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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.09.2001
Aktenzeichen: 27 U 129/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 452
BGB § 812
BGB § 730
BGB § 738
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Qualifizieren die Gesellschafter einer GbR (hier: ärztliche Gemeinschaftspraxis) unter Abänderung einer Abfindungsregelung des Gesellschaftsvertrages (Ratenzahlungen mit Verzinsung des Guthabens) nach erfolgter Auflosung der Gesellschaft und durchgeführter Realteilung, d.h. Aufteilung der materiellen und immateriellen Praxiswerte und Zahlung von Ausgleichsbetragen für Wertdifferenzen, zur Vermeidung von Steuernachteilen die Auseinandersetzung in einen Kaufvertrag um, so dass die Ausgleichszahlungen nunmehr Kaufpreisentgelte darstellen, kann der mit Zahlung abgefundene Gesellschafter weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus § 452 BGB nachtraglich die Verzinsung der für seinen Praxisanteil erhaltenen Zahlung für die Zeit zwischen dessen Übernahme und der Erfüllung der Zahlungsschuld beanspruchen.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 129/01 OLG Hamm

Verkündet am 13. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Mai 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistungen durch Prozessbürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Steuer- und Zollbürge zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als 60.000,- DM.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen den Beklagten Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer ärztlichen Praxisgemeinschaft geltend.

Mit Vertrag vom 02.07.1991 gründeten die Parteien gemeinsam mit Frau Dr. von M und Herrn Dr. Sch in B eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Parteien waren an der Gesellschaft zu jeweils 40 %, die beiden übrigen Gesellschafter zu je 10 % beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall eines Ausscheidens eines Gesellschafters ein Weiterführungsrecht der anderen Partner vor, wobei dem Ausgeschiedenen eine sich am Wert der Praxis orientierende Abfindung gezahlt werden sollte. Zum Abfindungsguthaben enthält der Vertrag in § 17 Abs. 2 die nachfolgenden Regelungen:

"Das Abfindungsguthaben ist in 6 gleichen Halbjahresraten zu zahlen, wobei die erste Rate 3 Monate nach dem Ausscheiden fällig wird; die Fälligkeit der weiteren Raten tritt jeweils 6 Monate nach Fälligkeit der ersten Rate ein.

Das Abfindungsguthaben ist mit 3 % über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz - mindestens mit 6 %, höchstens jedoch mit 8 % - zu verzinsen."

Nach schriftlichen Kündigungserklärungen der Parteien sowie von Frau Dr. von M vom 22.12.1995 einigten sich die Gesellschafter auf eine Auflösung der Gesellschaft zum 31.01.1997. Der Beklagte und Frau Dr. von M gründeten eine neue Praxisgemeinschaft, während der Kläger Gesellschafter einer anderen Gemeinschaftspraxis wurde. Im Rahmen der Auseinandersetzung übernahm der Beklagte mit Wirkung zum 31.01.1997 den Praxisanteil des Klägers, während diesem Teile des Anlagevermögens - im später ermittelten Wert von 1.187.361,10 DM -übereignet wurden. Anschließend erfolgte vereinbarungsgemäß eine Bewertung des Praxisvermögens der Gesellschaft zum Stichtag 31.01.1997 durch ein Schiedsgutachten. Nach Erstellung des Gutachtens schlossen die Gesellschafter am 10.07.1998 eine schriftliche Vereinbarung über die Auflösung der Praxisgemeinschaft, in der auch die von den Gesellschaftern zu leistenden Ausgleichszahlungen geregelt wurden. Unter Berücksichtigung des nach dem Gutachten zugrunde zu legenden materiellen und immateriellen Wertes des dem Beklagten übertragenen Anteils der Praxis und des vom Kläger übernommenen Anlagevermögens ergab sich für diesen ein verbleibender Ausgleichsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe von 1.428.516,06 DM. Der Vertrag sah insoweit vor, dass diese Ausgleichszahlung innerhalb eines Monats nach Vertragsunterzeichnung fällig und anschließend mit 10 % zu verzinsen war. Der Beklagte zahlte sodann am 29.07.1998 1.414.407,50 DM an den Kläger, der auf den Restbetrag von etwa 14.000,- DM verzichtete.

