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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 27 U 189/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 710
Fällt ein zur Unfallzeit erwachsener (hier 57-jähriger) Mann bei Dunkelheit an einer als solcher bekannten und auch ohne weiteres erkennbaren Baustelle (Abrißstelle einer Weserbrücke) bei dem Versuch, die Situation fotografisch zu erfassen, in einen Schacht des Brückenlagerfundamentes, kann er seinen dadurch erlittenen materiellen und immateriellen Schaden nicht von dem für den Abriß verantwortlichen Unternehmen und dessen Bauleiter ersetzt verlangen, weil gegenüber unbefugten Dritten eine allenfalls beschränkte (hier verneinte) Verkehrssicherungspflicht besteht und jedenfalls das überragende Eigenverschulden des Verletzten einen Haftungsansatz der anderen Seite verdrängt.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 3. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. sowie die Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. August 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leisten.

Die Sicherheiten können auch durch Prozessbürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Die Urteilsbeschwer für den Kläger übersteigt 60.000 DM.

Tatbestand:

Der 1940 geborene Kläger begehrt - in der Berufungsinstanz erstmals um einen Mitverschuldensanteil von einem Drittel gemindert - Schmerzensgeld (ursprüngliche Vorstellung bei voller Haftung der Beklagten; 70.000 DM), Ersatz von Verdienstausfallschaden und Feststellung künftiger materieller Ersatzpflicht der Beklagten aus einem Unfall, geschehen am 26. Juli 1997 auf der Abrissbaustelle der alten Weserbrücke in Porta Westfalica, bei dem er als Zuschauer in einen oder in einem für die Abbrucharbeiten geöffneten, senkrecht in das Brückenlagerfundament führenden Schacht mit einem Öffnungsquerschnitt von 80 x 80 cm und etwa 10 m Tiefe stürzte und sich erhebliche Verletzungen, insbesondere ein Schädel-Hirntrauma und multiple Frakturen zuzog. Während erstinstanzlich unstreitig gewesen ist, dass der Kläger von oben in den Schacht fiel, behaupten die Beklagten in der Berufungsinstanz, der Kläger sei zunächst in den mit Steigeisen als Treppe ausgerüsteten Schacht geklettert und erst während des Abstiegs abgestürzt. Am Unfalltag wurde das Mittelstück der alten Brücke durch die Beklagte zu 1) als Unternehmerin abgebrochen und auf Kähne verladen. Verantwortlicher Bauleiter vor Ort war der Beklagte zu 2). Die Arbeiten fanden großes Medien- und Zuschauerinteresse. Auch der Kläger beobachtete und fotografierte schon im Verlauf des Tages das Geschehen. Gegen 23:50 Uhr näherte er sich, nachdem er sich von seiner ihn begleitenden Ehefrau getrennt hatte, der Brücke auf der von Osten her kommenden Straße. Diese war im unmittelbaren Abbruchbereich zur Weser hin durch einen hohen, quer über die gesamte Brücke führenden Metallzaun gesichert, der direkt jenseits der erwähnten Schachtöffnung (von der Uferseite aus betrachtet) verlief. Um die in der Nacht noch fortgeführten Arbeiten auf der Weser besser beobachten zu können, ging der Kläger in Richtung des Metallzauns. Wenig später wurde er bei der durch seine Ehefrau veranlassten Nachsuche am Boden des Schachtes aufgefunden.

Der Kläger, der verletzungsbedingt keine Erinnerung an das eigentliche Unfallgeschehen hat, hat den Beklagten eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen und dazu behauptet: Die Schachtöffnung sei in keiner Weise gesichert gewesen. Der Deckel habe neben der Öffnung gelegen. Eine Absperrung diesseits des Gitterzaunes habe im Zeitpunkt des Unfalles nicht bestanden, so dass er ungehindert habe vordringen können. Auch die Überquerung eines Flatterbandes sei nicht erforderlich gewesen. Falls ein Flatterband den Arbeitsbereich von der Straße abgesperrt haben sollte, sei es bis auf eine Höhe von 20 cm heruntergetreten gewesen. Jedenfalls habe er es aufgrund der Dunkelheit nicht wahrgenommen. Unmittelbar an der wie die ganze Straße im Dunkeln liegenden Absturzstelle sei nicht mehr gearbeitet worden. Lediglich der Hintergrund über der Weser sei erleuchtet gewesen. Der Beklagte zu 2) habe dem Unfallbereich keine Aufmerksamkeit geschenkt, sondern sich nur auf der westlichen Seite der Brücke aufgehalten gehabt.

