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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 27 U 85/04
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 49
InsO § 91 Abs. 1
InsO § 110 Abs. 1
InsO § 110 Abs. 1 S. 1
InsO § 130
InsO § 130 Abs. 1 S. 1
InsO § 131
InsO § 140 Abs. 1
InsO § 142
InsO § 142 Abs. 1
InsO § 143
InsO § 170 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1 S. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 1123 Abs. 1
BGB § 1124 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. März 2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.242,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2002 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 57 % und die Beklagte 43 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Vollstreckung durch die Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des von der Gegenseite aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Gründe:

A.

Der im Februar 2000 verstorbene Erblasser, über dessen Nachlass auf Antrag vom 3.7.2001 am 2.11.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, schloss 1995 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Kreditvertrag; gleichzeitig trat er ihr zur Sicherheit sämtliche zukünftigen Mieteinnahmen aus dem finanzierten Grundstück ab und räumte ihr eine Grundschuld auf dem Grundstück ein. Vom 1.5.2001 bis zum 8.4.2002 gingen auf einem Konto der Erben bzw. später des Klägers als Insolvenzverwalter bei der Beklagten derartige Mieteinnahmen ein, von denen die Beklagte objektbezogene Nebenkosten beglich und 70.570,29 € auf ihre Darlehensforderung verrechnete.

Diesen Betrag verlangt der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.

Wegen des Sach- und Streitstandes und der getroffenen Feststellungen erster Instanz im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und gemeint, hinsichtlich der Mieteinnahmen bis zur Insolvenzeröffnung (1.5.2001 bis 31.10.2001) fehle es für eine Anfechtung an einer Gläubigerbenachteiligung. Denn die Mieten hätten der Beklagten aufgrund der Vorausabtretung zugestanden. Die 1995 erfolgte Sicherungsabtretung selbst sei nicht anfechtbar.

Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Mietforderungen habe die Beklagte zwar nach §§ 91 Abs. 1, 110 Abs. 1 InsO allenfalls für den zur Zeit der Eröffnung laufenden Monat erwerben können. Die Beklagte habe jedoch ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung aus den Mieterträgen des Grundstücks nach § 49 InsO im Einverständnis mit dem Kläger ausgeübt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Hinsichtlich der Mieteinnahmen vor der Insolvenzeröffnung habe das Landgericht übersehen, dass die Vorausabtretungen anfechtbar seien. Denn es sei nicht auf den Zeitpunkt ihrer Vereinbarung 1995, sondern auf das Entstehen der jeweiligen Mietzinsansprüche, also auf den jeweiligen Monat, hier also ab Mai 2001 abzustellen. In diesem Zeitpunkt lägen aber die Voraussetzungen der §§ 131, 130 InsO vor.

Hinsichtlich der Mieten ab Insolvenzeröffnung liege kein Einverständnis des Klägers mit einer Vereinnahmung durch die Beklagte vor.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der Mieten bis Oktober 2001 (bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung, weil der Beklagten die Mieteinkünfte auch ohne die Abtretung zugestanden hätten. Denn sie habe als Grundpfandgläubigerin (§ 1123 Abs. 1 BGB) einen Anspruch darauf gehabt. Außerdem handele es sich um ein Bargeschäft, da die Mietabtretung im Gegenzug zur Kreditgewährung erfolgt sei. Jedenfalls fehle es an einer Inkongruenz, da von vornherein der Kredit nur gegen Stellung der Sicherheit eingeräumt worden sei. Eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 InsO scheide aus, weil die Beklagte eine etwaige Zahlungsunfähigkeit nicht gekannt habe. Hinsichtlich der Mieten ab Insolvenzeröffnung habe das Landgericht das Schreiben des Klägers vom 25.2.2002 zutreffend interpretiert.