Im Hinblick auf Schwierigkeiten, die von den Parteien gewünschte steuerrechtlich optimale Lösung der Auseinandersetzung zu realisieren, wurde die - nach Darstellung des Klägers von vornherein nur vorläufige - Auflösungsvereinbarung vom 10.07.1998 später durch schriftliche Vereinbarung vom 27.03.1999 ersetzt. Diese regelte die Auflösung der Praxisgemeinschaft in der Weise, dass nach einem Verkauf von Mitunternehmeranteilen von einzelnen Gesellschaftern an Mitgesellschafter eine Realteilung der Praxis stattfand.

Der Kläger hat nunmehr vom Beklagten unter Hinweis auf § 17 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 02.07.1991 6 % Zinsen auf 1.414.407,50 DM für den Zeitraum vom 01.02.1997 bis zum 29.07.1998, somit 126.482,91 DM, für die Nutzung seines an den Beklagten übertragenen Praxisanteils beansprucht. Neben dieser Forderung hat der Kläger erstinstanzlich weitere 30.744,44 DM aufgrund von unstreitigen Nachzahlungen vertragsärztlicher Honorare beansprucht. Diese Forderung ist in der Berufungsinstanz nicht mehr streitgegenständlich.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn - den Kläger - 157.227,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 08.01.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klageantrag in Höhe von 13.537,04 DM anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat den Zinsanspruch aus Rechtsgründen für unbegründet erachtet und insbesondere geltend gemacht, ein solcher Anspruch sei jedenfalls infolge der Abgeltungsklausel des Vertrages vom 10.07.1998 ausgeschlossen.

Das Landgericht hat den Beklagten dem Anerkenntnis entsprechend zur Zahlung von 13.537,04 DM verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur zweitinstanzlich noch streitigen Zinsforderung hat die Kammer dies im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verzinsung des vom Beklagten am 29.07.1998 gezahlten Betrages von 1.414.407,50 DM. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 17 Abs. 2 des Praxisgemeinschaftsvertrages, da diese Regelung ein Ausscheiden des Klägers unter Weiterführung der Praxisgemeinschaft durch die übrigen Gesellschafter vorausgesetzt hätte, während die Praxisgemeinschaft einvernehmlich aufgelöst worden sei. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Regelung komme nicht in Betracht. Die Parteien hätten sich gemäß den Verträgen vom 10.07.1998 und vom 27.03.1999 über die Modalitäten der Auseinandersetzung im Einzelnen geeinigt und dabei insbesondere auch eine Vereinbarung über die Fälligkeit der zu leistenden Zahlung und eine Verzinsung für den Fall des Verzugs getroffen, und zwar in der Weise, dass die Zahlung des Gesamtbetrages binnen eines Monats nach Unterzeichnung der vorläufigen Vereinbarung vom 10.07.1998 zu erfolgen hatte. Hierin liege eine deutliche Abweichung von der im Praxisgemeinschaftsvertrag vereinbarten Zahlungsmodalität, die als abschließend anzusehen sei und keinen Raum für eine entsprechende Anwendung des insoweit überholten Praxisgemeinschaftsvertrages lasse. Dem Kläger stehe auch kein Zinsanspruch aus § 812 BGB zu. Die Parteien hätten sich ausdrücklich über die Zahlungsmodalitäten geeinigt. Auch wenn die schriftlichen Vereinbarungen der Parteien erst erhebliche Zeit nach der einvernehmlichen Auflösung der Gemeinschaftspraxis getroffen worden seien, besage dies nicht, dass für die Zwischenzeit eine Bereicherung des Beklagten ohne rechtlichen Grund bestanden hätte. Wie bereits dargelegt, seien die späteren Vereinbarungen der Parteien als abschließend zu werten, so dass für die Abtretung des Praxisanteils des Klägers an den Beklagten nicht mehr gezahlt werden sollte, als vereinbart worden sei. Daran ändere auch die Vereinbarung vom 27.03.1999 nichts, da in dieser lediglich festgehalten sei, dass die Frage der Verzinsung zwischen den Vertragsbeteiligten streitig sei, woraus ein Anspruch nicht hergeleitet werden könne. Im Übrigen hätten sich die Parteien über die Zahlung schon deutlich vor dem 27.03.1999 abschießend geeinigt. Der Streit über den vom Kläger erhobenen Zinsanspruch sei erst im Nachhinein entstanden. Schließlich stehe dem Kläger auch kein Zinsanspruch aus § 452 BGB zu. Es könne dabei dahingestellt werden, ob die Vereinbarung der Parteien als Kaufvertrag auszulegen sei. Nach § 452 BGB habe eine Verzinsung nämlich bei gestundetem Kaufpreis nicht zu erfolgen. Die Parteien hätten schon bei Abtretung des Praxisanteils mit Wirkung zum 01.02.1997 vereinbart, dass der Beklagte eine Ausgleichszahlung nicht sofort, sondern erst nach erfolgter Praxisbewertung leisten müsse. In der Vereinbarung eines vom Übergabezeitpunkt abweichenden Zahlungstermins liege ein schlüssiger Verzicht auf eine Verzinsung nach § 452 BGB.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er den Zinsanspruch von 126.482,91 DM weiter verfolgt. Er macht geltend, der Anspruch ergebe sich bereits aus § 452 BGB. Die Parteien hätten - wenn auch steuerrechtlich motiviert - ernsthaft den Abschluss eines Kaufvertrages über Mitunternehmeranteile gewollt. Eine Stundung der Kaufpreisforderung sei nicht erfolgt. Die Vereinbarung vom 10.07.1998 verhalte sich nicht zur Frage dieser Verzinsung. Im Übrigen sei schon zum Zeitpunkt dieser auf Bitten des Beklagten kurzfristig geschlossenen Vereinbarung für die Gesellschafter klar gewesen, dass der schon bestehende Streit um die Verzinsung noch offen sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des von ihm - dem Kläger - bevollmächtigten Steuerberaters Dr. St vom 25.06.1998, mit dem dem Beklagten der Entwurf der Vereinbarung übersandt worden sei. Im übrigen sei die Erledigungsklausel der Vereinbarung vom 10.07.1998 bezüglich der Zinsforderung durch den Vertrag vom 27.03.1999 geändert worden. Schließlich ergebe sich der Zinsanspruch auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 17 des Gesellschaftsvertrages sowie aus § 812 BGB.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten teilweise abändernd zu verurteilen, an ihn - den Kläger - über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 126.482,91 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger weder aufgrund des Gesellschaftsvertrages noch aufgrund einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage die geltend gemachten Zinsen beanspruchen kann.

