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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 26 U 44/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
BGB § 278
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 1922 Abs. 1
BGB § 2032 Abs. 1
BGB § 2039 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 02. Januar 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger sowie dessen Ehefrau X in ihrer Eigenschaft als Erbengemeinschaft nach dem am 19.09.2005 verstorbenen Y 2.000 € zu zahlen.

Der Kläger trägt zu 90% seine eigenen außergerichtlichen Kosten, zu 61% die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 sowie die der Beklagten zu 2, 3 und 4 voll.

Die Beklagte zu 1 trägt 39% die eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die des Klägers zu 10%.

Die Gerichtskosten werden zu 90% dem Kläger und zu 10% der Beklagten zu 1 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ). Ergänzend wird auf das Vorbringen der Parteien in den zweitinstanzlichen Schriftsätzen verwiesen. Der Senat hat zur Frage des Behandlungsfehlers ein Gutachten des Internisten Dr. B eingeholt und den Sachverständigen nochmals mündlich angehört. Darüber hinaus sind die Zeuginnen X und Q zur Frage des Zeitpunktes des Venenzugangs zwecks Versorgung des verstorbenen Patienten mit Flüssigkeit vernommen worden. Einzelheiten ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.

II.

Die Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht zugunsten der Erbengemeinschaft ein Schmerzensgeldanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 gemäß §§ 1922 Abs. 1, 2032 Abs.1, 2039 S. 1, 280 Abs.1, 278 bzw. 831, 253 Abs. 2 BGB zu; im weitergehenden Umfang ist ein solcher Anspruch nicht gegeben.

I.

Der Kläger macht zu Recht Pflege- und Versorgungsfehler durch das diensthabende Pflegepersonal anlässlich des Aufenthaltes seines Sohnes Ingo ab dem 22.05.2005 auf der Station 3 geltend.

Insoweit hat der Sachverständige nämlich ausgeführt, dass man sich angesichts der geringen Sauerstoffsättigung in der Nacht vom 23. auf dem 24.05.2005 nicht mit reinen Absaugungsversuchen begnügen durfte. Aufgrund der respiratorischen Insuffiziens war vielmehr einen Arzt herbeizurufen , um weitere Maßnahmen zur Behebung der Atemnot einzuleiten. Der Sachverständige hat anhand der Dokumentation nicht festgestellt, dass ein Arzt involviert war. Dies begründet jedoch kein ärztliches Fehlverhalten, weil nach Meinung des Sachverständigen der diensthabende Arzt auch ohne entsprechende Anweisung von einer ausgebildeten Krankenschwester erwarten konnte, dass sie ihn in solch einem Fall hinzu rief. Dieser hätte dann eine mehrfache Absaugung, eventuell sogar alle 10 Minuten, möglicherweise unter Sedierung des Patienten vornehmen oder eine sofortige Beatmungstherapie bzw. Verlegung auf die Intensivstation veranlassen müssen.

Der Sachverständige hat keine durch den geringen Sauerstoffgehalt im Blut verursachten gesundheitlichen Schädigungen auf Herz, Gehirn oder andere Organe des Körpers feststellen und auch den weiteren längeren Krankenhausaufenthalt mit der Anlage eines Tracheostoma nicht darauf zurückführen können. Nach seinen Ausführungen hat der Sohn des Klägers in der Nacht aber gelitten, weil er nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt war, ohne dass ihm in adäquater Weise geholfen wurde.

Im weitergehenden Umfang liegen weder Behandlungs- noch Pflegefehler vor, die einen Anspruch begründen können.

Der Sachverständigen hat die Flüssigkeitszufuhr sowie der Umfang der Antibiotikagabe in der Zeit vom 22.05. bis zum 24.05.2005 für ausreichend gehalten.

Soweit es unstreitig am 24.05.2005 zu einer mehrstündigen Unterbrechung der Flüssigkeitszuführ nebst Antibiotikagabe gekommen ist, weil der Sohn jedenfalls in der Zeit von etwa 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr keinen Venenzugang hatte, hat der Sachverständige dies für belanglos gehalten, weil der Mangel nachträglich wieder aufgeholt werden konnte.

Der Kläger hat angesichts der vorliegenden Dokumentation, die schon ab dem 22.05.2005 nach Angaben des Sachverständigen eine ausreichende Versorgung beschreibt, durch die Zeuginnen X und Q nicht nachweisen können, dass dem Sohn entgegen der Dokumentation erstmalig am 24.05.2005 gegen 16.30 Uhr ein Venenzugang gelegt worden ist. Frau X hat nämlich eingeräumt, dass sie am 23.05.2005 den Sohn schlafend vorgefunden habe und ihn nicht habe stören wollen. Damit kann sie nicht sicher sagen, ob ein Venenzugang fehlte. Die Zeugin Q konnte nur bekunden, dass sie am 24.05.2005 gesehen habe, dass der Venenzugang gegen Mittag gefehlt habe. Dies ist aber unstreitig und nach Angaben des Beklagten zu 2 damit begründet, dass die zuvor bereits gelegte Kanüle verstopft gewesen und entfernt worden ist.

