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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 27 U 58/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das 4. November 2005 verkündete Versäumnisteil- und Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen:

der Beklagte zu 3) seine eigenen außergerichtlichen Kosten allein - wie bereits am 16. Mai 2006 beschlossen - sowie 7 % der Gerichtskosten und 16 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2),

der Beklagte zu 2) seine eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 93 % der Gerichtskosten und 84 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin allein und 7 % der Gerichtskosten und 16 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 3).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

A. Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2) (nachfolgend auch kurz: der Beklagte) ist unbegründet. Denn das Landgericht hat prozessual ordnungsgemäß über den Klageantrag entschieden und in der Sache zutreffend einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bejaht.

I. Dass der Kläger den Klageantrag in erster Instanz gestellt hat, steht aufgrund des Inhalts des Protokolls wegen dessen formeller Beweiskraft (§ 165 ZPO) fest. Die Feststellung einer Förmlichkeit im Protokoll beweist, dass sie gewahrt ist; andere Beweismittel und damit ein Gegenbeweis sind ausgeschlossen (vgl. Zöller/Stöber, § 165 ZPO Rn 3). Eine Ausnahme gilt nur für den Nachweis der Fälschung. Im Übrigen genügt selbst die Wahrscheinlichkeit einer Unrichtigkeit des Protokolls zur Widerlegung seiner formellen Beweiskraft nicht. Abhilfe ist nur im Wege der Protokollberichtigung (§ 164 ZPO) möglich (Zöller/ Stöber, a.a.O.); eine solche Berichtigung hat das Landgericht hier indessen gerade abgelehnt.

II. In der Sache selbst ist auch der Senat überzeugt davon, dass der Beklagte gemeinsam u.a. mit dem Zeugen L, dem früheren Beklagten zu 1), die Anleger der N GmbH & Co KG, u.a. die Klägerin, vorsätzlich über ihre von vornherein bestehende Absicht getäuschte hat, die eingezahlten Gelder der Anleger ausschließlich an die X GmbH und damit mittelbar an sie persönlich weiterzuleiten statt sie - wie im Anlageprospekt versprochen - in Unternehmensbeteiligungen und kapitalmarktüblichen Finanzengagements anzulegen. Durch die Umsetzung dieser Absicht ist neben dem Betrugstatbestand - auch der Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) erfüllt.

1.

Nach dem im Verkaufsprospekt dargestellten Anlagekonzept sollten die Anlegergelder in mittelständische Unternehmen investiert werden. Dabei bewarb der Prospekt, dass eine besonders gewissenhafte Auswahl der Beteiligungen dadurch gewährleistet sei, dass die jeweilige Mittelfreigabe zusätzlich durch den externen Berater J mbH validiert würde. Dieses suggerierte den Anlegern ein hohes Maß an Sicherheit der eingelegten Gelder aufgrund der - über die Fa. J vermeintlich gesicherten - externen Qualitätssicherung.

Tatsächlich fand eine externe Qualitätskontrolle jedoch nicht statt, da - was die Anleger nicht erkennen konnten - auch die vermeintlich unabhängig beratende J in Wahrheit durch den Beklagten beherrscht war. Aufgrund der personellen Verquickung übte die J ihre Kontrollbefugnis nicht im Sinne der Anleger aus, sondern gab die Anlegergelder in der Weise frei, dass Nutznießer ausschließlich die Initiatoren des Fonds selbst, die von ihnen beherrschten Unternehmen sowie die mit dem Vertrieb des Fonds beauftragte X GmbH wurden.

Dieses entsprach einem unter den Initiatoren von vornherein verabredeten Gesamtplan, wie bereits das Landgericht aufgrund einer Gesamtschau der feststehenden Umstände überzeugend begründet hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts insoweit an und weist nur ergänzend noch auf Folgendes hin:

a)

Bereits die bei der Gründung eingerichtete "Treuhandkonzeption", nach der Dr. T seine Gesellschaftsanteile in Wahrheit nicht für sich selbst, sondern für den Beklagten und den früheren Beklagten zu 1) hielt, zielte darauf ab, die weitgehende Personenidentität der Beteiligten in den verschiedenen Gesellschaften zu verschleiern. So hat nicht nur der frühere Geschäftsführer Dr. T, der treuhänderisch die Gesellschaftsanteile an der N GmbH für den Beklagten und den Zeugen L hielt, in seiner polizeilichen Vernehmung vom 5.11.2002 bekundet, dass diese Regelung gerade deshalb gewählt worden war, damit nicht mit einem Blick ins Handelsregister die personellen Verflechtungen der Fondskonzeption sofort erkennbar würden (Bl. 157 GA), sondern auch der Beklagte hat bei seiner Anhörung vor dem Senat erklärt, ihm würde keine Begründung dafür einfallen, warum dieses Treuhandkonzept gewählt worden war und der Zeuge L hat in seiner Vernehmung ebenfalls ausdrücklich bestätigt, dass nicht erkennbar sein sollte, dass Fonds und Vertriebsgesellschaft von denselben Personen getragen würden.

