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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 27 U 81/06
Rechtsgebiete: GmbHG, HGB


Vorschriften:

GmbHG § 30
GmbHG § 31
HGB § 161 Abs. 2
HGB § 128
Ein die wirksame Leistung der Stammeinlage ausschließendes Hin- und Herzahlen liegt auch dann vor, wenn die GmbH den als Einlage von ihrem Gesellschafter empfangenen Betrag drei Tage später als Darlehen an die GmbH & Co KG weiterleitet, deren Komplementärin sie ist (gegen OLG Jena NZG 2006, 661 = ZIP 2006, 1534).
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. März 2006 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Der Beklagte ist Alleingesellschafter der Schuldnerin. Diese ist die persönlich haftende Gesellschafterin der X GmbH & Co KG (im Folgenden auch kurz nur als KG bezeichnet). Deren einziger Kommanditist ist ebenfalls der Beklagte.

Am 15.2.2000 zahlte der Beklagte auf ein Konto der Schuldnerin 25.000 € auf die von ihm in gleicher Höhe übernommene Stammeinlage ein. Am 18.2.2000 überwies die GmbH diesen Betrag als Darlehen an die KG.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger als Insolvenzverwalter der Schuldnerin die (erneute) Einzahlung der Stammeinlage nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 11. Oktober 2005. Er ist der Auffassung, dass diese nicht wirksam erbracht sei.

Der Beklagte hat eingewandt, dass die Schuldnerin und die KG als wirtschaftliche Einheit zu betrachten seien. Die Darlehensgewährung an die KG sei deshalb einer Rückzahlung des Betrags an den Beklagten nicht gleichzusetzen.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen. Eine unbeschränkte und endgültige Vermögenszuführung an die Schuldnerin habe nicht vorgelegen; es liege vielmehr ein Fall des sog. Hin- und Herzahlens vor, in dem eine wirksame Einlagezahlung nicht erfolgt sei. Soweit das OLG Köln hiervon im Rahmen der §§ 30, 31 GmbHG eine Ausnahme machen wolle, wenn das Hin- und Herzahlen innerhalb einer GmbH & Co KG erfolge, könne dem nicht gefolgt werden, weil Vermögensverlagerungen dadurch Tür und Tor geöffnet werde.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten seiner Begründung sowie der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin Klageabweisung erstrebt.

Er wiederholt und vertieft seine Rechtsauffassung aus erster Instanz und beruft sich hierfür u.a. auf die Entscheidungen des OLG Köln vom 5.2.2002 - 18 U 183/01 - sowie des OLG Jena vom 28.6.2006 - 6 U 717/05 -.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ein Hin- und Herzahlen des Einlagebetrags in geringem zeitlichem Abstand die Einlageschuld nicht tilgt, weil in einem solchen Fall nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Leistung zur freien Verfügung der Gesellschaft gestanden hat; daran ändert es auch nichts, wenn die Rückzahlung der Einlage als Darlehensgewährung deklariert wird (BGH, Urt. v. 21.11.05 -II ZR 140/04- = NJW 2006, 509 m.w.N.). Diesem anerkannten Grundsatz ist das Landgericht zutreffend gefolgt, indem es ausgeführt hat, dass die Stammeinlage mit der Zahlung vom 15.2.2000 nicht wirksam erbracht worden sei, weil der eingezahlte Betrag bereits drei Tage später als Darlehen an die X GmbH & Co KG zurück überwiesen worden ist (so genanntes Hin- und Herzahlen).

II.

