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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: 27 U 63/00
Rechtsgebiete: KO, BGB, ZPO


Vorschriften:

KO § 30
KO § 30 Nr. 1 2. Alternative
KO § 30 Nr. 1
KO § 41
KO § 31 Nr. 2
KO § 31
KO § 41 Abs. 1
KO § 37
KO § 1
KO § 6
KO § 91 Abs. 1
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 433
ZPO § 141
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 63/00 OLG Hamm 5 O 348/99 LG Bielefeld

Verkündet am 7. November 2000

Finger, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vorn 7. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Heitmeyer sowie die Richter am Oberlandesgericht Schiwitz und Frieler

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Hilfsanschlussberufung des Klägers wird das am 2. Februar 2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die aus der Anlage ersichtlichen Gegenstände an den Kläger zurück zu gewähren, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung von 21.713,99 DM.

Die Zahlungsklage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 100.000,00 DM abzuwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit auch durch Prozessbürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Die Urteilsbeschwer für die Beklagte übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 26. Mai am 1. August 1998 eröffneten Konkurs über das Vermögen der Firma H H GmbH & Co. KG (künftig: Gemeinschuldnerin). Diese handelte mit Stoffen und Gardinen und führte bis Februar 1998 Einzelhandelsgeschäfte in Oldenburg, Steinhagen, Lübbecke, Dissen, Brackwede, Borken, Iburg, Wismar und Emsdetten. Geschäftsführer der Komplementärin, der H H Verwaltungs GmbH, war der Vater der Beklagten, die ihrerseits als Angestellte der Gemeinschuldnerin den Wareneinkauf besorgte und die Personalbetreuung inne hatte. Ihre Mutter war alleinige Kommanditistin der Gemeinschuldnerin. Nachdem der Vater der Beklagten einen Herzinfarkt erlitten hatte, kamen die Gemeinschuldnerin und die Beklagte angeblich durch Vorvertrag vom 12. November 1995 überein, letzterer zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt einen Teil oder sämtliche Filialen zu übertragen. Unter dem 18. April 1996 bestätigte die Gemeinschuldnerin der Beklagten, dass deren monatlich in der GmbH belassene Gehälter "ausschließlich als Anzahlung auf eine in Zukunft zu erstellende Inventar- und/oder Warenrechnung zu verstehen" seien. Nachdem die Beklagte am 1. Februar 1998 ihre Tätigkeit als Einzelhandelsunternehmerin aufgenommen hatte, kaufte sie von der Gemeinschuldnerin den Warenbestand und das Inventar aller Filialen mit Ausnahme derjenigen in Wismar - die dortigen Geschäftsräume waren aufgelaufener Mietzinsrückstände wegen am 27. Oktober 1997 gekündigt worden - und Emsdetten und führte die übernommenen Geschäfte zunächst fort. Gemäß Rechnungen vom 1. März 1998 entfielen auf den Warenbestand 655.000,00 DM (753.250,00 DM brutto) sowie auf Betriebsmittel und Inventar 135.926,50 DM (156.37.5,48 DM brutto), Kaufpreis insgesamt also 790.926,50 DM. Aus einem unter dem 9. Februar gewährten Investitionsmittelkredit der Sparkasse leistete die Beklagte in der Zeit vom 4. April bis 14. Mai 1998 Zahlungen auf die Warenübernahme sowie eine Scheckzahlung von 21.713,99 DM auf das Inventar. Gegenüber der Restschuld aus dem Inventarkauf über noch 134.601,49 DM rechnete die Beklagte am 28. Februar 1998 mit den stehengelassenen Gehaltsansprüchen auf. Nachdem die Gemeinschuldnerin in den Jahren 1995 und 1996 noch Überschüsse von ca. 24.000,00 DM bzw. 32.000,00 DM erwirtschaftet hatte, stellten sich danach wirtschaftliche Schwierigkeiten ein. Aufgrund von Gläubigeranträgen, beginnend mit dem 13. August 1997, wurden in der Zeit vom 23. Oktober 1997 bis Ende Februar 1998 vier und bis zur Konkurseröffnung weitere fünfzehn Eintragungen in die Schuldnerkartei vorgenommen. Nach einer vom Kläger vorgelegten Forderungsaufstellung waren im Zeitpunkt der von der Beklagten erklärten Aufrechnung Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin von über 500.000,00 DM nicht bedient und wurden auch bis zur Konkurseröffnung nicht zurückgeführt.

