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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: 27 U 213/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 138
InsO § 140
Für die Anwendbarkeit des § 138 InsO muss das darin vorausgesetzte Näheverhältnis auch noch zu dem Zeitpunkt bestehen, zu dem die angefochtene Rechtshandlung gemäß § 140 InsO als vorgenommen gilt.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 15. September 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S - ursprünglich aus N2 - anfechtungsrechtliche Rückübertragungsansprüche geltend.

Der Schuldner war als selbständiger Vermittler im Bereich des Zeitschriftenabonnements für den Q, deren Inhaber der Beklagte ist, tätig. Aus dieser Geschäftsbeziehung resultierte gemäss Abrechnung des Beklagten vom 29.12.1997 ein Negativsaldo zu Lasten des Schuldners in Höhe von 166.349,48 DM. Die Parteien schlossen unter gleichem Datum eine mit "Saldenbestätigung" überschriebene Vereinbarung, nach der der Schuldner die Richtigkeit der Abrechnung anerkannte. Weiter heißt es dort:

"Die Parteien sind sich einig, dass Herr S berechtigt ist, den Saldo durch Verrechnung von neuen Provisionsansprüchen, die er gegen die Firma Q erlangt und durch Abtretung von Forderungen, die er selbst gegen Dritte hat, zurückzuführen."

Am 30.08.2001 schlossen die Parteien einen "Vertrag über Forderungsabtretung". Danach trat der Schuldner dem Beklagten zur Begleichung von Verbindlichkeiten in Höhe von 160.000,- DM erfüllungshalber seine Mietzinsforderungen gegen Frau I (Wohnung Nr. #1, Q-Weg, #### T) und Frau Q2 (Wohnung Nr. #2, Q-Weg, #### T) in voller Höhe ab.

Zum Jahresende 2002 beendeten der Beklagte und der Insolvenzschuldner ihre Geschäftsbeziehung. Am 14.12.2002 war die Ehefrau des Beklagten, die die Schwester der Ehefrau des Insolvenzschuldners ist, verstorben.

Auf Antrag der J Krankenkasse (J) vom 23.06.2003 wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.11.2004 eröffnet. Die Mieterin des Schuldners I leistete im Zeitraum zwischen Antrag und Eröffnung (29.07.2003 bis 28.10.2004) aufgrund der offen gelegten Abtretung Mietzahlungen in Höhe von insgesamt 5.896,41 € an den Beklagten. Diese verlangt der Kläger unter Berufung auf § 131 InsO im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Darüber hinaus macht er den nicht anrechenbaren Teil vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die angefochtene Rechtshandlung sei als inkongruent gem. § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil die nach § 140 Abs. 1 InsO erst mit Entstehung der jeweiligen Mietforderung wirksame Vorausabtretung vom 30.08.2001 nicht in der gegebenen Art zu beanspruchen gewesen sei. In der erfüllungshalber erfolgten Abtretung einer Drittforderung liege eine inkongruente Erfüllungshandlung. Die Inkongruenz könne nur durch einen bestimmten Sicherungsanspruch ausgeschlossen werden, der auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet sei. Dem genüge die Vereinbarung vom 29.12.1997 mangels ausreichender Bestimmtheit nicht.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung rügt der Beklagte, dass das Landgericht, worauf bereits in erster Instanz hingewiesen worden sei, die Bedeutung der zwischen ihm und dem Schuldner vereinbarten Ersetzungsbefugnis verkannt habe. Bereits die Vereinbarung vom 29.12.1997 sei insoweit hinreichend bestimmt. Spätestens durch die auch noch in unkritischer Zeit geschlossene Abtretungsvereinbarung vom 30.08.2001 sei die Ersetzungsbefugnis in hinreichender Art und Weise konkretisiert worden.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Rechtserwerb aufgrund einer Abtretung sei immer inkongruent. Den mit der Berufung geltend gemachten Unterschied zwischen der Absicherung einer Forderung und ihrer Befriedigung gebe es nicht. Selbstredend habe sich der Schuldner bereits bei der Abtretungsvereinbarung vom 30.08.2001 in einer tiefen finanziellen Krise befunden. Letztlich greife in Bezug auf die Zession jedenfalls auch § 133 InsO ein.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann die Rückgewähr der vereinnahmten Mietzahlungen aus § 143 Abs. 1 InsO nicht beanspruchen. Die Anfechtung greift weder gemäß § 131 InsO noch nach anderen Vorschriften (§§ 130, 133 InsO) durch.

