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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 27 U 13/07
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG, InsO


Vorschriften:

BGB § 779
BGB § 812 Abs. 1
GmbHG § 19 Abs. 1
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 31 Abs. 1
InsO § 133
InsO § 134
InsO § 135
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21. Dezember 2006 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

540 ZPO)

A.

Der Beklagte ist seit Insolvenzeröffnung am 1. Mai 2001 Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH.

Die Kläger haben mit ihrer Klage den Beklagten auf Feststellung eines Kaufpreisanspruchs der Klägerin zu 1) in Höhe von 2.047.055,56 DM und eines Beraterhonorars des Klägers zu 2) in Höhe von 30.276,- DM zur Insolvenztabelle in Anspruch genommen.

Widerklagend hat der Beklagte vom Kläger zu 2) die Rückzahlung geleisteter Beraterhonorare von 40.268,- DM und eines als Gegenleistung für die Bewilligung der Löschung von Grundschulden gezahlten Betrages von 300.000 DM (= 153.387,56 EUR) - jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit - sowie die Freigabe eines auf einem Sperrkonto deponierten Betrages aus einer Pensionsrückdeckungsversicherung in Höhe von 136.805 EUR zur Auszahlung an ihn verlangt.

Den Betrag von 300.000 DM zahlte der Beklagte am 15. Oktober 2001 an den Kläger zu 2), um damit zu dessen Gunsten und zugunsten der Klägerin zu 1) auf dem Betriebsgrundstück der Schuldnerin bestellte Grundschulden abzulösen.

Auf die Zahlung des Betrages hatten die Parteien sich geeinigt, um eine schnelle Verwertung des Grundstücks zu ermöglichen, nachdem vorher unklar geworden war, ob den Klägern eine Befriedigung aus den Grundschulden zustand. Zu dem Zeitpunkt hatte der Beklagte bereits unter kapitalersatzrechtlichen Aspekten wenigstens für sich selbst in Zweifel gezogen, ob den Klägern eine Befriedigung aus den Grundschulden zustand. Mit der Widerklage verlangt der Beklagte den geleisteten Ablösebetrag unter näherer Darlegung, dass den Klägern seinerzeit keine Befriedigung aus den Grundschulden zugestanden hätte, zurück.

Bezüglich der von der Schuldnerin für den Kläger zu 2) seinerzeit von der J mbH abgeschlossenen und an ihn sowie die Klägerin zu 1) verpfändeten Pensionsrückdeckungsversicherung, aus der inzwischen 136.805 EUR ausgezahlt und auf einem für den Kläger zu 2) eingerichteten Sperrkonto hinterlegt wurden, meint der Beklagte, durch das Stehenlassen der Pensionsansprüche bei Eintritt der Krise habe sich dieses in Eigenkapital umqualifiziert.

Das Landgericht hat der Klage des Kläger zu 2) teilweise stattgegeben und diejenige der Klägerin zu 1) und die Widerklage insgesamt abgewiesen. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner zunächst gegenüber beiden Klägern eingelegten und später gegenüber der Klägerin zu 1) wieder zurückgenommenen Berufung verfolgt der Beklagte sein auf widerklagende Verurteilung des Klägers zu 2) gerichtetes Begehren hinsichtlich des für die Grundschulden gezahlten Ablösebetrages von 300.000 DM (= 153.387,56 EUR) sowie hinsichtlich der Auszahlung des Betrages aus einer Pensionsrückdeckungsversicherung in Höhe von 136.805 EUR weiter. Der Kläger zu 2) verteidigt insoweit das landgerichtliche Urteil. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung gegen den Kläger zu 2) ist nicht begründet.

I.

Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Erstattung des dem Kläger zu 2) zur Ablösung der Grundschulden ausgezahlten Betrags von 300.000 DM weder aus § 812 Abs. 1 BGB noch aus § 31 Abs. 1 GmbHG zu.

1.

Der Senat kann bereits nicht feststellen, dass es sich bei der Zahlung von 300.000 DM an den Kläger zu 2) um eine Leistung des Beklagten aus Mitteln der Insolvenzmasse handelt, durch die das Stammkapital der Schuldnerin (weiter) angegriffen wurde. Denn in dem Vergleich vom 28. Juni 2001 verpflichtete sich der Bankenpool, aus dem ihm zustehenden Erlösanteil von 3.331.200 DM einen Teilbetrag von 300.000 DM an den Kläger zu 2) zu zahlen. Damit stellt sich die Auszahlung des Betrages von 300.000 DM an den Kläger zu 2) nicht als eine Schmälerung des Massevermögens und des Stammkapitals dar, sondern als eine Leistung aus dem Erlösanteil und Vermögen des Bankenpools.

2.

Aber auch wenn man das anders sehen und ein direktes Leistungsverhältnis zwischen den Parteien annehmen wollte, erfolgte die Zahlung von 300.000 DM an den Kläger zu 2) nicht ohne Rechtsgrund.

Es kann dahinstehen, ob die Kläger vor dem Abschluss der Vereinbarung vom 28. Juni 2001 eine Befriedigung aus den zu ihren Gunsten bestellten Grundschulden hätten erlangen können - wobei es nicht fern liegt, wie der Beklagte meint, die Grundschuldbestellungen nach den §§ 133, 134 und 135 InsO für anfechtbar zu halten.

