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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 25 U 42/06
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 168 Abs. 1
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.10.2006 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der K Spielhalle GmbH (im Folgenden: GmbH). Er nimmt die Beklagten wegen Verletzung steuerberaterlicher Pflichten gegenüber der GmbH betreffend die Umsatzsteuerveranlagung für die Steuerjahre 1997 bis 1999 in Anspruch. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Landgerichts und der dem zugrunde liegenden Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen. Soweit an den Feststellungen des Landgerichts Korrekturen vorzunehmen sind, wird darauf unter II. eingegangen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er wendet sich gegen die vom Landgericht angenommene Verjährung mit näheren Ausführungen. Er meint unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im wesentlichen, die Beklagten hätten gegen Umsatzsteuerbescheide Einspruch einlegen müssen und behauptet, das sei auch abgesprochen gewesen. Ausserdem habe die Geschäftsführung der GmbH seit 1998 gebeten, die Umsatzsteuer offen zu halten. Das hätten die Beklagten nicht nur versäumt, sondern die Geschäftführung der GmbH wahrheitswidrig dahin beauskunftet, die Umsatzsteuer sei durch Einlegung von Einsprüchen offen gehalten, was nach seiner Auffassung zusätzlich den Vorwurf vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet. Mit der Berufung verfolgt der Kläger - unter teilweiser Änderung des Zinsbegehrens - seine zuletzt in erster Instanz verfolgten Anträge weiter und beantragt,

abändernd die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 171.070,57 € nebst Zinsen von 6,35 % aus 55.826,33 € seit dem 21.03.1999, aus 59.331,13 € seit dem 01.12.1999 und aus 55.903,12 € seit dem 13.11.2000 sowie 1.276,35 € sonstige Nebenkosten zu zahlen,

hilfsweise:

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 17.02.1999, Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 27.10.1999, Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 09.10.2000 gegen die Insolvenzschuldnerin K Spielhalle GmbH, Am T ##, ####40 C, jeweils kein Einspruch eingelegt wurde und insofern die gezahlten Umsatzsteuerbeträge jeweils zu Unrecht festgesetzt, gezahlt wurden und nicht erstattet werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen. Insbesondere wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen, am 18.03.2002 sei das die Frage der Umsatzsteuer und das weitere Vorgehen besprochen worden. Es sei erläutert worden, dass entweder sofort ein Antrag auf Abänderung der Steuerbescheide gestellt werden oder damit bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung abgewartet werden könne. Der Zeitpunkt der Festsetzungsverjährung sei für die Jahre 1997 - 1999 einzeln genannt worden. Die Geschäftsführung der GmbH habe sich entschieden, bis dahin zu warten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Holger I, Hans-Dieter I und E. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 30.05.2007 verwiesen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

A.

Dabei kann dahin stehen, ob - wie vom Landgericht angenommen - die Verjährungseinrede der Beklagten greift, denn es ist schon keine Pflichtverletzung der Beklagten feststellbar.

Das Landgericht ist nach dem insoweit unstreitigen Parteivorbringen davon ausgegangen, dass die Beklagten neben Jahresabschlüssen und Lohnbuchhaltung die Finanzbuchhaltung der GmbH erledigt haben. Unstreitig ist auch, dass die Beklagten dabei die Umsatzsteuervoranmeldungen in den (Streit-) Jahren 1997 bis 1999 erstellt haben.

Klarzustellen ist:

Jahresumsatzsteuererklärungen sind nicht abgegeben worden und - folgerichtig - Jahresumsatzsteuerbescheide nicht ergangen. Soweit der Kläger verschiedentlich anderes vorträgt - beispielsweise BB9 = GA119: in den Umsatzsteuerjahreserklärungen seien umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgewiesen worden, obwohl sie als umsatzsteuerfrei hätten behandelt werden müssen - gibt es für diese Darstellung ganz abgesehen davon, dass die Beklagten das Erstellen von Jahreserklärungen und eine Beauftragung damit in Abrede stellen - keine Grundlage. Denn weder ist der Kläger dem entsprechenden Vortrag der Beklagten in der Berufungserwiderung entgegengetreten, noch legt er Jahresumsatzsteuerbescheide vor, noch sind solche bzw. ein fehlendes Vorgehen gegen solche Gegenstand seines klagebegründenden Sachvortrags. Im Gegenteil, der Kläger legt in seinem klagebegründenden Vortrag andere Bescheide zu Grunde, nämlich die mit der Klageschrift vorgelegten.

