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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 27 VA 7/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 56
1. In die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter bei einem Insolvenzgericht ist jeder Bewerber aufzunehmen, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt.

2. Auch die so genannte Ortsnähe kann ein mögliches Kriterium für diese Eignung darstellen.

3. Die Grenze des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts (in Nordrhein-Westfalen: Landgerichtsbezirk) ist als Abgrenzungskriterium ausreichender Ortsnähe ungeeignet.

4. Maßgebend für eine ausreichende Ortsnähe ist nicht eine in km zu bestimmende Entfernung, sondern ob der Bewerber regelmäßig innerhalb eines überschaubaren Zeitraums im Bedarfsfalle vor Ort sein kann. Dies ist jedenfalls bei einer Fahrtzeit von bis zu einer Stunde zu bejahen, wobei es auf die Fahrtzeit unter normalen Verkehrsverhältnissen vom Kanzleisitz bis zum nächstgelegenen Ort innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts ankommt.


Tenor:

Der Bescheid des Amtsgerichts Dortmund - Insolvenzabteilung - vom 29.10.2007 wird aufgehoben.

Die Antragsgegner werden verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Gründe:

A. Der Antragsteller, der auch Fachanwalt für Insolvenzrecht ist, ist als Rechtsanwalt und Notar in der Kanzlei G2 & Partner GbR in D tätig.

Mit Schreiben vom 22.5.2007 beantragte er seine Aufnahme in die Liste der Insolvenzverwalter und Treuhänder beim Amtsgericht E. In dem von ihm unterzeichneten Antragsformular, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf die Ablichtung Bl. 8 ff. GA Bezug genommen wird, gab er u.a. an, seit 11 Jahren als Insolvenz- und Konkursverwalter tätig zu sein, bereits beim Amtsgericht N2 als Insolvenzverwalter und Treuhänder gelistet zu sein und in den letzten 5 Jahren 111 IN-Verfahren Unternehmen, 323 IN-Verfahren natürliche Personen, 510 Verbraucherinsolvenzverfahren und 2 grenzüberschreitende Verfahren mit Bezug zu internationalem Insolvenzrecht übertragen bekommen zu haben. Die Entfernung zum Insolvenzgericht gab er mit 73 km, die Fahrtzeit mit ca. 49 min. an.

Mit Schreiben vom 29.10.2007, unterzeichnet von allen Insolvenzrichtern des Amtsgerichts E, dem Antragsteller zugegangen am 09.11.2007, teilte das "Amtsgericht E - Insolvenzabteilung" dem Antragsteller mit, dass er derzeit nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen werden könne, weil er nicht im Bezirk des Landgerichts E ansässig sei. Hierbei handele es sich "im Interesse einer professionellen und optimalen Verfahrensabwicklung" um eine unabdingbare Voraussetzung. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf dessen Ablichtung Bl. 21 GA Bezug genommen.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 07.12.2007 verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter und beantragt,

die Antragsgegner zu verpflichten, 1. ihn in die Vorauswahlliste aufzunehmen, nach der zukünftig von den Richtern des Amtsgerichts E - Insolvenzgericht - Insolvenzverwalter und/oder Treuhänder bestellt werden, 2. ihn zukünftig im Rahmen der Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen, nach denen zukünftig von den Richtern des Amtsgerichts E - Insolvenzgericht - Insolvenzverwalter und/oder Treuhänder bestellt werden

Er meint, dass eine kurzfristige persönliche Erreichbarkeit und eine ausreichende Präsenz beim Insolvenzgericht zwar grundsätzlich geeignete Kriterien für die Eignung eines Bewerbers im Sinne des § 56 Abs. 1 InsO sein könnten, dass es insoweit aber ausreichend sei, wenn er innerhalb einer Stunde das Insolvenzgericht und den Schuldner erreichen könne, insbesondere die entsprechenden Entfernungen unter 100 km lägen. In den vergangenen Jahren sei er schwerpunktmäßig mit Insolvenzverfahren im südlichen Bereich des Landgerichts N2 beauftragt worden; ein Teil dieser Bereiche grenze unmittelbar an den Landgerichtsbezirk E. Außerdem habe er in zwei mündlichen Gesprächen darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, im Falle zukünftiger Beauftragungen ein eigenes Büro in E zu eröffnen.

Die Antragsgegner beantragen,

die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.

