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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.05.2006
Aktenzeichen: 25 U 67/05
Rechtsgebiete: BNotO, StBG, ZPO, KStG, WPO, AO, BGB


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1 S. 2
StBG § 68
ZPO § 68
ZPO § 71
ZPO § 524
ZPO § 531 Abs. 2
KStG § 14
KStG § 17
WPO § 51 b
AO § 122 Abs. 2 S. 1
BGB § 203 n.F.
BGB § 204 Abs. 1 S. 1
BGB § 204 Abs. 1 S. 6
BGB § 204 Abs. 1 Ziff. 1
BGB § 204 Abs. 1 Ziff. 6
BGB § 204 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das am 10. März 2005 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen so abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 64.746,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. März 2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können Vollstreckungsmaßnahmen der Gegenseite abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge, falls nicht die vollstreckende Partei jeweils Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Zugunsten der Beklagten wird die Revision zugelassen.

Gründe:

(gem. § 540 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Steuerberatung in Anspruch.

Die Klägerin ist Alleingesellschafterin der D (im folgenden D) und wurde im Jahre 1998 von der I GmbH sowie der N GmbH & Co. KG gehalten. Ihre Geschäftsergebnisse führte sie aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrages an die N GmbH & Co. KG ab.

Als sich Ende 1998 zeigte, dass die Klägerin Gewinne und die D Verluste erwirtschaften würden, schlossen die Klägerin und die D auf Anraten der Beklagten unter dem 27.11.1998 einen notariellen Ergebnis-Übernahme-Vertrag, wonach die D ihre Geschäftsergebnisse an die Klägerin abführen sollte. Die notarielle Beurkundung der Zustimmung der D-Gesellschafter sowie die Eintragung des Ergebnis-Übernahme-Vertrages im Handelsregister unterblieben.

Mit Schreiben vom 02.12.1998 (Bl. 22) wurde der Ergebnis-Übernahme-Vertrag der Beklagten, die die Klägerin in steuerlichen Angelegenheiten berät, vorgelegt. Die Beklagte stützte die von ihr gefertigten Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Klägerin für das Jahr 1998 auf den Ergebnis-Übernahme-Vertrag. Nachdem das zuständige Finanzamt zunächst im Rahmen eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auch die Verluste der D berücksichtigt hatte, wurde im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung im Mai 2000 vgl. Bericht vom 22.05.2000 (Bl. 36, 37) darauf hingewiesen, dass der Ergebnis-Übernahme-Vertrag mangels Eintragung im Handelsregister und notarieller Zustimmung der D-Gesellschafter für das Jahr 1998 nicht anerkannt werden könne. Die Gesellschafter holten die notarielle Beurkundung nach; der Ergebnis-Übernahme-Vertrag wurde am 21.11.2000 im Handelsregister eingetragen.

Gleichwohl erließ das Finanzamt unter dem 27.04.2001 einen geänderten Feststellungsbescheid (Bl. 40, 41), in welchem die Verluste der D für 1998 nicht mehr berücksichtigt wurden. Einspruchs- bzw. Klageverfahren vor dem Finanzgericht, die von der Beklagten für die Klägerin und die D geführt wurden, blieben ohne Erfolg.

Auf Anregung der Beklagten verklagte die Klägerin zunächst den Notar, der den Ergebnis-Übernahme-Vertrag beurkundet hatte, vor dem Landgericht Münster auf Schadensersatz, wobei sie anfänglich von den Rechtsanwälten C pp., die auch Geschäftsführer der Beklagten sind, vertreten wurde; später, ab Eingang einer Vertretungsanzeige vom 25.04.2003, wurde sie durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten. In diesem Rechtsstreit gegen den Notar, in welchem die Klägerin den Beklagten den Streit verkündet hatte, unterlag sie in beiden Rechtszügen mit der Begründung, der ihr gegenüber der Beklagten ein vorrangiger Ersatzanspruch i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO zustehe (10 O 731/02 LG Münster; 11 U 107/03 OLG Hamm).