1)

Die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen inkongruenter Deckung nach 131 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO liegen nicht vor.

a)

Das Landgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtenen Leistungen in den von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfassten Zeitraum nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen. Der Beklagte und der Schuldner schlossen die Abtretungsvereinbarung zwar bereits am 30.08.2001. Nach § 140 Abs. 1 InsO gilt die angefochtene Rechtshandlung allerdings erst in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Das ist bei der Abtretung künftiger Mietforderungen erst mit Beginn des jeweiligen Monats der Nutzungsüberlassung der Fall. Mietansprüche entstehen nicht ohne weiteres bei lediglich zeitlich herausgeschobener Fälligkeit mit Abschluss des Mietvertrages. Es handelt sich vielmehr um befristete Forderungen des Vermieters, die mit Beginn des jeweiligen Nutzungszeitraums jeweils neu entstehen (vgl. BGH ZIP 1997, 513 = DtZ 1997, 156 = ZMR 1997, 223; BGH NZI 2007, 164; BGH NZI 2005, 342; Senat, 27 U 85/04, NZM 2006, 397; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 163, Rn. 2). In Bezug auf die streitgegenständlichen Mieten liegen deshalb Vorausabtretungen künftiger Forderungen vor, die erst mit Entstehen der jeweils abgetretenen Forderung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO wirksam werden (vgl. BGH NZI 2007, 98, 99; BGH ZIP 1997, 513; BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282; Senat, NZM 2006, 397). Die Ausnahmeregelung des § 140 Abs. 3 InsO ist auf die Vorausabtretung künftiger Mieten nicht anzuwenden (vgl. BGH NZI 2007, 98, 99; Senat, NZM 2006, 397; Christiansen KTS 2003, 353, 375; Braun/Riggert, InsO, 3. Aufl., § 140, Rn. 12; Nerlich/Römermann, InsO, § 140, Rn. 20; a.A. Huber, AnfG, 10. Aufl., § 8, Rn. 16). Befristet ist dabei nicht die maßgebliche Rechtshandlung selbst (Abtretungsvertrag), sondern der Gegenstand der Abtretung (Mietforderung). In der Sache sprechen darüber hinaus sowohl der Sinn und Zweck der Vorschrift als auch ihre Entstehungsgeschichte gegen eine Anwendung des § 140 Abs. 3 InsO. Der Gesamtregelung des § 140 InsO liegt der Gedanke zugrunde, dass für die Anfechtung der Zeitpunkt maßgeblich sein soll, in dem eine gesicherte Rechtsposition begründet worden ist (vgl. Christiansen KTS 2003, 353, 357, 376 m.w.N.; Dobmeier NZI 2006, 144, 147). Da der Mietvertrag aber zwischenzeitlich gekündigt, aufgehoben oder abgeändert werden kann, entsteht eine gesicherte Rechtsposition des Zedenten erst mit der jeweils fällig werdenden Monatsmiete.

b)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es jedoch an einer inkongruenten Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO.

(1) Dem Beklagten standen aus der Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner Zahlungsansprüche zu. Stattdessen hat er erfüllungshalber Forderungen abgetreten. Für sich betrachtet kann dieser Umstand zwar ohne weiteres zur Annahme der Inkongruenz führen. Die Abtretung von Forderungen anstelle einer geschuldeten Geldzahlung ist grundsätzlich inkongruent, weil der Gläubiger diese Art der Befriedigung nicht zu beanspruchen hat (vgl. nur Müko/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 33 m.w.N.). Zudem folgt eine Inkongruenz im Grundsatz auch bereits daraus, dass die Leistung lediglich erfüllungshalber erbracht werden sollte (Müko/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 32 m.w.N.).

(2) Der Schuldner und der Beklagte hatten allerdings bereits in der "Saldenbestätigung" vom 29.12.1997, deren Abschluss und Inhalt, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals ausdrücklich klargestellt hat, nicht im Streit steht, vereinbart, dass der Schuldner berechtigt sein sollte, seine Verbindlichkeiten "durch Abtretung von Forderungen, die er selbst gegen Dritte hat, zurückzuführen". Darin liegt die Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis, die die vorstehenden, isoliert betrachtet zur Inkongruenz führenden Gesichtspunkte überlagert:

(a) Die Ersetzungsbefugnis verschafft dem Gläubiger zwar keinen Anspruch auf die vom Vertrag abweichende Art der Befriedigung. Sie verpflichtet ihn aber, diese Art der Befriedigung als Erfüllungshandlung anzunehmen. Deshalb ist sie einer Befriedigung, die der Gläubiger im Sinne des § 131 InsO "zu beanspruchen" hat, zumindest gleichzustellen. Nach dem Normzweck des § 131 InsO ist der Gläubiger dann nicht schutzwürdig, wenn er sich eine ihm nicht gebührende Sicherung oder Befriedigung gewähren lässt, weil das den Verdacht begründet, dass er die wirtschaftliche Krise des Schuldners kennt oder voraussieht (Müko/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 1). Ein solcher Verdacht kann aber nicht auftreten, wenn der Schuldner schon vor der kritischen Zeit ermächtigt war, sich durch eine andere als die geschuldete Leistung zu befreien, und der Gläubiger diese andere Art der Leistung akzeptieren musste. Folglich ist jede Leistung, mit der sich der Schuldner aufgrund einer wirksamen, insbesondere nicht ihrerseits anfechtbaren Ersetzungsbefugnis von seiner Pflicht befreien darf, als kongruent anzusehen (BGHZ 70, 177, 183 = NJW 1978, 758; BGH NJW 1993, 3267, 3268; BGH NZI 2005, 671, 672; Müko/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 12).

(b) Die Forderungsabtretung vom 30.08.2001 bewirkte daher aufgrund der am 29.12.1997 vereinbarten Ersetzungsbefugnis eine kongruente Deckung. Auch wenn die abzutretenden Drittforderungen noch nicht konkretisiert waren, war der Beklagte aufgrund der umfassenden jede (werthaltige) Drittforderung betreffenden Ersetzungsbefugnis verpflichtet, die Abtretung der Mietforderungen zur Rückführung der Verbindlichkeiten des Schuldners anzunehmen. Die Rechtsprechung zur Bestimmtheit der die Kongruenz begründenden Vereinbarung von Sicherungsansprüchen ist entgegen der Handhabung im angefochtenen Urteil nicht ohne weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Danach kann die Inkongruenz bei einer Sicherungszession nur durch einen hinreichend bestimmten, auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichteten Sicherungsanspruch ausgeschlossen werden (BGH NJW 2002, 1722; vgl. auch OLG Karlsruhe NZI 2006, 103; OLG München NZI 2006, 530). Im Falle der Ersetzungsbefugnis geht es allerdings von vornherein nicht um einen Anspruch auf eine konkrete Sicherung oder Befriedigung. Ein klagbarer Rechtsanspruch besteht insoweit nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Gläubiger nach der Parteivereinbarung verpflichtet ist, die gewährte, vom eigentlichen Vertragsgegenstand abweichende Leistung anzunehmen (s.o.). Darf er die Leistung aber bereits aus Rechtsgründen nicht zurückweisen, "gebührt" sie ihm auch, so dass sie "unverdächtig" ist. Auch in der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.12.1977 (BGHZ 70, 177) waren die herein genommenen Lastschriften, auf die sich die Ersetzungsbefugnis im Allgemeinen bezog, nicht vor der kritischen Zeit spezifiziert. Der BGH hat dennoch auf die zuvor abgeschlossene - allgemeine Ersetzungsbefugnis abgestellt und diese ausreichen lassen. Dem eventuellen Missbrauch durch weitreichende Ersetzungsbefugnisse, die ersichtlich dazu dienen, in der Krise dem Vorwurf der Inkongruenz zu entgehen, kann mit § 133 InsO begegnet werden.

2)

Eine Anfechtung der danach kongruenten Deckung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO greift ebenfalls nicht durch.

Die Abtretung gilt in Bezug auf die streitgegenständlichen Mieten zwar als nach dem Eröffnungsantrag vom 24.06.2003 vorgenommen (§ 140 Abs. 1 InsO, s.o.). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den Eröffnungsantrag oder die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in diesem Zeitraum kannte, bestehen aber nicht. Es ist nicht zu widerlegen, dass er nach dem Tod seiner Ehefrau seit längerem keinen Kontakt mehr zum Schuldner hatte und erst durch das Schreiben des Klägers vom 19.11.2004 Kenntnis vom Insolvenzantrag und -verfahren erlangt hat.