Sie meinen, da Mitwirkungshandlungen des Schuldners nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts verlangt werden könnten und die Mitwirkungspflichten in der Praxis üblicherweise direkt beim Insolvenzgutachter oder -verwalter erfüllt würden, sollte dieser ebenfalls nicht außerhalb des Zuständigkeitsbereichs ansässig sein. Im Eröffnungsverfahren müsse der Schuldner häufig eine Vielzahl von Auskünften erteilen und von Unterlagen vorlegen, die er auch nicht einfach mit der Post schicken könne. Das Verfahren laufe daher wesentlich reibungsloser ab, wenn er jederzeit mit zumutbarem Aufwand das Büro des Insolvenzverwalters oder -gutachters aufsuchen könne. Bei einem auswärtigen Insolvenzgutachter oder -verwalter bestehe vermehrt die Gefahr mangelnder Kooperation der ohnehin häufig auskunftsunwilligen Schuldner. Eine längere Anfahrt sei dem Schuldner zudem auch oft aus finanziellen Mitteln nicht möglich. Eine dann erforderlich werdende bezirksübergreifende Umsetzung der Zwangsmittel (Vorführung oder Haftbefehl) lasse erhebliche Reibungsverluste befürchten. Jegliche Erschwerung der Verfahrensabwicklung bei dem ohnehin stark überlasteten Insolvenzgericht sei zu vermeiden. Schließlich könne der Antragsteller nicht damit gehört werden, das Auswahlkriterium nach entsprechender Beauftragung durch das Gericht erfüllen zu wollen; eine "Vorleistungspflicht" des Gerichts bestehe nicht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B. I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23, 24, 26 EGGVG zulässig.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 03.08.2004 - 1 BvR 135/00 und 1086/01 - = NJW 2004, 2725 = NZI 2004, 574), nach der die Entscheidung des Insolvenzgerichts, ob ein Bewerber um die Bestellung als Insolvenzverwalter in den Kreis derjenigen Personen aufzunehmen ist, aus dem der Richter im Einzelfall den ihm als am ehesten nach § 56 InsO geeignet Erscheinenden auswählt, als Akt öffentlicher Gewalt i.S. des Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlich überprüfbar ist, ist es in der Rechtsprechung der Obergerichte mittlerweile allgemein anerkannt, dass der richtige Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Aufnahme des Bewerbers in die so genannte Vorauswahlliste der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist (vgl. Senat, Beschluss vom 02.08.2007 - 27 VA 1/07 - = ZIP 2007, 1722 = ZInsO 2007, 946 = NZI 2007, 659).

Durch die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste ist der Antragsteller in seinen Rechten betroffen, § 24 EGGVG, weil jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt eine faire Chance erhalten muss, unter Beachtung seiner Grundrechte entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden und insofern über ein subjektives Recht verfügt, für das Rechtsschutz gewährleistet sein muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.2006, - 1 BvR 2530/04 -, Rn 31 = NJW 2006, 2613, 2614 = NZI 2006, 453, 454; Senat, a.a.O. ).

Des Weiteren ist der Antrag innerhalb der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG beim Oberlandesgericht eingegangen. Der Fristwahrung steht es dabei nicht entgegen, dass in der Antragsschrift noch der Präsident des Amtsgerichts als Antragsgegner bezeichnet worden ist, obwohl richtiger Antragsgegner in Nordrhein-Westfalen der oder die Insolvenzrichter sind, die einzeln oder gemeinsam die Entscheidung über die Aufnahme in die so genannte Vorauswahlliste getroffen haben (vgl. hierzu näher Senat, a.a.O.). Ausreichend für die Fristwahrung ist er vielmehr, dass der Antragsteller durch Einreichung der Antragsschrift innerhalb der gesetzlichen Frist zum Ausdruck gebracht hat, welchen konkreten Justizverwaltungsakt er angreifen will. Demgemäß ist der Antrag auch nach entsprechender Klarstellung an die zutreffenden Antragsgegner zugestellt worden.

II. In der Sache hat das Begehren des Antragstellers insoweit Erfolg, als die Antragsgegner ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden haben.

