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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.12.2000
Aktenzeichen: 27 U 103/00
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, StVG, PflVG, SGB VII


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 843
BGB § 823 Abs. 1
SGB X § 116
SGB X § 116 Abs. 1
StVG § 7
StVG § 11
StVG § 13
PflVG § 3
SGB VII § 34
SGB VII § 39 Abs. 1 Nr. 8
Leitsatz

Eine unfallgeschädigte Klägerin kann aus §§ 249, 843 BGB die Kosten ihrer Betreuung in einer Behindertenwerkstatt aus dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse vom Haftpflichtversicherer des Schädigers ersetzt verlangen. Ein solcher Anspruch ist nicht nach § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 103/00 OLG Hamm 9 O 96/00 LG Hagen

Verkündet am 5. Dezember 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Februar 2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte den ausgeurteilten Betrag von 56.463,37 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Mai 1999 an die Evangelische Stiftung S gesetzlich vertreten durch die Vorstandsmitglieder, zu zahlen hat.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Urteilsbeschwer der Beklagten bleibt unter 60.000,- DM.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt weiteren materiellen Schadensersatz aufgrund eines von dem Versicherungsnehmer Volker K der Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfalls vom 05.09.1990, bei dem sie ein Schädel-Hirn-Trauma III. Grades mit kompletter linksseitiger Lähmung erlitt. Die uneingeschränkte Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.

Die Parteien schlossen am 19.07.1996 einen Abfindungsvergleich, wonach der unfallbedingte Schaden der Klägerin mit Eingang eines Abfindungsbetrages von 1 Mio. DM insgesamt und vorbehaltlos abgefunden sein sollte. Nach dem Inhalt des Vergleichs sollten hiervon ausgenommen bleiben lediglich

"unfallbedingte Pflegekosten und Kosten für unfallbedingt notwendige Hilfsmittel, soweit diese von den Sozialversicherungsträgern nicht übernommen werden (zum Beispiel Rollstuhl, Bewegungstrainer usw.), sowie solche Kosten, die im weitesten Sinne mit der Pflege der Verletzten, deren Heilbehandlung oder deren Rehabilitation (zum Beispiel durch Beschäftigung/Betreuung in einer Behindertenwerkstatt oder einer ähnlichen Einrichtung) im Zusammenhang stehen".

Wegen solcher Ansprüche verzichtete die Beklagte zugleich auf die Erhebung der Verjährungseinrede.

Die Klägerin, die vor dem Unfall als Sozialpädagogin tätig war, wohnt nach jahrelangen Krankenhausaufenthalten seit Januar 1994 in einem Heim der Evangelischen Stiftung. Seit Oktober 1994 arbeitet sie tagsüber für mehrere Stunden in einer auf dem Gelände der Stiftung untergebrachten Behindertenwerkstatt und übt dort vorwiegend Verpackungstätigkeiten aus. Für die Zeit vom 15.10.1994 bis zum 14.10.1996 gewährte die Berufsgenossenschaft ihr berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation im Arbeitstrainings-Bereich. Die Bezahlung dieser Maßnahme über den 14.10.1996 hinaus lehnte die Berufsgenossenschaft ab, weil die berufliche Rehabilitation nun abgeschlossen sei und das Anbieten einer Beschäftigungsgelegenheit in einer behindertengerechten Werkstatt nicht mehr zu den berufsfördernden Leistungen der Rehabilitation zähle.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin, die auch nach dem 14.10.1996 weiter ununterbrochen in der Behindertenwerkstatt arbeitete, Ersatz der ihr von der Evangelischen Stiftung V gemäß Rechnungen vom 12.05.1998, 31.05.1998 und 30.06.1998 für die Unterbringung in der Werkstatt für die Zeit vom 15. Oktober 1996 bis Ende Juni 1998 berechneten Kosten von insgesamt 56.463,37 DM. Sie hat geltend gemacht, diese Kosten für die Unterbringung in der Behindertenwerkstatt, die ihr neben den von der Beklagten getragenen Kosten der Pflege berechnet würden, seien zu erstatten, weil ihre weitere Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt ärztlicherseits als notwendig angesehen worden sei und sie unfallbedingt keine wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt mehr ausüben könne. Daß die weitere Förderung ihrer Betreuung in der Behindertenwerkstatt aus sozial-rechtlichen Gesichtspunkten nicht möglich sei, habe keinen Einfluß auf die Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der Unterbringung bestritten und geltend gemacht, die Klägerin könne aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ersatz der infolge einer zwar sinnvollen, medizinisch aber nicht indizierten Freizeitgestaltung in Form einer reinen Beschäftigungstherapie entstehenden Kosten beanspruchen. Mit zutreffender Begründung habe die Berufsgenossenschaft die Förderung im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte über den 14.10.1996 hinaus abgelehnt, weil es der Klägerin danach möglich gewesen sei, wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen zu erbringen. Jedenfalls stehe ein eventueller Ersatzanspruch nicht der Klägerin zu, sondern sei gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen. Schließlich hat die Beklagte Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Betreuungskosten erhoben und beanstandet, diese könnten nicht für 365 Tage im Jahr beansprucht werden, zumal sie - die Beklagte - unstreitig an die Berufsgenossenschaft bereits die Kosten für eine 24-Stunden-Pflegebetreuung der Klägerin zahle.

