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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 22 U 90/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 280
BGB § 281
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
BGB § 434 Abs. 1 S. 3
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 437 Nr. 3
BGB § 443 Satz 1
BGB § 444
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.3.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen mit Ausnahme derjenigen der Streithilfe, die der Streithelferin selbst zur Last fallen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über Wohneigentum, weil die den Gegenstand des Wohneigentums bildende Doppelhaushälfte bereits im Jahre 1913 anstatt, wie im Maklerexposé angegeben, im Jahre 1956 erbaut worden ist.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen O und F der Klage stattgegeben. Die Kläger könnten aus §§ 443 Satz 1, 437 Nr. 2, 280, 281 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Zahlung der aus Anlaß des Vertragsschlusses entstandenen Nebenkosten verlangen.

Die Parteien hätten das Baujahr 1956 als Beschaffenheit vereinbart. Die Aufnahme der Angabe in das im Internet veröffentlichte Exposé sei von der Beklagten veranlasst worden, so dass diese Erklärung der Beklagten zuzurechnen sei.

Die Beweisaufnahme habe auch ergeben, dass die Beklagte die Baujahrangabe nicht mit der behaupteten Einschränkung an die Maklerin weitergegeben habe. Daraus folge ein arglistiges Verhalten der Beklagten, so dass sie sich auf den Haftungsausschluss nicht berufen könne.

Dagegen wendet sich die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung.

Es sei unter dem Gesichtspunkt eines abweichenden Baujahres schon kein Mangel gegeben, da das Gebäude im Jahre 2001 bis auf den Rohbau umfassend saniert worden sei und daher eine Restlebensdauer wie ein Gebäude aus dem Baujahr 2001 habe.

Auch ergebe sich allenfalls ein um 3.000,00 € bis 4.000,00 € geringerer Wert.

Zudem scheiterten Ansprüche an dem in § 3 des Kaufvertrages vereinbarten Haftungsausschluss.

Ein arglistiges Verhalten sei nicht gegeben.

Das Exposé stelle keine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Maklerfirma sei auch nicht ihre Erfüllungsgehilfin, deren Erklärung sie sich zurechnen lassen müsse.

Auch habe sie, die Beklagte, die Aufnahme der Angaben über das Baujahr in das Exposé nicht veranlasst. Das Gebäude stamme schon äußerlich erkennbar nicht aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, sondern sei im Baustil von Anfang 1900 errichtet.

Schließlich sei auch die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft.

Die Zeugin O als Mitarbeiterin der Maklerfirma (Streithelferin) habe ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.

Sie habe zudem angegeben, "nichts ausschließen" zu können.

Die Aussage des Zeugen F sei demgegenüber glaubhaft.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger und ihre Streithelferin beantragen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß Zug um Zug gegen die ausgeurteilte Zahlung die Rückgabe und Rückübereignung des in § 1 des notariellen Vertrages genannten Miteigentumsanteiles nebst Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß, Nr. 1 des Aufteilungsplanes, erfolgen solle.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen dazu vor: Abgesehen von der unrichtigen Baujahrsangabe habe die Beklagte auch eine mangelhafte Feuchtigkeitsisolierung des Kellers und einen unzureichenden Schallschutz des Gebäudes (Vorhandensein von Holzdecken) arglistig verschwiegen.

Nach Darstellung der Streithelferin soll die Beklagte zudem am 18.06.2006 Angaben für einen Objektaufnahmebogen gemacht haben, in welchem das Baujahr 1956 angegeben sei. Sämtliche Unterlagen seien der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2006 übersandt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O und F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.12.2008 nebst anliegendem Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Ein Anspruch auf die begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des Schadensersatzes gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB steht den Klägern entgegen dem landgerichtlichen Urteil nicht zu. Zwar liegt ein Mangel der verkauften Immobilie in Gestalt einer Abweichung von den Angaben in dem Maklerexposé vor; für den Mangel muß die Beklagte jedoch nicht haften, weil die Gewährleistung in dem Kaufvertrag wirksam ausgeschlossen worden und ihr auch kein arglistiges Verhalten nachweisbar ist.

1.