Im Übrigen hat der Sachverständige ausgeführt, dass angesichts der vorliegenden Beschwerden im Bereich des Abdomens die Verlegung des Sohnes am 22.05.2005 auf die chirurgische Station korrekt gewesen ist, zumal die Röntgenuntersuchung auch keinen krankhaften Befund der Lunge ergeben hat.

Auch das Absetzen des Medikamentes Acithemin ist kein Behandlungsfehler und hat nach Angaben des Sachverständigen die Krankenhausaufenthalte nicht beeinflusst. Dies Medikament dient nämlich dazu, bakterielle Harnwegsinfektionen zu verhindern, indem ein saurer Harn geschaffen wird. Die Untersuchungen bei dem Sohn haben aber auch ohne dies Medikament immer einen sauren Harn ergeben.

Hinsichtlich des weiteren Aufenthaltes im September 2005 anlässlich der Entfernung der Schiene liegen ebenfalls keine Behandlungsfehler vor, die zu einer körperlichen Beeinträchtigung des Sohnes geführt haben.

Die Antibiotikagabe ist nach Angaben des Sachverständigen rechtzeitig am Tag des Schienenwechsels erfolgt, da eine vorherige Gabe keinen Sinn macht; denn durch das Antibiotikum soll gegen Keime vorgegangen werden, die anlässlich der Operation in das entsprechende Gebiet eingebracht werden können.

Soweit sich der Sachverständige eine gezielte Keimfeststellung gewünscht hätte, um auch gleichzeitig eine Behandlung und nicht lediglich eine Prophylaxe durchzuführen, hat er aber gleichzeitig angegeben, dass die Behandlung noch im Rahmen des medizinischen Standards erfolgt ist .

Hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen, dass der erhöhte CRP-Wert insbesondere wegen der bekannten Vorgeschichte des Sohnes im Rahmen des medizinischen Standards weitere Untersuchungen erforderlich gemacht hätte, die eine schwere Bronchitis und möglicherweise auch schon Anzeichen einer Lungenentzündung mit der Folge einer Verschiebung des Schienenwechsels ergeben hätte, kommt dennoch kein weitergehender Anspruch in Betracht. Ein solcher Behandlungsfehler hatte nämlich keine Auswirkungen auf den weiteren Krankheitsverlauf . Der Sachverständige hat insoweit angegeben, dass der Sohn Y nicht an den Folgen der Lungenentzündung verstorben ist, sondern an einem unklaren Befund im Bereich des Abdomens, der mit der Lungenentzündung in keinerlei Zusammenhang stand und auch nicht durch eine frühzeitigere Befunderhebung in diesem Bereich zu verhindern war. Die Sepsis, die den Tod verursacht hat, wurde allein durch einen akuten Abdomen mit Flüssigkeit im Bauchraum hervorgerufen, was zu einem Schockzustand mit einem Multiorganversagen führte.

Die Tatsache, dass eine nach Angaben des Sachverständigen an sich indizierte Operation aufgrund einer ordnungsgemäßen Befunderhebung möglicherweise kurzfristig verschoben worden wäre, begründet keinen Schmerzensgeldanspruch; denn der Sohn hätte diese Operation ja in jedem Fall durchführen lassen müssen, um eine Verstopfung des Katheters, die zu einem schweren Problem geführt hätte, zu vermeiden. Eine rein zeitliche Verschiebung eines Operationstermins stellt keine Beeinträchtigung dar, die durch einen Schmerzensgeldanspruch abzugelten ist.

Es verbleibt daher dabei, dass die Beklagte zu 1 lediglich für den Fehler des zuständigen Pflegepersonals in der Nacht vom 23. auf den 24.05.2005 verantwortlich gemacht werden kann mit der Folge der Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Für die nächtliche Leidenszeit des Sohnes Ingo hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € für angemessen, aber auch ausreichend, um die Beeinträchtigungen abzugelten.

2.

Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 2 und 3, der sich mangels vertraglicher Beziehungen allein aus §§ 823, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. den erbrechtlichen Vorschriften ergeben könnte, kommt aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht, da Behandlungsfehler entweder nicht vorliegen oder sie sich zumindest nicht ausgewirkt haben.

3.

Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 4 war von vornherein unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben, da sie zu keinem Zeitpunkt mit der ärztlichen Betreuung des Sohnes Y befasst war und lediglich Verwaltungsmaßnahmen wahrgenommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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