1.

Zunächst ergibt sich kein Zinsanspruch aus § 17 Abs. 2 des Gemeinschaftspraxisvertrages vom 02.07.1991.

a)

Dem Anspruch steht zwar nicht entgegen, dass nach der von den Parteien für die Gesellschaftsauseinandersetzung gewählten rechtlichen Konstruktion kein Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters zur Diskussion stand, sondern ein Kaufpreisanspruch aus der zur Auflösung der Gesellschaft vorgenommenen Anteilsveräußerung. Denn trotz dieser rechtlichen Gestaltung kann man die vertragliche Regelung wegen der an sich gleichen Interessenlage grundsätzlich durchaus entsprechend anwenden. Die vertragliche Zinsregelung sollte ersichtlich kompensieren, dass der aus der Gesellschaft Ausscheidende den ihm für seinen Gesellschaftsanteil zustehenden Abfindungsbetrag nicht zum Zeitpunkt des Ausscheidens, sondern ratenweise erst nach mehreren Jahren erhalten sollte. Dieser Regelungszweck wird an sich nicht davon berührt, wie die Gesellschafter das Ausscheiden von Gesellschaftern konkret regelten, solange die Praxis von einem oder mehreren der Gesellschafter fortgesetzt wurde. Ob die Ausscheidenden aus steuerrechtlichen Gründen ihre Praxisanteile veräußerten oder ihren Anteil gemäß § 17 des Gesellschaftsvertrages den verbleibenden Gesellschaftern übertrugen, war hierfür ohne Relevanz.

b)

Die vertragliche Regelung über die Verzinsung des Abfindungsbetrages ist aber durch den im Zusammenhang mit der Gesellschaftsauflösung geschlossenen Vertrag vom 10.07.1998 aufgehoben worden, weil die Parteien in diesem Vertrag eine von § 17 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages abweichende Fälligkeits- und Zinsregelung getroffen und im übrigen weitergehende Ansprüche ausdrücklich ausgeschlossen haben.

aa)