Daß das Landgericht in der Abweichung des tatsächlichen von dem im Exposé angegebenen Baujahr einen Sachmangel gesehen hat, ist im Ergebnis richtig.

Dahinstehen kann dabei allerdings, ob der vorliegende Fall wirklich, wie das Landgericht meint, in tatsächlicher Hinsicht derart von demjenigen der Senatsentscheidung NJW-RR 2001, 564 abweicht, daß entgegen dieser Entscheidung eine Beschaffenheitsvereinbarung bejaht werden könnte.

Unter der Geltung des hier anwendbaren neuen Schuldrechts haftet der Verkäufer einer Immobilie für die im Maklerexposé enthaltenen Angaben nämlich schon unter dem Gesichtspunkt der zu erwartenden Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Das ergibt sich aus Abs. 1 S. 3 der Vorschrift, wonach hierzu auch die aufgrund öffentlicher Äußerung "des Verkäufers, des Herstellers (...) oder seines Gehilfen" zu erwartenden Eigenschaften gehören. Trotz dieses mißverständlichen Wortlauts sind dabei mit "Gehilfen" nicht nur solche des Herstellers, sondern auch solche des Verkäufers gemeint (vgl. BeckOK/Faust, BGB, Stand 2007, Rn. 78 zu § 434; Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., Rn. 36 zu § 434; Jauernig/Berger, BGB, 12. Aufl., Rn. 16 zu § 434). Ferner gilt die Gehilfenzurechnung in § 434 Abs. 1 S. 3 BGB auch bei Privatpersonen als Verkäufern (vgl. MüKo/Westermann, BGB, 5. Aufl., Rn. 21 zu § 434; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Bearb. 2004, Rn. 85 zu § 434). Als Gehilfen sind u. a. Selbständige, die bei der Vermarktung tätig sind, anzusehen (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann Rn. 86 zu § 434) und damit auch Makler, so daß deren Verkaufsexposés öffentliche Äußerungen i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB darstellen (so ausdrücklich auch Palandt/Weidenkaff Rn. 69 zu § 434). Die oben zitierte Senatsentscheidung befasst sich gerade nicht mit einer Haftung wegen öffentlicher Äußerungen im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB n.F.

Auch sind die in dieser Vorschrift genannten Ausnahmetatbestände sämtlich nicht feststellbar, insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, daß sie die Angaben im Exposé nicht nur nicht positiv kannte, sondern ihre Unkenntnis auch nicht einmal auf einfacher Fahrlässigkeit beruhte.

2.

Allerdings scheitert eine Haftung der Beklagten an dem im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Entgegen dem landgerichtlichen Urteil kann nämlich nicht festgestellt werden, daß in der unzutreffenden Baujahresangabe ein eigenes arglistiges Verhalten der Beklagten zu sehen ist und sie sich auf den im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschluß daher gemäß § 444 BGB nicht berufen könnte.

Da die Beklagte unstreitig wußte, daß das Haus wesentlich älter ist als Baujahr 1956, wäre Arglist zu bejahen gewesen, wenn sie wissentlich oder bedingt vorsätzlich daran mitgewirkt gehabt hätte, daß die Jahreszahl 1956 als vorbehaltlose Altersangabe in das Exposé gelangt war. Das wiederum hätte vorausgesetzt, daß sie der Maklerin O die Jahreszahl ohne einen unmißverständlichen Hinweis, daß es sich nicht um das wahre Alter handelte, genannt gehabt hätte.

Die durch den Senat wiederholten Zeugenvernehmungen haben diesen Beweis nicht mit der notwendigen Gewißheit erbracht. Wie bereits vor dem Landgericht standen sich die Aussage des Ehemannes der Beklagten, der einen klaren Hinweis auf die Unrichtigkeit der Baujahresangabe gegenüber der Maklerin O bekundete, und die Aussage der Maklerin selbst, die einen solchen Hinweis verneinte, erneut konträr gegenüber. Anders als das Landgericht vermag der Senat in dieser Situation keiner der beiden Zeugenaussagen so eindeutig den Vorrang zu geben, daß sich eine positive Feststellung nach der einen oder der anderen Seite treffen ließe.

