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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 25 U 63/06
Rechtsgebiete: BauGB, BGB, InsO


Vorschriften:

BauGB § 64 Abs. 3
BGB § 812
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 143
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. April 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.202,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % - Punkten über dem Basissatz seit dem 19.02.2004 zu zahlen.

Die weitergehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin eines Unternehmens, welches sich mit der Bebauung und dem Vertrieb von Grundstücken beschäftigte. Die Beklagte hatte als Kreditinstitut die Insovenzschuldnerin finanziert und sich zur Sicherung ihres Kreditengagements Grundpfandrechte an den von der Insolvenzschuldnerin vertriebenen Grundstücke einräumen lassen. Die Beklagte war deshalb nach Einleitung des Insolvenzverfahrens daran interessiert, die Grundstücke der Insolvenzschuldnerin zu verwerten. Das fand die Billigung der Klägerin, die die Masse mit Verbindlichkeiten aus dem Verkauf damit aber nicht belastet sehen wollte. Die Beklagte suchte also Käufer und handelte die Vertragsbedingungen aus. Von Verpflichtungen aus Verkaufsverträgen stellte die Beklagte die Klägerin wunschgemäß frei. Die Klägerin genehmigte im Anschluss daran die von der Beklagten verhandelten und vorbereiteten Verkäufe.

Gegenstand der Klage ist die Belastung der Masse mit Kosten von vor dem Verkauf der hier in Rede stehenden Grundstücke entstandenen Verbindlichkeiten durch das die verkauften Grundstücke betreffende Umlegungsverfahren. Die Klägerin meint, die Freistellungsverpflichtung der Beklagten umfasse auch die Verbindlichkeiten aus dem Umlegungsverfahren, die sie im Rahmen der Durchführung des Grundstückskaufvertrages beglichen hat.

Der Widerklage liegt im wesentlichen folgendes zu Grunde:

Die Klägerin hat zurückgebuchte Lastschriften zur Masse gezogen. Die Beklagte überwies der Klägerin den insoweit angeforderten Betrag - der sich im wesentlichen aus zurückgebuchten Lastschriften und zu einem geringen Anteil aus eingegangen Zahlungen zusammensetzt - von rund 301.000,00 €. Soweit das Konto der Insolvenzschuldnerin dafür keine Deckung hatte, verlangt sie den gezahlten Betrag zurück.

Die Klägerin hält den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch für nicht gegeben, hilfsweise rechnet sie mit nach ihrer Ansicht gegebenen Ansprüchen aus Anfechtung auf.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Wegen der dem zu Grunde liegenden Feststellungen und der Gründe der landgerichtlichen Entscheidung wird auf das Urteil verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge mit näheren Rechtsausführungen weiter und beantragt,

1.

abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 40.532,66 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2004 zu zahlen,

2.

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und stellt die Widerklageforderung in erster Linie zur Aufrechnung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Klage:

Das Landgericht hat zu Grunde gelegt, dass die Belastung der Insolvenzschuldnerin mit den Kosten des Umlegungsverfahrens vor Abschluss des Kaufvertrages belastet gewesen ist. Dieser Ausgangspunkt ist richtig.

Das Landgericht ist ferner - wie es sich aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt - davon ausgegangen, dass nur eine vereinbarte Übernahme der Kosten des Umlegungsverfahrens den Klageanspruch kraft Vereinbarung rechtfertigen kann. Auch dieser Ausgangspunkt ist richtig.

Das Landgericht hat eine entsprechende Vereinbarung verneint. Es hat gemeint, aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.08.2003 in Verbindung mit dem dann abgeschlossenen Kaufvertrag ergebe sich keine vereinbarte Übernahme der Kosten des Umlegungsverfahrens durch die Beklagte.

Dies würdigt der Senat anders.

Was die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der Freistellungserklärung der Beklagten vom 25.08.2003, die die Klägerin angenommen hat, indem sie dem Verkauf zustimmte. Danach oblag es der Beklagten, die Klägerin von sämtlichen mit dem Verkauf verbundenen Verpflichtungen frei zu stellen.