Das Landgericht hat die Beklagte nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Ch und einer schriftlichen Aussage der Zeugin Angelika K, Mitarbeiterin der Evangelischen Stiftung in der Hauptsache antragsgemäß zur Zahlung von 56.463,37 DM verurteilt mit im wesentlichen folgender Begründung: Die Klägerin könne gemäß §§ 7, 11, 13 StVG, 823 Abs. 1, 843, 249 BGB, 3 v Ersatz der ihr in Rechnung gestellten Kosten für die Unterbringung und Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt beanspruchen, weil es sich um unfallbedingte Mehraufwendungen für die persönliche Lebensführung handele, die den Zweck hätten, die Lebensführung des Verletzten wieder der des Gesunden anzunähern.

Dazu zählten auch die Aufwendungen, die der Klägerin infolge der Aufnahme in der Behinderten-Werkstatt entstünden, weil diese es der Klägerin ermöglichten, trotz ihrer schweren Behinderung wieder am Arbeitsleben teilzunehmen. Die Aufwendungen seien erforderlich, da es der Klägerin wegen ihrer unfallbedingten schweren körperlichen und geistigen Behinderung nicht möglich sei, eine Stelle auf dem freien Arbeitsmarkt anzunehmen, während nach dein Gutachten des Sachverständigen Dr. Ch die Arbeit in der Behindertenwerkstatt für sie zu bewältigen sei und diese Tätigkeit für die Kompensation ihrer geistigen Defizite und zur Vermeidung eines weiteren geistigen Abbaus wichtig und aus nervenärztlicher Sicht als indiziert anzusehen sei. Trotz der holten Kosten sei auch nicht die Zumutbarkeitsgrenze für die Beklagte überschritten, weil die Aufnahme einer Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt für die früher berufstätige Klägerin wichtig sei und die von ihr gewählte Art der Lebensgestaltung nicht mit unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Aufwendungen verbunden sei. Die Klägerin könne die Ersatzleistung auch im eigenen Namen einfordern, selbst für den Fall, daß der Schadensersatzanspruch wegen vermehrter Bedürfnisse gemäß § 116 SGB X auf den Sozialhilfeträger übergegangen sei. Die Ersatzforderung sei schließlich auch der Höhe nach berechtigt, weil der Klägerin als Selbstzahlerin nach der schriftlichen Aussage der Zeugin K vereinbarungsgemäß die gleichen Kostensätze in Rechnung gestellt würden wie den Sozialhilfeträgern gemäß der mit diesen getroffenen Rahmenvereinbarung.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Soweit die Tätigkeit der Klägerin in der Behindertenwerkstatt als medizinisch indiziert anzusehen sei, müsse der Sozialversicherungsträger die Betreuungskosten als Kosten einer berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung gemäß § 34 SGB VII oder jedenfalls als sonstige Rehabilitationsleistung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII tragen, so dass die Klägerin gemäß § 116 SGB X nicht anspruchsberechtigt sei. Seien die streitigen Kosten hingegen nicht medizinisch indiziert, so könnten sie nicht als vermehrte Bedürfnisse im Sinne des § 843 BGB bewertet werden. Es liege dann in der Sache ein Verdienstausfallschaden vor, der durch den Vergleich abgegolten sei. Im übrigen behauptet sie, dass die Klägerin auch außerhalb der Behindertenwerkstatt ähnliche Tätigkeiten verrichten könne. Das Landgericht habe außerdem nicht berücksichtigt, dass sie - die Beklagte - bereits die Kosten einer ganztägigen Betreuung der Klägerin in der Klinik V erstatte, so das sie allenfalls - nicht substantiiert dargelegte - Mehrkosten für die Arbeit in der Werkstatt zu ersetzen habe. Die Vereinbarung eines kalendertäglichen Entgelts ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Betreuungszeiten zu ihren - der Beklagten - Lasten sei ausgeschlossen. Schließlich könne die Klägerin mangels Bezahlung der Rechnungen keineswegs Leistung an sich beanspruchen.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an die Evangelische Stiftung 56.463,37 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07.05.1999 zu zahlen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus, ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger scheitere daran, dass dieser die in Rede stehenden Kosten nicht zu übernehmen habe. Eine über den 14.10.1996 hinausgehende Förderung im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme sei nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen, weil die Förderung auf eine Höchstdauer von zwei Jahren beschränkt sei und sie - die Klägerin - das Mindestziel dieser Rehabilitation erreicht gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat den Sachverständigen Dr. Ch ergänzend befragt und den Zeugen H uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, wobei die Klägerin allerdings ihrem Hilfsantrag entsprechend nur Zahlung an die Stiftung V beanspruchen kann, nachdem sie klargestellt hat, dass die streitgegenständlichen Rechnungen der Stiftung bislang nicht beglichen worden sind.