Der Kläger hat zunächst den Kaufvertrag und die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gemäß §§ 30 Nr. 1 2. Halbsatz, 31 Nr. 2 KO angefochten, später die Anfechtung der Aufrechnungserklärung betont und seinen Rückgewähranspruch mit Blick auf eine Gegenforderung der Beklagten aus überzahltem Umlaufvermögen über 43.574,63 DM auf 91.027,13 DM beschränkt. Er hat behauptet, bei Vornahme des angefochtenen Rechtsgeschäfts sei die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig gewesen, was die Höhe der dann endgültig nicht beglichenen Verbindlichkeiten und zudem die Eintragungen in die Schuldnerkartei offenbarten. Auch die ausgebliebene Mietzahlung für das Ladenlokal in Wismar spreche dafür. Die Gemeinschuldnerin habe auch keine Kredite mehr erhalten können, nach dem ihr im Jahre 1996 die C AG in S ein Darlehen von 650.000,00 DM mit einer Laufzeit bis 20. August 2004 gewährt habe, das die Gesellschafter, sowie die Beklagte und deren Bruder hätten absichern müssen. Die Beklagte habe nahezu den gesamten Warenbestand und das Inventar der Gesellschaft aufgekauft mit Ausnahme der ertragsschwachen Filialen in Wismar und Emsdetten mit einem Warenbestand im Werte von 238.747,20 DM, bzw. 149.320,99 DM per 31. Dezember 1997, mit dem der Fortbestand der Gemeinschuldnerin nicht habe gesichert werden können. Der Beklagten sei die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen, da sie im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Die Veräußerung des hier maßgeblichen Inventars an die Beklagte habe nur dazu gedient, das Vermögen des Unternehmens für die Familie zu retten.

Ihren mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1999 angekündigten Hilfsantag, die Beklagte zu verurteilen, die in der Anlage des Urteils aufgeführten Gegenstände Zug um Zug gegen Zahlung von 21.713,99 DM zurück zu übereignen und heraus zu geben hat der Kläger in erster Instanz nicht verlesen, sondern beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 91.027,13 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Frühjahr 1998 bezweifelt und dazu geltend gemacht, es seien noch Zahlungen von mehr als 270.000,00 DM an Gläubiger geleistet worden. Die per 31. Dezember 1997 durchgeführte Inventur im Warenlager habe für alle Filialen einen Bruttoverkaufswert von über 2 Mio. DM ergeben. Hiervon habe sie, die Beklagte, lediglich Einzelläger im Werte von insgesamt 753.250,00 DM brutto übernommen, so dass der Gemeinschuldnern noch ein Warenlager im Wert von über 1,3 Mio. DM verblieben sei. Da die Filialen in Wismar und Emsdetten 20 % des Umsatzes erwirtschaftet hätten, seien genug flüssige Mittel verblieben, das Geschäft ungefährdet weiterzuführen. Der Verkauf an sie sei nicht im Gläubigerbenachteiligungsabsicht erfolgt, sondern habe nur die Erfüllung der Vereinbarungen vom 12. November 1995 und 18. April 1996 bedeutet. Sie habe ihre Gehälter bei der Gemeinschuldnerin stehen lassen, um auf diese Weise das zur Erlangung des Investitionsmittelkredites notwendige Eigenkapital von 15 % für die Übernahme der Filialen anzusparen. Als dann die öffentlichen Fördermittel hätten beantragt werden können, sei die Vereinbarung umgesetzt worden. Jedenfalls sei ihr die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin nicht bekannt gewesen, insbesondere habe ihr Vater sie bis zum Schluss über die tatsächlichen Verhältnisse im Unklaren gelassen und ihr verschwiegen, dass sich die Liquidität wesentlich verschlechtert habe.