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt das subjektive Recht des Antragstellers, bei zukünftigen Auswahlentscheidungen nach § 56 InsO im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens in Erwägung gezogen zu werden, weil sie seine generelle Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters oder Treuhänders in beim Amtsgericht Dortmund zu führenden Insolvenzverfahren mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint.

a) Die Aufnahme von Bewerbern für das Amt des Insolvenzverwalters in eine so genannte Vorauswahlliste verfolgt den Zweck, die für ein konkretes Verfahren zu treffende Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters gemäß § 56 InsO vorzubereiten und sie trotz Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung zu erleichtern. Für die konkrete Auswahl aus dem Kreis der geeigneten Bewerber sind dabei die Interessen der Gläubiger und des Schuldners des jeweiligen Insolvenzverfahrens maßgebend. Die Erreichung des genannten Zwecks setzt deshalb voraus, dass das Vorauswahlverfahren sich nicht nur auf die Erfassung von Namen und Anschriften in Frage kommender Personen in einer Liste beschränkt, sondern auch die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleistet, die dem Insolvenzrichter im jeweiligen Einzelfall eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Bewerberkreis ermöglichen. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus aber zugleich, dass jeder für die Abwicklung von Insolvenzverfahren an dem betreffenden Gericht generell geeignete Bewerber einen Anspruch auf Aufnahme in die Liste hat (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - = ZIP 2006, 1355, Tz. 44). Insoweit steht dem Insolvenzgericht (noch) kein weitergehendes Auswahlermessen zu, sondern es muss jeder Bewerber eingetragen werden, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt. Die Entwicklung von Kriterien für die Feststellung dieser Eignung ist dabei Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BVerfG, a.a.O., Tz. 45).

b) Eine derartige Entwicklung allgemein gültiger Kriterien schließt eine gewisse Schematisierung sowie die Berücksichtigung auch formaler Merkmale nicht aus.

Im Vordergrund muss dabei indes die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung der Bewerber stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.2007 - IV AR(VZ) 6/07 - = NZI 2008, 161, Tz. 21). Dazu gehört es u.a., dass der Bewerber neben ausreichender Erfahrung in der Bearbeitung von Insolvenzverfahren und persönlicher Zuverlässigkeit die Gewähr der persönlichen Amtsausübung bietet. Das bedeutet, dass jedenfalls die wesentlichen Aufgaben vom Insolvenzverwalter selbst erledigt werden müssen, wobei Art und Umfang zulässiger Delegierung auch vom Umfang des jeweiligen Verfahrens abhängen. Gleichzeitig müssen im Interesse von Gläubigern und Schuldner sachwidrige Verzögerungen des Insolvenzverfahrens vermieden werden.

Unter den vorgenannten Gesichtspunkten kann auch die so genannte Ortsnähe ein mögliches Kriterium für die Aufnahme in die Liste darstellen (im Ergebnis ebenso BVerfG, Beschluss vom 12.7.2006 - 1 BvR 1469/05 - = ZIP 2006, 1954; OLG Bamberg, Beschluss vom 3.12.2007 - VA 11/07 - = ZIP 2008, 82; OLG Schleswig, Beschluss vom 28.2.2005 - 12 VA 3/04 - = ZIP 2005, 1467; OLG München, Beschluss vom 7.12.2004 - 9 VA 4-6/04 - = ZIP 2005, 670, wohl auch Graeber in MüKo-InsO, 2. Aufl., § 56 Rn 68 ff., Hess in EWiR 2005, 895, 896; Frind in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 56 Rn 14 m.w.N.; a.A. z.B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.12.2005 - 19 VA 4/05 - = ZIP 2006, 342; Lüke-Kübler/Prütting, § 56 InsO Rn 54 ff). Denn es liegt auf der Hand, dass ein Verwalter, der z.B. an zahlreichen Insolvenzgerichten im gesamten Bundesgebiet ständig Verfahren abwickeln will, die Gewähr der persönlichen Aufgabenwahrnehmung bei gleichzeitiger Erreichbarkeit für Schuldner, Gläubiger und Insolvenzgerichte in angemessenem Zeitrahmen nicht für alle Verfahren in ausreichendem Maße bieten kann. Auch der Umstand, dass als Verwalter für Großverfahren bei Insolvenzen bedeutender Unternehmen von überregionaler Bedeutung nur wenige besonders erfahrene Verwalter mit einem entsprechend großen und geschulten Mitarbeiterstab in Frage kommen, schließt die Ortsnähe als Aufnahmekriterium für die Liste nicht aus, weil das Insolvenzgericht nicht gehindert ist, in derartigen besonderen, nur vereinzelt auftretenden Fällen auch einen ortsferneren Insolvenzverwalter zu bestimmen, der sonst nicht auf seiner Liste geführt und bei den Auswahlentscheidungen in Betracht gezogen wird.

c) Für die Konkretisierung der Ortsnähe ist die Grenze des eigenen Landgerichtsbezirks indes kein taugliches Abgrenzungskriterium, wie nach Auffassung des Senats schon durch folgende Betrachtungen deutlich wird:

Die Großstädte E, C2 und F, die sämtlich über ein eigenes Landgericht verfügen, liegen jeweils nur wenige Kilometer auseinander. Sie sind Bestandteile eines einheitlichen Ballungsraums mit einem gut ausgebauten Nahverkehrsnetz. Für einen Schuldner aus dem E Westen ist z.B. C2 weitaus leichter zu erreichen als die zum Landgerichtsbezirk E gehörende Stadt I. Auch in anderen Fällen ist die Erreichbarkeit von einem Ort zum anderen über die Bezirksgrenze hinweg oftmals besser als diejenige zu einem anderen Ort innerhalb des Bezirks. So ist die Stadt D, in der der Antragsteller sein Büro unterhält, z.B. von T3 aus näher (37 km) und schneller zu erreichen als die ebenfalls im Landgerichtsbezirk Dortmund gelegene Stadt G (48 km). In den Flächenbezirken in Nord-, Süd- und Ostwestfalen bestehen noch viel größere Entfernungen. Einheitliche Wirtschaftsräume sowie entsprechende Infrastrukturen erstrecken sich zudem an manchen Orten ebenfalls über die Grenzen von Gerichtsbezirken hinweg.

Entscheidend für die Abgrenzung kann deshalb nicht die Bezirksgrenze sein, sondern nur ein Kriterium, das dem mit der örtlichen Begrenzung zulässig verfolgten Zweck, nämlich der Sicherstellung einer ausreichenden Präsenz des Verwalters "vor Ort" sowie ggf. ausreichender Kenntnisse örtlicher Verhältnisse, die für das Verfahren von Nutzen sein können, Rechnung trägt. Dabei ist nicht allein auf den Sitz des Insolvenzgerichts abzustellen. Insbesondere bei Unternehmensinsolvenzen muss der Verwalter vor allem im Betrieb präsent sein, weil er dort die notwendigen Informationen einholen und Entscheidungen treffen muss. Darüber hinaus kann auch bei Privatinsolvenzen vom Verwalter ohne weiteres erwartet werden, dass er notwendige Besprechungstermine beim Schuldner abhält - jedenfalls dann, wenn dieser das wünscht. Gespräche müssen aber nicht nur mit dem Schuldner und seinen Mitarbeitern im Betrieb, sondern auch mit Gläubigern, insbesondere Banken, sowie im Falle beabsichtigter Unternehmensveräußerungen mit potenziellen Erwerbsinteressenten geführt werden. All dies erfordert erfahrungsgemäß ebenfalls eine mehrfache Präsenz des Verwalters am Wohn- oder Unternehmenssitz des Schuldners, der jedenfalls in vielen Fällen dort oder in unmittelbarer Nähe die meisten Geschäftsbeziehungen unterhalten hat. Persönliche Kontakte mit dem Insolvenzgericht stellen dagegen nicht den Schwerpunkt der Verwaltertätigkeit dar. Insoweit wird vieles schriftlich oder telefonisch geregelt. Auch die Teilnahme an Gläubigerversammlungen, die gemäß § 76 InsO beim Insolvenzgericht stattfinden, stellt nur einen Ausschnitt seiner Tätigkeit dar.

Eine in jedem Falle eintretende unzumutbare Erschwerung der Arbeitsabläufe beim Insolvenzgericht, nur weil der Verwalter seinen Kanzleisitz außerhalb des Bezirkes hat, vermag der Senat deshalb nicht zu erkennen. Das gilt auch, soweit Vorführungen des Schuldners nach § 98 Abs. 2 InsO zu erfolgen haben. Denn die Vorführung hat vor den Richter am Insolvenzgericht zu erfolgen und kann deshalb nicht dadurch zu einer "bezirksübergreifenden" Vorführung werden, weil der Insolvenzverwalter seinen Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks hat. Gleiches gilt für die Anordnung und Vollstreckung der Haft gegenüber dem Schuldner gemäß § 98 Abs. 2 und 3 InsO.

