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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.06.2005
Aktenzeichen: 27 U 23/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 135 Nr. 2
InsO § 143
BGB § 288 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. November 2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 6.646,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 25. Juni 2003 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 92% und die Beklagte 8%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

540 ZPO) A. Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. T GmbH von der Beklagten unter dem Aspekt einer kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung die Rückgewähr von Pachtzahlungen in Höhe von 83.954,13 EUR, die diese von der Gemeinschuldnerin für die Nutzung einer ihr gehörenden Betriebshalle in der Zeit von April 2000 bis April 2001 erhielt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Feststellungen sind dahin zu ergänzen, dass es sich bei der Betriebshalle um eine Fertigungshalle mit Bürotrakt handelt, die durch drei gemauerte Wände unterteilt ist. Bei den übrigen Wänden handelt es sich um Leichtbauwände mit einer Isolierung, die eine Kühlung der Räume ermöglicht. Die Kühlanlage ist für alle Räume zentral im Keller installiert. In den Räumen selbst sind die jeweiligen Verdampfer montiert. Die zentrale Kühlanlage war Gegenstand des Pachtvertrages, nicht jedoch die für den Betrieb benötigten Maschinen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, während der Kläger das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. B. Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. I. Die Pachtzahlungen an die Beklagte können nicht nach den §§ 135 Nr. 2, 143 InsO zurückgefordert werden, weil eine kapitalersetzende Gebrauchsüberlassung im Sinne der 32a, 32b GmbHG nicht vorliegt. Die Nutzungsüberlassung der Betriebshalle an die Gemeinschuldnerin fällt nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts. Zwar ist der zeitliche Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechts grundsätzlich immer dann eröffnet, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Hinzutreten muss bei der kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung jedoch das weitere Merkmal der Überlassungsunwürdigkeit (vgl. zuletzt noch BGH, GmbHR 2005, 660), an der es vorliegend fehlt. 1. Die Überlassungsunwürdigkeit tritt bei Standardwirtschaftsgütern erst dann ein, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, das laufende Nutzungsentgelt zu bezahlen. Der Zeitpunkt der Überlassungsunwürdigkeit tritt somit regelmäßig erst später ein als der Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit, denn ein Dritter wird sich - aufgrund des überschaubaren Risikos - auch dann noch zu einer pacht- oder mietweisen Überlassung bereit finden, wenn die finanzielle Lage der Gesellschaft angespannt ist. Denn er geht mit der Gebrauchsüberlassung nur ein kurzfristiges Pachtausfallrisiko ein und kann das Wirtschaftsgut bei ausfallender Pacht alsbald anderweitig verwenden (vgl. BGHZ 109, 55). 2. Anders läge der Fall dann, wenn es sich bei der Betriebshalle nicht um ein Standardwirtschaftsgut handelte, welches allgemein verwendet werden kann, sondern um ein spezielles Wirtschaftsgut, das auf den konkreten Betrieb zugeschnitten ist. Denn mit der Errichtung und Überlassung solcher individuellen Wirtschaftsgüter sind Investitionsentscheidungen verbunden, die ein außenstehender Dritter nur für einen Pächter tätigen würde, der eine ausreichende Gewähr für langfristige Pachteinnahme bietet (BGH a.a.O.). Die Phase der Überlassungsunwürdigkeit hinsichtlich solcher Wirtschaftsgüter beginnt daher zeitlich bereits weit vor der Überlassungsunwürdigkeit für Standardwirtschaftsgüter, nämlich bereits dann, wenn die Gewähr der Langfristigkeit nicht mehr gegeben ist. 3. Aufgrund der vom Senat ergänzend getroffenen Festsstellungen ist die hier streitige Betriebshalle jedoch als ein Standardwirtschaftsgut anzusehen. Sie ist nach Bauart und Größe nicht auf einen bestimmten Nutzungszweck beschränkt, sondern vielseitig für verschiedene Nutzungen verwendbar, jedenfalls im Sektor des lebensmittelproduzierenden und -verarbeitenden Gewerbes. Sie ist insbesondere nicht auf Fleischverarbeitung beschränkt, da keine Einrichtungen mitverpachtet sind, die nur hierfür Verwendung finden könnten. Auch die Tatsache, dass die Halle inzwischen für eine andere Nutzung Interessenten gefunden hat, zeigt, dass sie nicht auf den konkreten Betrieb der Gemeinschuldnerin zugeschnitten war. 4. Nach den für Standardwirtschaftsgüter geltenden Maßstäben war die Überlassungswürdigkeit der Gemeinschuldnerin auch nach Eintritt ihrer Überschuldung und Kreditunwürdigkeit noch gegeben, da nennenswerte Rückstände bei den Pachtzinsen bis dahin nicht aufgetreten waren, vielmehr die Pacht im wesentlichen vereinbarungsgemäß gezahlt wurde, was gerade Gegenstand des Rechtsstreits ist. Unter diesen Umständen hätte auch ein außenstehender Dritter der Gesellschaft die Betriebshalle noch mit kurzfristiger Perspektive zum Gebrauch überlassen. Denn es bestand auch für einen außenstehenden Dritten keine Veranlassung, das kurzfristige Pachtausfallrisiko nicht (weiterhin) einzugehen. Damit handelte es sich bei der weiteren Gebrauchsüberlassung des Standardwirtschaftsgutes um eine Leistung, die die Gemeinschuldnerin auch auf dem freien Markt noch hätte erhalten können, so dass die Gewährung der Leistung durch den Beklagten keinen kapitalersetzenden Charakter hatte. II. Anfechtbar gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist allerdings die Pachtzahlung vom 30.4.2001, denn diese lag bereits zeitlich nach dem Eigenantrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 9.4.2001. Die Beklagte hatte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und von dem Insolvenzantrag durch ihren Komplementär Werner T, der zugleich Geschäftsführer der Schuldnerin war. Zurückzugewähren sind daher 13.000 DM, das entspricht 6.646,79 EUR. III. Eine weitere Anfechtbarkeit für den Dreimonatszeitraum vor Eröffnung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ) kann nicht festgestellt werden, da zur Zahlungsunfähigkeit vor dem Eigenantrag vom 9.4.2001 nichts vorgetragen ist. IV. Zinsen sind nur in der gesetzlichen Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB) zuzusprechen. Um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt es sich bei Insolvenzanfechtungsansprüchen nicht. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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