Der Vertrag vom 10.07.1998 sah vor, dass der Beklagte den inzwischen errechneten Abfindungsvertrag von etwa 1,4 Mio. DM innerhalb eines Monats nach Vertragsunterzeichnung zahlen und anschließend 10 % Verzugszinsen zahlen sollte. Mit dieser Regelung verlor der Beklagte, der schon wenige Tage später an den Kläger 1.414.407,50 DM zahlte, den ihm durch § 17 Abs. 2 des Gemeinschaftspraxisvertrages eingeräumten Vorteil der Ratenzahlung. Der Beklagte hätte nämlich den von ihm für den übernommenen Praxiswert zu zahlenden Betrag von insgesamt 2.615.877,16 DM - Übertragung von Anlagevermögen zum Wert von 1.187.361,10 DM, zuzüglich 14.108,56 DM für den nicht streitigen Abzug "Porsche", zuzüglich Barzahlung von 1.414.407,50 DM - ausweislich der Ratenstaffel des § 17 erst bis zum 01.11.1999 zahlen müssen. Zum Zeitpunkt des Vertrages vom 10.07.1998 waren überhaupt erst drei Raten zu je 435.979,52 DM, somit insgesamt 1.307.938,56 DM fällig, so dass der Beklagte angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits von ihm erbrachten Leistungen von 1.201.469,66 DM (1.187.361,10 DM + 14.108,56 DM) nur 106.468,90 DM hätte zahlen müssen. Infolge der nun getroffenen vertraglichen Vereinbarung musste er hingegen den gesamten noch offenen Restbetrag von etwa 1,4 Mio. DM zur Vermeidung einer deutlich über den Praxisvertrag hinausgehenden Verzinsung von 10 % kurzfristig zahlen. Er konnte - in Ermangelung einer anderslautenden Vertragsregelung zur Verzinsung - dann aber davon ausgehen, dass die nunmehr vereinbarte Fälligkeits- und Zinsregelung seine Zahlungsverpflichtungen abschließend regelte und dass damit die Regelung des Praxisvertrages in Bezug auf Fälligkeit und Verzinsung des Abfindungsbetrages überholt war. Ebenso klar wäre gewesen, dass sich der Beklagte im Falle einer verspäteten Zahlung - mehr als einen Monat nach dem 10.07.1998 - auch nicht auf die dann für ihn bezüglich der Fälligkeit und der Zinshöhe vorteilhafte Regelung des § 17 hätte berufen können. Selbstverständlich hätte der Kläger dann 10 % Zinsen, und nicht nur - wie im Gemeinschaftspraxisvertrag vorgesehen - 3 % über dem Bundesbankdiskontsatz, maximal aber 8 % Zinsen, beanspruchen können. Danach konnten beide Parteien davon auszugehen, dass sich ihre Zahlungsverpflichtungen bzw. -ansprüche nun allein nach dem Auseinandersetzungsvertrag richteten. Weder der insoweit erste Vertrag vom 10.07.1998, noch der hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion der Gesellschaftsauflösung, nicht aber bezüglich des vom Beklagten an den Kläger zu zahlenden Betrages geänderte Vertrag vom 27.03.1999 sieht eine Verzinsung des Abfindungsguthabens vor Fälligkeit vor.

bb)

Von einer abschließenden Regelung seiner Zahlungspflichten - vorbehaltlich der Erreichbarkeit der steuerrechtlichen Ziele - durfte der Beklagte auch aufgrund der in Ziffer 9 des Vertrages vom 10.07.1998 enthaltenen Abgeltungsklausel ausgehen, wonach außer den in dieser Vereinbarung genannten oder aus dieser Vereinbarung resultierenden Ansprüchen keine weiteren Ansprüche der Gesellschafter bestehen sollten, die im Zusammenhang mit der ehemaligen Praxisgemeinschaft stehen, seien sie bekannt oder unbekannt. Diese Regelung schließt ihrem Wortlaut nach unmissverständlich jeden Rückgriff auf anderweitige Ansprüche aus dem Praxisvertrag aus.