Erben des Erblassers sind zwei seiner drei Kinder, nämlich X und X2 geworden. X2 wurde teilweise von X3 vertreten, X hatte eine Betreuerin, Frau H, deren Ehemann, Rechtsanwalt H2, darüber hinaus zur Vertretung der X bevollmächtigt worden war. Die Beklagte vereinbarte nach dem Tode des Erblassers mit den Erben, dass die Mieten auf ein eigens dafür eingerichtetes und bei der Beklagten geführtes Konto eingezogen werden, notwendige objektbezogene Kosten beglichen und die Überschüsse jeweils am Monatsanfang auf die bestehenden Kreditkonten, welche fällige Forderungen auswiesen, umgebucht werden. Im Einzelnen wird hierzu auf den Schriftsatz der Beklagten vom 15.2.2005 nebst Anlagen (Bl. 242-256 d.A.) verwiesen. Die Beklagte behauptet, dass sie - wenn es zu dieser Vereinbarung und entsprechenden Handhabung nicht gekommen wäre - unverzüglich statt dessen die Zwangsverwaltung aufgrund ihrer Grundschuld beantragt hätte.

Wegen des weiteren Parteivorbringens zweiter Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg, und zwar hinsichtlich der Mieten, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnet worden sind.

I. Mieten bis zur Insolvenzeröffnung

Hinsichtlich dieser Beträge ist die Berufung unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche nach § 143 InsO, die als einzige in Betracht kommen. Die Verrechnungen durch die Beklagte sind nicht anfechtbar, weil sie die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligen, § 142 Abs. 1 InsO.

1.

Allerdings scheidet eine Gläubigerbenachteiligung entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht bereits aus, weil die Mieten im Voraus an die Rechtsvorgängerin der Beklagten abgetreten waren. Denn diese Abtretung ist ihrerseits in gleichem Umfang anfechtbar wie die Verrechnungen selbst.

Das Landgericht hat nämlich bei der Prüfung der Anfechtbarkeit zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Vorausabtretung 1995 und nicht auf den Beginn der jeweiligen Monate, auf die sich die Verpflichtung zur Zahlung der Miete bezieht, abgestellt. Denn nach § 140 Abs. 1 InsO kommt es darauf an, wann die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten. Hinsichtlich einer Vorausabtretung kann dies frühestens das Entstehen der abgetretenen Forderung sein. Mietforderungen aus Mietverträgen sind nicht bereits mit Abschluss eines Mietvertrages entstanden und werden erst Monat für Monat fällig (sind also nicht "betagt"), sondern sie sind nach überwiegender Auffassung befristet und entstehen erst am jeweiligen Monatsanfang (bei monatlicher Zahlungsweise) (BGH DTZ 1997, 156 f. m.w.N.). Damit treten die Wirkungen einer Abtretung solcher Forderungen erst mit deren (aufschiebend befristetem) Entstehen ein (BGH DTZ 1997, 156 zur GesO, vgl. auch BGH ZIP 2002, 812 und NJW 2003, 2171; a.A. Huber, AnfG, 9.A. zur mit § 140 Abs. 3 InsO inhaltsgleichen Vorschrift des § 8 Abs. 3 AnfG in Rn. 15, der jedoch nicht ausreichend beachtet, dass nicht die anzufechtende Handlung selbst befristet ist).

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert die Anfechtung der Abtretung auch nicht an § 142 InsO. Es fehlt bei einer Sicherheitengewährung durch Vorausabtretung jedenfalls an einem engen zeitlichen Zusammenhang, der für das Merkmal "unmittelbar" erforderlich ist (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. A., § 142 Rn. 13f.). Denn jede (wesentliche) Kreditierung zu Gunsten des späteren Insolvenzschuldners schließt diesen aus (aaO. m.w.N.). Es kann nach dem Sinn und Zweck nicht - wie die Beklagte meint - auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung ankommen, sondern es muss auf den Zeitpunkt des Entstehens der abgetretenen Forderungen abgestellt werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Schuldner tatsächlich etwas aus seinem Vermögen aufgibt. Damit gilt dasselbe wie oben unter 1.: "Leistung" im Sinne von § 142 InsO ist ein Unterfall einer anzufechtenden "Rechtshandlung" im Sinne von § 140 Abs. 1 InsO. Deshalb ist § 140 Abs. 1 InsO auch maßgeblich für die Prüfung der Unmittelbarkeit im Sinne von § 142 InsO.