Das Landgericht Bielefeld hat die Beklagte nach uneidlicher Vernehmung ihres Vaters D H antragsgemäß zur Zahlung von hauptsächlich 91.027,13 DM verurteilt aus im wesentlichen diesen Gründen: Der Kläger habe die Kaufpreiszahlung aus der Veräußerung des Inventars zu beanspruchen; die Aufrechnung der Beklagten mit Ansprüchen aus steten gelassenen Gehaltsanteilen gemäß Vereinbarung vom 18. April 1996 mit der Gemeinschuldnerin habe die Kaufpreisforderung nicht zu Fall bringen können, weil insoweit die Anfechtung aus A130 Nr. 1, 31 Nr. 2 KO begründet sei. Die Gemeinschuldnerin sei im Zeitpunkt der Vornahme des anfechtbaren Rechtsgeschäftes zahlungsunfähig gewesen. Das folge aus den schon zu diesem Zeitpunkt vermerkten Eintragungen der Gemeinschuldnerin in die Schuldnerkartei, aber auch aus der Aufstellung des Klägers über Verbindlichkeiten in Höhe von 500.000,00 DM im Zeitpunkt der Aufrechnung, die niemals beglichen worden seien. Die Verteidigung der Beklagen dahin, die Gemeinschuldnerin habe mit den Filialen in Wismar und Emsdetten mit einem dortigen Warenbestand im Werte von 1,3 Mio. DM die Geschäfte fortführen können, verfange nicht, weil die Geschäftsräume in Wismar bestellender Mietzinsrückstände wegen bereits gekündigt gewesen sei und sich der Inventarwert nach den vom Kläger zum 21. Dezember 1997 erstellten Inventurlisten auf nur 400.000,00 DM belaufen habe. Nach richterlicher Überzeugung sei der Beklagten bei Abschluss der Kaufverträge und ihrer Aufrechnung die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen. Der gegenteiligen Aussage ihres Vater sei nicht zu folgen, zumal dieser ab Ausgang des Rechtsstreits persönlich und möglicherweise auch wirtschaftlich interessiert sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass in der Familie nicht über das Geschäft gesprochen worden sei. In jedem Falle habe die Beklagte, die für den gesamten Wareneinkauf zuständig gewesen sei, aus Kontakten zu den Warenverkäufern von Zahlungsschwierigkeiten erfahren; Gegenteiliges sei nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen. Die Umstände begründeten weiter die Überzeugung, dass die Veräußerung an die Beklagte den Sinn gehabt habe, angesichts des drohenden Zusammenbruches noch ein wirtschaftlich günstiges Ergebnis zu erreichen. Dem stehe die Übernahmevereinbarung vom 12. November 1995 nicht entgegen, weil diese zunächst nicht vollzogen worden sei, so dass der Verkauf nur im Zusammenhang mit dem Unternehmenszusammenbruch gesehen werden könne. Auf diese Weise sei der Beklagten Gelegenheit gegeben worden, ihre aufgelaufenen Gehaltsansprüche zu Lasten der übrigen Gläubiger zu befriedigen.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie stellt die Wahrung der Anfechtungsfrist des § 41 KO zur Überprüfung und rügt die tatsächlichen wie rechtlichen Feststellungen des Landgerichts. Zur Anfechtung aus § 30 Nr. 1 2. Alternative KO verweist sie auf die Beweislast des Klägers zur Kenntnis einer vermeintlichen Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin zur Zeit der Aufrechnung als kongruent qualifizierten Leistung infolge der Vereinbarung vom 18. April 1996. Sie meint, es sei weder Zahlungseinstellung zur Zeit der Aufrechnungslage dargetan noch ein von da an fortdauernder Konkursgrund. Die Gemeinschuldnerin habe noch erhebliche Leistungen an ihre Gläubiger, wie an das Finanzamt sowie die Sozialversicherungsträger erbracht. Außerdem sei ihr aus der Veräußerung an die Beklagte Liquidität zugeflossen. Die Aufstellung des Klägers über angebliche Verbindlichkeiten werde mit Nichtwissen bestritten, ganz abgesehen davon, dass diese auch nicht offenbare, dass und welche Gläubiger in welchem Umfang ihre Ansprüche ernsthaft geltend gemacht hätten. In jedem Falle habe sie von einer etwaigen Krise der Gemeinschuldnerin keine Kenntnis gehabt, wie ihr Vater als Zeuge bekundet, was das Landgericht aber nicht zutreffend gewürdigt labe. Die Voraussetzungen der Anfechtung aus § 31 Nr.2 KO sein nicht erfüllt, weil der Kaufvertrag nicht innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist abgeschlossen worden sei und mit Blick auf die gleichwertigen Gegenleistungen der Beklagten zu keiner objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt habe. Von einer entsprechenden Absicht der Gemeinschuldnerin könne nach der Aussage ihres Vaters ebenso wenig die Rede sein wie von einer etwaigen Kenntnis ihrerseits davon.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt hauptsächlich,