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter, letzteres aufgrund einer auf den 13.05.2003 datierten Abtretungsvereinbarung (Bl. 100), Ersatz des entstandenen Einkommenssteuerschadens sowie Erstattung der in dem finanzgerichtlichen sowie in dem vorbezeichneten zivilgerichtlichen Verfahren gegen den Notar entstandenen Gerichtskosten.

Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten lediglich auf Erstattung der vor dem Finanzgericht N3 entstandenen Gerichtskosten in Höhe von 2.157,64 € nebst Zinsen verurteilt. Bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der Gerichtskosten aus dem Zivilverfahren hat das Landgericht schon dem Grunde nach eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung verneint. Den Anspruch auf Erstattung des Einkommenssteuerschadens, der in der Person der Gesellschafter entstanden sei, hat es nach § 68 StBG für verjährt gehalten. - Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung der Beklagten. Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung Zahlung weiterer 79.616,35 € nebst Zinsen, insgesamt also 81.773,99 €. Die Beklagte begehrt mit ihrer Anschlussberufung Abweisung der Klage insgesamt. Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten 10 O 731/02 LG Münster/11 U 107/03 OLG Hamm lagen zur Information des Senates vor.

Der Senat hat zu der Frage, wann die vom 13.05.2003 datierte Abtretungsvereinbarung tatsächlich unterzeichnet worden ist, die Zeugen N und N1 vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 19.05.2006 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache im wesentlichen Erfolg. Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist in der Sache erfolgreich. Im einzelnen ist dazu festzustellen:

A. Zur Berufung der Klägerin:

1)

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg, soweit diese die Beklagte auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter wegen der diesen entstandenen Einkommenssteuerschäden in Anspruch nimmt:

a)

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beratungsauftrages durch die Beklagte ist zu bejahen. Allerdings hat das Landgericht zu Recht eine Streitverkündungswirkung der Feststellungen des Urteils des 11. Zivilsenates vom 17.03.2004 (BA Bl. 233 ff) nach § 68 ZPO verneint, da durch dieses Urteil, mit dem die Klage gegen eine nur subsidiär haftende Partei als "derzeit" unbegründet abgewiesen worden ist, das Bestehen von Regressansprüchen gegen den Dritten, hier die Beklagte, nicht rechtskräftig festgestellt wird (BGHZ 37, 377 ff, 379; Palandt-Sprau, BGB, 65. A., § 839 Rz. 65 m.w.N.). Auch hat der Senat in der Sache Bedenken, der Auffassung des 11. Zivilsenates zu folgen, welcher die Pflichtverletzung darin gesehen hat, dass die Beklagte es unterlassen habe, Entwürfe sowie eine Mitteilung des Handelsregisters über die vollzogene Eintragung anzufordern. Die Annahme, dass es Aufgabe der Beklagten gewesen sei, die Tätigkeit des Notars zu überwachen und die Eintragung in das Handelsregister zu überprüfen, dürfte eine Überspannung der Anforderungen an die Pflichten eines Steuerberaters darstellen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten liegt nämlich jedenfalls darin, dass sie es nach Erhalt der mit Schreiben vom 02.12.1998 (Bl. 22) von der Klägerin übersandten Vertragsunterlagen unterlassen hat, diese auf die sich hieraus ergebenden fehlenden Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung hinzuweisen. Denn aufgrund der diesem Schreiben beigefügten Unterlagen musste die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Steuerberaterin der Klägerin erkennen, dass diese für die steuerrechtlich wirksame Anerkennung des Gewinnabführungsvertrages nach §§ 14, 17 KStG nicht ausreichten, weil zum einen die erforderliche Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister fehlte und zum anderen auch die für die Wirksamkeit der Gewinnabführungsverpflichtung zwingend erforderliche notarielle Beurkundung der Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 27.11.1998 nicht vorlag (vgl. dazu BGHZ 105, 324; Herrmann/Heuer/Raupach/ Pache, Einkommenssteuer- und Körperschaftssteuergesetz, KStG § 17 Anm. 19 m.w.N.; Blümich/Danelsing, KStG, § 17 Rn. 7 ff).