Bei den vom Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Bescheiden handelt es sich nicht um Jahresumsatzsteuerbescheide, sondern für 1997 - Bescheid vom 17.02.1999 - um einen Abrechnungsbescheid, für 1998 - Bescheid vom 27.10.1999 - um eine Mitteilung über Umsatzsteuer, durch die geänderter Umsatzsteuererklärung (wenn eine Anmeldung - wie hier - zu einer Steuervergütung führt, bedarf die Anmeldung der Zustimmung des Finanzamts, § 168 Abs. II, III AO) zugestimmt wurde, und für 1999 - Bescheid vom 09.10.2000 - wiederum um einen Abrechnungsbescheid.

a.

Umsatzsteueranmeldungen/Umsatzsteuererklärungen

Soweit der Kläger meint, die Beklagten hätten ihnen obliegende Pflichten dadurch verletzt, dass umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgewiesen worden seien, obwohl diese für umsatzsteuerfrei hätten erklärt werden müssen, ist dem nicht zu folgen.

Umsatzsteuerjahreserklärungen sind, wie bereits gesagt, nicht erstellt worden. Insoweit trifft der Vorwurf, es seien dort umsatzsteuerfreie Umsätze als umsatzsteuerpflichtig erklärt worden, von vorne herein nicht zu.

Soweit der Kläger wohl auch meint, bei den laufenden Umsatzsteueranmeldungen 1997 bis 1999 hätten Umsätze aus Geldautomaten (Glücksspiel) als umsatzsteuerfrei erklärt werden müssen, trifft auch ein solcher Vorwurf nicht zu.

Ein Steuerberater hat sich bei Voranmeldungen von Umsatzsteuern nach Gesetz und dazu ergangener Rechtsprechung zu richten. Dem entsprach die Anmeldung von Umsatzsteuern auf Umsätze an Geldautomaten in den Jahren 1997 bis 1999. Denn: Die Umsätze waren nach deutschem Umsatzsteuerrecht steuerbar. Dazu, eine andere Behandlung seitens eines Steuerberaters im Rahmen der laufenden Voranmeldungen zu fordern, reicht es nicht, dass die Unterwerfung unter die Umsatzsteuer seit 1997 in der Fachliteratur problematisiert worden sein soll. Die Finanzverwaltung unterwarf - in ständiger Praxis und dem deutschen Umsatzsteuerrecht entsprechend - die Umsätze der Umsatzbesteuerung.

Auch das Finanzgericht Münster, welches - erst - am 26.10.2001 entschieden hat, Umsätze aus Geldspielautomaten seien umsatzsteuerfrei, DstRE 2002, 704ff, hatte die Sache zunächst (gänzlich) anders gesehen. Es hatte die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, weil nicht ernsthaft zweifelhaft sei, dass die Besteuerung nicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht umsatzsteuerfrei sei und die Besteuerung auch keinen Verstoß gegen die Richtlinie 77/388/EWG bedeute, EFG 2001, 394f. Dabei hat es auf zwei Entscheidungen des BFH (v. 22.01.97 - BFHE 182, 409 - und 30.01.97 BFHE 182, 416 - ) verwiesen, wonach Entgelte bei Glücksspiel steuerbar waren. Diese Auffassung deutscher Finanzgerichte ist vom Bundesfinanzhof erst durch dessen Entscheidung vom 30.11.00 - veröffentlicht in 2001, BFH/NV 2001, 657ff - korrigiert worden, in der der Bundesfinanzhof davon ausgegangen ist, dass es nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.06.98 (Fischer) - DtStRE 1998, 480 - ernstlich zweifelhaft sei, ob Geldspielautomatenumsätze besteuert werden dürfen. Letztlich entschieden worden ist die Frage der Steuerbarkeit erst - nach Vorlage an den Europäischen Gerichtshofs - durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.05.

