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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 22 U 199/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 439
BGB § 912
Belastung des verkauften Grundstücks mit einer Überbaurente als Rechtsmangel.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 199/99 OLG Hamm 7 O 263/96 LG Dortmund

Verkündet am 17. August 2000

Skrzypek, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2000 durch den Richter am Oberlandesgericht Gottwald, den Richter am Oberlandesgericht Aschenbach und die Richterin am Oberlandesgericht Uetermeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußberufung das am 30. September 1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.05.1996, weitere 2.000,00 DM Zug um Zug gegen Freistellung von Überbaurentenansprüchen des Eigentümers des Grundstücks Gemarkung Flur Flurstück zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 8 % und die Beklagte zu 92 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer beider Parteien übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 16.000,00 DM gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu, nachdem die Beklagte nach Antragstellung den Vortrag zu § 814 BGB fallen gelassen hat.

2.

Gegenüber diesem Anspruch steht der Beklagten jedoch wegen eines Teilbetrages von 2.000,00 DM gem. § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zu.

a) Die Beklagte kann von der Klägerin Freistellung von Rentenansprüchen aufgrund des Überbaus auf das zur Zeit im Eigentum des Einzelhandelsverbandes stehende Grundstück in, Gemarkung Flur Flurstück gem. §§ 326. 440, 434 BGB verlangen.

Das von der Beklagten durch Ausübung des Vorkaufsrechts erworbene Grundstück Gemarkung Flur Flurstücke und ist mit einem Rechtsmangel behaftet. Das auf diesem Grundstück errichtete Gebäude ist auf das genannte Grundstück übergebaut mit der Folge, dass dessen Eigentümer gem. § 912 BGB den Überbau zu dulden hat, aber auf Verlangen durch eine Geldrente zu entschädigen ist. Ein Verzicht auf diese Geldrente gem. § 914 Abs. 2 S. 2 BGB ist nicht erfolgt. Damit steht einem Dritten in Bezug auf den Kaufgegenstand ein Recht zu (RGZ 59, 400, 406; Soergel-Huber, BGB, 12., § 434 Rn. 31).

Aus der Entscheidung des BGH (NJW 1981, 1362) folgt nichts anderes. Denn diese betraf einen Fall, in dem auf das verkaufte Grundstück übergebaut worden war. Für diesen Fall hat der BGH ausgeführt, der Begünstigte der Duldungspflicht sei nicht Inhaber eines Rechtes, sondern die nachbarrechtliche Beschränkung des Eigentums könne nur einen Sachmangel darstellen. Anders ist aber die Rechtsposition des Käufers, wenn von dem erworbenen Grundstück ein Überbau ausgeht. Denn dann ist er dem Recht des Dritten auf Zahlung einer Überbaurente ausgesetzt.

b) Die Rechte der Beklagten sind nicht gem. § 439 BGB ausgeschlossen. Eigene Kenntnis der Beklagten hat die Klägerin nicht behauptet. Eine Kenntnis des früheren Eigentümers des vorkaufsberechtigten Grundstücks Flur Flurstück ist der Beklagten nicht gem. §§ 413, 404 BGS analog zuzurechnen.

c) Die Rechte der Beklagten sind auch nicht vertraglich ausgeschlossen worden. Der zwischen der Klägerin und dem Dritten geschlossene Kaufvertrag, dessen Geltung die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, enthielt zwar in Ziff. III 1 S. 2 eine Regelung zum Ausschluß der Gewähr für Mängel jeglicher Art. Eine Auslegung der Vorschrift ergibt jedoch, dass sich diese Regelung nicht auf Rechtsmängel bezog.

Zwar erfaßt sie ihrem Wortlaut nach Mängel jeglicher Art. Aber aus dem Aufbau der Gewährleistungsregelungen ergibt sich, dass allein Sachmängel erfaßt werden sollten. Sie schließt als zweiter Satz unmittelbar an eine Sachmängel betreffende Regelung an, nämlich die Übergabe im bestehenden Zustand, unter Ausschluß der Gewähr für eine bestimmte Größe oder Beschaffenheit. Erst in der anschließenden Ziffer III 2 wird die Verpflichtung der Klägerin, das Kaufobjekt von allen nicht übernommenen Belastungen und Beschränkungen in Abteilung II und III des Grundbuchs sowie von nicht übernommenen öffentlichen Lasten und Abgaben geregelt. Damit wird gerade eine Rechtsmängelhaftung der Klägerin nicht ausgeschlossen.

Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass der Vertragstext den Willen der Parteien in diesem Punkt nicht zutreffend wiedergäbe. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, dass andere Rechte überhaupt Gegenstand der Verhandlung gewesen wären.

d) Die Beklagte kann daher gem. § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Einer Fristsetzung bedurfte es nicht, da der Eigentümer des überbauten Grundstücks, der Einzelhandelsverband, im Schreiben vom 8.9.1995 einen Verzicht auf den Rentenanspruch von der Erfüllung weiterer Forderungen abhängig gemacht hat.

Da der Schaden in der Belastung mit dem Überbaurentenanspruch besteht, kann die Beklagte daher Freistellung von diesem Anspruch verlangen. Wie die Klägerin diese Freistellung erreicht, ob durch Beibringen einer Verzichtserklärung des Eigentümers des überbauten Grundstücks gem. § 917 Abs. 2 S. 2 BGB oder durch Erfüllung geltend gemachter Rentenansprüche, ist ihr zu überlassen.

e) Der Freistellungsanspruch beruht auf demselben rechtlichen Verhältnis und berechtigt die Beklagte gem. § 273 BGB zur Zurückbehaltung. Der Begriff desselben rechtlichen Verhältnisses ist nach der Rechtsprechung im weitesten Sinne zu verstehen. Es reicht aus, dass den Ansprüchen ein innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt. Zwischen den Ansprüchen muß ein innerer natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte (vgl. BGH NJW 1985, 189, 190; 1991, 2645, 2646; 1997, 2944, 2945). Der Zahlungsanspruch der Klägerin und der Freistellungsanspruch stehen in einem solchen inneren Zusammenhang, da beide ihren Grund in den aufgrund der Ausübung des Vorkaufsrechtes zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen haben. In dem notariellen Kaufvertrag war bereits das weitere Nutzungsrecht der Klägerin an dem Gebäude bis zum 31.12.1994 geregelt. Diese Vereinbarung haben die Parteien später insoweit geändert und ergänzt, dass die Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus das Gebäude entgeltlich nutzen konnte. Mit dem Zahlungsanspruch begehrt die Klägerin die Rückzahlung zuviel gezahlten Nutzungsentgeltes.

f) Der Freistellungsanspruch berechtigt die Beklagte aber nur zur Zurückbehaltung eines Betrages von 2.000,00 DM. Grundsätzlich ist das Leistungsverweigerungsrecht zwar nicht auf einen dem noch ausstehenden Teil der Gegenforderung entsprechenden Teil beschränkt. Aber dessen Geltendmachung darf nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, insbesondere wenn nur noch ein geringfügiger Teil aussteht (BGH NJW 1997, 938, 939). Zu berücksichtigen sind insoweit alle Umstände, so die sich aus der Teilleistung ergebenden Nachteile und Risiken. Hier besteht der Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente nur in geringer Höhe, der zudem seit Bestehen des Überbaus im Jahre 1980 bis heute nicht geltend gemacht worden ist. Betroffen ist nur eine geringe Fläche von etwa 0,684 qm, nämlich ein etwa 7,5 m langer spitz zulaufender Geländestreifen, der an der breitesten Stelle 0,18 m breit ist. Ausgehend von einem Grundstückswert von 390,00 DM/qm, den die Beklagte bei Erwerb des Grundstücks, der 1978 erfolgte und daher in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem 1979/80 erfolgten Überbau stand, gezahlt hat, ergibt sich ein Verkehrswert von 266,76 DM, der angemessen zu verzinsen ist. Selbst unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 91% ergäbe sich daher eine jährliche Rente nur in Höhe von 24,00 DM. Wegen der geringen Höhe des Anspruchs werden die Interessen der Beklagten durch Zurückbehaltung eines Teilbetrages von 2.000,00 DM ausreichend gesichert.

3.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich, soweit die Beklagte nicht zur Zurückbehaltung berechtigt ist, aus §§ 286, 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II.

Die Anschlußberufung der Klägerin ist nicht begründet, da die Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB nicht in der ab 1.5.2000 gültigen Fassung anzuwenden ist. Denn gem. Art. 229 Abs. 1 S. 3 EGBGB ist die Fassung des § 288 Abs. 1 S.1 BGB in der Fassung des Art. 1 Ziff. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen (BGBl. 2000 I 330) nicht auf Forderungen anwendbar, die vor dem 1.5.2000 fällig geworden sind.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10 ZPO. Der Ausspruch zur Beschwer beruht auf § 546 ZPO.

Ende der Entscheidung

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