Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 25 U 115/05
Rechtsgebiete: EStG, ZPO, StGB


Vorschriften:

EStG § 23
ZPO § 139
StGB § 68 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Mai 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Gründe:

(gem. § 540 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren früheren Steuerberater, wegen angeblicher Beratungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft ihm vor, es unterlassen zu haben, gegen den Steuerbescheid für 1997 Einspruch einzulegen, und zwar im Hinblick auf die spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.03.2004 (II BvL 17/02), wonach die Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 aufgrund § 23 EStG in der damals gültigen Fassung verfassungswidrig gewesen sei. Sie macht geltend, dass zur Zeit der Bestandskraft dieses Bescheides (23.06.1999) die Problematik der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Spekulationsgewinnen bereits in der Tagespresse, so in einem Artikel der Zeitschrift Capital vom 01.03.1999 diskutiert worden sei. - Im übrigen hat sie behauptet, der Beklagte habe ihr ausdrücklich zugesagt, den Steuerbescheid für 1997 nicht bestandskräftig werden zu lassen.

Der Beklagte hat eine Pflichtverletzung in Abrede gestellt und sich im Übrigen auf die Einrede der Verjährung berufen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, dass im Hinblick auf die erst später ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ein Verstoß des Beklagten gegen Sorgfaltspflichten nicht festzustellen sei. Die weitere Behauptung, der Beklagte habe zugesagt, auf jeden Fall Einspruch gegen den Steuerbescheid für 1997 einzulegen, sei zu unsubstantiiert und überdies auch unplausibel. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Klageantrag, nämlich Zahlung von 143.327,10 € nebst Zinsen weiterverfolgt, das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen angreift und ihre Behauptung zur Zusage des Beklagten, auf jeden Fall Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen zu wollen, wiederholt und vertieft.

Wegen des beiderseitigen Parteivorbringens der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

a)

Zu Recht hat das Landgericht eine Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG in der damals gültigen Fassung verneint. Der Beklagte hatte im Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides für 1997 Mitte des Jahres 1999 noch keinen Anlass, die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Spekulationssteuer, auf die er grundsätzlich vertrauen konnte (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. A., Rz. 245 m.w.N.), in Zweifel zu ziehen. Der Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Schleswig ist erst am 23.09.1999, also nach Bestandskraft des Steuerbescheides ergangen und erst im Jahre 2000 veröffentlicht worden. Sonstige Verlautbarungen in der einschlägigen Fachpresse, die der Steuerberater zur Kenntnis nehmen muss - insbesondere etwa im Bundessteuerblatt und in der Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht" -, gab es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Die Zeitschrift Capital, in der erstmals vor Erlass des Steuerbescheides ein Artikel erschienen ist, der sich mit diesem Fragenkreis befasst, gehört weder zur einschlägigen Fachpresse noch zur Tagespresse, die der Steuerberater zur Kenntnis nehmen muss. - Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter I. 2a) der Urteilsgründe Bezug genommen werden, denen sich der Senat in vollem Umfange anschließt.

b)

Bezüglich des weiteren Vorwurfes, der Beklagte habe entgegen einer ausdrücklichen Zusage die Einlegung des Einspruchs gegen den Steuerbescheid unterlassen, wirft die Berufung dem Landgericht allerdings zu Recht vor, dass die Urteilsgründe unter I. 2b) zum Teil eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung enthalten (wenngleich die Plausibilitätserwägungen des Landgerichts in der Sache durchaus nicht von der Hand zu weisen sind). Das tatsächliche und unter Beweis des Zeugen L gestellte Vorbringen ist auch jedenfalls mit der Vertiefung in der Berufungsbegründung hinreichend substantiiert. Wenn dort behauptet wird, die entsprechenden Besprechungen hätten zu Beginn des Jahres 1999 zunächst im Hause der Klägerin und sodann im Büro des Beklagten stattgefunden, so genügt dies - insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die behaupteten Vorgänge schon längere Zeit zurückliegen - schon den Mindestanforderungen an die Substantiierung des Klagevortrages. Da das Landgericht, wie die Berufung zu Recht rügt, es unterlassen hat, der Klägerin insoweit einen Substantiierungshinweis nach § 139 ZPO zu geben, wäre dieses Vorbringen grundsätzlich auch berücksichtigungsfähig gewesen.

c)

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da ein auf diesen Pflichtverletzungsvorwurf gestützter Schadensersatzanspruch jedenfalls nach § 68 StBG a.F. verjährt wäre. Klar ist zunächst, dass die dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Erlass des belastenden Steuerbescheides für 1997 im Mai 1999 zu laufen begann, im Zeitpunkt der Klageerhebung (10.12.2004/19.01.2005) bereits abgelaufen war. Eine sekundäre Pflichtverletzung, die eine weitere dreijährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt hätte, liegt nicht vor, da der Beklagte bis zur Beendigung seines Mandates aufgrund der Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 18.07.2001, mit der weitere Hinweispflichten ohnehin endeten (Gräfe aaO Rz. 917 m.w.N.), keinen Anlass hatte, auf eine mögliche Regresshaftung gegen ihn und deren Verjährung hinzuweisen. Selbst wenn nämlich der Beklagte, wie behauptet, zu Beginn des Jahres 1999 zugesagt haben sollte, Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen, war der Klägerin aufgrund seines Schreiben vom 03.06.1999 (Bl. 34/35) eindeutig klar geworden, dass er dies tatsächlich nicht getan hatte und dies auch nicht zu tun beabsichtigte. Wenn die Klägerin dies hingenommen hat und nicht auf eine - zu diesem Zeitpunkt noch mögliche - Einspruchseinlegung bestanden hat, hatte der Beklagte aus seiner Sicht keine Veranlassung, die Nichteinlegung des Einspruches noch als eine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin anzusehen und dementsprechend auch keinen Anlass, die Klägerin über einen gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung zu belehren. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass die Klägerin es nunmehr hinnahm, dass gegenüber dem Steuerbescheid für 1997 nichts weiter unternommen würde. Dies gilt umso mehr, als auch in der Kündigungsbestätigung des Beklagten vom 30.07.2001 (Bl. 33) noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass Rechtsbehelfsverfahren nur für die Jahre 1998 und 1999 liefen, nicht aber für das Jahre 1997, woraus sich für die Klägerin ergab, dass alles Weitere von ihrem neuen Steuerberater zu veranlassen war. Auch hierauf ist keine Beanstandung seitens der Klägerin mehr erfolgt.

Die Berufung war mithin zurückzuweisen, wobei sich die Nebenentscheidungen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO ergeben.

Der Senat hat die Revision nicht nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die eine Einzelfallentscheidung darstellende Sache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, noch die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.

Ende der Entscheidung

Zurück