Als Steuerberaterin der Klägerin musste sie nach Erhalt des Schreibens vom 02.12.1998 auf diese Unzulänglichkeiten hinweisen und dafür sorgen, dass die Anmeldung zum Handelsregister sowie die notarielle Beurkundung der Gesellschafterversammlungen rechtzeitig nachgeholt wird, insbesondere nachdem sie selbst zum Abschluss des Ergebnis-Übernahme-Vertrages aus Gründen der Steuerersparnis geraten hatte. Sie durfte sich auch nicht darauf verlassen, dass der Notar die erforderliche Anmeldung zum Handelsregister noch vornehmen würde.

Der Senat hat auch keine Bedenken, anzunehmen, dass bei Erfüllung dieser Hinweispflichten seitens der Beklagten im Dezember 1998 der Abschluss eines steuerlich wirksamen Gewinnabführungsvertrages noch für das Steuerjahr 1998 hätte erfolgen können.

b)

Zu Recht hat das Landgericht allerdings darauf hingewiesen, dass der Klägerin selbst im Hinblick auf die geltend gemachte erhöhte Einkommenssteuerschuld ein Schaden nicht entstanden ist, da die Klägerin als Personengesellschaft nicht einkommenssteuerpflichtig war, der Schaden in Form einer erhöhten Einkommenssteuerschuld mithin nur in der Person der Gesellschafter auftreten konnte. Dementsprechend steht der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht zu. Die Voraussetzungen einer Drittschadensliquidation sind nicht gegeben. Diese ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, vor § 249 Vorbem. 108 m.w.N.) auf drei Fallgruppen beschränkt, nämlich die obligatorische Gefahrentlastung, die mittelbare Stellvertretung sowie die Obhut für fremde Sachen. Der Senat sieht keinen Anlass, das Rechtsinstitut der Drittschadensliquidation über diese anerkannten Fallgruppen hinaus auszudehnen.

c)

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist jedoch aus abgetretenem Recht begründet aufgrund der auf den 13.05.2003 datierten Abtretungsvereinbarung (Bl. 100), wobei in der Vorlage dieser Abtretungsvereinbarung mit Schriftsatz vom 10.03.2005 zugleich die hilfsweise Geltendmachung des Anspruches aus abgetretenem Recht bereits in erster Instanz lag. Die hierin liegende Klageänderung (vgl. dazu BGH NJW 99, 1407) war jedenfalls als sachdienlich zuzulassen.

Den Gesellschaftern stand nämlich ein eigener Schadensersatzanspruch wegen des ihnen entstandenen Einkommenssteuerschadens aufgrund der Schutzwirkung des zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsvertrages zu. Der mit einem Steuerberater geschlossene Beratungsvertrag hat Schutzwirkung zugunsten eines Dritten, soweit dieser typischerweise nicht nur zufällig mit der Leistung des Steuerberaters in Berührung kommt und der Mandant an der sorgfältigen Ausführung der Beratung nicht nur ein eigenes, sondern auch ein schutzwürdiges Interesse zugunsten des Dritten hat, was für den Steuerberater auch erkennbar und für das Risiko seiner Arbeit kalkulierbar sein muss (BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 885; BGH NJW 1976, 1844; BGHZ 69, 86 = NJW 1977, 1916; BGH NJW 1984, 355; WM 1985, 415, 450; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberatung, 3. A., Rz. 435 ff m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Gesellschafter als einkommenssteuerpflichtige natürliche Personen mit den Beratungsleistungen der Beklagten unmittelbar in Berührung kamen und sich die steuerliche Nichtanerkennung des Ergebnis-Übernahme-Vertrages und des darauf beruhenden zu versteuernden höheren Gesellschaftsgewinnes unmittelbar und auch für die Beklagte erkennbar auf die Einkommenssteuerbelastung der Gesellschafter auswirken musste (Gräfe a.a.O. Rz. 448; BGH NJW 1983, 1053, 1054: Schutzwirkung steuerlicher Beratung zugunsten der GmbH-Gesellschafter).