Ohne Erfolg beruft sich der Klägerin insoweit darauf, diese Abgeltungsklausel habe sich nicht auf die damals offene Frage der Verzinsung bezogen, was dem Beklagten aufgrund des Anschreibens seines Steuerberaters Dr. St vom 25.06.1998, mit dem der Entwurf des Vertrages vom 10.07.1998 an die Gesellschafter übersandt wurde, bekannt gewesen sei. Zwar heißt es in diesem Schreiben: "Dabei beachten Sie bitte, dass auch die Frage der Verzinsung noch offen ist." Dies war allerdings aufgrund des Kontextes nicht ohne weiteres so zu verstehen, dass eventuelle Zinsansprüche von der Abgeltungsklausel auf keinen Fall erfasst sein sollten. In dem Schreiben wurden zunächst ausdrücklich die Grenzen der Abgeltungsklausel der Ziffer 9 des Vertrages, insbesondere der Grund für diese Regelung, erläutert, der darin begründet war, dass der Kläger sich eine steuerlich optimale Gestaltung der Auseinandersetzung vorstellte und sich deshalb weitere Ansprüche im Falle der Nichterreichbarkeit dieses steuerrechtlichen Ziels offen halten wollte. Es heißt sodann:

"Die neu eingefügte Regelung in Ziffer 9 hält die steuerliche Frage offen. Ebenfalls offen halten soll die neu eingefügte Ziffer 9 auch daraus resultierende Ansprüche. Dabei beachten Sie bitte, dass auch die Frage der Verzinsung noch offen ist. Bisher war Herr Prof. Dr. M (Kläger) in diesem Punkt kulant, da er - berechtigterweise - davon ausging, die Zahlung der rd. 1,4 Mio. DM steuerfrei vereinnahmen zu können. Dieser Anspruch kann zum einen auf die erfolgsneutrale Gestaltung gerichtet sein, zum anderen, wenn Sie, Dr. H (Beklagter), weiter an der erfolgswirksamen Auflösung interessiert sind, darin bestehen, dass die Ausgleichszahlung erhöht werden. Sämtliche Möglichkeiten sind daher mit der neuen Ziffer 9 noch gegeben. ...

Wie bereits telefonisch erläutert, ist Prof. Dr. M Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. H, hinsichtlich der Verzinsung sehr weit entgegen gekommen. Über die Höhe der in Anlage 1 festgelegten Zahlung besteht in dem Sinne kein Streit, dass für Sie, sehr geehrter Herr Dr. H diese Zahlung abschließend ist, für die Übrigen Gesellschafter, zumindest jedoch für Herrn Prof. Dr. M, die Mindestsumme darstellt."

Diese Erläuterung konnte aus Sicht des Beklagten als dem Empfänger gerade so verstanden werden, dass der Kläger hinsichtlich der offenen Zinsfrage "kulant" sein wollte, wenn sich die Abwicklung der Auseinandersetzung für ihn "steueroptimal" erledigen würde. Dem Schreiben konnte zwanglos entnommen werden, dass für diesen Fall auch die bis dahin noch offene Zinsfrage mit der Zahlung des vereinbarten Betrages erledigt sein sollte und dass sich der Kläger nur für den Fall einer ungünstigeren Steuerlast durch Ziffer 9 weitere Verhandlungen über eine Erhöhung des Abfindungsbetrages, und zwar dann auch unter Berücksichtigung der Zinsfrage, vorbehalten wollte. Keineswegs musste der Beklagte jedenfalls aufgrund dieses Anschreibens erkennen, dass die Abgeltungsklausel - abweichend von ihrem umfassenden Wortlaut - auch die Frage einer Verzinsung unter allen Umständen, somit unabhängig von der offenen steuerrechtlichen Problematik, offen lassen sollte. Dass insoweit in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss mündlich zur Frage der Verzinsung etwas vom Schreiben vom 25.06.1998 Abweichendes vereinbart worden wäre, wird auch seitens des Klägers nicht behauptet. Es wäre im Übrigen angesichts des ansonsten juristisch durchdachten und sorgfältig formulierten Vertrages trotz der vom Kläger hervorgehobenen Zeitdrucks ohne weiteres möglich gewesen, auch die Frage der Verzinsung des Abfindungsbetrages mit wenigen Worten von der Abgeltungsklausel auszunehmen. Dafür, dass dies nicht geschehen ist, ist seitens des Klägers auf der Grundlage seiner Darstellung nicht plausibel erläutert. Da der Beklagte demzufolge davon ausgehen durfte, dass die Erledigungsklausel im Falle der Realisierung einer für den Kläger steuergünstigen Konstruktion jeglichen weiteren Zahlungsanspruch ausschloss, und da der später am 27.03.1999 geschlossene Vertrag zu einer solchen vom Kläger akzeptierten steuerrechtlichen Lösung führte, sind über den gezahlten Betrag hinausgehende Zahlungsforderungen ausgeschlossen.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, der Vertrag vom 10.07.1998 habe von vornherein nur eine vorläufige Regelung darstellen sollen. Denn nach seiner eigenen Darstellung sollte zwar möglicherweise die rechtliche Konstruktion aus steuerrechtlichen Gründen noch zur weiteren Verhandlung stehen, nicht aber die sonstigen Essentialien des Vertrages. So sollte insbesondere die Höhe der vom Beklagten noch zu erbringenden Zahlungen - eher selbstverständlich - nicht weiter in Frage stehen, soweit einvernehmlich eine steuerrechtlich für den Beklagten akzeptable Vertragsgestaltung erreicht werden konnte. Dass sich die Vorläufigkeit des Vertrages auch auf die diesbezügliche Einigung erstreckt hätte, wird dementsprechend auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Anderenfalls hätte sich eine jede Abgeltungsklausel ersichtlich von vornherein verboten.