Abgrenzungskriterium kann nach alledem nur die Frage sein, ob der Bewerber regelmäßig innerhalb eines überschaubaren Zeitraums im Bedarfsfalle vor Ort, d.h. am Wohnsitz des Schuldners oder - je nach den Umständen - der Betriebsstätte oder dem Verwaltungssitz des Unternehmens, sein kann. Diesem Ansatz wird im Grunde genommen auch das von den Antragsgegnern verwendete Antragsformular für die Aufnahme in die Liste der Insolvenzverwalter gerecht, indem es u.a. Angaben zur Entfernung der Kanzlei des Bewerbers vom Insolvenzgericht und der sich daraus ergebenden Fahrtzeit verlangt. Dabei bietet sich die Fahrtzeit gegenüber der Entfernung (eine Grenze von 100 km billigen OLG Bamberg, a.a.O., und Hess, a.a.O.) als besser geeignetes Abgrenzungskriterium an, weil sie unabhängig von der Dichte der Besiedlung und vorhandener Verkehrsinfrastruktur einen Maßstab bietet, der in ländlichen wie in Ballungsräumen brauchbar ist. Der Senat sieht insoweit eine ausreichende Ortsnähe jedenfalls bei einer Fahrtzeit von bis zu einer Stunde (unter normalen Verkehrsverhältnissen) als grundsätzlich gegeben an. Eine engherzige Beschränkung ist hier auch deshalb nicht angezeigt, weil die Aufnahme in die Vorauswahlliste dem Bewerber für die Zukunft noch keinen Anspruch auf regelmäßige oder auch nur gleichmäßige Bestellung zum Insolvenzverwalter gibt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - = ZIP 2006, 1355, Tz. 62 a.E.; Beschluss vom 12.7.2006 - 1 BvR 1469/05 - = ZIP 2006, 1954, Tz. 11 u. 12). Abzustellen ist jedoch nicht auf die Fahrtzeit bis zum Insolvenzgericht, sondern bis zum dem Kanzleisitz nächstgelegenen Ort innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts, weil mit Insolvenzschuldnern in allen Orten des Bezirks zu rechnen ist. Ob in bestimmten Bezirken, die eine besonders ungünstige Verkehrsinfrastruktur aufweisen, was im Bezirk des OLG Hamm nicht der Fall ist, auch noch etwas längere Fahrtzeiten zu akzeptieren sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Hiervon strikt zu trennen ist die Frage, ob im Einzelfall bei der Auswahl des Verwalters einem anderen Kandidaten u.a. auch wegen größerer Ortsnähe der Vorzug gegeben werden kann. Dies erscheint nicht ausgeschlossen, sondern obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Insolvenzrichters, der diesem Gesichtspunkt etwa besonderes Gewicht beizulegen vermag, wenn eine überdurchschnittliche Häufigkeit notwendiger Anwesenheit vor Ort aufgrund der Umstände des konkreten Verfahrens zu erwarten ist. Ebenso mag es eine Rolle spielen, in welchem Umfang die Geschäftstätigkeit des Schuldners im Wesentlichen vor Ort stattfand oder mehr überregionalen Charakter hatte. Es ist ferner vorstellbar, dass ein bestimmtes Insolvenzverfahren aus anderen Gründen besondere Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse erfordert. Von derartigen Umständen kann das Gewicht der Ortsnähe des Verwalters, das jedenfalls nur eines unter mehreren Auswahlkriterien darstellt und gegenüber anderen Gesichtspunkten bei der Abwägung ggf. auch zurücktreten kann, abhängen. So lange jedoch davon auszugehen ist, dass es überhaupt Insolvenzverfahren im Bezirk gibt, die eine persönliche Insolvenzverwaltung im Sinne der Wahrnehmung der wesentlichen Aufgaben durch den Antragsteller selbst erwarten lassen, weil er regelmäßig innerhalb von maximal 60 Minuten vor Ort sein kann, kann seine grundsätzliche Eignung nicht wegen mangelnder Ortsnähe verneint werden. Ob er seinen Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks hat, ist dafür unerheblich.

Die Ablehnung des Antrags mit allein dieser Begründung ist daher rechtswidrig und aufzuheben, § 23 Abs. 1 EGGVG. Auf die Bereitschaft des Antragstellers, ein Büro in E zu eröffnen, kommt es hierbei nicht an.

2. Dem vom Antragsteller gestellten Verpflichtungsantrag, § 23 Abs. 2 EGGVG, ist dagegen nicht zu entsprechen, weil seine Eignung im Übrigen von den Antragsgegnern bislang nicht geprüft worden ist, ihnen jedoch insoweit ein eigener Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. BGH a.a.O., Tz 21). Ob ihre ablehnende Entscheidung auch im Ergebnis im jeden Falle rechtswidrig ist, steht damit nicht fest, so dass sie zur Neubescheidung des Antragstellers gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 EGGVG zu verpflichten sind.

C. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gerichtsgebühren fallen nicht an, weil der Antrag erfolgreich ist. Billigkeitsgesichtspunkte gebieten eine Kostenerstattung zugunsten des Antragstellers nicht, § 30 Abs. 2 EGGVG. Alleine der Umstand des Unterliegens der Behörde genügt hierfür nicht.

Ende der Entscheidung

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