3.

Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung der Vorausabtretung oder der Verrechnungen ebenfalls nicht, weil ihr an den Mieten ein Absonderungsrecht aufgrund der Hypothekenhaftung aus § 1123 Abs. 1 BGB (in Verbindung mit § 1192 BGB) zugestanden hätte. Diese Auffassung vertreten offenbar Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. A., § 129 Rn. 121, und MüKo/Kirchhoff, InsO, § 129 Rn. 158. Der Senat vermag ihr jedoch nicht zu folgen. Voraussetzung für ein Absonderungsrecht, das eine Gläubigerbenachteiligung entfallen lassen würde, ist vielmehr die Beschlagnahme des Grundstücks aufgrund des eingetragenen Grundpfandrechts.

Denn jede Miete wird durch Einziehung, bevor sie vom Grundpfandgläubiger in Beschlag genommen worden ist, enthaftet, § 1124 Abs. 1 BGB. Das ergibt sich, soweit der Vermieter als Gläubiger einzieht und die Forderung deshalb erlischt, sogar bereits aus § 1123 Abs. 1 BGB. Die Haftung ergreift stets nur die Forderung; ist sie durch Erfüllung erloschen, so haftet das bezahlte Geld auch dann nicht mehr, wenn es noch unvermischt beim Vermieter oder Verpächter vorhanden ist (MüKo/Eickmann, BGB, 4.A., § 1123 Rn. 12). In dieses Geld könnten dann ohne weiteres andere Gläubiger vollstrecken bzw. es stände zu ihrer auch freiwilligen Befriedigung zur Verfügung. Auch vor dem Einzug stehen die Ansprüche auf Miete, solange die Beschlagnahme nicht erfolgt ist, anderen Gläubigern ohne Einschränkungen zur Verfügung (MüKo/Eickmann, BGB, 4.A., § 1123 Rn. 25 m.w.N.).

Darüber hinaus ist es sogar so, dass nicht nur diese dinglichen Wirkungen eintreten: Vielmehr ist der Eigentümer nach der gesetzlichen Wertung zu einem solchen Handeln auch befugt; er macht sich in keiner Weise gegenüber dem Grundpfandgläubiger ersatzpflichtig (MüKo/Eickmann, 4.A., § 1123 Rn. 2, 3).

Das alles spricht dafür, dass bis zur Beschlagnahme das bis dahin nur potenzielle Absonderungsrecht (vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 200) nicht dazu führt, dass eine Gläubigerbenachteiligung entfällt, wenn der Grundpfandgläubiger im Ergebnis (etwa wie hier durch Zahlung auf ein bei ihm geführtes Konto des Vermieters und anschließende Aufrechnung) die Mieten erhält.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch einen Vergleich mit einem Sicherungseigentümer, der hinsichtlich des Sicherungseigentums ebenfalls Absonderungsberechtigter ist. Erlaubt er jedoch dem Sicherungsgeber die Veräußerung des Sicherungsgutes etwa im normalen Geschäftsbetrieb, verliert er seine Absonderungsmöglichkeiten, wenn der Sicherungsgeber hiervon Gebrauch macht. Die spätere Begleichung der gesicherten Forderung benachteiligt dann im Grundsatz die übrigen Gläubiger.

4.

