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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 27 U 7/07
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 35
GmbHG § 46
Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, der die Gesellschaft wirksam nach außen vertritt, wirksam zu ihrem Organ bestellt und im Handelsregister eingetragen und auch nicht lediglich "Strohmann" ist, unterliegt unbeschadet seiner Bezeichnung als Arbeitsvertrag den Regeln des Gesellschaftsrechts und nicht denen des Arbeitsrechts. Auch die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen steht dem nicht entgegen.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Dezember 2006 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

540 ZPO)

A.

Der Kläger war seit 1998 Angestellter zunächst der V AG. Nach mehreren Umstrukturierungsmaßnahmen wurde das Arbeitsverhältnis mit der S AG fortgesetzt. Mit einer zwischen der S AG sowie den Parteien dieses Rechtsstreits getroffenen Vereinbarung vom 8. September 2005, die für die Beklagte deren damaliger Geschäftsführer T unterzeichnete, sollte das Arbeitsverhältnis mit der S AG beendet und ein neues "Arbeitsverhältnis" mit der Beklagten begründet werden, damit der Kläger dort die Stellung eines Geschäftsführers einnähme. Durch Gesellschafterbeschluss der Beklagten vom 15. September 2005 wurde der Kläger zu deren Geschäftsführer bestellt.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2006 kündigte die Beklagte den "Arbeitsvertrag" des Klägers zum 31. Dezember 2006, nachdem er zuvor durch die Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer abberufen worden war. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung. Mit der Klage verfolgt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die ordentliche Kündigung vom 21.6.2006, zugegangen am 26.6.2006, nicht aufgelöst worden sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, während der Kläger das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Feststellungen sind dahin zu ergänzen, dass zwischen der V AG und dem Konzernsprecherausschuss der V-Gruppe eine Vereinbarung vom 27. September 2004 über einen Sonderkündigungsschutz für Führungskräfte getroffen wurde, wegen dessen Inhaltes im Einzelnen auf die zu den Akten gereichte Anlage (Bl. 197 d.A.) Bezug genommen wird.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung, dass sein "Arbeitsverhältnis" nicht durch die hier streitige Kündigung beendet worden sei.

I.

Zweifelhaft ist bereits, ob zwischen den Parteien überhaupt ein wirksames Vertragsverhältnis begründet wurde, als die Beklagte bei der Unterzeichnung des Vertrages am 8. September 2005 durch ihren damaligen Geschäftsführer T vertreten wurde. Denn zuständig für den Abschluss eines Anstellungsvertrages mit einem (designierten) Geschäftsführer ist allein die Gesellschafterversammlung; dieses folgt als Annexkompetenz aus § 46 Nr. 5 GmbHG (s. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 36 m.w.N.). Der Vertrag vom 8. September 2005, der für die Beklagte nur von deren damaligen Geschäftsführer T unterzeichnet wurde, könnte somit von einem unzuständigen Organ der Beklagten geschlossen worden sein mit der Folge, dass zwischen den Parteien lediglich ein sog. "faktisches Anstellungsverhältnis" bestand, welches jederzeit durch einseitige Erklärung einer Partei ohne Einhaltung einer Frist aufgelöst werden konnte.

Auf diese Frage - bezüglich derer den Parteien noch Gelegenheit zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden müssen - kommt es jedoch letztlich nicht an, da sich die Klage jedenfalls auch noch aus anderen Erwägungen als unbegründet erweist.

II.

Das Rechtsverhältnis der Parteien war - sein wirksames Zustandekommen unterstellt - ein Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis. Dieses wurde auf Beschluss der Gesellschafterversammlung durch die formgerecht und unter Berücksichtigung der vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende durch Rechtsanwalt Q im Namen der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 21. Juni 2006 zum 31. Dezember 2006 beendet. Die Kündigung unterlag weder den Einschränkungen der allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzvorschriften noch der mit der V AG getroffenen tariflichen Sondervereinbarungen.

1.

Die Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien als ein Geschäftsführeranstellungsverhältnis - und nicht als einen Arbeitsvertrag - folgt aus der vom Kläger eingenommenen Organstellung als Geschäftsführer der Beklagten. Der Kläger hatte die Organstellung eines Geschäftsführers aufgrund eines wirksamen Bestellungsaktes inne, vertrat die Gesellschaft wirksam nach außen, war im Handelsregister als einer von vier gleichberechtigten Geschäftsführern eingetragen und war auch nicht lediglich "Strohmann". Daher ist der Vertrag, der ausweislich seines § 2 ausdrücklich auf ein Beschäftigungsverhältnis in der Funktion als Geschäftsführer zielt, ein Geschäftsführeranstellungsvertrag, der den Regeln des Gesellschaftsrechts und nicht denen des Arbeitsrechts unterliegt (s. im Einzelnen Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 174-178).

