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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.07.2000
Aktenzeichen: 23 W 95/00
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 103
ZPO § 126
BRAGO § 121
BRAGO § 130
Gesetz:

§§ 103, 126 ZPO, 121, 130 BRAGO

Leitsatz:

Dem Vergütungsanspruch des später beigeordneten Anwalts gegenüber der Staatskasse steht nicht entgegen, daß der Anwalt - vor der zunächst unterbliebenen Beiordnung - die Fesetzung seiner Gebühren im Namen der Partei betreibt und damit eine Aufrechnung durch den erstattungspflichtigen Gegener auslöst und daß er erst danach - nämlich erst nach verspätet erfolgter Beiordnung - die Vergütung aus der Staatskasse fordert.

OLG Hamm, Beschluß vom 17.07.2000 - 23 W 95/00 -


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 95/00 OLG Hamm 6 O 304/98 LG Hagen

in dem aus dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 17. Juli 2000 auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 05. Januar 2000 gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 10. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, den Richter am Oberlandesgericht Schnapp und die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung sowie des Beschlusses der Rechtspflegerin des Landgerichts Hagen vom 13. Oktober 1999, durch den der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts zurückgewiesen worden ist, hat die Rechtspflegerin die Festsetzung vorzunehmen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg, weil der gesetzliche Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1) gegen den Beteiligten zu 2) nicht durch ein pflichtwidriges und grob fahrlässiges Verhalten des Beteiligten zu 1) untergegangen ist, sondern nach wie vor (einredefrei) besteht.

Durch die Beiordnung wird zwar ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, aber der beigeordnete Rechtsanwalt nicht verpflichtet, fiskalische Belange wahrzunehmen. Vielmehr bleibt er Interessenvertreter seines Mandanten, auch soweit es darum geht, diesen vor unnötigen Kosten zu bewahren oder dessen Kostenerstattungsansprüche durchzusetzen. In Verfolgung dieser Ziele ist er nicht gehalten, mögliche Drittwirkungen seiner Interessenvertretung im voraus zu bedenken und diese danach auszurichten, ob einem anderen Nachteile drohen. Das gilt auch im Verhältnis zum Fiskus als Schuldner seines Vergütungsanspruchs. Ein beigeordneter Rechtsanwalt ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, im Rahmen seiner Parteivertretung von sich aus dafür Sorge zu tragen, daß gemäß § 130 BRAGO ein entwaiger Kostenerstattungsanspruch der Partei gegen den Gegner auf die Landeskasse übergeht, soweit er dieser gegenüber seinen Vergütungsanspruch geltend macht.

Allerdings liegt dem gesetzlichen Anspruchsübergang gemäß § 130 BRAGO die Vorstellung zugrunde, daß sich der Fiskus, soweit er den beigeordneten Anwalt bezahlt, bei einem erstattungspflichtigen Gegner der unterstützten Partei soll erholen können. Nach dem allgemeingültigen Grundsatz von Treu und Glauben darf der beigeordnete Anwalt dieses Ziel nicht dadurch unterlaufen, daß er im Interesse seines Mandanten oder gar in Absprache mit diesem versucht, den gesetzlichen Anspruchsübergang zu verhindern, um die Erstattungsforderung gegen den Gegner zugunsten seiner Partei verwerten zu können. Ebensowenig wie er einerseits die Belange des Fiskus wahrzunehmen braucht, darf er zum anderen diesen Belagen in Nachteilsabsicht entgegenwirken.

Als der Beteiligte zu 1) die Kostenfestsetzung gemäß § 103 ZPO beantragte, stand es ihm grundsätzlich frei, die Erstattungsforderung seines Mandanten zu verfolgen. Daß die Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch noch ausstand, mußte ihn daran nicht hindern. Er war nicht verpflichtet, im Interesse des Fiskus weiter zuzuwarten oder gar an die ausstehende Entscheidung zu erinnern. Das gilt auch dann, wenn er damit gerechnet haben sollte, daß der Gegner womöglich gegen die festzusetzende Forderung aufrechnen werde. Allein dieser Umstand hätte ihn nicht zum Nachteil des Fiskus bösgläubig sein lassen, weil noch unklar war, ob er tatsächlich einen Vergütungsanspruch nach § 126 BRAGO erlangen würde.

Im Übrigen erscheint es sehr zweifelhaft, daß der Beteiligte zu 1) mit der erklärten Aufrechnung tatsächlich gerechnet hat, weil dadurch auch die Durchsetzung seiner Regelgebühren zumindest gefährdet worden ist. Um das zu vermeiden, hätte es nahegelegen, erst die Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch herbeizuführen und alsdann nach § 126 ZPO vorzugehen. Daß er dies nicht getan hat, spricht eher gegen das Bewußtsein des Beteiligten zu 1), der Kostenschuldner könne die Aufrechnung erklären. Die Möglichkeit der Unkenntnis geht zu Lasten des Beteiligten zu 2), da dieser für die Voraussetzungen eines Anspruchsverlustes des Beteiligten zu 1) darlegungsbelastet ist.

Eine Unkenntnis des Beteiligten zu 1) stünde seiner Kenntnis auch dann nicht gleich, wenn sich die Aufrechnungslage ihm hätte aufdrängen müssen. Denn er war niemandem gegenüber verpflichtet, hiernach Ausschau zu halten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 128 Abs. 5 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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