d)

Den ihren Gesellschaftern entstandenen Einkommenssteuerschaden hat die Klägerin nunmehr nach entsprechendem Senatshinweis schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Auf die entsprechende Berechnung, gegen die seitens der Beklagten nichts mehr eingewendet worden ist, kann Bezug genommen werden (Schriftsatz vom 30.11.2005, Bl. 219 - 223 nebst Anlagen). Die Klägerin gelangt hier zu einem geringfügig höheren Einkommenssteuerschaden von 65.003,35 €, hat jedoch davon abgesehen, die Klage insoweit zu erweitern.

e)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht der Gesellschafter nicht verjährt.

aa)

Zutreffend hat das Landgericht allerdings als zum Tragen kommende Verjährungsvorschrift § 68 StBG a.F. und nicht § 51 b WPO angewendet. Besitzt, wie im vorliegenden Fall, der Inhaber des Beratungsmandates die berufliche Qualifikation sowohl als Wirtschaftsprüfer als auch als Steuerberater, so kommt es für die Beurteilung der Frage, welche der genannten Verjährungsvorschriften im Einzelfall zur Anwendung kommt, darauf an, zu welchem der Berufsbilder die übernommene Tätigkeit "berufstypisch" gehört, d.h. welchem Berufsbild sie das Gepräge gibt (Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, 4. A. vor § 1 1.3.15 m.w.N.; BGH NJW 1987, 3136; NJW 1988, 1663). Dies ist im vorliegenden Fall die steuerberatende Tätigkeit. Der Vorschlag der Beklagten, einen Ergebnis-Übernahme-Vertrag abzuschließen, war durch zu erwartende Steuervorteile aufgrund der Verrechnung der Verluste der D mit den Gewinnen der Klägerin motiviert. Ebenso betraf der oben unter I. a) dargestellte Pflichtverletzungsvorwurf, nämlich nach Erhalt des Schreibens vom 02.12.1998 nicht dafür gesorgt zu haben, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennungsfähigkeit des Organschaftsvertrages nach §§ 14, 17 KStG erfüllt würden, die steuerberatende Tätigkeit der Beklagten. Demgegenüber spielt es keine Rolle, dass die Beklagte die Jahresabschlüsse der Klägerin nicht erstellt, sondern überprüft hat.

Im Übrigen ist § 68 StBG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung anwendbar, da die Verjährung vor dem 15.12.2004 zu laufen begonnen hat.

bb)

Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch für den Beginn der 3-jährigen Verjährungsfrist nach § 68 StBG a.F. auf die Bekanntgabe des geänderten Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Klägerin vom 27.04.2001 abgestellt. Diese Auffassung entspricht nicht der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (u.a. BGH NJW 1993, 1137; NJW 1995, 218, 219; vgl. auch Gräfe a.a.O. Rz. 876 m.w.N.). Der Senat sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass in den Fällen, in denen eine fehlerhafte Steuerberatung zu vermeidbaren Mehrsteuern geführt hat, für den Verjährungsbeginn auf die Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides abzustellen, da erst hierdurch die Vermögenslage des Mandanten, verglichen mit dem Zustand, der ohne das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters gegeben wäre, sich verschlechtert hat (Gräfe a.a.O.). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass für den Beginn der Verjährung der auf Ersatz des Einkommenssteuerschadens der Gesellschafter gerichteten Schadensersatzanspruches auf die Bekanntgabe der geänderten Steuerbescheide bei den Gesellschaftern abzustellen ist. Ausweislich der mit Anlage zum Schriftsatz vom 30.11.2005 nachgereichten Steuerbescheide (BB 5 - 7) datiert der an N ergangene Steuerbescheid vom 01.08.2001, der an N2 ergangene Steuerbescheid vom 23.07.2001 und der an N1 ergangene Bescheid vom 20.07.2001. Da gem. § 122 Abs. 2 S. 1 AO der Steuerbescheid als schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, sind für den Verjährungsbeginn der jeweiligen Ansprüche der Gesellschafter folgende Daten maßgeblich:

04.08.2001 für N;

26.07.2001 für N2;

23.07.2001 für N1.

Danach wäre die 3-jährige Primärverjährungsfrist nach § 68 StBG an sich abgelaufen, wobei für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 S. 1 BGB ohnehin nicht auf die unter dem 10./20.12.2004 erfolgte Klageerhebung abzustellen wäre, da die Klage zunächst ausschließlich auf Ansprüche aus eigenem Recht der Klägerin gestützt worden ist. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus abgetretenem Recht der Gesellschafter ist demgegenüber erstmals im Kammertermin vom 10.03.2005 (Bl. 105) erfolgt, so dass auch erst von diesem Zeitpunkt an eine Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Ziff. 1 BGB eintreten konnte (BGH NJW 1996, 117).

Eine weitere Verjährung aufgrund einer sog. sekundären Pflichtverletzung kommt nach der insoweit zutreffenden Feststellung des angefochtenen Urteils nicht in Betracht, da die Klägerin rechtzeitig, nämlich jedenfalls mit der Aufnahme des Mandates durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten am 25.04.2003, also vor Ablauf der primären Verjährungsfrist anwaltlich vertreten war (vgl. BGH NJW 1982, 1288). - Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch, die zu einer Hemmung der Verjährung hätten führen können, sind auch mit dem nachgereichten Schriftsatz nicht in ausreichendem Maße dargelegt, wobei allerdings die neu eingeführte allgemeine Hemmungsvorschrift des § 203 BGB n.F. auf die bis zum 15.12.2004 gültige Vorschrift des § 68 StBG ohnehin keine Anwendung findet (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. A., Überblick vor § 194 Rz. 3).

cc)

Der Ablauf der Verjährung ist jedoch durch die im Vorprozess unter dem 10.06.2003 (BA Bl. 128) erfolgte Streitverkündung gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 6 BGB in ausreichendem Maße gehemmt worden. Zwar bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der dortigen Streitverkündung, da ein Urteil über die gegen den Notar gerichteten Schadensersatzansprüche der Streithelferin gegenüber nicht bindend das Bestehen von Regressansprüchen der Klägerin hätte feststellen können, sondern entsprechend den obigen Ausführungen unter II A 1 a) nur insoweit in Rechtskraft erwachsen konnte, als solche Ansprüche nicht ausgeschlossen waren (zu diesem Fragenkreis vgl. Zöller/Vollkommer, § 68 Rz. 3 m.w.N.; § 72 Rz. 8 m.w.N.; BGH NJW 1989, 522).

Letztlich konnte dies aber dahinstehen, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.07.2003 (BA Bl. 138) tatsächlich beigetreten ist, ohne die Zulässigkeit der Streitverkündung nach § 71 ZPO überprüfen zu lassen. Mit dem tatsächlichen Beitritt des Streithelfers tritt die Interventionswirkung nach § 68 ZPO in jedem Falle ein, wobei es unschädlich ist, ob der Beitritt evtl. verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, solange dies nicht durch Zwischenurteil nach § 71 ZPO festgestellt worden ist (Zöller a.a.O.; so zutreffend auch 11. Zivilsenat, Urteilsgründe unter II. 1.). Dementsprechend führt auch eine an sich verfahrensfehlerhafte Streitverkündung zur Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 S. 6 BGB, sofern dieser Fehler durch den tatsächlichen Beitritt des Streithelfers "geheilt" ist.

