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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 24 U 133/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 642
BGB § 645
ZPO § 301
ZPO § 304
VOB/B § 6 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.10.2007 verkündete Teil- und Grund-Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurück-verwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A

Die Parteien streiten um Schadensersatz, Aufwendungsersatz und Entschädigungsansprüche im Zusammenhang mit verschiedenen Bauausführungsbehinderungen an dem Bauvorhaben Kabeisemannsbach in C, bei dem die Klägerin u.a. ein Regenüberlaufbecken und verschiedene Schachtbauwerke zu errichten hatte. Die Bauausführungsverzögerungen beruhten auf einem von den vertraglichen Vereinbarungen abweichend späteren Baubeginn ab dem 04.05.2004 sowie auf verschiedenen Wassereinbrüchen in die Baugrube des Regenüberlaufbeckens am 09.07.2004 und 12.07.2004 sowie auf mehreren von der Klägerin behaupteten und näher dargelegten Baubehinderungen unterschiedlicher Ursachen im Zusammenhang mit der Erstellung der Schachtbauwerke. Hierauf gestützt hat die Klägerin Schadensersatz - Aufwendungsersatz und Entschädigungsansprüche geltend gemacht und mit der Klage darüber hinaus die Bezahlung von verschiedenen Mehraufwendungen in Höhe von knapp 20.000,00 € verlangt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und bezüglich der Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Teil- und Grundurteil der Klage im Hinblick auf die Aufwendungsersatz- und Entschädigungsforderungen dem Grunde nach stattgegeben, und zwar soweit die Klägerin Aufwendungsersatz- und Entschädigungsleistungen in Höhe von 18.121,62 € und 325.358,52 € verlange. Über die geltend gemachten Nachtragsforderungen hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Entscheidung getroffen. Hierzu hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass sowohl die durch die Wassereintritte vom 09.07.2004 und 12.07.2004 verursachten Verzögerungen und weiteren Beeinträchtigungen der Klägerin als auch die verspätete Bauaufnahme nach dem 01.03.2004 in den Risikobereich der Beklagten gem. §§ 642, 645 BGB fielen, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte die Behinderung zu vertreten habe und unabhängig davon, ob diese zum Teil ggf. durch vorsätzliches Handeln Dritter verursacht worden seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Die Beklagte ist unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, dass das Landgericht dem Anspruch der Klägerin fehlerhaft insgesamt dem Grunde nach stattgegeben habe, ohne die gebotene Unterscheidung der drei Bereiche der Störungen des Bauablaufes, welchen jeweils trennbare Ursachen zugrunde gelegen hätten, zu treffen. Außerdem entspreche der vom Landgericht zugrunde gelegte vereinbarte Baubeginn am 01.03.2004 nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Sie habe zudem ihre Obliegenheit zur ordnungsgemäßen Bereitstellung der Baugrube erfüllt. Das anschließende Versagen der Wasserhaltung könne ihr nicht zur Last gelegt werden, weil von ihr auch eine Abwehr von Sabotagehandlungen Dritter nicht verlangt werden könne.

Demgegenüber verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil mit nähren Ausführungen und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird ergänzend auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 21.01.2008 (Bl. 566 d.A.), den Schriftsatz der Klägerin vom 18.03.2008 (Bl. 591 ff. d.A.) sowie auf die weiteren Schriftsätze der Parteien vom 24.11.2008 und 28.11.2008 (Bl. 622 ff., 642 ff.) Bezug genommen.

B

Die Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Denn die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gem. § 304 ZPO lagen ebenso wenig vor, wie die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gem. § 301 ZPO.

I.

1.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gem. § 304 ZPO sind deshalb nicht erfüllt, weil das Landgericht weder vollständig über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrund noch über alle von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlagen entschieden hat.

a)

Der Erlass eines Grundurteils setzt voraus, dass der Prozessstoff über den Anspruchsgrund vollständig erledigt wird. Deshalb muss der Streit über den Anspruchsgrund vollständig entscheidungsreif sein (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 304 Rdn. 7, 6).

Hierzu reicht die Feststellung des Landgerichts, dass wegen der beiden von dem Landgericht zugrunde gelegten Vorfälle (verzögerter Baubeginn und Wassereinbrüche) dem Grunde nach eine Haftung der Beklagten gem. §§ 642, 645 BGB anzunehmen ist und der Umfang der tatsächlich eingetretenen Behinderung dem Verfahren über die Höhe des Anspruchs vorbehalten bleibt, nicht aus. Denn das Landgericht hätte zu jeder von der Klägerin vorgetragenen Behinderung jeweils Feststellungen zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen treffen müssen. Es muss im Hinblick auf jede einzelne Behinderung geklärt werden, ob sich hieraus ein Anspruch aus §§ 642, 645 BGB oder aber auch aus § 6 Nr. 6 VOB/B ergibt.

Die Klägerin stützt die von ihr begehrte Rechtsfolge auf eine Vielzahl unterschiedlicher Behinderungen. Dabei stellt jede einzelne Behinderung nicht nur einen allein für die Anspruchshöhe maßgeblichen Teil eines einheitlichen Lebenssachverhalts dar. Die von der Klägerin geltend gemachte Ersatzforderung von 325.358,52 € findet ihre Grundlage vielmehr in verschiedenen Lebenssachverhalten, die durch den Eintritt und die jeweiligen Auswirkungen jeder einzelnen Behinderung gekennzeichnet sind. Die einzelnen Behinderunten stellen schon deshalb einzelne voneinander abgrenzbare Anspruchsgründe dar, weil sie jedenfalls teilweise auf selbständige Tatsachenkomplexe gestützt worden sind.

