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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.02.2001
Aktenzeichen: 27 U 183/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 251 Abs. 2 Satz 1
BGB § 287
ZPO § 287
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Leitsatz

Werden ein nicht einmal vier Jahre alter hochwertiger Teppichboden und ebensolche Polstermöbel durch Rotwein dauerhaft geschädigt, ist der Schadensersatzanspruch auf Wertausgleich beschränkt, weil die Herstellung des gleichwertigen wirtschaftlichen Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, einen unverhältnismäßigen Kostenaufwand erforderte.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 183/00 OLG Hamm 2 O 276/00 LG Dortmund

Verkündet am 13. Februar 2001

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 27. Juli 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Urteilsbeschwer der Kläger liegt unter 60.000,00 DM.

Tatbestand

Die Kläger beanspruchen von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihnen am 22. September 1998 in ihrer, der Kläger, Wohnung dadurch entstanden ist, daß die Beklagte aus Unachtsamkeit ein Glas Rotwein umstieß, der sich auf den beigefarbenen Teppichboden ergoß und auf die Schabracken zweier weißer Sofas sowie auf die Sitzfläche eines der Möbel spritze. Auf dem 1995 für 13.930,24 DM im gesamten Wohn- und Eßbereich über 60 m² verlegten Teppichboden blieb ein blaßgrauer Fleck, auf den Schabracken der zur nämlichen Zeit für 16.553,96 DM angeschafften Sitzmöbel zeigten sich Fleckrückstände. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten entschädigte nach Untersuchung des Falles durch den Sachverständigen W die Kläger mit 7.000,00 DM. Diese sind damit nicht einverstanden und verlangen die Kosten der Neuverlegung des Teppichbodens und des Neubezuges der Sofas unter Berücksichtigung des Vorteils "neu für alt". Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie (Kläger) 13.500,00 DM seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Kläger könnten nur Wertminderung beanspruchen.

Das Landgericht hat durch den Sachverständigen Sch beraten die Klage abgewiesen aus im wesentlichen diesen Gründen: Der grundsätzlich aus § 823 BGB begründete Schadensersatzanspruch der Kläger sei durch die Zahlung von 7.000,00 DM seitens des Haftpflichtversicherers der Beklagten erfüllt. Da die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Naturalrestitution) mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei, seien die Kläger auf Wertausgleich nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zu verweisen. Bei einem Zeitwert der beschädigten Gegenstände in Höhe von insgesamt 14.000,00 DM übersteige die gemäß § 287 BGB geschätzte Wertminderung die geleistete Entschädigung nicht.

Die Kläger geben sich mit diesem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, nicht zufrieden.

Sie rügen die rechtliche Würdigung des Landgerichts. Dieses habe - so die Kläger - zwar den rechtlichen Ansatz richtig gesehen, indes verkannt, daß der Wiederbeschaffungswert zu ersetzen sei. Dabei sei entgegen der Beurteilung des Sachverständigen Sch unter Berücksichtigung der Beurteilung des Sachverständigen W bei linearer Abschreibung über 10 Jahre von einem Zeitwert des damals 34 Monate alten Teppichbodens von 9.983,34 DM auszugehen und bei linearer Abschreibung der Sitzmöbel über 15 Jahre von einem solchen von 13.427,10 DM. Unter Abzug eines allein für die Sofas zu erwägenden Restwertes von 2.500,00 DM errechne sich daraus ein Gesamtschaden von 20.610,44 DM, so daß unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung die Klageforderung noch offen sei.

Die Kläger beantragen,

abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie (Kläger) 13.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Oktober 1999 sowie 5 % über dem jeweiligen Basissatz seit dem 31. Tag nach Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat den Sachverständigen Sch ergänzend gehört; wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zur Berufungsverhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Kläger mit der Leistung des Haftpflichtversicherers der Beklagten hinreichend entschädigt sind.

Die Kläger können von der Beklagten, deren Haftung dem Grunde nach außer Streit ist, nur Wertersatz beanspruchen, weil die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (Naturalrestitution) einen unverhältnismäßigen Aufwand erforderte (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB). Wertersatz versteht sich als Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert (BGH NJW 1984, 2570). Dagegen kann der Wiederbeschaffungswert nicht verlangt werden, weil eitle Zerstörung der fraglichen Gegenstände nicht zur Debatte steht.