Die vom Bundesarbeitsgericht (BAGE 107, 165) in Betracht gezogene Konstellation, wonach ein Geschäftsführer "bei starker interner Weisungsabhängigkeit" als Arbeitnehmer anzusehen sein und das mit ihm bestehende Beschäftigungsverhältnis deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegen könne, wurde von der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - nicht aufgegriffen. Soweit den Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts nicht ohnehin der klare Gesetzeswortlaut entgegensteht (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), treten sie jedenfalls in Widerspruch zu gesellschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätzen, wonach die Weisungsabhängigkeit des GmbH-Geschäftführers von den Vorgaben der Gesellschafterversammlung eine Selbstverständlichkeit darstellt, die seiner den Gesellschaftern untergeordneten Organstellung entspricht. Die "Weisungsabhängigkeit" des Geschäftsführers von der Gesellschafterversammlung ist stets gegeben und kann allein deshalb kein Kriterium für die Umqualifizierung eines Gesellschafteranstellungsverhältnisses zu einem Arbeitsverhältnis sein. Zu diskutieren wäre lediglich die Anwendung einzelner sozialschützender Bestimmungen des Arbeitsrechtes auf solche Fremdgeschäftsführer, die nicht wesentlich am Unternehmensergebnis beteiligt sind. Generell besteht eine Analogiefähigkeit sozialschützender Vorschriften des Arbeitsrechtes jedoch auch für Fremdgeschäftsführer nicht. Ein gesteigerter Sozialschutz müsste vielmehr durch Besonderheiten des Falles begründet sein, welche hier nicht ausreichend dargelegt sind. Insgesamt nicht vereinbar mit der Stellung und Funktion eines Vertretungsorgans einer Gesellschaft sind jedenfalls die arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzvorschriften. Das gilt auch in Ansehung des dem Kläger zuerkannten Schwerbehindertenstatus. Als (abberufener) Geschäftsführer kann der Kläger daher weder die Rechte aus § 102 BetrVG noch aus den Vorschriften des KSchG noch aus § 85 SGV IX für sich in Anspruch nehmen.

Die Bezeichnung des Klägers als "Arbeitnehmer" in dem Anstellungsvertrag vom 9. September 2005 erweist sich somit als eine schlichte Falschbezeichnung (falsa demostratio). Dass im Übrigen für den (am Unternehmenserfolg nicht beteiligten) Kläger Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, ist mit der gesellschaftsrechtlichen Einordnung seines Beschäftigungsverhältnisses als Geschäftsführer-Anstellungsvertrag nicht unvereinbar (Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 181).

2.

Auch bestand nicht ein ruhender Arbeitsvertrag "neben" dem Geschäftsführeranstellungsvertrag. Zwar kommen derartige Konstruktionen grundsätzlich in Betracht, wenn der Angestellte einer Konzernmutter zum Geschäftsführer einer Konzerntochter bestellt werden soll (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 175). Das setzt aber voraus, dass das Arbeitsverhältnis aus der Zeit vor der Anstellung zum Geschäftsführer nicht gekündigt wird (s. im Einzelnen Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdnr. 173). Hier liegt der Fall jedoch so, dass der bisherige Arbeitsvertrag mit der S AG ausdrücklich zum 30. September 2005 beendet und ein neuer Vertrag gezielt mit der Funktion als Geschäftsführer der Beklagten zum 1. Oktober 2005 begründet wurde. Damit galt nur noch das neue Anstellungsverhältnis, welches von vornherein auf die Tätigkeit als Geschäftsführer gerichtet war und fälschlich als "Arbeitsvertrag" bezeichnet wurde.

3.

Ebenso vermag die in § 5 des Vertrages vom 8. September 2005 enthaltene Bezugnahme auf die Vertragsbestandteile des Vertrages vom 2. Januar 2001 das Rechtsverhältnis nicht insgesamt als ein Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Die Einbeziehung früherer Vertragsbedingungen ist nur hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung wie z. B. bei der oben erwähnten Kündigungsfrist von Bedeutung.

4.

Auch stehen der Kündigung nicht besondere tarifvertragliche oder betriebliche Vereinbarungen entgegen.

Der Verkaufs-, Abspaltungs- und Überleitungstarifvertrag (Bl. 29 d.A.) schützt den Kläger allein deshalb nicht, weil dieser Tarifvertrag die leitenden Angestellten - zu denen der Kläger bis dahin gehörte - aus seinem Geltungsbereich ausdrücklich ausnimmt (§ 1 Abs. 1).

Die Vereinbarung zwischen der V AG und dem Konzernsprecherausschuss der V-Gruppe vom 27. September 2004 schützt den Kläger deshalb nicht, weil sich der sachliche Anwendungsbereich dieser Vereinbarung (nur) auf Beschäftigungsverhältnisse bezieht, welche am 27. September 2004 bereits bestanden. Dazu gehört das hier streitige Geschäftsführeranstellungsverhältnis nicht, da dieses erst im September 2005 begründet wurde.

5.

Schließlich ist auch der Behauptung des Klägers nicht weiter nachzugehen, wonach es Absicht der Parteien gewesen sei, es bei den bis dahin für ihn bestehenden (arbeitsrechtlichen) Schutzbestimmungen zu belassen. Denn rein mündliche Abreden hierüber mit dem als Zeugen benannten Herrn P wären schon deshalb irrelevant, weil § 6 der schriftlich geschlossenen Vereinbarung vom 8. September 2005 die Geltung mündlicher Nebenabreden ausschließt, und überdies nicht festgestellt werden kann, dass die mit Herrn P eventuell getroffenen Nebenabreden auch vom Willen der Gesellschafter getragen waren.

Im übrigen hat der Kläger im Senatstermin selbst angegeben, dass es bei den Verhandlungen mit Herrn P nur um den Dienstwagen und um das Jahreseinkommen ging, nicht jedoch um seine soziale Absicherung.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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