Die Klägerin kann gemäß §§ 249, 843 BGB Ersatz der Kosten ihrer Betreuung in der Behindertenwerkstatt aus dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse beanspruchen (1.). Dieser Ersatzanspruch ist nicht gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen (2.). Ohne Erfolg bleiben auch die Einwendungen der Beklagten gegen die Schadenshöhe (3.).

1.

Die Klägerin kann gemäß §§ 249, 843 BGB Ausgleich für vermehrte Bedürfnisse in Höhe der Betreuungskosten beanspruchen. Unter vermehrten Bedürfnissen versteht man die verletzungsbedingten ständigen, immer wiederkehrenden Aufwendungen, die nicht der Wiederherstellung der Gesundheit dienen, sondern dazu, die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten durch dauernde Beeinträchtigung seines Wohlbefindens entstehen (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 22. Aufl., Kap. 4, Rn. 113). Um solche Aufwendungen, nicht hingegen um Heil- und Pflegekosten, die der Behandlung und Linderung verletzungsbedingter Leiden dienen, geht es vorliegend. Der Sachverständige Dr. Ch hat hierzu überzeugend erläutert, dass die medizinische Behandlung der Klägerin und ihre soziale Integration abgeschlossen seien und dass ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht weiter gesteigert werden könne, so dass insoweit ein Dauerzustand gegeben sei. Dementsprechend ist die Beschäftigung der Klägerin in einer Werkstatt nicht auf Verbesserung ihres Gesundheitszustandes ausgerichtet, insoweit auch nicht medizinisch notwendig oder indiziert; sie soll vielmehr der Erhaltung und Verbesserung ihrer Lebensqualität dienen. Das Maß der erforderlichen Kosten wird deshalb nicht durch das medizinisch Gebotene bestimmt (Geigel, a.a.O., Rn. 107 ff.). Insoweit ist nicht eine Minimalversorgung zu verschaffen, sondern der Standard der vor der Verletzung bestehenden Lebensqualität möglichst zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sind die Kosten für die Unterbringung eines Verletzten in einer Werkstatt für Behinderte zur Schadenskompensation jedenfalls dann zu ersetzen, wenn sich diese Art der Lebensgestaltung des Verletzten als angemessen darstellt (Geigel, a.a.O., Rn. 115; BGH in NJW 1996, 727, OLG Hamm in VersR 1992, 459). Die Aufnahme einer solchen Tätigkeit muss ein angemessenes Mittel darstellen, um die persönliche Lebensführung des Verletzten wieder der früheren anzunähern. Der Schadensersatz soll - soweit dies möglich ist - einen dem vor dem schadensstiftende Ereignis bestehenden gleichwertigen Zustand herstellen. Wenngleich dies bei irreversiblen schwersten Körperschäden - wie hier - selbstverständlich nicht möglich ist, hat der Schädiger jedenfalls dafür zu sorgen, dass die materielle Lebensqualität des Geschädigten weitestgehend erhalten bleibt. Gerade bei früher berufstätigen Verletzten ist nicht zu erwarten, dass sie infolge ihrer Verletzung auf ihnen noch mögliche Erwerbstätigkeit verzichten. Angesichts des hohen Stellenwertes einer jeglichen Erwerbstätigkeit für das Selbstwertgefühl eines Erwachsenen ist vielmehr auch (las Bedürfnis, in irgendeiner Form arbeiten zu können, zu befriedigen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie bei der Klägerin - auch die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung unfallbedingt äußerst eingeschränkt sind.