die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Hilfsanschlussberufung nach dem in erster Instanz gestellten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz des Klägers vom 14. Dezember 1999 zu erkennen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung der aus seiner Sicht die Konkursanfechtung begründenden Umstände und beruft sich hilfsweise auf einen Zahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB.

Wegen des Vorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Beklagte gemäß § 141 ZPO persönlich angehört und ihren Vater D H als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zur Berufungsverhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten führt zwar zur Abweisung des Zahlungsbegehren des Klägers, hat aber in der Sache aus dem Grunde keinen Erfolg, weil sie den mit der Hilfsanschlussberufung geltend gemachten Rückgewähranspruch in Natur zu bedienen hat (1). Der zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten geschlossene Kaufvertrag mit Herbeiführung der Aufrechnungslage unterliegt nämlich der Konkursanfechtung (2).

1.

Der Kläger kann wegen der seitens der Gemeinschuldnerin an die Beklagte veräußerten Inventargegenstände keinen Wertersatz beanspruchen. Die - wie noch unter 2 auszuführen sein wird - begründete Konkursanfechtung gewährt primär nur einen Anspruch auf Rückgewähr des aus dem Schuldnervermögen Weggegebenen. Wertersatz kommt als Sekundäranspruch nur dann in Frage, wenn die Rückgewähr (in Natur) nicht möglich ist oder dieser unverhältnismäßige Schwierigkeiten entgegenstehen (BGHZ 101, 286 = NJW 1987, 2821). Die Voraussetzungen des Wertersatzanspruches hat der Kläger schon nicht dargetan und erst recht nicht unter Beweis gestellt; den Angaben der Beklagten, die Inventargegenstände seien grundsätzlich noch in ihrem Besitz, es seien allenfalls einige Teile nach Bedarf ersetzt worden, ist der Kläger nicht entgegengetreten. Bei dieser Sachlage ist ein Wertersatzanspruch nicht zu begründen. Etwaige Unwägbarkeiten bzgl. der herauszugebenden Gegenstände sind im Vollstreckungsverfahren zu klären (§ 883 ZPO).

Der schön im ersten Rechtszug als Hilfsantrag angebrachte und mit der Hilfsanschlussberufung wiederbelebte Rückgewähranspruch in Natur ist nicht verfristet.