Die Beklagten haben den Vorwurf unzureichender Verkehrssicherung zurückgewiesen und dem Kläger alleinursächliches Eigenverschulden vorgehalten. Der Gefahrenbereich sei ausreichend gesichert gewesen, indem er sich - unstreitig - im Arbeitsbereich dreier großer Autokräne befunden habe, der an der dem Fluss abgewandten Seite (zur Straße hin) mit rot-weißem Flatterband in drei bis vier Reihen übereinander abgesperrt gewesen sei. Die Absperrung sei letztmals gegen 22:00/22:30 Uhr sowohl durch den Beklagten als auch durch den für die Bauüberwachung zuständigen Mitarbeiter des Straßenbauamts K überprüft worden. Für den Kläger sei daher der im übrigen durch die Scheinwerfer der noch in Betrieb befindlichen Kräne ausgeleuchtete Arbeitsbereich klar als Gefahrenzone erkennbar gewesen. Um da hinein zu gelangen, habe er das Flatterband überklettern müssen. Die Schachtöffnung selbst sei durch eine daneben befindliche Gasflasche sowie einen Container gesichert gewesen. Sie habe nicht verschlossen werden können, weil der Schacht während der Arbeiten ständig benutzt worden sei. Den geltend gemachten materiellen Schaden haben die Beklagten mit Nichtwissen bestritten.

Das Landgericht hat nach Beiziehung der Strafakten und Vernehmung von Zeugen die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, weiterer 12.553,65 DM nebst Prozesszinsen für Verdienstausfall und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich des künftigen materiellen Schadens gerichtete Klage mit im wesentlichen dieser Begründung abgewiesen: Die Verantwortlichkeit der Beklagten für den verkehrssicheren Zustand der Baustelle bestehe nur gegenüber den zu dem beschränkten Personenkreis Gehörenden, für welchen der Baustellverkehr eröffnet gewesen sei, die sich mithin auch befugt in den Gefahrbereich begeben hätten. Folglich habe eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger im eigentlichen Baustellebereich nicht bestanden, da der Kläger nicht befugt gewesen sei, die Baustelle zu betreten. Insoweit habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zum Unfallzeitpunkt die eigentlichen Arbeiten im Unfallbereich zwar schon abgeschlossen gewesen seien, die Baustelle jedoch noch nicht verlassen worden sei, wie sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen A, M und K ergeben habe, wonach die Kranwagen abgebaut wurden, aber noch Personal, die Kranführer und die Kranmannschaft, auf der Baustelle gewesen sei. Auch der Schacht, in den der Kläger stürzte, sei von Arbeitern noch begangen worden. Durch Scheinwerfer der Kranwagen sei die Baustelle beleuchtet gewesen, weshalb für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass dort noch gearbeitet worden sei. Er habe daher vernünftigerweise mit Gefahrenquellen rechnen und sich darauf einstellen müssen. Sein Vortrag, zum Unfallzeitpunkt sei eine Absperrung nicht vorhanden bzw. nicht sichtbar gewesen, sei durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Den Beklagten sei auch nicht zuzumuten gewesen, fortlaufend zu beobachten, ob das Flatterband noch vorhanden sei oder hoch genug hänge. Die Überprüfungen in regelmäßigen Abständen, wie sie die seitens der Beklagten benannten Zeugen bekundet haben, hätten ausgereicht. Selbst wenn das Flatterband heruntergetreten gewesen sein sollte, habe der Kläger nicht davon ausgehen können, den Baustellenbereich erlaubtermaßen und gefahrlos betreten zu dürfen. Schon aus seinen Beobachtungen während des Tages habe er wissen müssen, dass dort Flatterband vorhanden gewesen war. Er habe deshalb davon ausgehen müssen, dass die Absperrung auch am Abend noch so lange galt, wie sichtbar gearbeitet wurde. Das Betreten dieses Bereichs sei mithin auf eigenes Risiko geschehen.