Voraussetzung für die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 S. 6 BGB ist allerdings, dass die Streitverkündung von einer tatsächlich materiell berechtigten Partei ausgegangen ist (Palandt-Heinrichs, BGB, § 204 Rz. 21, 9; BGH BB 1687). Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme war dies hier der Fall. Die Zeugen N und N1 haben übereinstimmend bekundet, dass sie die auf den 13.05.2003 datierte Abtretungsvereinbarung tatsächlich an diesem Tage unterzeichnet hätten, so dass die Abtretung der den Gesellschaftern zustehenden Schadensersatzansprüche im Zeitpunkt der im Vorprozess erfolgten Streitverkündung bereits wirksam erfolgt war. Der Senat hat keine Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Zeugen gemachten Angaben, zumal sie mit den Angaben des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin übereinstimmen, der, vom Senat dazu informatorisch angehört, bekundet hat, die Anregung zu dieser Abtretungserklärung sei von ihm selbst ausgegangen, weil ihm damals schon Bedenken im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin bezüglich des entstandenen Steuerschadens gekommen seien; er habe deshalb auch mit dem kaufmännischen Leiter der Muttergesellschaft, Herrn T telefoniert; auch habe er die Abtretungserklärung selbst teilweise vorformuliert. Die Richtigkeit dieser Darstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird bestätigt durch sein im Termin vorgelegtes Schreiben an die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.04.2003 (Bl. 264), in welchem er tatsächlich Bedenken im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin zum Ausdruck gebracht hat, sowie auch durch das Schreiben des kaufmännischen Leiters vom gleichen Tage, in welchem diese Bedenken wiederholt werden (Bl. 265). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat des weiteren dargelegt, dass man die Abtretungsvereinbarung zunächst zurückgehalten und im Vorprozess nicht vorgelegt habe, weil was zutrifft die Gerichte des Vorprozesses die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin noch nicht problematisiert hätten. - Zwar ist die gesamte Vorgehensweise nämlich das Zurückhalten der Abtretungserklärung im Vorprozess und deren erstmalige Vorlage in diesem Verfahren nahezu zwei Jahre später, nachdem die Klage zunächst ausschließlich auf eigenes Recht der Klägerin gestützt worden war - mit dem Grundsatz der anwaltlichen Vorsicht nur schwer zu vereinbaren, zumal die Gegenseite auch schon zuvor den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation der Klägerin erhoben hatte, (weshalb das Bestreiten des damaligen Abschlusses der Abtretungsvereinbarung und der Verdacht einer Rückdatierung der Abtretungsurkunde auch aus der Sicht des Senats durchaus nicht von der Hand zu weisen war). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Aussagen der Zeugen auf dem Hintergrund der dazu abgegebenen Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des nunmehr vorgelegten vorprozessualen Schriftverkehrs ohne weiteres glaubhaft sind.

Allerdings ist die Abtretungserklärung im Vorprozess nicht offenbart worden. Der Senat geht jedoch davon aus, dass im Falle einer Vollabtretung, anders als bei einer bloßen Einziehungsermächtigung (vgl. dazu Palandt a.a.O. Rz. 9, 21; BGH NJW 1972, 1580; NJW 1985, 1826) die Offenlegung der Abtretung für die Hemmungswirkung einer Streitverkündung nicht erforderlich ist (Palandt a.a.O.; ähnlich BGH BB 1983, 1687 für den Fall einer Verjährungsunterbrechung durch Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens). Die Gründe, die zur Notwendigkeit der Offenlegung einer Ermächtigung führen, hängen mit den Besonderheiten der Einzugsermächtigung und des darauf gegründeten Prozessrechtsverhältnisses zusammen. Die Notwendigkeit einer Offenbarung ergibt sich hier aus den besonderen Rechtswirkungen der gewillkürten Prozessstandschaft z.B. für die Rechtskraft eines auf die Klage des Ermächtigten ergehenden Urteils welche nur eintreten können, wenn der Kläger, der ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend machen will, sich im Rechtsstreit auf die ihm erteilte Ermächtigung auch beruft und zum Ausdruck bringt, wessen Recht er geltend machen will (BGH NJW 1972 a.a.O.). Für die Vollabtretung, die zur umfassenden Rechtsinhaberschaft des klagenden Zessionars führen, spielen diese besonderen Umstände dagegen keine Rolle.