Eine der mit dem Verkauf verbundenen und durch ihn entstandenen Verpflichtungen der Klägerin bestand darin, den Käufern von Verbindlichkeiten aus dem Umlageverfahren, nämlich den dadurch entstandenen Ausgleichszahlungsverpflichtungen, freies Eigentum zu verschaffen. Denn die Klägerin hatte sich in § 3 des Kaufvertrages zur lastenfreien Eigentumsverschaffung verpflichtet. Dazu gehörte auch die Freimachung des Grundstücks von der als öffentliche Last, § 64 III BauGB, auf den Grundstücken ruhenden Ausgleichszahlungsverpflichtung. Diese ist durch die Übernahme des Umlegungsvermerks nicht von den Käufern übernommen worden und sollte, wie zwischen den Parteien unstreitig ist und wie es auch aus der Vernehmung des Zeugen F durch das Landgericht in dessen Termin vom 16.06.2005 folgt, von den Käufern nicht übernommen werden.

Entscheidend ist, ob bei diesem Sachverhalt die Freistellungsverpflichtung der Beklagten die als eigene Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin entstandene Ausgleichszahlungsverpflichtung erfasst. Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten, die eben das Schwergewicht der Wertung auf den Umstand legt, dass die Ausgleichsverpflichtung als eigene Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin entstanden ist, der Fall.

Denn für den Umfang der Freistellungsverpflichtungserklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 25.08.2003 ist maßgeblich, wie die Klägerin diese Erklärung vom Empfängerhorizont her verstehen durfte. Dazu war der Klägerin bekannt, dass die Beklagte im allgemeinen und aus anderen Fällen wusste, dass die Klägerin angesichts bestehender Grundpfandrechte der Beklagten zwar mit der Verwertung von Grundstücken durch Verkauf unter der Regie der Beklagten einverstanden war, die Masse aber mit nichts an Forderungen gegen die Masse (außer der Eigentumsverschaffung) belastet sehen wollte. Angesichts dessen konnte die Klägerin die Freistellungserklärung der Beklagten nicht anders verstehen, als dass sie die Ausgleichszahlungsverpflichtung, die zwar als an sich eigene Verbindlichkeit bestand, deren Bedienung aber durch den Verkauf gerade und auch gegenüber den Käufern zu einer mit dem Verkauf verbundenen Verpflichtung der Masse erstarkte, erfasste.

Widerklageforderung

Der Widerklageanspruch ist überwiegend entstanden, wobei die Anspruchsgrundlage aus ungerechtfertigter Bereicherung folgt, § 812 BGB.

Auch da ist der Ausgangspunkt des Landgerichts zu teilen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Beträgen aus zurückgerufenen Lastschriften. Denn dabei handelt es sich um Korrekturbuchungen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Rückbuchung von der Klägerin veranlasst wurde oder die Lastschriften mangels Deckung nicht eingelöst wurden. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob ohne Rückrufe der Klägerin das Konto der Insolvenzschuldnerin überzogen worden wäre. Abgesehen davon hätte die Insolvenzschuldnerin auch keine Anspruch auf Kreditgewährung durch Kontoüberziehung gehabt, weil ihre Gesamt- Dispositionskreditlinie aufgrund Überziehung anderer Konten ausgeschöpft war.

Für die Zahlung der Beklagten an die Klägerin kann deshalb ein Anspruch auf Auszahlung zurückgebuchter Lastschriften als Rechtsgrund nicht herhalten. Allerdings konnte und hatte die Klägerin als Insolvenzverwalterin Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen. Darunter fällt die Forderung gegen die Beklagte auf Auszahlung des auf dem Konto befindlichen Guthabens. Dieses Ergebnis ist zwischen den Partein auch nicht im Streit. Das Guthaben auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten belief sich vor der Zahlung der 301.116,67 € auf 238.221,54 €. Um den das Guthaben übersteigenden Differenzbetrag von 62.895,13 € ist die Masse durch die Zahlung der Beklagten zu Unrecht bereichert.