Die Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO greift zugunsten des Klägers nicht ein. Im Rahmen der Anfechtung nach § 130 InsO ist für die Beurteilung der persönlichen Nähebeziehung im Sinne des § 138 Abs. 1 InsO auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die angefochtene Rechtshandlung gem. § 140 Abs. 1 InsO als vorgenommen gilt (Müko/Kirchhof, a.a.O., § 130, Rn. 66). Das ist der Zeitraum der angefochtenen Mietzahlungen vom 29.07.2003 bis zum 28.10.2004. In dieser Zeit bestand die Nähebeziehung nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht mehr, weil die Ehefrau des Beklagten am 14.12.2002 verstarb. Soweit es im Rahmen des § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO um Ehegatten der Geschwister des Schuldners geht, findet nach Auflösung der Ehe, dem der Tod des Ehepartners gleichsteht (vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 138, Rn. 4), eine einjährige insolvenzrechtliche Nachwirkung (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO) nicht statt (Uhlenbruck/Hirte, a.a.O., § 138, Rn. 10; RGZ 63, 92, 96). Das kommt im Wortlaut dadurch zum Ausdruck, dass hinsichtlich dieser Personen der auf § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO verweisende Zusatz ("des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten") fehlt.

3)

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 InsO sind nicht dargetan.

Bei Gewährung einer kongruenten Deckung sind an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes erhöhte Anforderungen zu stellen, weil der Schuldner im Zweifel lediglich seine Verbindlichkeiten erfüllen will (BGH NZI 2007, 512, 513; NJW 2003, 3560; Müko/Kirchhof, InsO, 1. Aufl., § 133, Rn. 33). Auf den Benachteiligungsvorsatz kann zwar geschlossen werden, wenn der Schuldner bereits zahlungsunfähig und sich dessen auch bewusst war (BGH NZI 2007, 512, 513; NJW 2003, 3347; NZI 2005, 692). Der Kläger beschränkt sich insoweit jedoch auf den nichtssagenden und unbeachtlichen Hinweis, dass sich der Schuldner am 30.08.2001 "selbstredend" bereits in einer "tiefen finanziellen Krise" befunden habe. Das kann, wie im Verhandlungstermin vor dem Senat erörtert, weder zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit noch der Kenntnis eines eventuellen Benachteiligungsvorsatzes genügen. Allein der Umstand, dass die Geschäftsbeziehung zum Beklagten einen erheblichen Negativsaldo aufwies, lässt noch keinen zwingenden Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit zu. In welchem Rahmen der Schuldner Geld- oder Kreditmittel hätte beschaffen können oder etwa über kurzfristig liquidierbare Vermögenswerte verfügte, ist nicht erkennbar. Auch für eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO) ist nichts ersichtlich. Ohne jeden konkreten Vortrag des Klägers kann eine Zahlungsunfähigkeit - und erst recht eine entsprechende Kenntnis des Beklagten nicht festgestellt werden.

4)

Auch eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 2 InsO ist nicht gegeben. Die Vorschrift erfasst zwar auch dinglich wirkende Rechtsgeschäfte wie die Abtretung (vgl. nur Müko/Kirchhof, a.a.O., § 133, Rn. 40). Ihr "Entgelt" liegt in der Befreiung von der ihrerseits entgeltlich begründeten Verbindlichkeit (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 133, Rn. 37). Es fehlt hier aber an dem von § 133 Abs. 2 InsO vorausgesetzten Näheverhältnis im Sinne des § 138 InsO.

Das Näheverhältnis muss danach bei Vertragsabschluss vorhanden gewesen sein (Hess, InsO, § 133, Rn. 207; Smid/Zeuner, InsO, 2. Aufl., § 133, Rn. 25). Der Zeitpunkt, in dem der Vertrag anfechtungsrechtlich als geschlossen gilt, wird indes wiederum durch § 140 InsO bestimmt. Die darin enthaltenen Regelungen gelten auch für "Verträge" im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO (vgl. Müko/Kirchhof, a.a.O., § 140, Rn. 3), die lediglich einen Unterfall der "Rechtshandlungen" im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO darstellen. § 140 InsO dient insoweit auch dazu, den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem ein etwaiges Näheverhältnis bestanden haben muss (Braun/Riggert, InsO, 3. Aufl., § 140, Rn. 1; Römermann/Nerlich, InsO, § 140, Rn. 6; Müko/Kirchhof, a.a.O., § 140, Rn. 3). Das ist deshalb sachgerecht und konsequent, weil es widersprüchlich wäre, die Tatbestandselemente des § 133 Abs. 1 und 2 InsO auf verschiedene Zeitpunkte zu beziehen. Sämtliche Voraussetzungen - insbesondere: Vertrag innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag und Nähebeziehung - müssen zum allein maßgeblichen und von § 140 InsO bestimmten Zeitpunkt vorliegen.

In Bezug auf die streitgegenständlichen Abtretungen sind die Rechtswirkungen des Vertrages erst im Zeitraum von Juli bis Oktober 2004 eingetreten. Darauf ist nach § 140 Abs. 1 InsO abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Näheverhältnis nicht mehr (s.o.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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