Es fehlt jedoch an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die Vereinbarung zum Einzug der Mieten auf das Konto der Erben bei der Beklagten und die anschließende Verrechnung mit den fälligen Rückzahlungsansprüchen der Beklagten, weil ohne diese Vereinbarung zum Einzug und der Verrechnung der Mieten eine Zwangsverwaltung angeordnet worden wäre und die Beklagte dann auf diese Weise (anfechtungssicher, vgl. z.B. Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 165 Rn. 21 f., 3) die Mieten erhalten hätte; anderen Gläubigern hätten sie nicht zur Verfügung gestanden.

a)

Allerdings gilt im Anfechtungsrecht der Grundsatz, dass hypothetische Ursachen bei der Prüfung der Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist, unberücksichtigt bleiben. Von ihm gibt es aber Ausnahmen, die der Bundesgerichtshof in BGHZ 104, 355 überzeugend herausgearbeitet hat. Er hat dort u.a. ausgeführt (S. 359f.): "...Im Schadensersatzrecht besteht heute Einigkeit darüber, daß es sich bei der sogenannten hypothetischen Kausalität nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der Schadenszurechnung handelt (Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rdrn. 98; MünchKomm/Grunsky 2. Aufl. vor § 249 Rdrn. 79; Larenz, Schuldrecht I 13. Aufl. § 30 I; Esser/Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil 6. Aufl. § 33 IV). Daß der durch das haftungsbegründende Ereignis real bewirkte Schaden später durch einen anderen Umstand (die Reserveursache) ebenfalls herbeigeführt worden wäre, kann an der Kausalität der realen Ursache nichts ändern. Ob die Reserveursache beachtlich ist und zu einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage, die für verschiedene Fallgruppen durchaus unterschiedlich beantwortet wird (vgl. BGHZ 29,207, 215; Staudinger/Medicus aaO Rdnr. 99 ff.; Larenz aaO jeweils m. w.Nachw.). Da der Anfechtungsanspruch kein Schadensersatzanspruch ist, lassen sich zwar die Grundsätze des Schadensersatzrechts auf ihn nicht ohne weiteres übertragen. Die Erkenntnis, daß eine nur hypothetisch wirksame Reserveursache nicht die Kausalität einer in der Realität wirksam gewordenen Ursache beseitigen kann, beschränkt sich aber nicht auf das Schadensersatzrecht. Sie verlangt vielmehr überall dort Beachtung, wo Ursachenzusammenhänge zu beurteilen sind, wie dies im Anfechtungsrecht bezüglich der Kausalität zwischen anfechtbarer Handlung und Gläubigerbenachteiligung der Fall ist. Auch im Anfechtungsrecht ist die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Rechtshandlung des Schuldners und der Vereitelung der Zwangsvollstreckung aufgrund des realen Geschehens zu beantworten. Nur gedachte Geschehensabläufe können die Kausalität einer realen Ursache nicht beseitigen. Wenn der Schuldner einen Gegenstand aus seinem Vermögen weggibt, ist dies die reale Ursache dafür, daß sein Gläubiger nicht in diesen Gegenstand vollstrecken kann. Diese Ursächlichkeit wird nicht durch die Feststellung beseitigt, daß der Schuldner bis zur Vollstreckung des Gläubigers in anderer Weise über den Gegenstand verfügt haben würde, wenn er dies nicht schon vorher getan hätte. Dieser gedachte Geschehensablauf schließt deshalb den Anfechtungstatbestand nicht zwingend aus. Es ist vielmehr eine Frage wertender Beurteilung, inwieweit der hypothetische Kausalverlauf geeignet ist, eine an sich gegebene Haftung des Anfechtungsgegners zu beeinflussen."

Sodann hat der Bundesgerichtshof - später mehrfach bestätigt - darauf abgestellt, dass vor allem in den Fällen, in denen der weggegebene Gegenstand aus Gründen beim Empfänger nicht mehr vorhanden ist, die ohne die Weggabe auch beim Schuldner eingetreten wären, die Reserveursache aus Wertungsgründen zu berücksichtigen ist. Das beruht auf der Wertung, dass es keine Veranlassung gibt, den Anfechtungsgläubiger vom Risiko des Untergangs der Sache zu Lasten des Anfechtungsgegners zu entlasten, wenn auch letzterer hierdurch keinen Nutzen von der Sache hat. Umgekehrt ist es in den Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur einwendet, der Gläubiger habe den Gegenstand, wenn er denn beim Schuldner verblieben wäre, nicht bekommen können, nicht gerechtfertigt, dem Gegner hier den Vorteil zu belassen (so im Fall BGHZ 104, 355).

