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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 27 U 187/01
Rechtsgebiete: AnfG, BGB


Vorschriften:

AnfG § 4
AnfG § 6
BGB § 242
1.

Die Berufung auf die Versäumung einer Frist zur Gläubigeranfechtung kann als widersprüchliches Verhalten auch dann treuwidrig sein, wenn der Anfechtungsgegner nicht arglistig gehandelt, aber den Gläubiger durch Erklärung, auf die Fristeinhaltung zu verzichten, von der rechtzeitigen Erhebung der Anfechtungsklage abgehalten hat.

2.

Auf die Rückzahlung gesellschafterbesicherter Drittdarlehen ist § 6 AnfG nicht anwendbar.

3.

Ein eigenkapitalersetzender Charakter gesellschafterbesicherter Darlehen hat auch bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit i.S.v. § 4 AnfG außer Betracht zu bleiben.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 187/01 OLG Hamm

Verkündet am 4. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer sowie die Richter am Oberlandesgericht Frieler und Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Juni 2001 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in derselben Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand:

Der Kläger ist Titelgläubiger der P Handelsgesellschaft mbH in. Die Schuldnerin stellte im November 1999 ihren Geschäftsbetrieb ein und gab ihre Geschäftsräume in auf. Nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen nimmt der Kläger nunmehr die Beklagte zu 1) als frühere Gesellschafterin der Schuldnerin und die Beklagte zu 2) als Erbin des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten zu 1) Günther B aus dem Gesichtspunkt der Gläubigeranfechtung auf Zahlung in Anspruch. Der am 2.1.2000 verstorbene Günther B war zugleich alleinvertretungsberechtigter, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen.

Die Gläubigeranfechtung betrifft folgenden Sachverhalt:

Im September 1999 führte die Schuldnerin mit aus einem Auslandsgeschäft eingehenden Zahlungen i. H. v. ca. 1,1 Mio. US $ einen Kontokorrentkredit bei der Nationalbank in zurück, für den die Beklagte zu 1) Grundschulden als Sicherheit bestellt und Günther B die persönliche Mithaft übernommen hatte. Daraufhin bewilligte die Nationalbank die Löschung der Grundschulden, die am 5.10., 7.10. und - wie mit der Berufungsbegründung vorgetragen - 18.11.1999 erfolgten.

Der Kläger hat in der Tilgung des Kredits der Nationalbank eine vermeintlich nach § 6 Ziffer 2. AnfG anfechtbare Befriedigung eines eigenkapitalersetzend besicherten Darlehens i. S. v. § 32 a Abs. 2 GmbHG gesehen, die überdies gemäß § 4 AnfG als unentgeltliche Leistung, jedenfalls aber gemäß § 3 II S.1 AnfG anfechtbar sei. Auch hafteten ihm die Beklagte gemäß § 823 II BGB i. V. m. § 283 c StGB auf Schadensersatz.

Gegenüber dem Verstreichen der einjährigen Anfechtungsfrist nach § 6 Ziffer 2. AnfG hat er sich auf einen von der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 19.7.2000 erklärten Verzicht auf die Erhebung dieses Einwandes berufen.

Die Beklagten und ihr Streithelfer, Sohn und früherer Berater von Günther B haben eine Anfechtbarkeit der Kredittilgung unter Berufung darauf in Abrede gestellt, die P Handelsgesellschaft mbH sei nicht überschuldet gewesen, dem Freiwerden der Grundschulden liege keine Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 1) zugrunde, dies sei vielmehr bloßer Reflex der Kredittilgung gegenüber der Nationalbank, schließlich sei die Anfechtungsfrist des § 6 Ziffer 2. AnfG nicht eingehalten.