In diesem Fall darf ein einheitliches Grundurteil nur dann ergehen, wenn feststeht, dass jeder (Teil-)Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Dies gilt insbesondere bei Ansprüchen aus § 6 Nr. 6 VOB/B oder aus § 642 BGB, soweit diese auf verschiedene Sachverhalte gestützt werden (vgl. BGH NZBau 2007, 167, 168; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 20. Teil, Rdn. 75).

Die Klägerin stützt jedenfalls für den Komplex der Bauleistungen an den einzelnen Schachtbauwerken ihren Anspruch wegen einer Bauzeitenverzögerung zum Teil auf ganz andere Behinderungsursachen als die durch den verspäteten Baubeginn und die Wasserüberflutung der Baugrube des Regenüberlaufbeckens verursachten Behinderungen. Die Klägerin hat sich hierbei u.a. auf folgende weitere Umstände gestützt, die durch das angefochtene Urteil nicht geklärt worden sind:

- Mitteilung einer Änderungssperre durch die Beklagte am 29.03.2004 und hierauf gestützte Behinderungsanzeigen vom 08.04.2004 und 05.05.2004 (Bl. 276 d.A.);

- keine zeitlichen Vorgaben und keine Bekanntgabe von Ausführungsterminen und Reihenfolge der Arbeiten wie vertraglich geschuldet 3 Wochen vor Ausführung;

- bei zahlreichen Schachtbauwerken zeitliche Verschiebungen wegen fehlender bauseitiger Fertigstellung des Kanals und fehlerhafter Ausführung von Rohrleitungen;

- Behinderung durch den nicht erfolgten Abbau eines Treppenturms.

Zudem hat die Klägerin weitere Behinderungen geltend gemacht, die (auch) zu den von ihr behaupteten Mehrarbeiten geführt haben, die die Klägerin zur Grundlage ihrer Nachtragsforderungen gemacht hat. Dieser Mehraufwand beruht nach dem Vorbringen der Klägerin u.a. auf unzureichenden bauseitigen Vorleistungen der Beklagten bei der Herstellung der Arbeitsräume sowie auf zusätzlichen Bewehrungs- und Schalungsarbeiten und auf von der Beklagten erteilten Weisungen (z.B. kreisrunde Öffnung der Schachtabdeckung).

Soweit durch das angefochtene Urteil unzulässigerweise eine Entscheidung über einen erheblich weitergehenden Klagegrund offen geblieben ist, kann eine Trennung zwischen Grund- und Betragsverfahren nicht mehr erfolgen. Aus diesem Grunde durfte ein Grundurteil nicht ergehen, weil die Tragweite des angefochtenen Urteils unklar bleibt (vgl. Zöller-Vollkommer, § 304 Rdn. 11).

b)

Darüber hinaus hat das Landgericht das Grundurteil verfahrensfehlerhaft erlassen, ohne über alle von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlagen zu entscheiden.

Grundsätzlich muss die Entscheidung über den Anspruchsgrund sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen erledigen. Dies kann nur ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn der festgestellte Klagegrund für die Höhe des gesamten Klagebegehrens ausreicht (vgl. BGH NJW 1978, 1920, 1921; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 304 Rdn. 10).

Es ist nicht erkennbar, dass der vom Landgericht angenommene Anspruchsgrund gem. § 642 BGB für das gesamte Klagebegehren ausreicht. Denn die Klägerin hat ihren Klageanspruch neben diesem Entschädigungsanspruch (hilfsweise) auch auf einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B gestützt. Dies gilt sowohl hinsichtlich ihres Anspruches für 23 Tage Stillstandskosten und Aufwendungsersatz für zerstörte Geräte und Materialien in Höhe von 18.121,62 € als auch für ihren Anspruch wegen Bauzeitenverlängerung in Höhe von 325.358,52 € (vgl. Bl. 23 f., 35, 247, 255; 293, 295 ff. d.A.). Angesichts der geringeren Reichweite der auf Aufwendungsersatz und Entschädigung gerichteten Ansprüche aus §§ 642, 645 BGB gegenüber dem Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B hätte auch eine Entscheidung über diesen weitergehenden verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ergehen müssen.

2.

Außerdem hat das Landgericht seine Entscheidung, ohne dass die Voraussetzungen eines Teilurteils gem. § 301 ZPO vorlagen, in unzulässiger Weise darauf beschränkt, den geltend gemachten Erstattungsansprüchen der Klägerin - dem Grunde nach - stattzugeben, ohne zugleich eine Entscheidung über die Vergütungsforderungen der Klägerin wegen Mehraufwendungen zu treffen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils sind insoweit nicht erfüllt, weil im Hinblick auf den vom Landgericht dem Grunde nach entschiedenen Teil und dem noch offenen Teil der Klageforderung die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.

Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin ihre Ansprüche für die geltend gemachten Mehraufwendungen u.a. darauf stützt, dass die Beklagte nicht die erforderlichen bauseitigen Voraussetzungen geschaffen habe und die Klägerin in diesem Zusammenhang zugleich daraus resultierende Verzögerungen im Bauablauf geltend gemacht hat. Deshalb kann die Frage, ob die Beklagte ihre bauseitigen Vorleistungen erbracht hat, sowohl für die von der Klägerin geltend gemachten Nachträge als auch für den Anspruch der Klägerin wegen einer Verlängerung der Bauzeit und damit für den Grund des Erstattungsanspruches gem. §§ 642, 645 BGB entscheidungserheblich werden.

Der Senat hat die Frage geprüft, ob der vom Landgericht noch nicht entschiedene Teil des Rechtsstreits in zweiter Instanz erledigt werden kann. Hiervon hat der Senat abgesehen, weil bisher keinerlei Aufklärung über die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Behinderungen erfolgt ist.

3.

Gem. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 3 ZPO bedurfte es zur Aufhebung und Zurückverweisung keines Antrages einer der Parteien.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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