Nach sachverständiger Beurteilung hatte der Teppichboden zur Zeit des Schadenserseignisses einen Zeitwert von 6.000,00 DM. Dem liegt die einleuchtende Überlegung zugrunde, daß der Wert von Einrichtungsgegenständen der hier in Rede stehenden Art gerade im ersten Jahr nach der Anschaffung einem hohen, üblicherweise hälftigen Wertverlust unterliegen, während in der restlichen Nutzungsdauer sprunghafte Veränderungen ausbleiben. Damit scheidet eine von den Klägern bevorzugte lineare Wertabschreibung aus. Auch die Bewertung des Sachverständigen W vom 14. Dezember 1998 stellt die Wertermittlung des gerichtlichen Sachverständigen nicht in Frage. Dessen Schätzung des Zeitwertes des Teppichs mit 12.537,00 DM - das wären ca. 10 % weniger als der damalige Anschaffungswert - ist unrealistisch, weil eine Gebrauchswertminderung von nur 10 % innerhalb von fast drei Jahren zumal bei extrem heller Auslegungware der allgemeinen Erkenntnis eines relativ hohen Wertverlustes in der Anfangszeit widerspricht. Dementsprechend haben sich die Kläger selbst unter Annahme einer linearen Abschreibung einen Zeitwert des Teppichs von nur knapp 9.990,00 DM errechnet. Bewertungsfehler des Sachverständigen, die die Verläßlichkeit des Gutachtens Sch hätten in Frage stellen können, haben die Kläger nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht zu erkennen. Deshalb besteht zu einer von den Klägern angeregten weiteren Begutachtung durch einen Obergutachter kein Anlaß.

Den Wert der Sitzmöbel vor Schadenseintritt hat der Sachverständige mit 8.000,00 DM taxiert. Auch dagegen gibt es im Lichte der vorstehenden Erwägungen nichts zu erinnern.

Bei diesen Zeitwerten von 6.000,00 DM und 8.000,00 DM für Teppichboden bzw. Sitzmöbel überstiege der Aufwand für die Naturalrestitution, die nach sachverständiger Bewertung nur durch Neuanschaffung zu erreichen wäre, mit 15.500,00 DM zuzüglich Verlegeaufwand von 2.000,00 DM für den Bodenbelag und von 19.000,01 DM für Sitzmöbel auch unter Berücksichtigung eines Wertvorteils aus dem Gesichtspunkt "neu für alt" von 1500,00 DM bzw. 8.000,00 DM den Verkehrswert um ca. 33 % bzw. 37 % Ein den Zeitwert der beschädigten Gegenstände um mehr als 30 % übersteigender Aufwand der Naturalrestitution erscheint unverhältnismäßig (vgl. BGHZ 115, 375 hinsichtlich Kfz-Schäden), weil ein verständiger und wirtschaftlich denkender Eigentümer Schäden an Gegenständen des täglichen Gebrauchs mit natürlicher Abnutzung nicht mit derart hohen Aufwendungen zu kompensieren pflegt und ein besonderes Integritätsinteresse, das solche Investitionen begründen könnte, hier nicht zu erkennen ist. Dem entspricht, daß die Kläger selbst eine Neuanschaffung auch gar nicht vorgenommen haben.

Daß der ihnen durch den Schaden entstandene Wertverlust mit 7.000,00 DM nicht hinreichend entschädigt wäre, ist im Lichte der sachverständigen Beurteilung nicht zu erkennen. Wenn auch die Bewertung des Schadens angesichts eines fehlenden Marktes für derartige Gebrauchsgegenstände nicht leicht fällt und prozentuale Abschläge ungenau und wenig einzelfallgerecht erscheinen mögen, so stellt sich die erbrachte Leistung des Haftpflichtversicherers der Beklagten nach § 287 ZPO doch nicht als unangemessen da. Immerhin macht diese die Hälfte des damaligen Zeitwertes der Gegenstände aus. Für einen darüber hinausgehenden Wertverlust fehlen brauchbare Anhaltspunkte.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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