Das Landgericht hat die in der Hauptsache auf Zahlung von 86.478,14 DM gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Für eine Anfechtbarkeit nach § 3 II AnfG fehle es an einem Vertrag i. S. d. Vorschrift zwischen dem Schuldner und der Erstbeklagten, nämlich an einem auf einen Erwerbsvorgang zwischen diesen Beteiligten gerichteten Willensübereinstimmung. Es liege auch keine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin an die Beklagte zu 1) vor, weil letztere ihr gegenüber nicht zur Darlehenstilgung verpflichtet gewesen sei; insoweit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1999, 1549. Die Anfechtbarkeit nach § 6 Ziffer 2. AnfG scheitere daran, dass der Kläger eine Kreditwürdigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung nicht dargelegt habe, im Übrigen die einjährige Anfechtungsfrist verstrichen sei, ohne dass die Beklagten mit ihrer Erklärung vom 19.7.2000 den Kläger arglistig an der Fristeinhaltung gehindert hätten.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er rügt ein Verkennen des Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 3 I, II, 4 und 6 AnfG durch das Landgericht und vertieft dazu sein erstinstanzliches Vorbringen.

Insbesondere zu § 6 AnfG hält der Kläger daran fest, die Voraussetzungen für den eigenkapitalersetzenden Charakter der von der Erstbeklagten gegebenen Darlehenssicherungen schon erstinstanzlich ausreichend dargelegt zu haben. Die Schuldnerin sei ausweislich der Bilanz zum 31.12.1996 (Bl. 26) schon zu jenem Stichtag mit mehr als 500 TDM überschuldet gewesen. Jedenfalls von da an habe sie nur noch Verluste erwirtschaftet, so dass sie eigentlich hätte liquidiert werden müssen, wie die Beklagten in ihrer Streitverkündungsschrift sogar zugestanden hätten. Weitere erhebliche, im einzelnen genannte Verbindlichkeiten seien hinzugekommen. Der Verlustausgleich sei - ebenfalls ausweislich der Streitverkündungsschrift - nur durch Forderungsverzicht der Beklagten gegenüber der Schuldnerin i. H. v. mehr als 1,5 Mio. DM möglich gewesen. Die Schuldnerin selbst habe nicht über hinreichende Bonität zur Erlangung der bei der Nationalbank in Anspruch genommenen Kredite verfügt.

Die Anfechtung nach § 6 AnfG sei nicht verfristet. Eine dritte das im September 1999 getilgte Darlehen sichernde Grundschuld am Grundstück der Beklagten zu 1) über 600 TDM sei erst am 18.11.1999 im Grundbuch gelöscht worden, mithin weniger als ein Jahr nach der Klageerhebung am 2.11.2000. Im Übrigen verstoße das Berufen der Beklagten auf den Fristablauf gegen Treu und Glauben, nachdem - unstreitig - die Beklagte zu 1) mit ihrem Schreiben vom 19.7.2000, aufbauend auf vorhergegangene Schreiben vom 9.6. und 21.6.2000, erklärt habe, auf die Geltendmachung von Verjährungs-, Verwirkungs- oder sonstiger Fristen bis zum 31.12.2000 zu verzichten.

Schließlich habe das Landgericht versäumt, den Klageanspruch auf der Grundlage von § 823 II BGB i. V. m. § 283 c StGB zu prüfen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an ihn 86.478,14 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 15.3.1998 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und stellen im Einzelnen die Voraussetzungen der vom Kläger herangezogenen Anfechtungstatbestände in Abrede.

Für § 3 II AnfG fehle es an einer vertraglichen Abrede zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 1) über die Ablösung der Sicherheiten bei der Nationalbank. Ohne weitere Abrede und Zutun der Schuldnerin habe sich die Nationalbank allein, nachdem sie auf der Zahlung der 1,1 Mio. US $ durch den Auftraggeber der Schuldnerin auf deren bei ihr geführtes Geschäftskonto bestanden gehabt habe, aus dem eingegangen Erlös befriedigt und sodann konsequenterweise die Grundschulden freigegeben, weil sie das Kreditengagement nicht habe fortsetzen wollen.

Für § 3 I AnfG fehle es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1), durch die zugriffsfähiges Vermögen auf die Beklagte übertragen wurde; darüber hinaus aber auch an einem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung.

§ 4 AnfG sei nicht einschlägig, weil weder die Beklagte zu 1) noch der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2), Günter B mit der Tilgung der Schuld gegenüber der Nationalbank etwas erlangt hätten. Beide seien nicht persönlich für die Forderungen der Nationalbank haftbar gewesen, so dass die Schuldnerin auch keinen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zu 1) aufgrund ihrer Schuldtilgung verloren habe.