Entgegen dem Vorbringen der Berufung zeichnete sich deshalb eine Änderung der Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte nicht seit 1994 ab, sondern erstmals mit der Entscheidung des BFH vom 30.11.00, wonach die unterschiedliche Besteuerung von Glückspielen einen Richtlinienverstoß bedeuten könne und deshalb ernsthaft zweifelhaft sei, ob Geldspielautomatenumsätze besteuert werden dürften.

(Anmerkung: Zur Zeit der Veröffentlichung der Entscheidung in 2001 waren die Einspruchsfristen gegen die vorgelegten Bescheide abgelaufen.)

Zu denken ist im Hinblick auf die laufenden Umsatzsteuervoranmeldungen in den Jahren 1997 bis 1999 allenfalls daran, dass es den Beklagten oblegen haben könnte, auf die Problematik - möglicher Richtlinienverstoß des deutschen Steuerrechts - hinzuweisen.

Anlass dazu gab die Entscheidung des EuGH aus 1994 (Glawe) nicht. Einerseits ging es dort nur um die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage des Umsatzes an Geldspielautomaten und nicht um die unterschiedliche Behandlung von öffentlichen Spielbanken und anderen Veranstaltern durch das deutsche Umsatzsteuerrecht, vgl. [GA23] = Gründe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs v. 17.02.05. Andererseits hat die deutsche finanzgerichtliche Rechtsprechung daraus (Glawe) auch nichts gegen die grundsätzliche Steuerbarkeit hergeleitet. Anlass zu einem möglichen Richtlinienverstoß des deutschen Steuerrechts konnte erstmals die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.06.98 geben, die in Heft 12 des Entscheidungsdienstes Deutsches Steuerrecht 1998 veröffentlicht wurde. Sachlich betroffen können von daher nur die Umsatzsteueranmeldungen in 1999 für 1999 sein.

Dass die Beklagten nicht Ende 1998/Anfang 1999 auf einen möglichen Richtlinienverstoß deutschen Steuerrechts hingewiesen haben, gereicht ihnen nicht zum Vorwurf. Denn im Hinblick auf einen möglichen Richtlinienverstoß deutschen Umsatzsteuerrechts war die Geschäftsführung der GmbH von vorne herein nicht belehrungsbedürftig. Im Gegenteil: Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hat die Geschäftsführung der GmbH die Entwicklung verfolgt.

Ein entsprechender Hinweis hätte - einmal abgesehen von der eigenen Kenntnis der Geschäftsführung der GmbH von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - auch nicht dazu geführt, dass die Geschäftsführung versucht hätte, Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen an Geldspielautomaten über eine Auseinandersetzung mit dem Finanzamt - welches sich nach eigener Einschätzung des Klägers nicht darauf eingelassen hätte - und anschließendem finanzgerichtlichen Verfahren durchzusetzen. Denn der Geschäftsführung der GmbH ging es nach dem Vortrag des Klägers (lediglich) darum, die Besteuerung offen zu halten. Die Umsatzsteuern wie bisher anzumelden und abzuführen entsprach darüber hinaus noch in 2001 der Empfehlung des eigenen Verbandes der GmbH - Schreiben Automaten-Verband Niedersachsen vom 29.05.01 [126]. Entsprechend geht der Kern des Vorwurfs des Klägers auch dahin, dass er den Beklagten vorwirft, sie hätten die Umsatzsteuerveranlagungen bestandskräftig werden lassen.

b.

Umsatzsteuerfestsetzungen/Vorgehen dagegen

Der wesentliche Vorwurf des Klägers geht dahin, die Beklagten hätten die Umsatzbesteuerung nicht offen gehalten, die Festsetzung bestandskräftig werden lassen und der Geschäftsführung der GmbH gegenteiliges gesagt.

aa.

