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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 27 W 32/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3
1. Beantragt der Kläger nach Klagerücknahme, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen sei, so ist dem Beklagten vor einem entsprechenden Beschluss rechtliches Gehör zu gewähren. Daraufhin erfolgender Tatsachenvortrag kann auch eine Beweiserhebung erforderlich machen.

2. Im Beschwerdeverfahren über eine nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO getroffene Kostenentscheidung ist neues Vorbringen grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen.


Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt bis zu 2.000 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A. Der Beklagte war früher geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin. Nach Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile an den jetzigen Geschäftsführer behielt er u.a. drei Firmenfahrzeuge der Klägerin in Besitz.

Mit der am 25.1.2007 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Herausgabe dieser Fahrzeuge begehrt. Noch vor der am 16.2.2007 erfolgten Klagezustellung hat der Beklagte am 2.2.2007 erklärt, die Fahrzeuge herauszugeben und die Herausgabe zwischen dem 2.2. und 13.2.2007 vorgenommen.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 2.3.2007 die Klage zurückgenommen und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das Landgericht hat dem Beklagten Gelegenheit gegeben, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat daraufhin ausgeführt, die Klägerin habe die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie sich durch Klagerücknahme freiwillig in die Rolle des Unterliegenden begeben habe. Außerdem sei die Klage ohnehin als unbegründet abzuweisen gewesen; anders sei die Klagerücknahme nicht zu erklären. Eine Stellungnahme zum Inhalt der Klageschrift sowie des Schriftsatzes vom 2.3.2007 ist nicht erfolgt.

Das Landgericht hat dem Beklagten mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil er insgesamt Anlass zur Klage gegeben habe.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der im Beschwerdeverfahren unter Beweisantritt vorträgt, dass ein Herausgabeanspruch nicht bestanden habe, weil die Klägerin ihm die fraglichen Fahrzeuge verkauft habe. Er habe sie nur deshalb herausgegeben, weil die Klägerin die Kaufpreiszahlungen zurückgewiesen und den Vertragsschluss in Abrede gestellt und er deshalb "die Nase voll" gehabt habe und am 31.1.2007 vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Außerdem hat er sich auf die Vermutung des § 1006 BGB berufen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

B. I. Die gemäß § 269 Abs. 5 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Landgericht hat dem Beklagten zu Recht gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten auferlegt, weil er Veranlassung zur Klage gegeben hat, die erst entfallen ist, als er nach Einreichung der Klage, aber vor deren Zustellung die Fahrzeuge herausgegeben hat. Denn es ist davon auszugehen, dass die Klage anderenfalls Erfolg gehabt hätte, weil die Klägerin unstreitig Eigentümerin der Fahrzeuge war, so dass die Kostentragungspflicht des Beklagten billigem Ermessen entspricht.

Die Vermutung des § 1006 BGB greift nicht zugunsten des Beklagten ein, weil er bei Besitzerwerb Fremdbesitzer (für die Klägerin) war und erst später Eigenbesitz erworben haben will (vgl. BGH NJW 2004, 217). Am Eigentum der Klägerin kann auch der vom Beklagten im Beschwerdeverfahren behauptete Kaufvertrag nichts ändern, weil dieser rein schuldrechtliche Vertrag noch keinen Eigentumsübergang bewirkte, sondern dem Beklagten allenfalls ein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 BGB verschaffen konnte.

Hierauf kommt es jedoch für die Kostenentscheidung nicht an, weil der Beklagte den Kaufvertragsschluss erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht hat. Vor Erlass der angefochtenen Kostenentscheidung hat er hierzu nichts ausgeführt. Im Beschwerdeverfahren über eine nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO getroffene Kostenentscheidung ist neues Vorbringen jedoch abweichend von der Regel des § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Dies folgt daraus, dass die Kostenentscheidung "unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen" zu treffen ist.

Dies ist anerkannt für die nach beiderseitiger Erledigungserklärung zu treffende Kostenentscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.1999 - 19 W 70/99 - = OLGR Hamm 1999, 316; Zöller/Vollkommer, § 91 a ZPO, Rn 27). Es muss aber entsprechend auch für die nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu treffende Kostenentscheidung gelten. Dafür spricht nicht nur der insoweit gleichlautende Wortlaut, sondern auch der Umstand, dass die Regelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO durch das ZPO-RG vom 27.7.2001 gerade eingefügt worden ist, um die Fälle der so genannten Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage zu erfassen und in gleicher Weise einer Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zuzuführen.

Allerdings ist zu bedenken, dass in den Fällen des Wegfalls eines die Klage veranlassenden Umstands noch vor Rechtshängigkeit die Klagerücknahme oftmals - wie auch im vorliegenden Fall - so zeitig erfolgen wird, dass eine Stellungnahme des Beklagten zum Klagevorbringen noch überhaupt nicht vorliegt. Dem ist jedoch dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass auf einen Kostenantrag des Klägers gemäß § 269 Abs. 4 ZPO dem Beklagten vor einem entsprechenden Beschluss rechtliches Gehör zu gewähren ist, so dass sich das Gericht ein Bild vom "bisherigen Sach- und Streitstand" machen kann (vgl. Zöller/Greger, § 269 ZPO Rn 19). Anders als grundsätzlich im Fall des § 91a ZPO können der Tatsachenvortrag des Beklagten und die zu seiner Untermauerung angeführten Beweismittel nach der Natur der Sache dann nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie bislang noch nicht vorgetragen worden sind (vgl. BGH NJW 2006, 775 f.). Dies kann unter Umständen auch eine umfassende Beweiserhebung erforderlich machen (vgl. Musielak/Foerste, § 269 ZPO Rn 13), wobei den Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass seine Belastung mit Kosten billigem Ermessen widerspricht (BGH a.a.O.). Es besteht jedoch keine Veranlassung, den Begriff des "bisherigen" Sach- und Streitstands zeitlich auch noch bis ins Beschwerdeverfahren zu verlagern.

II. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Senat lässt gemäß § 574 Abs. 3 S. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zu, weil die Frage, ob im Beschwerdeverfahren betreffend eine Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO noch neues Vorbringen zulässig ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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