Nicht gefolgt werden kann dem Kläger schließlich darin, die Abgeltungsklausel sei bezüglich der Zinsforderung durch den späteren Vertrag vom 27.03.1999 einvernehmlich aufgehoben worden. Zwar heißt es in Ziffer 9 dieses Vertrages, dass die Parteien " - rein vorsorglich - die ohnehin nur vorläufige Vereinbarung vom 10.07.1998" aufheben. Diese schon aus steuerlichen Gründen erforderliche Klarstellung bezog sich allerdings nicht auf die Abgeltungsklausel des früheren Vertrages, wie der vorausgehenden neuen Abgeltungsklausel gemäß Ziffer 8 des Vertrags vom 27.03.1999 zu entnehmen ist. In dieser Regelung heißt es unter anderem:

"Ebenfalls ausgenommen ist die Frage der Verzinsung. Zwischen Prof. Dr. M und den übrigen Beteiligten einerseits und Dr. H andererseits ist noch streitig, ob über die in dieser Vereinbarung genannte Verzinsung hinaus die in Ziffer 1 genannten Beträge zu verzinsen sind. Die Beteiligten sind sich einig, dass jede Partei diese Vereinbarung unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der eigenen Rechtsauffassung schließt. Der Abschluss dieser Vereinbarung kann somit von keiner Partei für die eigene Rechtsauffassung herangezogen werden."

Da der Beklagte schon vor diesem Vertragschluss mit Schreiben vom 27.11.1998 und vom 21.12.1998 den Rechtsstandpunkt vertreten hatte, dass das Zinsbegehren des Klägers unberechtigt sei und zudem aufgrund der Ziffer 9 des Vertrages vom 10.07.1998 ausgeschlossen sei, wollte er gerade auf diese, seiner Auffassung nach aus dem Vertrag vom 10.07.1998 erlangte Rechtsposition nicht verzichten und ausdrücklich insoweit durch die nachfolgende Vereinbarung vom 27.03.1999 keine Veränderung herbeiführen. Die Klausel ist dementsprechend dahingehend auszulegen, dass der Streit um die Zinsforderung nur insoweit offen bleiben sollte, als die Zinsforderung nicht schon zuvor durch die frühere Abgeltungsklausel ausgeschlossen war.

2.

Der geltend gemachte Zinsanspruch kann auch nicht auf § 452 BGB gestützt werden.

Zunächst steht einem solchen Anspruch - auf im übrigen höchstens 4 % Zinsen - aus den bereits erläuterten Gesichtspunkten die wirksame und nicht aufgehobene Abgeltungsklausel der Ziffer 9 des Vertrages vom 10.07.1998 entgegen.

Zudem sind die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 452 BGB vorliegend nicht gegeben. Zunächst ist die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung zweifelhaft. Zwar begründet die zwischen den Parteien letztlich gewählte rechtliche Gestaltung zur Abwicklung der Gesellschaftsauflösung die Annahme eines Kaufvertrages. Dennoch ist die Anwendung des § 452 BGB schon deshalb zweifelhaft, weil es sich nicht um einen typischen Kaufvertrag handelte, sondern um einen Kaufvertrag mit gesellschaftsrechtlichem Einschlag, der für beide Parteien im Rahmen der Abwicklung der Gesellschaftsauflösung Nebenpflichten mit sich brachte. Ob die Regelung des § 452 BGB auf derartige Verträge passt (verneinend: BGH in WM 1963, 1227), bedarf hier keiner vertieften Erörterung.