Allerdings hat das OLG Jena in einer neueren Entscheidung (Urt. v. 28.6.2006 - 6 U 717/05 - = NZG 2006, 661 = ZIP 2006, 1534) die Auffassung vertreten, dass von diesem Grundsatz eine Ausnahme im Verhältnis der GmbH & Co KG zu ihrer Komplementär-GmbH zu machen sei. Es hat gemeint, dass die Verwaltungs-GmbH ihrer Aufgabenstellung gemäß handelt, wenn sie Finanzmittel in die KG als "eigentliche Betriebsgesellschaft" einbringe. Deshalb spreche die "wirtschaftliche Einheit" der GmbH & Co KG dafür, die Finanzierung der KG durch die Stammeinlagen ihrer Komplementär-GmbH zu gestatten (ähnlich bereits OLG Köln, Urt. v. 5.2.2002 - 18 U 183/01 - = WM 2003, 1423 = NZG 2003, 42, allerdings ausschließlich zu §§ 30, 31 GmbHG).

III.

Diese Entscheidung ist im Schrifttum sowohl auf Zustimmung (Priester in EWiR 2006, 497) wie auch auf Ablehnung (Werner in GmbHR 2006, 942) gestoßen. Der erkennende Senat vermag sich der Auffassung des OLG Jena nicht anzuschließen.

Im Hinblick auf die Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung muss auch in der GmbH & Co. KG daran festgehalten werden, dass es sich bei der KG und ihrer Komplementär-GmbH um selbständige Rechtsträger handelt. Hieran ändert es nichts, wenn die GmbH nicht selbst unternehmerisch tätig wird, sondern ihr Gesellschaftszweck allein darin besteht, für die hinter dem Unternehmen stehenden Gesellschafter eine Beteiligung an der KG als Unternehmensträger in der Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters zu halten.

Nur durch diese Konstruktion mit einer GmbH als Komplementärin ist es den Gesellschaftern möglich, ihr Kapital in eine KG einzubringen, ohne dass einer von ihnen mit seinem persönlichen Vermögen für das Unternehmensrisiko einstehen muss. Zwar wird dies auch für die Gesellschaftsgläubiger durch die Firmenbezeichnung als GmbH & Co KG deutlich; jedoch können diese Gläubiger dann zumindest darauf vertrauen, dass das gesetzliche Mindestkapital (oder die aus dem Handelsregister ersichtlichen höheren Stammeinlagen) aufgebracht und eben nicht für die Zwecke der wirtschaftlichen Betätigung der KG an die Gesellschafter zurückgeflossen ist und danach keinen vergleichbaren Bindungen wie in der GmbH mehr unterliegt.

Ließe man dieses dagegen zu, so wäre die Situation wirtschaftlich nicht anders als wenn das Stammkapital an die Gesellschafter zurückgezahlt und von diesen selbst der KG als Darlehen zum Wirtschaften zur Verfügung gestellt würde. Das hieße, die Einlageforderung der GmbH durch eine wirtschaftlich schwächere Darlehensforderung zu ersetzen; sie würde bei der GmbH nur als einmal durchlaufender Posten erscheinen. Wirtschaftlich betrachtet wäre die Situation also wie bei einer "normalen" KG ohne GmbH als Komplementärin, in der die Gesellschafter denselben Betrag von vornherein direkt in die KG einbringen - nur mit dem zusätzlichen Vorteil, dass niemanden von ihnen eine persönliche Haftung trifft. Es drängt sich nach Meinung des Senats auf, dass eine derartige Gestaltung in der GmbH & Co KG im Falle ihrer Zulassung zum Regelfall zu werden droht und die "klassische" KG daneben ganz vom Markt verschwindet. Die Zulassung eines Komplementärs, dessen einziges Vermögen von Gründung der Gesellschaft an nur in einer Darlehensforderung gegen die KG besteht und deshalb im Falle von deren Leistungsunfähigkeit den Gläubigern niemals eine zusätzliche Haftungsgrundlage bieten kann, wie es § 161 Abs. 2 i.V.m. § 128 HGB bezweckt, weicht jedoch in einem solchem Maße von dem gesetzlichen Leitbild der Kommanditgesellschaft ab, dass sie nach Auffassung des Senats nur durch eine entsprechende klare gesetzliche Regelung erfolgen kann, etwa indem der Gesetzgeber die unternehmerisch selbst nicht tätige Komplementär-GmbH von den Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals befreit.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil wegen der abweichenden Auffassung des OLG Jena die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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