Soweit der Kläger den Beklagten in diesem Zusammenhang vorwirft, sie seien gegen Umsatzsteuerbescheide nicht via Einspruch vorgegangen, sind offenbar die oben genannten Abrechnungsbescheide gemeint. Die Abrechnungen für 1997 und 1999 und die Zustimmung zur Umsatzsteueranmeldung 1998 entsprachen den Anmeldungen bzw. Erklärungen zur Umsatzsteuer. Soweit der Kläger behauptet, es sei abgesprochen gewesen, gegen die Abrechnungsbescheide Einspruch einzulegen, ist sein Vorbringen ohne Vortrag, wann das mit wem und aus welchem Grund und mit welcher Zielsetzung abgesprochen worden sein soll, ohne Substanz, zumal innerhalb der Einspruchsfristen gegen die Abrechnungsbescheide noch nicht einmal die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 30.11.00 veröffentlicht war. Im übrigen sind seitens des Klägers weder Tatsachen vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, warum sich die Beklagten gegen die Abrechnung hätten wenden sollen. Wie bereits ausgeführt, unterwarf das deutsche Recht die Umsätze aus Geldspielautomaten der Umsatzsteuer. Wie bereits ausgeführt, ging es der Geschäftsleitung der GmbH nach dem Vorbringen des Klägers auch lediglich darum, die Frage der Umsatzbesteuerung offen zu halten und damit gerade nicht darum, durch einen selbst geführten Streit Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen an Geldspielautomaten durchzusetzen. Soweit sie die Beklagten tatsächlich seit 1998 gebeten haben sollte, die Umsatzsteuer offen zu halten, war damit ersichtlich kein aktives Vorgehen - sei es via Voranmeldungen, sei es via Abänderungsanträgen, sei es via Einsprüchen gegen Abrechnungsbescheide, sei es via Einsprüchen gegen als Festsetzung von Steuern geltende Umsatzsteueranmeldungen - mit dem Ziel Umsatzsteuerfreiheit durchzusetzen gemeint, sondern ein Abwarten der Entwicklung - eben um ein bloßes "Offenhalten" - mit möglichst geringen Mitteln und dem Ziel für den Fall, dass sich Umsatzsteuerfreiheit herausstellen sollte, auf den Zug aufspringen zu können. Soweit seitens der GmbH bereits seit 1998 gebeten worden sein sollte, die Umsatzsteuer offen zu halten, ging das deshalb zunächst ins Leere. Denn die Umsatzsteuerveranlagung brauchte zunächst nicht durch irgendwelche Angriffsmittel "offen gehalten" werden. Sie war es wegen des bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung Umsatzsteueranmeldungen stehen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, § 168 Abs. 1 AO - bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen sowieso.

bb.

Entsprechend der Zielsetzung der GmbH, die Umsatzbesteuerung offen zu halten, welche jedenfalls spätestens im Zusammenhang mit der von den Beklagten behaupteten Besprechung vom 18.03.02 an die Beklagte herangetragen worden ist und worum es auch nach dem Vorbringen der Beklagten auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging, galt es allerdings, den Eintritt materieller Bestandskraft der Umsatzbesteuerung zu verhindern. Die Umsatzbesteuerung für die Jahre 1997 bis 1999 war - auch wenn der Kläger anderer Auffassung zu sein scheint - im März 2002 "offen". Denn es gab nur die als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Umsatzsteuervoranmeldungen und keine Umsatzsteuerjahresbescheide, erst recht keine solchen, die den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben hätten. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung bestand, gab es keine materielle Bestandskraft der Umsatzsteuerveranlagung und zwar auch nicht durch die Abrechnungsbescheide. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung bestand, war die Umsatzsteuerveranlagung "offen" und konnte in allen Richtungen geändert werden. Das "Offensein" der Umsatzbesteuerung aufgrund der Voranmeldungen (Eintritt materieller Bestandskraft) endete erst mit Ablauf der Festsetzungsfristen (weil der Vorbehalt der Nachprüfung mit deren Ablauf entfällt).

Den sich aus dieser Sachlage ergebenden Hinweis- und Beratungspflichten haben die Beklagten nach ihrem Vorbringen genügt, indem sie die Vorgehensweise zur Verhinderung des Eintritts materieller Bestandskraft mit dem Geschäftsführer der GmbH unter Nennung des Eintritts der Festsetzungsverjährungen jeweils für 1997, 1998 und 1999 mit dem Ergebnis besprochen haben, Änderungsanträge bei Ablauf der Festsetzungsverjährung zu stellen.

Es ist Sache des für eine Pflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtigen Klägers, dies zu widerlegen. Das ist ihm nicht gelungen. Soweit der Zeuge Holger I das Gespräch in Abrede gestellt hat, gibt es keinen Grund, den Bekundungen dieses Zeugen mehr zu folgen, als den gegenteiligen Bekundungen des Zeugen E.