Es kommt mit anderen Worten bei der Wertung darauf an, ob mit dem Einwand der Reserveursache auch anerkennenswerte schutzwürdige Belange des Anfechtungsgegners berührt sind oder ob sich die Anerkennung einer solchen Ursache im Gegenteil für den Gegner als unverdienter Glücksfall darstellen würde. Ersteres hat der Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - zwar bisher nur in den Fällen angenommen, in denen der Gegenstand (ganz oder teilweise) nicht mehr im Vermögen des Gegners vorhanden ist. Das ist vorliegend nicht der Fall. Derselbe Gedanke trifft aber auch hier zu: Denn die Reserveursache ist hier gerade ein Umstand, der zu einem anfechtungssicheren Erwerb bei der Beklagten geführt hätte. Damit ist die Beklagte nach Auffassung des Senats schutzwürdig, die übrigen Insolvenzgläubiger sind es dagegen nicht.

Es sind keine schutzwürdigen Interessen anderer Gläubiger zu erkennen, derartige Vereinbarungen zur Vermeidung von Zwangsverwaltungen zu verhindern: Es handelt sich im Gegenteil um eine sinnvolle Möglichkeit, kostengünstiger dasselbe Ergebnis zu erzielen. Das kommt im Ergebnis allen Gläubigern zu Gute. Wären die aufgrund derartiger Vereinbarungen erlangten Beträge dagegen der Rückforderung aufgrund von Anfechtungsvorschriften ausgesetzt, würde man die Grundpfandgläubiger zwingen, wesentlich häufiger Zwangsverwaltungen zu beantragen. Das würde der Gläubigergesamtheit eher schaden.

Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zur oben abgelehnten generellen Erstreckung eines Grundpfandrechts auf Mietforderungen vor der Beschlagnahme, die eine Anfechtung der erlangten Beträge aus Mieteinnahmen ausschließen würde. Denn es geht hier nicht wie dort darum, dass unabhängig davon, ob der Sicherungsfall, der zu einer zwangsweisen Verwertung des Grundpfandrechts berechtigt und veranlasst, eingetreten ist, generell Mieten dem Gläubiger zufließen dürfen. Vielmehr ist gerade nur eine Vereinbarung, die eine Beschlagnahme tatsächlich ersetzt, privilegiert. Eine solche sog. "stille" oder auch "kalte" Zwangsverwaltung ist während des Insolvenzverfahrens zulässig (Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 49 Rn. 31 m.w.N.). Dasselbe muss im Ergebnis nach Auffassung des Senats bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens möglich sein.

b)

Aus dem von der Beklagten vorgelegten Schriftverkehr und den vorgetragenen telefonischen Gesprächen folgt, dass sie mit den Erben eine Vereinbarung dahin getroffen hat, dass die Mieten von ihnen nur auf das bei ihr eingerichtete Konto eingezogen werden durften, dass sie hierüber anschließend nur noch zur Begleichung von objektbezogenen Kosten verfügen durften und dass mit monatlicher Verrechnung hieraus die fälligen Darlehensschulden getilgt wurden.

Auf die telefonische Anfrage der Miterbin X, vertreten durch Rechtsanwalt H2, vom 9.10.2000 erzielte die Beklagte in der Folge Einigkeit mit ihr über die entsprechende Einrichtung des Kontos mit der beschriebenen Verfahrensweise. Mit Schreiben vom 12.1.2001 an Frau H als Vertreterin der Miterbin bestätigte die Beklagte die Einrichtung des Kontos unter den genannten Bedingungen. Dieser Absprache stimmte der Miterbe X2 stillschweigend zu, indem er, nachdem er Abschriften dieses Schreibens und der Kontoauszüge erhielt, ohne Widerspruch gegen die Verfahrensweise in der Folgezeit objektbezogene Rechnungen zur Begleichung von dem Konto bei der Beklagten einreichte.