Die Klage ist am 27. Juli 1999, also vier Tage vor Ablauf der Frist des § 91 Abs. 1 KO (Konkurseröffnung: 1. August 1998) bei Gericht eingegangen. Ungeachtet des damit verbundenen Antrages auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist der erforderliche Prozeßkostenvorschuss am 29. Juli bei Gericht eingegangen. Die danach am 16. August erfolgte Zustellung liegt innerhalb des zeitlichen Rahmens, in dem gemäß § 270 Abs. 3 ZPO eine demnächstige Zustellung die Frist schon durch Einreichung der Klage wahren lässt. Im übrigen wäre die geringe zeitliche Verzögerung durch die Frage des Gerichts vom 30. Juli dahin, ob die Klage unabhängig von der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zugestellt werden solle, vom Kläger nicht zu vertreten, so dass ihm die Wohltat des § 270 Abs. 3 ZPO nicht zu versagen wäre. Allerdings hat der Kläger mit der Klage einen Zahlungsantrag verfolgt lind nicht den Rückgewähranspruch in Natur. Gleichwohl hat die Klage die Frist des § 41 Abs. 1 KO auch hinsichtlich des Primäranspruches gewahrt. Die Anfechtungsfrist wird regelmäßig dadurch gewahrt, dass ein den Anforderungen des § 37 KO entsprechender Antrag gestellt wird mit dem Vortrag eines diesen rechtfertigenden Sachverhaltes (BGH NJW 1997, 1857). Der Kläger hat seinen mit der Klage angebrachten Antrag ausdrücklich auf § 37 KO, die Anfechtungstatbestände der A 31 Nr. 2 und 30 Nr. 1 2. Halbsatz KO gestützt, dazu den Verkauf des Inventars und der Warenbestände der Gemeinschuldnerin an die Beklagte am 1. März 1998; die - soweit erfolgt - Verrechnung der Kaufpreisschuld mit einer Darlehensforderung der Beklagten vorgetragen und noch einmal die Anfechtung des Kaufvertrages und der Aufrechnung erklärt. Dieser Vortrag offenbarte die Zielrichtgung des Klägers dahin, das gesamte Kaufgeschäft zu Fall bringen und das dadurch Weggegebene zur Masse ziehen zu wollen, so dass die Beklagte ihre Verteidigungslinie darauf einrichten konnte. Zwar hat der Kläger in einem späteren Schriftsatz nur die Anfechtbarkeit der Aufrechnung weiter vertieft; dass er damit jedoch die Anfechtung des Kaufvertrages aufgegeben hätte, ist dem nicht zu entnehmen, zumal sich der Kläger zu keinem Zeitpunkt eines Anspruches auf Zahlung einer restlichen Kaufpreisforderung berühmt und dann mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1999 noch hilfsweise den Rückgewähranspruch in Natur geltend gemacht hat. In dem nach Ablauf der Frist gestellten Hilfsantrag liegt keine Einführung eines neuen Streitgegenstandes, die dann nicht fristwahrend gewesen wäre. Zwar folgt aus begründeter Konkursanfechtung nach § 37 KO in erster Linie ein Anspruch auf Rückgewähr in Natur, der in zweiter Linie für den Fall der unmöglichen oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbundenen Rückgewähr gegebene Wertersatzsanspruch ist demgegenüber aber sachlich nichts anderes, sondern nur ein Surrogat. Dementsprechend wird im Übergang vom Rückgewähranspruch in Natur auf einen Wertersatzanspruch keine Klageänderung gesehen (BGH NJW 1999, 359) und wahrt die rechtzeitige Geltendmachung des ersten Anspruches zugleich die Frist für den zweiten (BGH a.a.O.). Der Umstand, dass im vorliegenden Fall der Primäranspruch nur als Hilfsbegehren und der Sekundäranspruch in erster Linie verfolgt worden sind, gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass, weil das nichts daran ändert, dass beide Ansprüche den gesetzlichen Rückgewähranspruch ausfüllen. Soweit der Bundesgerichtshof in der vorbezeichneten Entscheidung in der nach Ablauf der Anfechtungsfrist mit dortigem Hilfsantrag beanspruchten Rückgewähr in Natur die Einführung eines neuen Streitgegenstandes und deshalb Verfristung angenommen hat, liegt dem ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hatte nämlich der klagende Konkursverwalter gestützt auf die §§ 30, 31 KO ausschließlich die Aufrechnung des Anfechtungsgegners mit seiner Darlehensforderung gegen die Kaufpreisschuld aus dem Kauf von Geschäftsanteilen des Gemeinschulders angefochten, aus § 433 BGB i.V.m §§ 1, 6 KO Kaufpreisansprüche gegen den Anfechtungsgegner verfolgt und diese dem dortigen Mahnbescheidsverfahren unterlegt. Während also dort der Konkursverwalter die Erfüllung des Kaufvertrages durch Liquidation des Kaufpreisanspruches zur Masse erstrebte, geht das Begehren des Klägers hier umgekehrt dahin, durch die Konkursanfechtung dem Kaufvertrag den Boden zu entziehen und dessen Folgen rückgängig zu machen. So gesehen beruht der in erster Linie geltend gemachte Zahlungsanspruch auf einer unzutreffenden Wertung des aus der Anfechtung folgenden Anspruches, das hat indes nichts mit Gesichtspunkten der Klageänderung zu tun und führt deshalb auch nicht zur Verfristung des Primäranspruches.

2.