Abgesehen davon und darüber hinaus sind die Bekundungen des Zeugen Holger I wenig glaubhaft. Es ist schon wenig plausibel, dass die für die GmbH seinerzeit virulente Frage der Umsatzbesteuerung von Umsätzen an von der GmbH betriebenen Geldspielautomaten - die dem Zeugen bekannt wegen eigener Verfolgung der Entwicklung und aufgrund Informationen des Verbandes bekannt war - nicht mit dem Steuerberater besprochen worden sein soll. Seine Bekundungen laufen stereotyp darauf hinaus, dass E bei allen möglichen Gelegenheiten und immer wieder auf Frage gesagt haben soll, die Umsatzsteuer sei offen und Einsprüche seien eingelegt. Schon das Stereotype der Bekundungen deutet darauf hin, dass sich in der Erinnerung des Zeugen etwas verschoben hat. Dafür spricht auch, dass selbst der Zeuge Hans-Dieter I eine andere Wahrnehmung hat. Nach dessen Erinnerung hat E nicht gesagt, es sei Einspruch eingelegt. Das hat Hans-Dieter I sich lediglich gedacht. Nach dessen Erinnerung hat E bei dem zufälligen Treffen entgegen der Erinnerung des Zeugen Holger I auch nicht gesagt, die Umsatzsteuer sei offen und Einsprüche seien eingelegt, sondern lediglich - auf das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof angesprochen - jetzt werde es ernster.

Schließlich ist nicht plausibel, dass der Zeuge Holger I immer wieder gefragt haben will, ob die Umsatzbesteuerung offen sei. Wenn ihm entsprechend seiner Bekundungen frühzeitig gesagt worden wäre, die Umsatzbesteuerung sei wegen eingelegte Einsprüche offen, hätte er im weiteren nicht danach fragen müssen, ob die Umsatzbesteuerung offen sei, sondern sich wegen der ihm nach seinen Bekundungen gegebenen Information der Einspruchseinlegung folgerichtig nach dem Stand des Einspruchsverfahrens erkundigen müssen.

Die Bekundungen des Zeugen E weichen insoweit von der Darstellung der Beklagten ab, als nach den Bekundungen des Zeugen nicht ausdrücklich erörtert worden ist, Abänderungsanträge sofort zu stellen oder später, sondern die Sachlage der Geschäftsführung der GmbH so dargestellt worden ist, dass Handlungsbedarf erst bei Ablauf der Festsetzungsverjährung bestehe.

Das gibt keinen Anlass, die Darstellung der Beklagten, die Geschäftsführung habe sich auf entsprechende Belehrung zu einem Abwarten bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen entschlossen, als widerlegt anzusehen. Denn der Zeuge E wird im wesentlichen das Ergebnis der Besprechung in Erinnerung haben. Zudem ist die Möglichkeit, sofort Abänderungsanträge zu stellen, der von E geschilderten Angabe, es eile nicht, immanent.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum sich die GmbH bei ausdrücklicher Belehrung über die Möglichkeit sofortiger Abänderungsanträge bzw. der Darstellung der Alternativen "sofort oder später" zu einer sofortigen Stellung von Abänderungsanträgen entschlossen haben sollte. Ziel der GmbH war es, die Umsatzbesteuerung offen zu halten. Dem entsprach die Beratung, Abänderungsanträge unter Abwartung der Entwicklung kurz vor Ende der Festsetzungsverjährung zu stellen, genau. Es spricht deshalb nichts dafür, dass sich die Geschäfteführung der GmbH auf mehr als das zur Offenhaltung Notwendige - Abwarten mit Abänderungsanträgen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung - eingelassen hätte.

cc.

Eine Pflicht der Beklagten, Ende 2002 Änderungsantrag für 1997 zu stellen, bestand nicht. Denn das Mandat war beendet.