Der Kläger macht mit der Berufung noch zwei Drittel seines materiellen Schadens sowie ein Schmerzensgeld unter Einräumung eines mit einem Drittel zu gewichtenden Mitverschuldens geltend. Er rügt, das Landgericht habe den festgestellten Sachverhalt nicht ausgeschöpft und nicht zutreffend rechtlich gewürdigt und beanstandet die Beweiswürdigung.

Das angefochtene Urteil trage zunächst dem Umstand nicht Rechnung, dass schon den ganzen Tag über zahlreiche Schaulustige die Baustelle aufgesucht hätten und dabei auch unter Überwindung von Flatterbändern bis an die Metallgitterzäune vorgedrungen seien, um so bessere Sicht auf die spektakulären Arbeiten zu haben. Dies erwiesen die Aussagen sowohl K wie Z, aber auch das nach Erlass des angefochtenen Urteils verfasste Schreiben des nunmehr benannten Zeugen R. an die Staatsanwaltschaft. Dem hätten die Beklagten durch stärkere Sicherung der extrem gefährlichen Unfallstelle Rechnung tragen müssen, selbst wenn der Kläger - unterstellt - unter Überwindung des Absperrbandes, mithin unbefugt in den Baustellenbereich eingedrungen wäre. Mit solchem Fehlverhalten hätten die Beklagten angesichts des nachvollziehbaren Andranges der Schaulustigen, die schon wiederholt von den Bauarbeitern hatten des Platzes verwiesen werden müssen, rechnen müssen. Sie hätten aber mit dem Verzicht auf eine Umwehrung oder unverschiebliche Abdeckung der Schachtöffnung nicht einmal die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten, zu deren Beachtung sie schon gegenüber ihren befugt an der Baustelle tätigen Arbeitskräften verpflichtet gewesen seien. Die Aussagen des Zeugen Z und der Zeugin T erwiesen auch, dass entgegen der Feststellung des Landgerichts die Unfallstelle nicht ausgeleuchtet gewesen sei.

Schließlich habe die durch das Spannen von Flatterband vorgenommene Absicherung, insbesondere nachdem diese im Lauf des Tages mehrfach überstiegen und niedergetrampelt worden sei, keine wirkliche Warn- und Absperrfunktion mehr gehabt, auch nicht zu der Zeit, als es noch höher gespannt war. Dies um so weniger, als der Unfallbereich jedenfalls an dem späten Abend des 26.7.1997 ersichtlich nicht zum Kernbereich der Baustelle gehört und so den Eindruck geringerer Gefährlichkeit erweckt habe.

Er, der Kläger sei vorher im Laufe des Tages nur am Weserufer, nicht unmittelbar im fraglichen Brückenbereich gewesen und habe deshalb von dem Vorhandensein des Schachtes oder von gefährlichen Arbeiten in diesem Bereich nichts gewusst.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn

a) 8.369,10 DM

b) ein angemessenes Schmerzensgeld jeweils nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (14.3.2000) zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner auch seinen künftigen materiellen Schaden aus dem Unfall vom 26.7.1997 zu zwei Dritteln zu ersetzen, soweit diesbezügliche Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und bestreiten nunmehr weitergehend auch den vom Kläger behaupteten Unfallablauf. So sei der Kläger nicht versehentlich in den Schacht gestürzt, sondern bewusst hineingeklettert und erst dabei infolge Unachtsamkeit abgestürzt.

Hilfsweise halten die Beklagten daran fest, ihrer Verkehrssicherungspflicht ausreichend nachgekommen zu sein. Insoweit sei der Gefahrenbereich durch mehrfach gespannte Flatterbänder zwischen dem linksseitigen Brückengeländer und dem ersten Kranwagen wie auch zwischen den Kranwagen untereinander entsprechend der Skizze Bl. 19 GA abgesperrt gewesen. Auch die wiederholten Aussagen des Zeugen Z erwiesen, dass zum Unfallzeitpunkt Flatterband, wenn auch jetzt in der Mitte auf 20-30 cm Höhe durchhängend vorhanden und als Absperrung erkennbar gewesen sei. Unabhängig vom Vorhandensein der Absperrung sei der Gefahrenbereich als solcher bereits durch die drei Kranwagen und die in deren Umkreis beschäftigten Kranführer und Monteure zu erkennen gewesen. Darüber hinaus sei die Schachtöffnung wegen des um sie herum gelagerten Arbeitsmaterials nur von der dem ersten Kran zugewandten Seite zugänglich und durch die Scheinwerfer der Kranfahrzeuge wie auch weitere im abgesperrten Bereich aufgestellte Scheinwerfer angestrahlt gewesen. Eine stärkere Absicherung der Einstiegsöffnung selbst sei schon wegen derer fortlaufenden Benutzung durch die arbeitenden Monteure nicht möglich, jedenfalls nicht zumutbar gewesen.