Der Kaufvertrag über die zurückbegehrten Inventargegenstände ist jedenfalls nach § 31 Nr. 2 KO anfechtbar.

Die unmittelbare objektive Gläubigerbenachteiligung ist nicht zweifelhaft. Mit dem Verkauf der Inventargegenstände unter deren Übereignung an die Beklagte wurde der Gemeinschuldnerin verwertbares Betriebsvermögen entzogen. Zwar erlangte die Gemeinschuldnerin dafür eine entsprechende Kaufpreisforderung gegen die Beklagte, diese war aber ebensowenig werthaltig wie die dafür erhaltene Gegenleistung in Form der Befreiung von ihrer Darlehensschuld gegenüber der Beklagten. Infolge der durch den Kaufvertrag geschlossenen Aufrechnungslage konnte sich die Beklagte - wie auch vorgesehen - von ihrer Kaufpreisschuld durch Aufrechnung mit ihrer Darlehensforderung in Gestalt stellen gelassener Gehaltsansprüche befreien. Der Gegenanspruch der Beklagten war jedoch nicht werthaltig, so dass die Gemeinschuldnerin für ihre Kaufpreisforderung und die Freistellung von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten praktisch keine Gegenleistung erhielt. Die Gemeinschuldnerin hätte schon zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages Darlehensforderungen der Beklagten nicht mehr bedienen können. Unstreitig waren gegen sie bereits vier Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergangen, weitere zehn Anträge lagen vor. Daraus leiten sich - ungeachtet der Höhe der Verbindlichkeiten - akute Zahlungs- und Liquiditätsschwächen der Gemeinschuldnerin ab. Außerdem war der Mietvertrag über das Ladenlokal in Wismar wegen Zahlungsrückstandes gekündigt, zudem ergibt sich aus der erstinstanzlich zu den Akten gereichten Forderungsaufstellung, dass in der hier kritischen Zeit offene Verbindlichkeiten nicht bedient worden sind, etwa rückständige Sozialversicherungsbeiträge von mehr als 40.00,00 DM und Steuerschulden von über 127.000,00 DM. Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht allein mit Nichtwissen erklären, weil sie, abgesehen von einer etwaigen Erkundigungspflicht, schon hätte dartun müssen, welche der Forderungen sie hätte in Frage stellen wollen.

Schließlich offenbart auch der alsbaldige Konkursantrag vom 26. Mai 1998, dass sich die Notlage trotz der angeblich beachtlichen Warenbestände der Gemeinschuldnerin nicht gebessert, sondern mit Blick auf weitere Haftanordnungen verschlechtert hatte. Auf eine Vollwertigkeit der von Seiten der Beklagten erbrachten Arbeitsleistung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil damit nicht die Werthaltigkeit des Darlehensanspruchs begründet werde kann.

Die Vorvereinbarung vom 12. November 1995 zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten, deren Abschluss ihr als Zeuge gehörter Vater D H bestätigt hat, spielt, zumal in diesem Zusammenhang, keine Rolle, weil die Absprache über den Rahmen von Absichtserklärungen nicht hinaus geht und also keine konkreten einklagbaren Ansprüche der einen oder anderen Seite begründete, so dass das anfechtbare Rechtsgeschäft erst Ende Februar/Anfang März 1998 wirklich stattgefunden hat. Eine etwaige Verfristung der Anfechtung aus § 31 Nr. 2 KO steht deshalb nicht zur Diskussion.

Da das Gesetz in den Fällen der Anfechtung aus § 31 Nr. 2 KO die Absicht der Gläubigerbenachteiligung des Gemeinschuldners und deren Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners vermutet, hätte sich die Beklagte insoweit entlasten müssen.