Insoweit sind die Feststellungen des Landgerichts zu korrigieren. Der in erster Instanz streitige Zugang der Kündigung der Beklagten ist in zweiter Instanz durch Vorlage der entsprechenden Rückscheine (Zugang 13.09.02) belegt und wird vom Kläger auch nicht mehr bestritten. Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist ausgeführt, dass die Beklagten nach Beendigung des Mandats Arbeiten der Lohn- und Finanzbuchhaltung durchführten und ihre Arbeiten (erst) mit Abschluss des Vergleichs eingestellt haben. Das ist falsch. Nach dem letzten Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist die laufende Buchhaltung einschließlich Umsatzsteueranmeldungen ab Kündigung nicht mehr von der Beklagten vorgenommen worden, sondern allenfalls Nachbuchungen für Vormonate vor der Kündigung, namentlich Juli 02, erfolgt. Nachbuchungen im Rahmen der Mandatsabwicklung ändern - so sie überhaupt erfolgt sein sollten - an der Beendigung des Mandats nichts.

dd.

Eine Pflicht der Beklagten, bei Beendigung des Mandat noch einmal auf den Ablauf der - als erste anstehenden - Festsetzungsverjährung für 1997 Ende 2002 hinzuweisen, bestand nicht. Die Sachlage war der Geschäftsführung der GmbH aufgrund des unwiderlegt von den Beklagten vorgetragenen Gesprächs vom 18.03.02, welches zur Zeit der Kündigung gerade einmal ein halbes Jahr zurücklag, bekannt.

c.

Irreführung

Soweit der Kläger behauptet, der Zeuge E habe mehrfach gesagt, die Umsatzsteuer sei durch Einlegung von Einsprüchen offen gehalten worden, lässt sich derartiges nicht feststellen. Es gibt keinen Grund, den Angaben des Zeugen Holger I mehr zu folgen, als denen des Zeugen E. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter b. bb. verwiesen.

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge E habe mehrfach gesagt, die Umsatzsteuer sei offen, mag das für die Zeit bis zum von den Beklagten vorgetragenen Gespräch vom 18.03.02 zutreffen. Allerdings war die Aussage zutreffend. Ob E derartiges während der Zeit des Mandats der Beklagten wiederholt hat, bedarf keiner näheren Feststellung, denn das war bis zur Beendigung des Mandats richtig und wäre im Hinblick auf die - nach dem unwiderlegten Vortrag der Beklagten - vereinbarte Vorgehensweise und Auskunft zu den Fristen im Gespräch vom 18.03.02 auch nicht irreführend gewesen.

Soweit der Kläger behauptet, E habe auch nach Beendigung des Mandats der Beklagten, insbesondere anlässlich des Vergleichs am 16.05.03 wiederum gesagt, die Umsatzsteuern seien durch Einsprüche offen gehalten, lässt sich dies nicht feststellen. Von derartigem lässt sich aufgrund der Bekundungen des Zeugen Holger I aus den genannten Gründen keine Überzeugung gewinnen. Soweit der Zeuge Hans-Dieter I bekundet hat, E habe am 16.05.03 gesagt, die Umsatzsteuer sei offen, vermag der Senat auch dem angesichts der entgegenstehenden Bekundungen des Zeugen E nicht zu folgen, zumal keinerlei Grund ersichtlich ist, warum sich E nach Beendigung des Mandats der Beklagten, Honorarstreit und anschließendem Vergleich in der Sache geäußert haben und dabei - was 1997 betriftt - auch noch etwas anderes gesagt haben sollte, als von ihm als Inhalt der Besprechung vom 18.03.02 bekundet.

Abgesehen davon wäre eine Bemerkung des Zeugen E am 16.05.03, die Umsatzbesteuerung sie offen, für die Umsatzsteuerveranlagung 1997 nicht schadensursächlich, weil die materielle Bestandskraft der als Festsetzung geltenden Anmeldungen bereits Ende 2002 eingetreten ist, und im übrigen für die Umsatzsteuerveranlagung der Jahre 1998 und 1998 richtig gewesen.

B.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ein Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB nicht in Betracht kommt. Die Beklagten haben die Geschäftsführung der GmbH nicht darüber getäuscht, dass die Umsatzsteuerveranlagung bestandskräftig war, sondern die Geschäftsführung der GmbH nach ihrem unwiderlegten Vorbringen am 18.03.02 entsprechend der Zielsetzung der GmbH zutreffend beraten.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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