§ 6 Ziffer 2. AnfG sei für die vorliegende Sachverhaltsgestaltung der Rückerlangung einer Sicherheit durch den Gesellschafter infolge Schuldtilgung seitens der GmbH von vornherein nicht einschlägig.

Im Übrigen sei das durch die Beklagte zu 1) besicherte Darlehen nicht eigenkapitalersetzend gewesen. Eine Überschuldung der GmbH ergebe sich nicht aus der Bilanz zum 31.12.1996, da noch ein Überschuss erwirtschaftet worden und die Fortbestehensprognose positiv gewesen sei, sie sei mit der Streitverkündungsschrift auch nicht zugestanden, vielmehr darauf hingewiesen worden, dass entstandene Verluste durch Forderungsverzichte der Beklagten zu 1) als Gesellschafterin ausgeglichen wurden. Die Schuldnerin sei nicht kreditunwürdig, vielmehr die Nationalbank ohne die Besicherung durch die Beklagte zu 1) und/oder Günther B zur Darlehenshingabe bereit gewesen.

Von dem Kläger angeführte weitere Verbindlichkeiten, entstanden nach den Bilanzstichtagen 31.12.1996 bzw. 31.10.97, bestreiten die Beklagten.

Jedenfalls sei die einjährige Anfechtungsfrist, die bereits mit der lange vor der Löschung im Grundbuch liegenden Rückübertragung der Sicherheiten durch die Nationalbank zu Laufen begonnen habe, nicht gewahrt. Die Berufung der Beklagten auf die Fristversäumung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, denn im Schreiben vom 19.7.2000 sei gerade kein Verzicht auf die Fristwahrung dezidiert erklärt worden.

Der Senat hat die Zeugen P, V T und H uneidlich vernommen.

Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf den Berichterstattervermerk zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 4.7.2002 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist nicht begründet, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1), für den die Beklagte zu 2) über §§ 128 HOB, 1922, 1967 I BGB haften würde, weder gemäß § 11 AnfG als Wertersatz für die Rückerlangung der der Nationalbank gestellten Kreditsicherheiten noch als Schadensersatz gemäß § 823 II BGB i. V. m. § 283 c StGB zu.

Die Rückgewähr der Grundschulden durch die Nationalbank und die Befreiung des Rechtsvorgängers der Zweitbeklagten von seiner persönlichen Mithaftung auf Grund der Darlehenstilgung durch die Schuldnerin sind nicht nach §§ 3 I und II, 4 oder 6 AnfG anfechtbar.

Wohl werden die Klagevoraussetzungen des § 2 AnfG von den Beklagten zweitinstanzlich zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen, indes greifen die Anfechtungstatbestände der §§ 3 II, 6 Ziffer 2. und 4 I AnfG schon aus rechtlichen Gründen nicht; für die Vorsatzanfechtung nach § 3 I AnfG hat der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen nicht bewiesen.

II. § 3 II AnfG ist nach dem Wortlaut seines S. 1 nicht einschlägig. Es fehlt an einem entgeltlichen Vertrag im Sinne einer auf einen Erwerbsvorgang zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner gerichteten wechselseitigen Willensübereinstimmung (vgl. Huber, AnfG 9. Aufl. Rz. 43 zu § 3). Die Beklagte hat mit der Rückgabe der Sicherheiten durch die Nationalbank nichts aus dem Vermögen der Schuldnerin erworben. Der Erhalt der Löschungsbewilligungen war bloßer Reflex des mit der Darlehenstilgung eintretenden Vermögensabflusses von der Schuldnerin an die Nationalbank. Selbst wenn man ein Vertragsverhältnis hierüber zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 1) feststellen könnte, würde es jedenfalls an einer unmittelbar dadurch verursachten Gläubigerbenachteiligung, die § 3 II AnfG voraussetzt, fehlen. Die Gläubigerbenachteiligung beruht unmittelbar auf dem Geldabfluss bei der Schuldnerin an die Nationalbank und nicht, schon gar nicht allein ohne Hinzutreten weiterer Umstände auf einer behaupteten Willensübereinstimmung zwischen Schuldnerin und Sicherungsgeber über die Ablösung der Nationalbank.