Dass die Gemeinschuldnerin keine Benachteiligungsabsicht gehabt hätte, ist nicht festzustellen. Insoweit wird die Beklagte vielmehr durch die erörterten wirtschaftlichen Umstände belastet. Hinzu kommt, dass das angefochtene Rechtsgeschäft wirtschaftlich zur Hingabe des Kaufgegenstandes an Erfüllungs Statt in Bezug auf den Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten (vgl. BGH NJW 1999, 359) und also zur inkongruenten Deckung führte, die eine Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin indiziert. Das Indiz wird durch die Vereinbarung vom 18. April 1996 nicht entkräftet, weil - wie ausgeführt - der anfechtbare Kaufvertrag erst Ende Februar/Anfang März 1998 geschlossen worden ist und diese sich lediglich über die Verwendung der stellen gelassenen Gehaltsansprüche verhält, ohne eine verbindliche Aufrechnungsvereinbarung zumal für den hier kritischen Zeitpunkt vorzusehen, die mangels Aufrechnungslage ohnehin nicht hätte in Frage kommen können. Im Lichte dessen wäre zur Entlastung erforderlich gewesen darzulegen, dass die Gemeinschuldnerin bei Vornahme des anfechtbaren Rechtsgeschäftes in der Lage gewesen wäre, in absehbarer Zeit alle ihre Gläubiger befriedigen zu können (BGH NJW 1998, 1561; 1995, 1090).

Das ist jedoch nicht geschehen; im übrigen steht dem die tatsächliche Entwicklung der Gemeinschuldnerin entgegen. Der Entlastungsbeweis ist auch insoweit nicht geführt, als die Kenntnis der Beklagten von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht zur Debatte steht. Die Aussage, ihres Vaters D H reicht dafür nicht hin. Es fällt schon schwer zu glauben, dass der Vater seine Tochter über die Krise der Gemeinschuldnerin im Unklaren gelassen haben soll, zumal diese im Geschäft selbst tätig war und praktisch den gesamten Geschäftsbetrieb übernehmen sollte. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass nicht das Unternehmen insgesamt auf die Beklagte, sondern nur einzelne Geschäftsniederlassungen mit Inventar und Warenbestand übertragen worden sind. Dass der Grund dessen, der in der wirtschaftlichen Krise der Gemeinschuldnerin und deren Absicht, die Beklagte damit nicht zu belasten, gelegen haben dürfte, nicht erörtert worden sein soll, erscheint lebensfremd, es sei denn, die Beklagte hätte von der Krise aufgrund eigener Wahrnehmung Kenntnis gehabt, so dass sich Gespräche über die Notlage ohnehin erübrigten.

Eigene originäre Kenntnis der Beklagten von den Umständen, die die Krise begründeten, entsprächen ohnehin der Lebenserfahrung. Immerhin war die Beklagte selbst an maßgeblicher Stelle im Unternehmen tätig und hat den gesamten Einkauf besorgt. Dass ihr dabei die schlechte Geschäftsentwicklung entgangen wäre, erscheint ebenso unwahrscheinlich wie die Annahme, dass sie von offenen und vergeblich einforderten Verbindlichkeiten nichts gehört hätte.

Insoweit hat die Beklagte schon selbst nicht nachprüfbar dargetan, Erkenntnisquellen in dieser Richtung weder gehabt noch genutzt zu haben. Hinzu kommt, dass - wie sich in der Berufungsverhandlung durch die Aussage des Zeugen H erstmals offenbart hat - der Bruder der Beklagten sogar als Vertreter des Geschäftsführers tätig gewesen ist. Dass diesem die Krise entgangen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet und ist auch den Umständen nach nicht anzunehmen. Dass sie mit ihrem Bruder die Lage weder erörtert noch abgewogen hätte, wird von ihr selbst nicht eingewandt. Unter diesen Umständen kann sich der Senat keine Überzeugung davon verschaffen, dass die Gemeinschuldnerin bei Abschluss des Vertrages keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehabt und die Beklagte ihrerseits davon keine Kenntnis gehabt hätte.

Greift danach die Anfechtung aus § 31 Nr. 2 KO, dann bedarf es keiner weiteren Diskussion, ob der Kaufvertrag nicht auch aus den zur Zahlungseinstellung vorgetragenen Gründen im Lichte der Entscheidung des BGH (VersR 1999, 1287) aus § 30 Nr. 1 KO anfechtbar wäre.

In der Konsequenz der Anfechtung hat der Kläger der Beklagten die Rückzahlung der Barleistung auf den Kaufpreis in Aussicht gestellt. Dem hat der Senat durch die dem Hilfsantrag stattgegebene Entscheidung entsprochen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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