Diesem bewussten Verdecken der personellen Verflechtungen auf der einen Seite entsprechen die mit den Angaben des Prospekts über die Mittelverwendung in keiner Weise in Einklang zu bringenden Zahlungsvorgänge auf der anderen Seite. So sind schon am 12.1.2000 mehr als 700.000 DM von der KG an die L1 GbR überwiesen worden, die später von dieser an die X GmbH weitergeleitet wurden, ohne dass hierfür irgendeine Grundlage ersichtlich war. Eine vertragliche Grundlage wurde erst nachträglich mit einem Darlehensvertrag vom 5.12.2000 geschaffen. Diese Überweisung vom Januar 2000 stützt die Würdigung des Landgerichts, dass der entsprechende Plan schon Ende 1999 bestanden haben muss, als die Klägerin ihre erste Einlage zeichnete; denn zuvor musste erst die Treuhänderin die Gelder erhalten und überwiesen haben und sie hätte ihre Beteiligung bei der KG erhöhen müssen, ehe sie die Gelder dorthin überwies; tatsächlich ist eine Erhöhung im Handelsregister erst am 22.12.2000 eingetragen worden. Ein erst zwischenzeitlicher Sinneswandel von einer prospektgemäßen Mittelverwendung zu einer rechtsgrundlosen Überweisung erscheint nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass der Beklagte trotz seiner maßgeblichen Stellung keinerlei konkrete Angaben zu ins Auge gefassten Beteiligungen des Fonds an anderen mittelständischen Unternehmen machen konnte.

Im Übrigen wird auf die weitere Begründung des Landgerichts zum Vorliegen einer vorsätzlichen Täuschung auch durch den Beklagten Bezug genommen.

b) Die Aussage des in zweiter Instanz vom Senat vernommenen Zeugen L ist nicht geeignet, Zweifel an der überzeugenden Würdigung des Landgerichts zu begründen. Das Gegenteil ist der Fall.

So hat der Zeuge ausdrücklich eingeräumt, dass schon im Dezember 1999 die Entscheidung gefallen sein könne, in die X GmbH zu investieren. Für weitere Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Geldfluss an die X hat indessen auch er keine auch nur halbwegs nachvollziehbaren und plausiblen Erklärungen liefern können. So konnte er weder hinreichend erläutern, warum in dem Darlehensvertrag zwischen dem N und der X der Darlehensbetrag offen gehalten und der Bestimmung durch die L1 GbR überlassen wurde noch warum die Zahlungen ohne vertragliche Grundlage überhaupt über die L1 GbR liefen. Die Angabe, dass dies wegen einer Trennung von Provisionen und Beteiligungen notwendig gewesen sei, erscheint vorgeschoben und überzeugt den Senat nicht. Auch konnte der Zeuge nicht vermitteln, warum es eine ordnungsgemäße Maßnahme im Interesse der Anleger gewesen sein soll, das Darlehen zunächst zinslos zu vergeben. Dass diese Entscheidung von den zuständigen Prüfungsgremien gebilligt worden wäre, vermochte er ebenfalls nicht darzulegen.

Zu den massiven Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Schluss tragen, dass es ihm und dem Beklagten letztlich nur darum ging, Geld für sich persönlich und die von ihnen getragene X GmbH zu beschaffen, gehört schließlich auch der Inhalt des Letter of Agreement. Dass dessen Inhalt zunächst nicht umgesetzt worden ist, steht dieser Annahme nicht entgegen, nachdem der Zeuge L eingeräumt hat, dass die Umsetzung bislang noch nicht durchgeführter Maßnahmen aus dem Letter of Agreement erfolgen sollte, wenn insgesamt noch mehr Geld vorhanden war.

2. Nach alledem ist der Beklagte als Mittäter eines Betrugs zu Lasten der Anleger anzusehen. Er hat leistete eigene täterschaftliche Beiträge im Rahmen der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans geleistet. Er war als Treugeber an der N GmbH beteiligt, als Geschäftsführer der J GmbH tätig und verfügtehat als alleiniger Verfügungsberechtigter über das Konto der L1 GbR verfügt. Zudem war er für die Verbreitung des Prospekts mit dem ihm bekannten unzutreffenden Inhalt einer beabsichtigten kontrollierten Investition in Fremdunternehmen, mit dem die Anleger getäuscht wurden, verantwortlich.

Hierauf beruht die Vermögensverfügung der Klägerin in Form der Zeichnung ihrer Einlagen, ihr Vermögensschaden ist durch die Zahlung an die Treuhänderin eingetreten. Der dafür erworbene Anspruch auf Beteiligung an der KG war wegen der beabsichtigten Fehlverwendung der Mittel nicht entsprechend werthaltig. Da sich die Absicht des Beklagten auch auf diesen Vermögensvorteil der Treuhänderin als notwendiger Zwischenschritt für den beabsichtigten Enderfolg (Eingang des Geldes bei der X GmbH) bezog, ist damit der Betrugstatbestand vollendet.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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