Ein Zinsanspruch aus § 452 BGB kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Parteien sich erst am 27.03.1999 und damit nach Zahlung des Ausgleichsbetrages von 1.414.407,50 DM am 29.07.1998 auf den Abschluss eines Kaufvertrages geeinigt haben. Bis zur Zahlung dieses Betrages gingen die Parteien davon aus, die Auflösung der Gesellschaft im Wege der Realteilung, d.h. durch Aufteilung der materiellen und immateriellen Praxiswerte und Zahlung von Ausgleichsbeträgen für Wertdifferenzen, zu betreiben. Diese Konstruktion, die im Vertrag vom 10.07.1998 ihren Niederschlag fand, und zur nachfolgenden Zahlung des Beklagten führte, läßt für die Anwendung des § 452 BGB keinen Raum. Eine analoge Anwendung des § 452 BGB auf den ursprünglich vorgesehenen Realteilungsvertrag kommt nicht in Betracht, weil die auf den Kaufvertrag zugeschnittene Regelung über Nutzungszinsen einer analogen Anwendung auf andere Vertragstypen grundsätzlich nicht zugänglich ist (Münchener Kommentar, Rn. 2 zu § 452 BGB). Dass die Parteien sodann nachträglich im März 1999, somit nach Zahlung des nunmehr nach dem Vertrag als Kaufpreis zu qualifizierenden Ausgleichsbetrages, einen Kaufvertrag abschlössen, weil eine bloße Realteilung zu Steuernachteilen geführt hätte, kann eine Anwendung des § 452 BGB auf den bereits seit längerem gezahlten Kaufpreis nicht mehr begründen. Denn die Zinspflicht aus § 452 BGB beginnt frühestens mit dem Kaufvertragsabschluss und mit Fälligkeit des Kaufpreises (OLG Düsseldorf in NJW-RR 1997, 779; OLG Hamm in OLGR 1992, 296; Münchener Kommentar, 3. Aufl., Rn. 3 zu § 452 BGB). Die vor dem Abschluss des Kaufvertrages vom späteren Käufer aus dem Objekt gezogenen Nutzungen können von den Vertragsparteien bei der Bemessung des Kaufpreises und den diesbezüglichen Verhandlungen berücksichtigt werden, ohne dass ein Bedürfnis für eine Zuerkennung eines über den vereinbarten Kaufpreis hinausgehenden Zinsanspruchs besteht. Demnach würde sich aus § 452 BGB selbst dann, wenn man eine analoge Anwendung auf den ursprünglichen Realteilungsvertrag in Betracht ziehen würde, nur ein geringfügiger Zinsanspruch für die Zeit vom 10.07.1998 bis zum 29.07.1998 ergeben.

Schließlich ist eine Zinspflicht aus § 452 BGB auch deshalb zu verneinen, weil die Regelung durch eine andere Fälligkeitsbestimmung konkludent ausgeschlossen wird (BGH in NJW 1997, 940; OLG Düsseldorf in NJW-RR 1997, 779). Vorliegend haben die Parteien im Vertrag vom 10.07.1998 eine - aus den erörterten Gesichtspunkten abschließende - Fälligkeitsregelung, wonach die Zahlung binnen eines Monats nach Vertragschluss zu leisten war, getroffen.

3.

Schließlich scheiden auch Ansprüche aus § 730 BGB oder § 738 BGB ebenso aus wie ein vom Kläger hilfsweise angenommener bereicherungsrechtlicher Anspruch.

Insoweit haben die Parteien mit dem Vertrag vom 10.07.1998 eine bezüglich des vom Beklagten für den übernommenen Praxisanteil zu zahlenden Betrages abschließende Vereinbarung getroffen, die einen Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen über die Auseinandersetzung der Gesellschaft ausschließt und einen Rechtsgrund für die dem Beklagten zugekommenen Vorteile darstellt. Zudem steht aus den angeführten Gründen die Abgeltungsklausel der Ziffer 9 des vorerwähnten Vertrages weiteren Forderungen entgegen.

4.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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