Selbst bei Annahme einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung trete - so meinen die Beklagten - diese hinter dem überwiegenden Eigenverschulden des Klägers zurück. Insoweit sei es bereits grob leichtfertig, wenn ein Erwachsener unbefugt in einen abgesperrten Baustellenbereich eindringe. Hinzu komme, dass der Kläger sich im, erkennbaren Gefahrenbereich nicht mit der gebotenen Sorgfalt bewegt und deshalb die wahrnehmbare (nämlich vom Zeugen Z wahrgenommene) Schachtöffnung nicht gesehen habe.

Schließlich bestreiten die Beklagten die Angemessenheit des begehrten Schmerzensgeldes, die Höhe des gesamten materiellen Schadens und die Möglichkeit der Entstehung zukünftiger materieller Schäden. Insoweit solle nur der ärztliche Befundbericht- über die Primärverletzungen vom 18.9.1997 unstreitig bleiben, bestritten werde dagegen die Unfallursächlichkeit einer weiteren stationären Behandlung in 1998 und die angebliche Erwerbsunfähigkeit, nachdem der Kläger im Termin vor dem Landgericht vom 14.8.2000 seine gesundheitliche Wiederherstellung, eingeräumt habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens 73 Js 1400/97 StA Bielefeld sind zur Ergänzung des Parteivorbringens Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Senat hat den Kläger persönlich gehört. Wegen seiner dabei gemachten Angaben wird auf den Berichterstattervermerk zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 3. Mai 2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Dabei kann von der erstmals mit der Berufungserwiderung vorgetragene Darstellung der Beklagten, der Kläger sei bewusst in den Schacht geklettert, nicht ausgegangen werden, denn dafür bestehen keine Anhaltspunkte, auch die insoweit von den Beklagten angeführten sind nicht stichhaltig. Der Kläger kann sehr wohl zunächst auf das in 4 m Tiefe angebrachte Gitter aufgeschlagen, seine Kamera dort verloren und sein Sturz dort - seine späteren Verletzungen mindernd - gebremst worden sein. Dass er das Flatterband, wie etliche andere Zuschauer, überschritten hatte, rechtfertigt nicht die Annahme, er würde als 58-jähriger, seine nichtsahnende Ehefrau zurücklassend, mit der Kamera belastet über Steigeisen in einen senkrechten Schacht klettern, dessen Boden entweder für ihn nicht einsehbar oder erst in immerhin 10 m Tiefe zu erkennen war, zumal nach Behauptung der Beklagten der Schacht noch von Monteuren bestiegen wurde, mit deren Begegnung der Kläger hätte rechnen müssen. Das alles umso weniger, als auch die Beklagten nicht aufzeigen, was der Kläger im Schacht gewollt haben könnte.

Vielmehr ist der Senat überzeugt, dass der Kläger - wie erstinstanzlich unstreitig - unversehens in den Schacht gefallen ist.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gleichwohl auf der Grundlage des vom Landgericht auch zur Überzeugung des Senats festgestellten Sachverhalts und dessen Ergänzung um die in das Wissen des Zeugen R gestellten Behauptungen des Klägers nicht zu.

Das Offenlassen der Schachtabdeckung ist zwar für den Absturz des Klägers ursächlich geworden, damit haben die Beklagten jedoch nicht eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger als Drittem, der zum Aufenthalt auf der Baustelle nicht befugter war, verletzt. Dritten gegenüber wird der Verkehrssicherungspflicht an Baustellen im allgemeinen durch Anbringung von Betretungsverboten genügt, unbefugte Besucher vor den auf Baustellen lauernden mannigfachen Gefahren zu schützen, ist weder Zweck der Unfallverhütungsvorschriften noch dem Bauherrn oder den beteiligten Unternehmern allgemein möglich und zumutbar; so BGH NJW 1957, 499.

