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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.05.2001
Aktenzeichen: 22 W 23/01
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 23 b I 2 Nr. 6
GVG § 23 b I 2 Nr. 9
ZPO § 529 III
1. § 529 III ZPO betrifft in entsprechender Anwendung für das Prozesskostenhilfeverfahren nur die Frage, welcher Senat des Oberlandesgerichts (allgemeiner Zivilsenat oder Familiensenat) über die Beschwerde zu entscheiden hat.

2. Das Rechtsmittelgericht ist durch § 529 III ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren nicht gehindert, die erstinstanzliche Zuständigkeit im Rahmen der Prüfung, ob die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, anders zu beurteilen, als es das erstinstanzliche Gericht getan hat.

3. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer Vereinbarung, die güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Regelungen enthält, so handelt es sich um eine Familiensache gem. § 23 b I 2 Nr. 6 und 9 GVG.

Dies gilt nicht nur dann, wenn die Feststellung der Nichtigkeit der Regelungen begehrt wird, sondern auch dann, wenn ein eigentumsrechtlicher (§ 985 BGB) oder bereicherungsrechtlicher (§ 812 ff BGB) Anspruch geltend gemacht wird, zu dessen Begründung die Nichtigkeit der Regelungen behauptet wird.

Beschluss des 22. Zivilsenates vom (22 W 23/01) Mitgeteilt von ROLG Aschenbach


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

22 W 23/01 OLG Hamm 6 O 538/00 LG Bielefeld

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann, den Richter am Oberlandesgericht Gottwald und den Richter am Oberlandesgericht Ascherbach

am 21. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 15.03.2001 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 30. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind seit dem 14.08.2000 rechtskräftig geschieden. Während der Trennungsphase schlossen die Parteien eine notariell beurkundete "Trennungs- und Scheidungsvereinbarung", nach deren Inhalt sie u.a. Gütertrennung vereinbarten (6 1), die zu je 1/2 bestehende Miteigentümergemeinschaft an dem Familieneigenheim in der Weise auseinander setzten, dass der Antragsgegner das Grundstück zu Alleineigentum erhielt (§ 3) und ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht erklärt wurde (§ 6).

Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie die Rückübertragung des hälftigen Miteigentums an dem ehemals gemeinsamen Grundbesitz verlangen und festgestellt wissen will, dass die am 05.11.1999 geschlossene Trennungs- und Scheidungsvereinbarung insgesamt unwirksam ist. Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, dass sie bei Abschluss der Vereinbarung geschäftsunfähig gewesen sei.

Das Landgericht hat den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) mit der Begründung zurückgewiesen, die behauptete Geschäftsunfähigkeit sei nicht hinreichend dargelegt worden.

II.

Die nach § 127 II 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Unabhängig von der Frage, ob die behauptete Geschäftsunfähigkeit hinreichend dargelegt ist, bietet die beabsichtigte Klage schon deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), weil sie unzulässig ist.

Das angerufene Landgericht ist sachlich unzuständig (§ 71 I GVG), weil die Streitigkeit dem Amtsgericht als Familiengericht gem. § 23 b I 2 Nr. 6 und 9 GVG) zugewiesen ist.

Zwar hat der Anspruch auf Rückübertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück seine unmittelbare gesetzliche Grundlage im Bereicherungsrecht (§§ 812 BGB) oder Eigentumsrecht (§ 985 BGB), mit ihm wird jedoch zugleich die Nichtigkeit der Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vom 05.11.1999 geltend gemacht. Die in dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen sind nicht nur schuld- und/oder sachenrechtlicher Natur, sondern enthalten zugleich eine Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse der Parteien. Es werden der gesetzliche Güterstand beendet, Gütertrennung vereinbart und nachfolgend die Eigentumsverhältnisse u.a. an dem gemeinsamen Grundstück geregelt.

Die sich aus den vertraglichen Regelungen ergebenden Ansprüche sind ebenso wie die sich aus dem Gesetz ergebenden güterrechtlichen Ansprüche, die durch die vertraglichen Regelungen modifiziert werden, dem ehelichen Güterrecht zuzurechnen. Diese Zuordnung gilt aber nicht nur, wenn Ansprüche aus der güterrechtlichen Regelung geltend gemacht werden, sondern auch, wenn über ihre Wirksamkeit und ihren Bestand gestritten wird, denn der Streit über die Wirksamkeit und den Bestand der Vereinbarung stellt zugleich einen Streit über die zugrunde liegenden güterrechtlichen Ansprüche und Rechtsbeziehungen der Ehegatten dar (vgl. BGH FamRZ 1984, 35; BGH NJW 1980, 193; Schlosser in Stein/Jonas ZPO, 21. Aufl., 621 11 Rn. 48).

III.

Der Senat ist durch die Vorschrift des § 529 III ZPO, der auf das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden ist (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 1009; Zöller-Philippi, ZPO, 22. Aufl., Vor § 621 d m.w.N.), nicht an der Feststellung, dass es sich um eine Familiensache handelt, gehindert.

Durch diese Vorschrift ist der Senat nur hinsichtlich seiner Zuständigkeit innerhalb des Oberlandesgerichts gebunden, da eine Zuständigkeitsrüge in erster Instanz nicht erhoben wurde. Die Zuständigkeit der Gerichte im ersten Rechtszug wird durch § 529 III ZPO jedoch nicht geregelt. Weder das erstinstanzliche Gericht wäre bei einem dem Prozesskostenhilfeverfahren folgenden Rechtsstreit daran gehindert, seine Zuständigkeit von Amts wegen (erneut) zu prüfen, noch hätten die Parteien ihr Rügerecht verloren. Das Rechtsmittelgericht ist daher im Rahmen der Prozesskostenhilfebeschwerde weder durch die fehlende Rüge noch durch die Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts gebunden (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 1009).

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