Da damit von vornherein auch die Verrechnung der Eingänge auf dem Konto mit der Darlehensschuld vereinbart war, kommt eine isolierte Betrachtung nur der Verrechnungen nicht in Betracht: Die Erben konnten aufgrund der Vereinbarung zu keiner Zeit über die eingegangenen Mieten frei verfügen. Die gesamte Vereinbarung stellte für die Beklagte eine Sicherung dar, wie sie auch bei angeordneter Zwangsverwaltung im Ergebnis bestanden hätte. Die Verrechnungen können deshalb auch nicht mit Erfolg isoliert angefochten werden.

c)

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Beklagte für den Fall, dass es nicht zu der Vereinbarung über den Einzug und die Verrechnungen der Mieten über ein Konto bei ihr gekommen wäre, spätestens bis Anfang April 2001 die Zwangsverwaltung beantragt hätte. Zum einen entsprach nur dies einem vernünftigem banküblichen Verhalten zur Vermeidung eigener Nachteile, nachdem anderweitig nicht mehr gesichert werden konnte, dass die Mieten zur Tilgung des Schulden verwandt wurden. Zum anderen war die Vereinbarung gerade die Folge der Anfrage der Miterbin (vertreten durch Rechtsanwalt H2), warum keine Zwangsverwaltung betrieben werde (Bl. 246 d.A.). Schließlich reagierte die Beklagte auch genau so mit dem Antrag auf Zwangsverwaltung, nachdem das bisherige Verfahren zweifelhaft geworden war (vgl. dazu auch unter II.).

Der Einwand des Klägers, dass die Erfahrung zeige, dass Banken häufig nicht oder nur mit großer Verzögerung die ihnen zur Verfügung stehenden Zwangsmittel ergriffen, was sich hier daran zeige, dass die Beklagte auch nach Insolvenzeröffnung zunächst keine Zwangsverwaltung beantragt habe, vermag die Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern: Die Beklagte sah wegen des weiter durchgeführten Verfahrens des Einzugs und der Verrechnung über das bei ihr geführte Konto offenbar zunächst keine Veranlassung, nach Insolvenzeröffnung tätig zu werden, mag dies auch auf einem Rechtsirrtum beruht haben. Eine solche Sicherheit gab es aber zu der Zeit der Verhandlungen mit den Erben nicht, nachdem ein Zugriff auf die Mieten auf einem Postbankkonto nicht mehr möglich war (vgl. Aktenvermerk der Beklagten vom 9.10.2000, Bl. 246 d.A.). Nachdem durch das Schreiben vom 25.2.2002 die Beklagte erstmals möglicherweise Veranlassung sah, erneut über ihre Sicherstellung nachzudenken, dauerte es nur bis zum 9.4.2002, bis die Zwangsverwaltung beantragt und angeordnet wurde. Auch daraus leitet der Senat im Gegenteil ab, dass die Beklagte in gleicher Weise tätig geworden wäre, wenn nicht spätestens Anfang 2001 die Einigung mit den Erben erfolgt wäre. Dass ein Antrag auf Zwangsverwaltung dann erst später als ebenfalls Anfang April (aber dann schon 2001) erfolgt wäre, schließt der Senat aus.

d)

Diese Vereinbarung konnte Wirkung entsprechend § 110 Abs. 1 S. 1 InsO nur für die Mieten bis einschließlich November 2001 entfalten. Damit sind Verrechnungen der bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Mieten in Höhe von 7 x 5.761,10 € (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes des Klägers vom 24.2.2003 (Bl. 50 d.A.)) = 40.327,70 € nicht anfechtbar. In dieser Höhe sind Klage und Berufung unbegründet.