Diese Rechtsprechung hat der BGH mit der schon vom Landgericht herangezogenen Entscheidung in NJW 1985, 1078 noch so bestätigt:

"... Das BerGer. verkennt entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass an einer Baustelle grundsätzlich nur ein beschränkter Verkehr zugunsten der am Bau beschäftigen Handwerker, der Lieferanten, des Architekten, des Bauherrn, Beamten der Bauaufsichtsbehörde usw. eröffnet ist, und dass der Eröffnung eines nur beschränkten Verkehrs eine entsprechend begrenzte Verkehrssicherungspflicht entspricht (Senat, VersR 1965, 554 m. w. Nachw.). Das gilt sowohl für den Umfang der zu treffenden Sicherungsmaßnahmen, die sich bei einem Neubau grundsätzlich an den Sicherungserwartungen von mit den Gegebenheiten und den üblichen Gefahren einer Baustelle vertrauten Personen auszurichten haben (Senat, VersR 1969, 37), als auch für den Kreis der Ersatzberechtigten bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Eine Verantwortlichkeit für den verkehrssicheren Zustand der Baustelle besteht daher nur denjenigen gegenüber, die zu dem beschränkten Personenkreis gehören, gegenüber dem der Baustellenverkehr eröffnet ist. Hierin können allerdings aufgrund einer Vereinbarung oder besonderer Umstände des Falles ausnahmsweise auch andere Personen als diejenigen eingeschlossen sein, die normalerweise Zutritt zu Baustellen haben (vgl. Senat, VersR 1956, 554), u. U. auch Besucher der Baustelle. In derartigen Fällen können, auch die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht höhere sein. Anderen gegenüber, jedenfalls soweit sie erwachsen sind, kommt dagegen der für den Neubau Verkehrssicherungspflichtige seiner Pflicht dadurch nach, dass vor der Baustelle auf einer Hinweistafel Unbefugten das Betreten der Baustelle verboten wird ...".

Im vorliegenden Fall hielt sich der Kläger wissentlich unbefugt im Gefahrenbereich der Baustelle auf. Selbst wenn die Absperrung mit dem Flatterband nicht mehr vorhanden gewesen wäre, hätte dem Kläger nicht entgehen können, dass der Bereich, in dem die drei Autokräne standen, möglicherweise auch bereits abgebaut wurden, unmittelbar einer - nur dem beschränkten Verkehr befugter Personen eröffneten - Baustelle zuzuordnen war, dies um so mehr, als er die Abbrucharbeiten bereits mehrfach und länger im Tagesverlauf beobachtet hatte. Darüber hinaus ist der erstinstanzlichen Aussage des keiner Partei nahestehenden Zeugen Z zur Überzeugung des Senats zu entnehmen, dass zur Unfallzeit noch mindestens ein Flatterband vorhanden war, das eindeutig als Absperrung erkannt werden musste, selbst wenn es von vorhergehenden Schaulustigen auf eine von Höhe 30 cm in der Mitte zwischen den Befestigungen durchhängend herabgetreten war. Der Zeuge hat das Band noch eindeutig als Absperrmaßnahme wahrgenommen. Dieses Band hatte auch der Kläger überschreiten müssen. Im übrigen ergibt sich aus den Aussagen Z und K im Strafverfahren (Bl. 36, 81 BA, erhärtet durch Bl. 11 BA), dass der Kläger seine Frau aufforderte, zurück zu bleiben, während er über die Absperrung klettern wolle. Beide Zeugen haben dort übereinstimmend entsprechende spontane Äußerungen der Ehefrau des Klägers direkt nach dem Unfall bekundet. Dieses Sperrband genügte ebenso wie ein Verbotsschild, um ein striktes Betretungsverbot gegenüber nicht auf der Baustelle Beschäftigten zum Ausdruck zu bringen. Zu Unrecht meint der Kläger, "besonderen Umstände" in Anspruch nehmen zu können, wie sie im Fall des OLG Köln in VersR 1992, 1241 herangezogen wurden. Danach kann allerdings im Einzelfall auch gegenüber unbefugten Eindringlingen die Verkehrssicherungspflicht bestehen, wenn für denjenigen, der die Gefahr geschaffen hat, erkennbar ist und er in Rechnung zu stellen hat, dass das Verbot nicht beachtet wird, weil das verbotene Gelände eine besonders große Anziehungskraft ausübt, und die dort lauernde Gefahr außerordentlich groß ist. Solche Umstände kennzeichnen indes nur den scheinbar den vorliegenden Sachverhalt, indem nach allen Zeugenaussagen während des Tags wiederholt Reporter und Schaulustige die Absperrung überwunden hatten und in den Arbeitsbereich vorgedrungen waren, aus dem sie dann jeweils hatten verwiesen werden müssen. Ersichtlich war zur Unfallzeit auch Z noch verbotenerweise auf der Baustelle, nach der Darstellung des als Zeugen benannten R. gegenüber der Staatsanwaltschaft bis gegen 23:00 Uhr auch noch andere Schaulustige. Die wiederholten Übertretungen konnten den Beklagten nicht verborgen bleiben. Zudem war die Schachtöffnung - für Betriebsfremde - besonders gefährlich, weil sie senkrecht in 10 m Tiefe führte und wegen Baumaterials, das nach eigenem Vorbringen der Beklagten um sie herum aufgestellt war, sowie wegen der vom Zeugen Z bekundeten beschränkten Lichtverhältnisse zwar erkennbar war, aber nicht von weitem ins Auge fiel.