So müßte die Klägerin, die nicht einmal mehr zum Lesen von Büchern in der Lage ist, ohne die Tätigkeit in der Werkstatt den gesamten Tag ohne jede sinnvolle Beschäftigung und ohne die sich in der Behindertenwerkstatt ergebenden sozialen Kontakte verbringen. Dass die von ihr ausgeübte Tätigkeit, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten beansprucht und ausfüllt, medizinisch zur Vermeidung eines weiteren geistigen Abbaus und des Enstehens von Depressionen hilfreich sein kann, wie vom Sachverständigen erläutert, versteht sich von selbst, ist aber aus den dargelegten Gesichtspunkten für die Ersatzpflicht letztlich ohne Belang. Ohne Erfolg bestreitet die Beklagte den Schaden schließlich mit der Behauptung, die Klägerin könne ähnliche Arbeiten auch auf dem freien Arbeitsmarkt ausüben. Dass sie hierzu gerade nicht in der Lage ist, hat der Sachverständige überzeugend bestätigt, was angesichts des sich in der mündlichen Verhandlung ergebenen Eindrucks von der Leistungsfähigkeit der Klägerin keiner weiteren Begründung bedarf.

Der Abfindungsvergleich der Parteien vom 19.07.1996 schließt den Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht aus, weil gerade die hier in Rede stehenden Kosten der Betreuung in einer Behindertenwerkstatt ausdrücklich von der Abfindungsklausel ausgenommen worden sind. Im Ansatz verfehlt ist insoweit die von der Beklagten vertretene Auffassung, die Kosten der Unterbringung in einer Behindertenwerkstatt seien dem durch den Vergleich abgegoltenen Verdienstausfallschaden zuzuordnen. Dieser ergibt sich allein aus dem Fehlen von Einkünften, erfasst hingegen nicht die anläßlich einer beruflichen Tätigkeit eines Verletzten entstehenden Betreuungskosten.

2.

Die Klägerin ist bezüglich des vorerwähnten Schadensersatzanspruchs aktivlegitimiert.

Soweit ein Übergang von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger zur Diskussion steht, würde dieser die Aktivlegitimation der Klägerin unberührt lassen (BGH in NJW 1996, 728).

Es liegt auch kein Übergang von Ansprüchen auf den Sozialversicherungsträger vor, der allerdings die Aktivlegitimation der Klägerin ausschließen würde (vgl. hierzu NJW 1996, 727). Zu einem Übergang des Schadensersatzanspruchs auf den Sozialversicherungsträger; wie etwa die Berufsgenossenschaften, kommt es gemäß § 116 Abs. 1 SGB X nur insoweit, als zwischen dem Schadensersatzanspruch und den Sozialleistungen sachliche und zeitliche Kongruenz besteht.

In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass ein Anspruchsübergang nur in Betracht kommt, soweit Sozialleistungen für den gleichen Zeitraum erbracht werden, für den auch ein entsprechender Schadensersatz geschuldet wird. Erlischt die Leitungspflicht des Sozialleistungsträgers, tritt der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger wieder ein. In sachlicher Hinsicht kongruent sind Schadensersatzansprüche mit Leistungen der Sozialversicherungsträger, soweit beide demselben Zweck dienen, die Sozialleistung also der Behebung eines artgleichen Schadens dient (vgl. z.B. Schroeder-Prinzen, Kommentar zum SGB X, 3. Auf l., Rn. 5 zu § 116).

Für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 15.10.1996 bis Ende Juni 1998 hat die Klägerin keine sachlich kongruenten Leistungen der zuständigen Berufsgenossenschaft erhalten und konnte derartige Leistungen auch nicht beanspruchen. Die Kosten einer dauernden Betreuung im Arbeitsbereich einer Behindertenwerkstatt nach Abschluss berufsfördernder Maßnahmen sind nicht vom Sozialversicherungsträger, sondern allenfalls - unter den Voraussetzungen des BSHG - vom Sozialhilfeträger zu tragen. Unabhängig davon, dass eine derartige auf Dauer ausgerichtete Beschäftigung im Arbeitsbereich nicht mehr der beruflichen Rehabilitation dient (vgl. BGH in NJW 1996, 728), haben auch die Neuregelungen der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) keine entsprechende Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers zur Kostentragung begründet: Zu Recht hat daher die zuständige Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege im Schreiben vom 30.07.1998 weitere Leistungen nach Absolvierung der zweijährigen Maßnahme der Klägerin im Arbeitstrainingsbereich der Behindertenwerkstatt abgelehnt.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte insoweit auf § 33 Abs. 1 SGB VII, wonach die Kosten einer voll- oder teilstationären "Behandlung" in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung zu tragen sind, wenn die Aufnahmeerforderlich ist, weil das "Behandlungsziel" anders nicht erreicht werden kann. Dass hiernach keine Kostentragungspflicht für ständige Betreuung und Pflege eines Verletzten, der keiner medizinischen Behandlung mittels nur in entsprechenden Einrichtungen vorhandenen (apparativen) Mitteln und Einrichtungen bedarf, besteht, ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut der Vorschrift (vgl. Schmitt, Kommentar zum SGB VII, Rn. 2 und 3 zu § 33).

