arglistiger Täuschung über das Fehlen einer Baugenehmigung zur Nutzung als 6-Familienhaus des von ihm an den Kläger verkauften Grundstücks zur Zahlung eines Schadensersatzbetrages i.H.v. 22.900,00 DM nebst Zinsen verurteilt und weiterhin festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den sich aus die sein Umstand ergebenden künftigen Schaden zu ersetzen.

Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat Erfolg.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz und die begehrte Feststellung.

Wegen des im notariellen Kaufvertrag vom 02.12.198B umfassend vereinbarten Gewährleistungsausschlusses kommen Ansprüche nur wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft oder wegen arglistigen Verhaltens in Betracht.

1.

Die Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache (§ 459 II BGB), die eine Haftung des Beklagten gem. § 463 S. 1 BGB begründen könnte, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Nach eigenem Vortrag enthält der notarielle Kaufvertrag keine Zusicherung. Auch kann aus der Übergabe von Bauzeichnungen nicht auf eine stillschweigende Zusicherung baurechtlicher Genehmigung geschlossen werden, wie der Kläger meint. Er hat. nicht einmal vorgetragen, dass die Frage der baurechtlichen Genehmigung Gegenstand der Vertragsgespräche war.

2.

Ein Anspruch wegen arglistigen Verhaltens, sei es aus § 463 S. 2 BGB oder c.i.c. steht dem Kläger nicht zu.

Unabhängig von der streitigen Frage, ob ein Mangel der Kaufsache bei Vertragsschluss vorlag, weil das Haus möglicherweise vor den Umbaumaßnahmen durch den Beklagten bereits als 6-Familienhaus baurechtlich genehmigt war oder die Umbaumaßnahmen nicht genehmigungsbedürftig waren, fehlt es jedenfalls an der für eine Arglisthaftung erforderlichen Kenntnis des Beklagten, dass die von ihm 1981/82 durchgeführten Umbaumaßnahmen einer Baugenehmigung bedurften.

a)

Die Beweisaufnahme in erster Instanz hat nicht ergeben, dass der Beklagte persönlich das Erfordernis einer Baugenehmigung kannte oder dies für möglich hielt. Eine persönliche Kenntnis des Beklagten ist demgemäß vom Landgericht in seiner Beweiswürdigung nicht angenommen worden und wird von dem Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht (mehr) behauptet. Damit ist der Vortrag des Beklagten unwiderlegt, er habe nur eine Sanierung und Modernisierung der vorhandenen Wohnnutzung vorgenommen, für die nach seinem laienhaften Verständnis eine Baugenehmigung nicht erforderlich gewesen und auf deren Erfordernis er auch nicht durch den von ihm eingeschalteten Architekten hingewiesen worden sei.

b)

Auf eine Kenntnis des Architekten, den der Beklagte mit der Planung und Durchführung der Umbaumaßnahmen beauftragt hatte, kommt es nicht an.

Selbst wenn der Architekt Kenntnis gehabt hätte, er hat eine solche Kenntnis bei seiner Vernehmung in erster Instanz verneint, kann diese Kenntnis - anders als das Landgericht und der Kläger meinen - dem Beklagten nicht analog § 166 BGB zugerechnet werden, da der Zeuge weder Wissensvertreter des Beklagten war noch eine Wissenszusammenrechnung erfolgen kann.

(1)

Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherren dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzuleiten. Er braucht weder zum rechtsgeschäftlichen Vertreter noch zum Wissensvertreter ausdrücklich bestellt zu sein. Der Geschäftsherr muss sich seiner aber im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen (BGHZ 117, 109 [106 f] = NJW 1992, 1099 [1100] m.w.N.).

War der Wissensträger an dem Vertragsschluss und/oder seiner Vorbereitung nicht beteiligt oder hat er den Geschäftsherrn nur intern beraten, scheidet eine entsprechende Anwendung von 166 BGB aus (BGH aaO.; NJW-RR 1997, 270).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Architekt nicht Wissensvertreter des Beklagten. Er war weder in die Vertragsverhandlungen eingebunden, noch in sonstiger Weise von dem Beklagten im Zuge des Grundstücksverkaufs als dessen Repräsentant mit der Erledigung von Aufgaben in eigener Verantwortung betraut.

(2)

Das Architektenwissen kann dem Beklagten nicht nach den Grundsätzen der Wissenszusammenrechnung, die in der Rechtsprechung für arbeitsteilig organisierte juristische Personen und Personengesellschaften entwickelt wurden (vgl. BGHZ 132, 30 [35 ff]; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 166 Rn. 8 m.w.N.), entsprechend § 166 BGB zugerechnet werden.

Unabhängig davon, dass eine Rechtsform (juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts oder Personengesellschaft) auf die der Bundesgerichtshof die Grundsätze für anwendbar hält (vgl. BGHZ 132, 30 [35 ff]), nicht vorliegt, hat der Beklagte seine Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr auch nicht in einer vergleichbaren Weise arbeitsteilig organisiert. Für eine arbeitsteilige Organisation ist nichts ersichtlich und vom Kläger auch nichts vorgetragen. Durch den im Jahre 1981 mit dem Architekten abgeschlossenen und auf die konkrete Baumaßnahme beschränkten Vertrag konnte eine arbeitsteilige, von dem konkreten Bauprojekt unabhängige Organisation nicht geschaffen werden.

(3)

Soweit der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen BGHZ 92, 63 [59] = NJW 1969, 2016 [2017] und NJW 1977, 375 dem Grundstückseigentümer im Rahmen eines Überbaus das Wissen des mit dem Bauvorhaben betrauten Architekten in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zugerechnet hat, ist die dort behandelte Problematik mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Der Bundesgerichtshof hat in dem entschiedenen Fall den Architekten als Wissensvertreter des Bauherren, im Verhältnis zii "den sonst am Bau Beteiligten oder durch den Bau Betroffenen" angesehen (BGH NJW 1977, 375). In dem hier zu entscheidenden Fall ist der Kläger nicht ein an der Baumaßnahme im Jahre 1981/82 Beteiligter oder von ihr (unmittelbar) Betroffener. Die Baumaßnahme steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks an den Kläger.

3.

Einen Anspruch auf die begehrte Feststellung (Ersatz allen zukünftigen Schadens) hat der Kläger nicht, da ein Schadensersatzanspruch schon dem Grunde nach nicht besteht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die Feststellung der Beschwer aus § 596 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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