III. § 6 AnfG

a) Dieser Anfechtungstatbestand wäre zwar nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die einjährige Anfechtungsfrist gemäß § 6 Ziffer 2. AnfG versäumt hat. Auf die Versäumung der Anfechtungsfrist kann sich die Beklagte zu 1) nämlich nach ihrem Schreiben vom 19.7.2000 nicht berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen, § 242 BGB. Der in dem Schreiben enthaltene Vorschlag der Beklagten zu 1), ihr noch bis zum Jahresende Zeit für die Feststellung ihrer Gesamtverbindlichkeiten gegenüber allen Anfechtungsgläubigern zu lassen, verbunden mit der Erklärung, auf die Geltendmachung aller Fristen bis zum 31.12.2000 zu verzichten, war zweifellos geeignet, den Klage r von der rechtzeitigen Erhebung einer Anfechtungsklage im September abzuhalten. Die zum gegenteiligen Ergebnis führende Argumentation des angefochtenen Urteils überzeugt nicht. Dass der Kläger mit der Anfechtungsklage nicht bis ganz zum Ende des Jahres gewartet hat, ist kein Argument gegen die Ursächlichkeit der Verzichtserklärung für das Verstreichenlassen der Anfechtungsfrist im September 1999. Auf die vom Landgericht für erforderlich gehaltene Arglist der Beklagten bei Abgabe der Verzichtserklärung kommt es nicht an, wenngleich auch in diesem Fall das Berufen auf den Fristablauf unzulässig ist, vgl. Huber a. a, O. Rz. 5 zu § 7 m. N. N.. Treuwidrig ist das spätere Berufen auf die Fristüberschreitung als widersprüchliches Verhalten auch dann, wenn mit dem Schreiben vom 19.7.00 noch nicht beabsichtigt war, den Kläger in eine Fristfalle laufen zu lassen; vgl. zum Parallelfall der Verjährung Palandt-Heinrichs, Rz. 10 vor § 194 BGB. Zur Versagung der Verjährungseinrede genügt es, dass der Schuldner den Gläubiger unabsichtlich an der Verjährungsunterbrechung gehindert hat (BGHZ 9, 5; 71, 96), für die Ausübungsfristen der Gläubigeranfechtung kann insoweit nichts anderes gelten.

b) § 6 AnfG ist aber, worauf die Berufungserwiderung zu Recht hinweist, auf den vorliegenden Sachverhalt von vornherein nicht anwendbar. Es geht im vorliegenden Fall um ein vom Gesellschafter besichertes Drittdarlehen (sog. mittelbares Gesellschafterdarlehen). Dessen Rückzahlungspflicht an den Darlehensgeber wird im Fall seiner Eigenkapitalersatzfunktion durch § 32 a Abs. 2 GmbHG begrenzt und die Erstattungspflicht des Gesellschafters nach einer Darlehensrückzahlung durch § 32 b GmbHG, mithin nur im Insolvenzfall an die Masse, bestimmt.

Schon der Wortlaut des § 6 AnfG passt nicht auf diese Konstellation. Mit der Rückzahlung des von ihm besicherten Kredits an den Darlehensgeber erhält der Gesellschafter weder eine Sicherung noch Befriedigung eines Rückgewähranspruchs bezogen auf das Darlehen oder eine diesem nach § 32 a Abs. 3 GmbHG gleichstehende Kapitalersatzleistung. Zwar schließt § 32 a Abs. 2 GmbHG die von einem Gesellschafter bestellte Sicherheit für statt der Zuführung von Eigenkapital aufgenommene Fremddarlehen in den Kreis der durch §§ 30 ff GmbHG gebundenen Kapitalersatzleistungen ein, einer Auslegung von § 6 Ziffer 2. AnfG, die seine Anwendung auf die Befriedigung des Anspruchs auf Rückverschaffung der Sicherheit ausdehnen würde, steht jedoch die einhellige Auffassung von der gesetzlichen Systematik der Kapitalerhaltungsvorschriften, die diesen Fall in § 32 b GmbHG regelt, entgegen.