Auch aus § 34 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wonach die Unfallversicherungsträger alle Maßnahmen zu treffen haben, durch die eine möglichst frühzeitig einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung gewährleistet wird, kann keine Kostentragungspflicht der Berufsgenossenschaft abgeleitet werden. Unabhängig davon, dass diese Regelung überhaupt nicht das Verhältnis von Sozialversicherung und Versicherungsnehmer betrifft (vgl. Kater, Kommentar zum SGB VII, Rn. 2 zu § 34), geht es vorliegend - wie bereits erläutert - nicht mehr um derartige Heilbehandlungen mit dem Ziel der Verbesserung des Gesundheitszustandes, sondern um dauerhafte Betreuung durch Beschäftigung.

Die Regelung des § 39 Nr. 8 SGB VII, wonach die Leistungen der sozialen- Rehabilitation die "sonstigen Leistungen zur Erreichung und zur Sicherstellung des Rehabilitationserfolges umfassen", begründet ebenfalls keine Verpflichtung des für die Rehabilitation, also zur Wiedereingliederung des Verletzten in die Arbeitswelt, verantwortlichen Sozialversicherungsträgers, nach Beendigung der insoweit in Betracht kommenden Maßnahmen - insbesondere Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich - auch die dauerhaften Betreuungskosten einer Erwerbstätigkeit zu tragen. Hierauf hat die zuständige Berufsgenossenschaft mit Schreiben vom 30.07.1998 rechtlich zutreffend hingewiesen.

Im übrigen sind die Kosten derartiger Rehabilitationsmaßnahmen gemäß § 38 Abs. 2 Ziff. 2 SGB VII allenfalls für eine Höchstdauer von zwei Jahren vom Sozialversicherungsträger zu tragen, so dass eine Förderung über den 14.10.1996 hinaus auch deshalb ausschied.

Schließlich beruft sich die Beklagte ohne Erfolg auf § 116 SGB, der nur die Grundsätze über die in Betracht kommenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung formuliert, im übrigen bezüglich der besonderen Voraussetzungen dieser Leistungen auf die nachfolgenden Vorschriften verweist. Im übrigen ist die Rehabilitation der Klägerin - wie dargelegt - mit Abschluss der berufsfördernden Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich der Behindertenwerkstatt am 14.10.1996 abgeschlossen, weil sie seitdem zur Ausübung einer Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt in der Lage war und eine weitere Steigerung ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit nicht mehr in Betracht kam.

3.

Die von der Klägerin zu ersetzenden Kosten ergeben sich aus den Rechnungen der Stiftung die von der Klägerin ohne Erfolg beanstandet werden. Entscheidend ist insoweit, dass die Klägerin die finanziellen Bedingungen ihrer Betreuung mit der Stiftung V nicht aushandeln kann, sondern die gewählte Abrechnungsweise von der Stiftung V vorgegeben wird. Der Zeuge H hat hierzu glaubhaft bestätigt, dass alle Betreuten, also auch Selbstzahler, nur zu den mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe ausgehandelten Kostensätzen in ihren Heimen aufgenommen würden. Hat die Klägerin als Geschädigte aber überhaupt keine Möglichkeit, auf die Höhe der Kosten und die Art ihrer Abrechnung einzuwirken, so kann sie vom ersatzpflichtigen Schädiger Erstattung der ihr berechneten Kosten beanspruchen. Dass die Klägerin auf die Höhe der Kosten hätte einwirken oder in einer kostengünstigeren Behindertenwerkstatt hätte arbeiten können, ist von der Beklagten nicht dargetan und im übrigen nicht ersichtlich, zumal es nur ein begrenztes Angebot derartiger Arbeitsstellen gibt und nach Darstellung des Zeugen H auch in anderen entsprechenden Einrichtungen im Land Nordrhein-Westfalen die gleichen Kosten in Rechnung gestellt werden. Nur am Rande ist daher darauf hinzuweisen, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe angesichts der Knappheit öffentlicher Mittel bei den Verhandlungen über die Kostenvereinbarungen selbstverständlich um eine günstige Kostenstruktur bemüht sein dürfte und hier als größter Kostenträger der Behinderteneinrichtungen eine günstigere Verhandlungsposition hat, als einzelne Betreute sie bei Vertragsverhandlungen haben könnten.

4.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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