Der Rechtsgrund für die Zahlung von 300.000 DM an den Kläger zu 2) liegt jedoch nicht in den zu seinen und der Klägerin zu 1) Gunsten bestellten Grundschulden, sondern in der am 28.06.2001 getroffenen Einigung. Die Einigung bestand in einem gegenseitige Nachgeben bei unklarer Rechtslage, zumindest widerstreitend vertretenen Rechtsansichten, was einen Vergleich im rechtlichen Sinne darstellt. An diesen Vergleich ist der Beklagte gebunden. Ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage im Sinne des § 779 BGB liegt nicht vor; vielmehr hat der Beklagte im Senatstermin selbst dargelegt, dass ihm die Sachlage seinerzeit voll bewusst war, d.h. dass er wusste, dass die Kläger die zur Sicherung ihrer Kaufpreisansprüche gegen T1 und T2 am Grundstück der Schuldnerin bestellten Grundschulden anfechtbar und unter Verstoß gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz erworben hatten. Vor diesem Hintergrund hätte er sich eine nachträgliche rechtliche Überprüfung des Rechtsgrundes der Zahlung ausdrücklich vorbehalten müssen, wenn er eine solche beabsichtigte. Auch ein Fall der "Nötigung" des Beklagten zum Vergleichsabschluss liegt nicht vor, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kläger sich mit dem von ihnen vertretenen Standpunkt seinerzeit nicht im Recht wähnten.

3.

Der Beklagte kann das von ihm Geleistete auch nicht etwa deshalb zurückverlangen, weil die Auszahlung des Betrages von 300.000 DM an den Kläger zu 2) ihrerseits das Stammkapital (weiter) angriff und somit eine nach § 30 GmbHG verbotene Auszahlung darstellte, die er gemäß § 31 GmbH jederzeit hätte zurückverlangen können. Denn die vergleichsweise Einigung der Parteien vom 28. Juni 2001 steht über dem Kapitalerhaltungsgrundsatz.

Zwar ist von Teilen der Literatur aus dem Umstand, dass ein kapitalersatzrechtlich begründeter Erstattungsanspruch dem Schuldner grundsätzlich nicht erlassen werden kann (§ 31 Abs. 4 GmbHG). geschlossen worden, dass auch ein Vergleich über solche Ansprüche nicht geschlossen werden könne (so z.B. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rdnr. 23; Habersack in Ulmer, GmbHG, § 31 Rdnr. 65). Jedoch hat der Bundesgerichtshof sogar den Anspruch nach § 19 Abs. 1 GmbHG auf Leistung von bisher nicht erbrachten Stammeinlagen für vergleichsfähig gehalten (ZIP 2004, 1616, 1618). Dieses muss für Erstattungsansprüche nach § 31 GmbH erst recht gelten, weshalb nach zutreffender Auffassung davon auszugehen ist, dass ein (ernsthafter) Vergleich über solche Ansprüche zulässig ist (ebenso Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 31 Rdnr. 26; Heidinger in Michalski, GmbHG, § 31 Rdnr. 78).

Schließt ein Insolvenzverwalter, zu dessen ureigensten Aufgaben die Prüfung und Geltendmachung von kapitalersatzrechtlichen Erstattungsansprüchen gehört, einen solchen Vergleich, steht die Ernsthaftigkeit des Vergleichsschlusses außer Frage. Denn der Insolvenzverwalter steht außerhalb jeden Verdachts, einen Vergleich etwa im kollusiven Zusammenwirken mit dem Gesellschafter abzuschließen, um diesen von gegebenen Ansprüchen zu entlasten.

Auch ein zustimmender Gesellschafterbeschluss ist für den Vergleichsschluss nicht erforderlich, da die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters generell nicht von der Zustimmung der außerhalb der Insolvenz jeweils zuständigen Gesellschaftsorgane abhängt.

II.

Dem Beklagten steht auch kein Anspruch auf Freigabe des Erlöses aus der Pensionsrückdeckungsversicherung zu.

1.

Die in erster Instanz aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem Vertrag vom 31. Januar 1984 um einen Scheinvertrag handeln könnte, wird mit der Berufung ersichtlich nicht weiter verfolgt. Vielmehr schließt sich die Berufung jetzt ausdrücklich der Auffassung des Landgerichts an, wonach der Vertrag wirksam ist und der Kläger zu 2) seine Vertragspflichten voll erfüllte.

2.

Die von der Berufung aufgeführten Aspekte des Kapitalersatzes sind bereits im rechtlichen Ansatz nicht gegeben.

Zum Zeitpunkt der Begründung der Versorgungszusage am 31. Januar 1984 sowie zum Zeitpunkt der Verpfändung der Rückversicherung am 1. Juli 1985 stand die Schuldnerin noch fernab jeder Krise. Daher waren diese Rechte insolvenzfest begründet (vgl. auch BGHZ 136, 220).

Der vom Beklagten vorgebrachte Gesichtspunkt einer späteren Umqualifizierung dieser Rechtspositionen in Eigenkapital durch "Stehenlassen" in der Krise trägt allein deshalb nicht, weil es bei Eintritt der Krise nichts abzuziehen gab. Die Umqualifizierung einer Gesellschafterhilfe in Eigenkapital setzt voraus, dass der Gesellschafter in der Krise davon absieht, seine gegebenen Ansprüche gegen die Gesellschaft - ggf. unter Ausnutzung der ihm zustehenden Gestaltungsrechte - geltend zu machen. Es sind jedoch weder fällige Zahlungsansprüche gegen den Versicherer noch Kündigungs- oder andere Gestaltungsmöglichkeiten ersichtlich, die dem Kläger zu 2) in der Krise zugestanden und von deren Ausübung er zugunsten der Liquidität der Gesellschaft abgesehen hätte.

C.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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