§ 32 b GmbHG ist eine außerhalb des Anfechtungsrechts angesiedelte besondere Anfechtungsnorm (Kübler/Prütting, Rz. 37 zu § 135 InsO) die § 6 AnfG ebenso wie den im wesentlichen gleichlautenden § 135 InsO verdrängt (Baumbach-Hueck/ Fastrich, Rz. 1 zu § 32 b GmbHG; speziell für § 135 InsO: Nerlich-Römermann, InsO, § 135 Rz. 41 - 43; Hess/Weis, InsO § 135 Rz. 188). Dazu, dass § 135 InsO und § 6 AnfG sich bei fast identischem Wortlaut inhaltlich - bis auf die zwangsläufig fehlende Anknüpfung an einen Insolvenzantrag in § 6 AnfG - völlig entsprechen und deshalb die Kommentierungen zu § 135 InsO übertragbar sind vgl. Huber, a. a. O. § 6 Rz. 4. Die Unanwendbarkeit von § 6 AnfG auf die Rückzahlung gesellschafterbesicherter Drittdarlehen belegt auch der Vergleich mit der entsprechenden Regelung in § 3 b AnfG a. F.. Dort war ausdrücklich nur die Sicherung oder Befriedigung von Gesellschafterdarlehen nach § 32 a Abs. 1 GmbHG, bzw. solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechenden Gesellschafterleistungen (§ 32 a Abs. 3 GmbHG) für anfechtbar erklärt. Die Regelung gesellschafterbesicherter Drittdarlehen in § 32 a Abs. 2 GmbHG wurde gerade nicht in Bezug genommen. Die weiter gefasste Formulierung des § 6 AnfG, die nicht mehr ausdrücklich auf § 32 a GmbHG verweist, begründet in diesem Punkt keine sachliche Änderung, sondern stellt nur klar, dass sich der Anfechtungstatbestand auch auf andere Gesellschaftsformen als die GmbH bezieht; Huber a. a. O. § 6 Rz. 2.

IV. § 4 AnfG ist tatbestandlich nicht erfüllt, weil die Verschaffung der Löschungsbewilligung für die Grundschulden an die Beklagte zu 1) nicht unentgeltlich erfolgt ist.

a) Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil zu diesem Punkt richtig, wenngleich die Argumentation, die Schuldnerin habe mit der Zahlung an die Nationalbank nicht zugleich eine Verpflichtung gegenüber der Beklagten zu 1) zu deren Befreiung von der dinglichen Haftung erfüllt, missvenständlich ist. Gerade wenn die Schuldnerin der Beklagten zu 1) zu deren Haftungsbefreiung nicht verpflichtet gewesen wäre, konnte diese unentgeltlich sein. Nach BGH NJW 1999,1549 liegt bei Tilgung einer eigenen Schuld, durch die zugleich eine andere Person gegenüber von ihrer Mithaftung frei wird, jener gegenüber eine unentgetliche Leistung vor, wenn sie keine ausgleichende Gegenleistung schuldet. Der maßgebliche Unterschied zu dem Fall des BGH liegt hier darin, dass die Schuldner n, weil sie die begünstigte Kreditnehmerin war, im Innenverhältnis zur Beklagten zur alleinigen Kredittilgung verpflichtet war; die Beklagte hatte lediglich - ihrerseits unentgeltlich - die Sicherheit gestellt, die ihr bei Freiwerden schon deshalb zurückzugeben war. Während im Fall von BGH NJW 1999, 1549 die Eltern - Schuldner des Anfechtungsklägers - sich gegenüber der anfechtungsbeklagten Tochter schenkweise verpflichtet hatten, die Grundpfandrechte an dem übertragenen Grundstück abzulösen und mit der Darlehenstilgung diese Leistung erst vollzogen, hatte die P Handelsgesellschaft mbH die Beklagte zu 1) ohne vertragliche Verpflichtung von der Haftung freizustellen und war die Beklagte ihr zu keiner Zeit zur Erstattung der Aufwendungen dafür verpflichtet. Die Gegenleistung der Beklagten besteht so gesehen in dem Verlust ihres Anspruchs aus § 670 BGB auf Rückverschaffung dar gestellten Sicherheit.