So hat zum einen der Zeuge F bei seiner erneuten Vernehmung nicht den negativen Eindruck hinterlassen, den das Landgericht ausweislich seiner Urteilsgründe von ihm gewonnen hatte. Seine Aussage war in sich stimmig und frei von erkennbaren Widersprüchen. Gleiches gilt allerdings auch für die Aussage der Zeugin O, deren Überzeugungskraft auch nicht durch ihre erstinstanzliche Angabe, sie könne "nichts ausschließen" (S. 12 des Protokolls vom 8.1.2008), entscheidend beeinträchtigt wird. Es handelt sich hier um eine nachvollziehbare Reaktion auf einen gezielten Vorhalt des Gerichts, mit dem ein Zeuge sich typischerweise im Hinblick auf einen theoretisch immer denkbaren Erinnerungsfehler absichern will, der aber nicht notwendigerweise eine ernsthafte Unsicherheit zum Ausdruck bringen muß.

Es verbleibt jedoch nach allem der Umstand, daß beide Zeugen nicht "neutral", d. h. völlig unbeteiligt und am Ausgang des Rechtsstreits uninteressiert, sind: während sich dies bei dem Ehemann der Beklagten aus der natürlichen persönlichen Verbundenheit ergibt, ist auf seiten der Maklerin zumindest ein Bedürfnis denkbar, einen eigenen Fehler in Gestalt einer unsorgfältigen Aufnahme oder Weiterverarbeitung von Objektdaten, welcher Ursache für einen Rechtsstreit zwischen ihrer Kundin und deren Vertragspartnern geworden ist, nicht zu offenbaren. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, wer von beiden eine unwahre Aussage gemacht hat, nicht mit der notwendigen Gewißheit zu beantworten.

Dieses offene Beweisergebnis muß zu Lasten der für die Arglist beweisbelasteten Kläger gehen.

3.

Soweit dem Schriftsatz vom 25.11.2008 zu entnehmen sein sollte, daß die Kläger die behauptete Kellerfeuchte nunmehr auch als eigenständigen Mangel geltend machen wollen, wäre dies in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zulässig. Es kann nicht festgestellt werden, daß sie die erstinstanzliche Geltendmachung dieser Mängelbehauptung ohne Nachlässigkeit unterlassen haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 11.3.2008 haben sie nämlich ausweislich des Protokolls bereits vortragen lassen, daß sich im Keller Schimmelschäden gezeigt hätten. Da es sich hierbei um ein typisches Symptom für Feuchtigkeit handelt, hätte dies nach der sog. Symptomtheorie ausgereicht, um hinreichend substantiiert einen entsprechenden Mangel behaupten zu können. Die Kläger können demgegenüber auch nicht mit Erfolg einwenden, sie hätten zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über Anhaltspunkte für eine Arglist der Beklagten bezüglich dieses Mangels verfügt, so daß eine Einführung in den Rechtsstreit wegen des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses noch nicht erfolgversprechend gewesen sei. Ein arglistiges Verschweigen haben sie nämlich auch jetzt nicht in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Die Beklagte hat vorgetragen, im Jahre 1970 den Keller isolieren lassen zu haben. Daß ihr positiv bekannt gewesen wäre oder sie zumindest für möglich gehalten hätte, daß diese Maßnahme nicht vollständig zum Erfolg geführt hätte, läßt sich mit der erforderlichen Gewißheit weder daraus herleiten, daß der Keller im Vorfeld des Verkaufs mit Latexfarbe gestrichen worden sein mag, noch daraus, daß sich im Fußboden Lochbohrungen befanden. Auch ein Sachverständigengutachten wäre zum Beweis dieser Tatsache ungeeignet (vgl. dazu eingehend Senat, Urt. v. 12.7.2001 - 22 U 180/00 - [Juris-Rn. 56-60]).

Bezüglich der darüber hinaus behaupteten, am 6.10.2008 zutagegetretenen Undichtigkeit der Hausentwässerung - sofern auch diese überhaupt als eigenständiger Mangel geltend gemacht werden sollte - liegt ebenfalls kein geeigneter Beweisantritt für eine Arglist der Beklagten vor.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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