Soweit die Beklagte mit der Widerklage einen höheren Betrag geltend macht, beruht das darauf, dass sie - wie sich aus der Reihenfolge der Buchungen auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin ergibt - nach der Zahlung an die Klägerin, die sie zu Lasten des Kontos der Gemeinschuldnerin gebucht hat, ebenfalls zu Lasten des Kontos der Insolvenzschuldnerin Lastschriften der E GmbH eingelöst hat. Das ist nicht geeignet, einen Bereicherungsanspruch oder sonstigen Anspruch gegen die Masse auszulösen.

Aufrechung der Klägerin

Die Widerklageforderung ist teilweise durch die Aufrechung der Klägerin mit Ansprüchen erloschen.

Dabei geht es in der Berufungsinstanz noch um drei Vorgänge, nämlich die Belastung des Kontos der Insolvenzschuldnerin durch Bezahlung einer Fremdrechung durch Überweisung, die Belastung des Kontos der Insolvenzschuldnerin mit einer Bürgenrückgriffsforderung durch die Beklagte und die Belastung des Kontos mit Darlehensraten für ein dem ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gewährtes ERP-Darlehen.

Belastung des Kontos der Insolenzschuldnerin am 30.04.02 durch Überweisung von 10.545,10 € an die Firma C auf deren Rechung vom 18.03.02

Dabei handelt es sich um den Ausgleich einer der Firma C - anderes ist dem Parteivortrag nicht zu entnehmen - zustehenden Forderung. Falls die Insolvenzschuldnerin mangels Genehmigung der Klägerin als Nichtberechtigte durch die Überweisung verfügt hat, richtete sich der Bereicherungsanspruch gegen die Firma C. Falls die - aufgrund etwaiger Genehmigung der Verfügung durch die Klägerin dann wirksame - Befriedigung von Ansprüchen der Firma C anfechtbar war, richtete sich der daraus ergebende Anspruch auf Rückgewähr zur Masse nach § 143 InsO gegen den Empfänger, also ebenfalls gegen die Firma C. In beiden Fällen richteten sich Ansprüche nicht gegen die insoweit nur als Zahlstelle fungierende Beklagte.

Belastung des Kontos der Insolvenzschuldnerin mit der Bürgschaftsregressforderung der Beklagten am 03.05.02 in Höhe von 25.564,59 €

Soweit die Beklagte das Konto der Insolvenzschuldnerin mit diesem Betrag belastet hat, handelt es sich um eine Aufrechung der Regressforderung mit einer Forderung der Insolvenzschuldnerin. Die Klägerin ficht das zu Recht an, weil die Aufrechungslage durch Befriedigung des verbürgten Anspruchs nach Stellung des Insolvenzantrages entstanden ist, §§ 96 I Nr. 3, 130 I Nr. 2 InsO. Der von der Klägerin geltend gemachte und aufgerechnete Anspruch folgt dann aus § 143 InsO.

Belastung des Kontos mit Darlehenskosten (Zins und Tilgung eines Manfred Q gewährten ERP-Darlehens) in Höhe von 2.479,77 und 197,48 €.

Bei diesen Belastungen des Kontos handelt es sich im Gegensatz zu den zuvor abgehandelten Belastungen des Kontos um solche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Der Buchungstext lautet "DA - sonst. Auftrag". Der Senat ist dabei aufgrund des Parteivorbringens, in dem nur von einem ERP-Darlehen die Rede ist, davon ausgegangen, dass die Beklagte auch insoweit nur Zahlstelle gewesen ist und sich Bereicherungsansprüche deshalb nicht gegen die Beklagte richten. Dies ist vom Senat im Nachhinein nicht zu ändern, dürfte aber unzutreffend sein, weil - was aber erst bei Urteilsabfassung aufgefallen ist - die Beklagte nach dem von ihr eingereichten Darlehensvertrag das Darlehen selbst ausgereicht hat.

Nachdem die Beklagte die Widerklageforderung zur Aufrechung gestellt hat, ergibt sich folgende Abrechnung:

Klageforderung| 40.532,66 € Widerklageforderung| 62.895,13 € Erlöschen durch Aufrechnung der Klägerin| -25.564,59 € |37.330,54 € Erlöschen der Klageforderung durch Aufrechnung mit der Widerklageforderung| -37.330,54 € Restliche Klageforderung 3.202,12 €

Die ausgeurteilten Zinsen stehen der Klägerin als Rechtshängigkeitszinsen zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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