b) Das Gleiche gilt für die Befreiung des vormaligen Gesellschafters Günther P als Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2) aus der persönlichen Mithaft für das Darlehen. Im Innenverhältnis zur GmbH war er gleichfalls nicht zur Tilgung verpflichtet und hatte die GmbH keinen Erstattungsanspruch gegen ihn aufgrund ihrer Tilgungsleistung, weil er seinerseits di3 Befreiung aus der Haftung verlangen konnte.

c) Der Gesichtspunkt, dass das von der Gesellschafterin besicherte Darlehen der Nationalbank eigenkapitalersetzend gewesen sein könnte, so dass nach § 32 a Abs. 2 GmbHG die GmbH der Beklagten nicht zur Darlehenstilgung und Rückverschaffung der grundbuchlichen Sicherheiten verpflichtet gewesen wäre, solange das notwendige Eigenkapital nicht anderweitig aufgebracht war, hat bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit i. S. v. § 4 AnfG aus gesetzessystematischen Gründen außer Betracht zu bleiben. Diesem Umstand tragen die Sondernormen des § 6 AnfG und §§ 32 a, b GmbHG Rechnung. Richtig weist die Berufungserwiderung darauf hin, dass die Problematik des gesellschafterbesicherten Drittdarlehens nicht mit dem Anfechtungsgesetz zu lösen ist und die Auffassung, das Freiwerden des Gesellschafters von seiner zur Krediterlangung gegebenen Sicherheit durch Kredittilgung seitens der GmbH könne eine unentgeltliche Verfügung (nach neuem Recht "Leistung") gegenüber dem Gesellschafter i. S. d. Anfechtungsgesetzes darstellen, in der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung nicht ansatzweise diskutiert wird. Sie stünde damit auch in Widerspruch zur oben dargestellten Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 6 AnfG. Die Lösung liegt systematisch in § 32 b GmbHG, der indes nur im Insolvenzverfahren zur Anwendung kommen kann. Ersichtlich sah der Gesetzgeber keine Notwendigkeit, in den Fällen des §§ 32 a Abs. 2, 32 b GmbHG den Einzelgläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens zu schützen, was seine Berechtigung darin findet, dass hier - anders als in den übrigen Fällen der Eigenkapitalrückgewähr - der Vermögenswert aus der Haftungsmasse nicht direkt an den Gesellschafter fließt.

V. Für die Anfechtbarkeit nach § 3 I AnfG, die das Landgericht nicht geprüft hat, würde zwar die mittelbare Gläubigerbenachteiligung durch den Abfluss des zur Kredittilgung verwendeten Kontoguthabens oder Gutschriftanspruchs aus dem als Vollstreckungsgrundlage dienenden Vermögen der Schuldnerin ausreichen. Dass die Schuldnerin damit von ihrer Darlehensschuld befreit wurde, gleicht den Nachteil nicht aus, weil gleichwohl die Haftungsmasse für die übrigen Gläubiger geschmälert wurde.

Richtiger Anfechtungsgegner wäre auch die Beklagte zu 1), weil durch die Rechtshandlung mittelbar ihr Vermögen in Form der Rückerlangung ihrer Sicherheit vermehrt wurde; dazu OLG Kiel vom 30.10.1936 in KuT 1938, 132/3; Huber a. a. O. § 1 Rz. 35, 22.

Indes fehlt es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vorliegend an einer Rechtshandlung der Schuldnerin, jedenfalls am notwendigen Vorsatz zur Benachteiligung ihrer nicht gesicherten Gläubiger bei dieser Darlehenstilgung. So kann auch nicht etwa festgestellt werden (vgl. dazu die Erörterungen im Urteil des OLG Kiel vom 30.10.1936 a.a.O.), daß die Schuldnerin im Einverständnis mit der Anfechtungsgegnerin gerade die Befreiung von deren Verbindlichkeiten angestrebt hätte, der Geldfluß an die Bank also nur das Mittel einer Begünstigung der Beklagten war.