Die im Vorprozess erfolgte Streitverkündung hat im Übrigen zu einer Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 6 BGB für die Zeit ab Zustellung der Streitverkündung unter dem 10.06.2003 (Bl. 128 BA) bis zur Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils des 11. Senats vom 17.03.2004 geführt, die auf der Grundlage der Zustellungsurkunden vom 25.03.2004 am 25.04.2004 eingetreten ist, sowie danach noch weitere sechs Monate gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB. Dieser Hemmungszeitraum reicht aus gegenüber dem Zeitraum, der zwischen den das jeweilige Verjährungsende markierenden Daten nämlich 04.08., 26.07. und 23.07.2004 (vgl. dazu oben) und dem Anhängigmachen der Klage aus abgetretenem Recht im Kammertermin vom 10.03.2005 liegt - insgesamt also etwa sieben bis acht Monate aus, um noch die rechtzeitige weitere Hemmung nach § 204 Abs. 1 S. 1 BGB zu bewirken.

2)

Ohne Erfolg bleibt die Berufung der Klägerin dagegen, soweit das Landgericht eine Erstattung der Gerichtskosten des zivilrechtlichen Vorprozesses abgelehnt hat. Diese Kosten stellen sich nicht mehr als adäquate Folge des aufgrund der Pflichtverletzung der Beklagten verursachten Steuerschadens dar. Dabei spielt auch der Umstand, dass die Rechtsanwälte C pp., die die Klägerin zunächst im Vorprozess gegen den Notar vertreten haben, zugleich Geschäftsführer der Beklagten sind, keine Rolle. Wie vom Landgericht insoweit zutreffend festgestellt, haben die Rechtsanwälte C pp. als Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts, jedoch nicht als Geschäftsführer der Beklagten gehandelt; ihr Handeln ist daher den Beklagten insoweit nicht zuzurechnen.

B. Zur Anschlussberufung der Beklagten:

Die Anschlussberufung der Beklagten, mit der sich diese gegen die Verurteilung zur Erstattung der vor dem Finanzgericht N3 entstandenen Gerichtskosten wenden, ist nach § 524 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Beklagten haben nunmehr vorgetragen (Bl. 232), dass in der Besprechung, die auf das Schreiben vom 12.12.2001 hin erfolgt ist, seitens der Zeugin E nicht erklärt worden sei, dass die Klage vor dem Finanzgericht eingereicht werden müsse, weil ansonsten der Notar nicht verklagt werden könne. Vielmehr sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Klage beim Finanzgericht aller Voraussicht nach erfolglos sein werde, es aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Finanzgericht zu einer anderweitigen Rechtsauffassung gelangen würde. Nach dieser Sachdarstellung kann entgegen der Auffassung des Landgerichts ein pflichtwidriger Rat zur Durchführung eines aussichtslosen Rechtsbehelfverfahrens nicht festgestellt werden. Dieser Sachvortrag ist allerdings erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt, was jedoch im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO unschädlich ist, da er klägerseits unbestritten geblieben ist (vgl. Bl. 236 d.A.).

C.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Der Senat hat zu der unter A. I. e) cc) angesprochenen Frage, ob es für die Hemmungswirkung einer Streitverkündung gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 6 BGB darauf ankommt, ob eine zur Aktivlegitimation des Streitverkünders führende Abtretung offengelegt worden ist oder nicht, gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, da diese zweifelhafte Frage nach Auffassung des Senats einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

Ende der Entscheidung

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