II. Mieten ab Insolvenzeröffnung

Auf die ab Dezember 2001 eingegangenen Mieten (abzüglich der objektbezogenen Ausgaben) hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch entweder aus dem Girovertrag oder jedenfalls aus ungerechtfertigter Bereicherung.

1.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts haben die Parteien keine Vereinbarung über die Durchführung der abgesonderten Befriedigung der Beklagten, schon gar nicht rückwirkend ab Anfang Dezember 2001, geschlossen. Ein Angebot des Klägers hierzu kann in seinem Schreiben vom 25.2.2002 nicht gesehen werden. Die Beklagte durfte das Schreiben nach ihrem objektivierten Empfängerhorizont, der maßgeblich ist, so nicht verstehen.

Zwar erfolgte das Schreiben als Reaktion auf die Geltendmachung der Absonderungsrechte durch die Beklagte vom 17.12.2001. Der Kläger ging in dem Schreiben auch ersichtlich davon aus, dass die Beklagte und nicht er die Verfügungsmöglichkeit über die Mieten (zur Begleichung der Kosten) hatte. Daraus folgte aber nicht zweifelsfrei, dass er mit der Beklagten vereinbaren wollte, sie so zu stellen, als ob eine abgesonderte Befriedigung durch Zwangsverwaltung erfolge. Denn er erwähnte zunächst überhaupt nicht die Grundschuld der Beklagten, vielmehr nur die Vorausabtretung zu ihren Gunsten. Außerdem erwähnte er § 170 Abs. 2 InsO, was auf die Einziehung von Forderungen durch den Sicherungsgläubiger passt (§ 170 Abs. 2 InsO mit § 166 Abs. 2 InsO, vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 166 Rn. 13, insbes. a.E.), nicht dagegen auf eine Zwangsverwaltung oder einen Ersatz hierfür (denn hier gilt § 165 InsO, nicht § 166 InsO). Schließlich bot er - an späterer Stelle in dem Schreiben - an, "mit Ihnen zu den üblichen Konditionen eine Verwertungsmöglichkeit zu suchen, sei es durch freihändigen Verkauf oder durch das Halten der Immobilie...". Dass alles lässt mindestens die Möglichkeit offen, dass der Kläger allenfalls über eine Verwertungsvereinbarung wegen der Grundschuld noch verhandeln wollte. Hinsichtlich der Mieten befand er sich möglicherweise nur in einem Irrtum über die Wirksamkeit der Vorausabtretungen. Das alles war für die Beklagte erkennbar und führte dazu, dass sie nicht von einem Angebot auf "stille Zwangsverwaltung" ausgehen durfte.

Andere Vereinbarungen der Parteien bestanden nicht.

2.

Die Klage und die Berufung sind damit in Höhe der weiteren Mieten ab Dezember 2001 in Höhe von 4 x 5.761,10 € = 23.044,40 € zuzüglich 7.198,21 €, das sind insgesamt 30.242,61 €, von denen der Kläger durch Rundungen nur 30.242,59 € geltend macht (Bl. 50 d.A.), begründet.

Der zuerkannte Zinsanspruch ist gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB begründet.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist für den Kläger zuzulassen, weil die Frage, wann ein Grundpfandrecht die Gläubigerbenachteiligung von Verfügungen über aus dem Grundstück erzielte Mieten ausschließt, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das gilt sowohl für die Frage, ob eine die Zwangsverwaltung ersetzende Vereinbarung die Benachteiligung ausschließen kann, als auch für die - falls dies entgegen der Auffassung des Senats zu verneinen wäre, dann entscheidungserhebliche - Frage, ob ein Grundpfandrecht auch ohne Beschlagnahme des Grundstücks dazu führt, dass Mieten ohne Gläubigerbenachteiligung immer an den Grundpfandgläubiger fließen können. Diese Fragen tauchen in der Praxis der Banken in einer Vielzahl von Fällen auf und sind bisher durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

Ende der Entscheidung

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