Die Zeugen P und T seinerzeit Mitarbeiter der Nationalbank - haben in ihren Aussagen keinen Zweifel daran gelassen, dass die Schuldnerin auf die Verwendung der im Sommer 1999 bis zum September per Überweisung eingegangen Geldmittel aus dem Projekt zu der angefochtenen Kredittilgung keinen Einfluss genommen hat, solchen auch gar nicht nehmen konnte, weil der Geldfluss aus "zwangsläufig" nur an die Nationalbank erfolgen konnte und nach deren Willen vorrangig zur Rückführung ihrer projektbezogenen Finanzierung dienen sollte. Nach der Aussage des zuständigen Kreditbearbeiters T war das allgemeine Kontokorrentkonto der Schuldnerin Anfang 1999 "erledigt", es ging nur noch um die aus Sicht der Bank längst überfällige Abwicklung des - Engagements. Selbst wenn die Schuldnerin aufgrund der bestehenden Sicherheiten noch kreditwürdig war, wie der an sich für das Auslandsgeschäft zuständige Zeuge P gemeint hat, war doch an eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auch wegen des veränderten Verhaltens des Gesellschafter-Geschäftsführers Günther B nicht gedacht. Vor diesem Hintergrund hatte die Schuldnerin bzw. Günther B im September 1999 von vornherein keine Möglichkeit, die restliche Befriedigung der Nationalbank zu verhindern und die nur dort eingehenden Erlöse des Geschäfts so an sich zu leiten, dass andere Gläubiger, darunter der Kläger darauf hätten zugreifen können. Die angefochtene Kredittilgung erfolgte ohne Zutun der Schuldnerin, die nicht einmal über deren Duldung entschieden hat, automatisch, wie die Zeugen es ausgedrückt haben; damit war auch die die Beklagte und Günther B begünstigende Haftungsbsfreiung zwangsläufig.

Deshalb verhilft es der Klage auch nicht zum Erfolg, dass der Geschäftsführer Günther E der Schuldnerin in der fraglichen Zeit schon die Absicht hatte und in die Tat umsetzte, die Gesellschaft durch Aufgabe der Geschäftsräume, Verlagerung des gesamten Vermögens und Veräußerung der Geschäftsanteile nach Spanien "verschwinden" zu lassen. Diesen Vortag des Klägers haben die Beklagten mit ihrer Streitverkündungsschrift vom 5.3.2001 selbst im wesentlichen eingeräumt und gegenüber dem Kläger nicht bestritten. Bei seinem Handeln musste Günther B generell klar sein, dass die Gläubiger ohne Realsicherheiten keine Befriedigungsaussichten mehr hatten, so dass er deren Benachteiligung zumindest billigend in Kauf genommen hat. Nur hat er, was die angefochtene, zur Freigabe der Sicherheiten führende restliche Kredittilgung bei der Nationalbank betrifft, gerade nicht gehandelt, ein generell bestehender Benachteiligungsvorsatz konnte sich hier von vornherein nicht auswirken.

VI.

§§ 823 II, 830 BOB i. V. m. § 283 c StGB scheidet als Grundlage eines ebenfalls auf Zahlung gerichteten Schadensersatzanspruchs schon deshalb aus, weil nichts dafür vorgetragen ist, dass die Schuldnerin bei Tilgung des Nationalbankdarlehens zahlungsunfähig war, nur dann hätte der Geschäftsführer in Kenntnis davon Gläubiger begünstigen können. Außerdem setzt die Begünstigung i. S. v. § 283 c StGB ein steuerndes Verhalten des Schuldners voraus, das hier entsprechend den Ausführungen zu vorstehend V. nicht möglich, jedenfalls nicht gegeben war.

VII.

Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger gemäß § 97 ZPO zu tragen.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 II ZPO liegen nicht vor. Die erörterten Rechtsfragen zu § 6 und § 4 AnfG sind nicht strittig, so dass sie einer höchstrichterlichen Stellungnahme nicht bedürfen.

Ende der Entscheidung

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