Gleichwohl ergeben sich daraus gegenüber dem Kläger als einem Erwachsenen keine erweiterten Verkehrssicherungspflichten, die die höchstrichterliche Rechtsprechung gegenüber "Unbefugten" bislang vor allem zum Schutz von Kindern im Hinblick auf deren Unerfahrenheit und Unbesonnenheit sowie ihres Spieltriebs und Erforschungsdrangs angenommen hat; zuletzt in BGH NJW 1997, 582/3.

Auch die in dem gekürzten Zitat der Berufungsbegründung scheinbar verallgemeinerungsfähig lautenden Ausführungen des OLG Köln in VersR 1992, 1241 gelten einem Fall, in dem ein Jugendlicher in eine abgesperrte Kiesgrube eingedrungen und dort verunglückt war. Das OLG stellt ausdrücklich darauf ab, dass die dortigen Beklagten die Unvernunft von Kindern und Jugendlichen wegen der großen Anziehungskraft der Kiesgrube hätten berücksichtigen müssen.

Hier hat sich der Kläger wie auch andere schaulustige Eindringlinge zwar unbesonnen verhalten, trotzdem besteht auch und gerade bei Beachtung des für den generell Verkehrsicherungspflichtigen Zumutbaren keine Notwendigkeit, ihn wie ein Kind zu schützen, denn der Kläger war als Erwachsener in der Lage die Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen. Dies um so mehr, als er aufgrund seiner früheren Berufstätigkeit als Maurer nicht nur die Gefährlichkeit von Baustellenbereichen schlechthin kannte, sondern ihm auch die spezielle Gefahr von Bodenöffnungen innerhalb einer Baustelle, vor denen er nach eigenem Bekunden in der Berufungsverhandlung stets einen besonderen "Horror" gehabt habe, bewusst sein musste. Ob die Beklagten mit dem Betreten des Gefahrenbereichs durch Personen rechnen mussten, die mangels Einsichtsfähigkeit besonders schutzbedürftig waren, bedarf keiner Klärung; zu diesem Personenkreis gehörte der Kläger unstreitig und unzweifelhaft nicht.

Wollte man hier gleichwohl die Verletzung einer grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten bejahen, würde sie gleichwohl hinter dem überragenden Eigenverschulden des Klägers zurücktreten. Für die Beklagten war ein Verschließen der Schachtöffnung nicht zumutbar, weil deren Benutzung durch die Arbeiter an der noch nicht verlassenen Baustelle fortdauerte. Dem Verlangen nach ihrer deutlicheren Kenntlichmachung, insbesondere Beleuchtung steht entgegen, dass wiederum der mit der grundsätzlichen Gefährlichkeit eines solchen Bereiches vertraute Kläger sich bewusst in ein nach eigenem Vortrag unzureichend beleuchtetes Baustellengelände in der Umgebung dreier im Abbau befindlicher Kräne begeben hat, in dem gerade die Sicht auf den Boden durch die hellere Erleuchtung des Hintergrundes über dem Fluss behindert wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 710 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Ende der Entscheidung

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