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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 27 U 157/07
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 35 a Abs. 6 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm

27. Zivilsenat

Aktenzeichen: 27 U 157/07

Tenor:

Die Berufung der Verfügungskläger gegen das am 14. August 2007 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Verfügungskläger tragen die Kosten der Berufung.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zwar ist vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes auszugehen - seine gegenteilige Auffassung aus dem Hinweisbeschluss vom 25.10.2007 hält der Senat nach dem daraufhin erfolgten ergänzenden Vorbringen der Parteien nicht aufrecht -, es fehlt jedoch an einem Verfügungsanspruch.

Die Verfügungskläger können die begehrte Unterlassung der Veröffentlichung ihrer Vorstandsvergütungen nicht verlangen, weil der darin liegende Eingriff in ihre Grundrechte durch § 35 a Abs. 6 Satz 2 SGB VI gedeckt ist. Entgegen der Auffassung der Verfügungskläger ist diese Vorschrift nicht verfassungswidrig.

Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.2.2007 - B 1 A 3/06 R -) und der Vorinstanz an und sieht sich darüber hinaus lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen veranlasst:

1. Das Bundessozialgericht hat unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien zutreffend darauf hingewiesen, dass der gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung <GMG> vom 14.11.2003 das Ziel zugrunde liegt, höhere Transparenz über Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität im Gesundheitswesen zu schaffen. Nur dieser mit dem Gesetzesvorhaben verfolgte Zweck ist deshalb der verfassungsrechtlichen Prüfung der Zulässigkeit des Eingriffs in Rechte der Verfügungskläger zugrunde zu legen. Die Behauptung der Verfügungskläger, dieser Zweck sei entgegen den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens nur vorgeschoben - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben beide Parteien vorgetragen, es handele sich bei der Regelung zur Veröffentlichungspflicht um eine "Retourkutsche" der Bundesgesundheitsministerin - ist zumindest nicht glaubhaft gemacht. Mangels hinreichend konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der parlamentarische Gesetzgeber seiner Entscheidung diejenigen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat, die sich den offiziellen Drucksachen des Gesetzgebungsverfahrens entnehmen lassen. Demgegenüber sind die behaupteten, hiervon abweichenden Motive, die zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geführt haben sollen, nur spekulativ. Insbesondere gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass der Bundestag als zuständiges Gesetzgebungsorgan sich diese zu Eigen gemacht hätte.

2. Zur Erreichung des vorstehend bezeichneten Zwecks ist die Veröffentlichungspflicht nicht erkennbar und unzweifelhaft ungeeignet. Bloße Zweifel daran, ob der verfolgte Zweck mit der gesetzgeberischen Maßnahme tatsächlich erreicht wird, sind für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Eingriffs wegen des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs unerheblich (vgl. hierzu näher BSG, a.a.O., Rn 29; zitiert nach juris).

Hinsichtlich der Frage, wo die Veröffentlichung zu erfolgen hat, hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Es kann aber ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auch eine Veröffentlichung in den Mitgliederzeitschriften von den diversen Medien wahrgenommen und ggf. in eine breitere Öffentlichkeit transportiert wird. Sollte sich durch die hierdurch geschaffene Transparenz ergeben, dass bei einzelnen Kassen die Vorstandsgehälter in erheblichem Maße aus dem sonst üblichen Rahmen fallen, ohne dass hierfür sachliche Gründe ersichtlich sind, so dürfte das sehr wohl Einfluss auf das Kassenwahlverhalten einer relevanten Anzahl von Versicherten haben können. Diese Transparenz kann durch bloße Mitteilung der Gesamtverwaltungskosten einer Kasse gerade nicht in gleichem Maße erreicht werden.

Der Senat vermag sich auch nicht die Überzeugung zu verschaffen, dass die angegriffene Regelung zwar einerseits die gewünschte Transparenz schafft, andererseits entgegen dem damit ebenfalls verfolgten gesetzgeberischen Zweck der Kostensenkung im Gesundheitswesen zwangsläufig insgesamt zu einer Erhöhung der Vorstandsgehälter führen wird, wie dies beide Parteien in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben. Veröffentlichte Untersuchungen über die Entwicklung von Managergehältern in großen Wirtschaftsunternehmen aufgrund entsprechender Bekanntmachungen lassen nach Auffassung des Senats entsprechende Rückschlüsse auf gesetzliche Krankenkassen nicht zu.

3. Des Weiteren ist der von den Vorstandsmitgliedern, u.a. den Verfügungsklägern, hinzunehmende Eingriff nicht besonders schwerwiegend und deshalb auch nicht unverhältnismäßig. Auch wenn es zutreffen mag, dass die Stellung von Krankenkassenvorständen z.B. eher der Stellung von Geschäftsführern von Stadtwerken, deren Vergütungen keiner allgemeinen Veröffentlichungspflicht unterliegen, als derjenigen von durchschnittlichen Beamten zu vergleichen ist, so handelt es sich doch keineswegs um hochsensible, sondern letztlich um berufsbezogene Daten, die ähnlich wie bei Abgeordneten, Beamten und Richtern in engem Zusammenhang mit der Verwendung öffentlicher Mittel im öffentlichen Interesse stehen. Dass auch die letztgenannten Gruppen es hinnehmen müssen, dass ihre Vergütungen der Öffentlichkeit zugänglich sind, wobei jedenfalls bei den in herausgehobener Position tätigen und deshalb im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Führungskräften in aller Regel auch gehaltsbestimmende Faktoren wie Familienstand und Kinderzahl für die Öffentlichkeit zu ermitteln sind, zeigt bereits, dass es sich hierbei um einen Umstand handelt, der nach allgemeiner Anschauung keinem gesteigerten Geheimhaltungsbedürfnis obliegt.

Ein solches Bedürfnis lässt sich schließlich nicht damit begründen, dass durch eine Veröffentlichung Verhandlungen mit etwaigen neuen Arbeitgebern bei einem Wechsel der Position nach Ende der Amtszeit unzumutbar erschwert würden. Dem steht schon entgegen, dass es einem Arbeitgeber auch ohne entsprechende Veröffentlichung freisteht, sich in Vertragsverhandlungen über die vorher bezogene Vergütung unterrichten zu lassen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



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