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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.12.2007
Aktenzeichen: 28 U 86/07
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, WpHG, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 287
ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 448
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531
ZPO § 538 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 544
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 195 a.F.
BGB § 199
BGB § 242
BGB § 252
BGB § 280
BGB § 705
BGB § 1922
WpHG § 37 a
EGBGB Art. 229 § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.04.2007 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 ZPO und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 280, 705 BGB gegenüber den Beklagten zu. Der Beklagte zu 2) hat Pflichten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt (I.). Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass diese Pflichtverletzung für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ursächlich gewesen ist (II.).

I.

1.

Aufgrund des Inhalts des ihm erteilten Mandates hatte der Beklagte zu 2) zu prüfen, mit welchen Erfolgsaussichten die Klägerin Schadensersatzansprüche gegenüber der Volksbank E geltend machen könnte.

2.

Es kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte zu 2) seine Informationsbeschaffungspflichten verletzt hat.

Aufgrund seiner umfassenden Betreuungspflicht hat ein Anwalt insbesondere auch schon zu Beginn des Mandats (BGH, NJWRR 2006, 923, 925) möglichst genau den Sachverhalt zu klären, den er seiner fachlichen Tätigkeit zugrunde legen sollte (BGH, NJW 2002, 1413; BGH, NJW, 730 f.; BGH NJW 1998, 2048, 2050). Zwar darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihn der Mandant richtig und vollständig informiert (Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl., Rdn. 446 f.). Ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Informationen oberflächlich oder lückenhaft sind, so muss sich der Anwalt um eine entsprechende Korrektur oder Ergänzung bemühen (BGH, NJW 2006, 501; BGH, NJW 1994, 1472, 1474 f.). Die Pflicht eines Anwalts, sich über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu informieren, beinhaltet auch, alle schriftlichen Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen und genau zu studieren (BGH, WM 1982, 1313 f.; BGH, NJW 1981, 2741, 2743; Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 451 f.). Des Weiteren ist der Rechtsanwalt gehalten, nach dem Vorhandensein rechtlich bedeutsamer Unterlagen zu fragen und sich diese zeigen zu lassen.

Im vorliegenden Fall kann die Frage offen bleiben, ob der Beklagte zu 2) das gesamte Geschehen in tatsächlicher Hinsicht hinreichend aufgeklärt hat, alle ihm evtl. überreichten schriftlichen Unterlagen zur Kenntnis genommen und genau studiert hat und ob er weitere Unterlagen von der Klägerin hätte anfordern müssen. Sollte der Beklagte zu 2) seine Pflichten insoweit verletzt haben und wäre aufgrund der Regeln des Anscheinsbeweises (vgl. hierzu BGH, NJW 1992, 240 f., BGH, NJW 1994, 1472, 1475) davon auszugehen, dass die Klägerin ihm das Geschehen so, wie sie es jetzt im Prozess dargelegt hat, bereits damals geschildert und ihm alle Unterlagen überlassen hätte, die sie in diesem Rechtsstreit eingereicht hat, so hätte der Beklagte zu 2) aufgrund dieser Angaben und Unterlagen die Erfolgsaussichten eines gegen die Volksbank gerichteten Prozesses nicht anders als allein aufgrund des Anschreibens der Klägerin vom 19.11.2003 beurteilen müssen. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie dem Beklagten zu 2) auf dessen Anforderung auch weitere Unterlagen, insbesondere die Schreiben der Volksbank an S, zur Verfügung gestellt hätte, so hat die Klägerin auch auf Hinweis des Senates nicht dargelegt, in welchem Schreiben was genau erwähnt wird, das in welcher Weise die rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage durch den Beklagten zu 2) hätte beeinflussen können.

3.

Der Beklagte zu 2) hat seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Rechts- und Risikobelehrung verletzt. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, nach der Sachverhaltsaufklärung und rechtlichen Bearbeitung den Mandanten auf die wesentlichen rechtlichen Aspekte hinzuweisen und ihm die daraus zu ziehenden Konsequenzen zu nennen. Die Belehrung muss so umfassend und erschöpfend sein, dass der Mandant aufgrund der Beratung eigenverantwortlich entscheiden kann, ob und wie er seine rechtlichen Interessen weiterverfolgen will. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- und Rechtslage berechtigten Anlass gibt, hat der Anwalt dem Auftraggeber darzulegen und mit ihm zu erörtern (BGH, NJWRR 2000, 791; BGH NJW 2007, 2485 ff; Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 509). Die Erfolgschancen eines Prozesses muss ein Rechtsanwalt im Einzelnen darlegen, d.h. auch erläutern, mit welcher ungefähren Wahrscheinlichkeit der Prozess gewonnen oder verloren gehen wird (Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 520; vgl. auch BGH, NJW 1984, 791 ff; BGH NJW 1988, 2113 f.; BGH NJW 1997, 2168 ff).

Eine ordnungsgemäße Prüfung des Anliegens der Klägerin hätte zu dem Ergebnis geführt, dass eine gegen die Volksbank gerichtete Schadensersatzklage entgegen der Darstellung des Beklagten zu 2) und seinem Schreiben vom 27.11.2003 nicht aussichtslos war, sondern gewisse Erfolgschancen aufwies, die jedoch allenfalls mit 50 % zu bewerten waren.

Die Klägerin als Alleinerbin ihrer Mutter verlangte von der Volksbank Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Ankauf von Aktien, die ihre Mutter 1994 getätigt hatte. Als rechtliche Grundlage für das Begehren der Klägerin kamen die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung in Verbindung mit einem Beratervertrag und § 1922 BGB in Betracht.

a)

Ein Beratungsvertrag war zu bejahen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist darin, dass ein Anlageinteressent an eine Bank oder ein Anlageberater einer Bank an den Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, ein Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages zu sehen, das durch die Aufnahme des Beratungsgespräches stillschweigend angenommen wird (BGHZ 123, 126, 128; BGHZ 100, 117, 118 f.).

b)

Aus dem Beratungsvertrag resultierten nach der ständigen Rechtsprechung des BGH folgende Beratungs- und Aufklärungspflichten der Volksbank: Zum einen musste die Volksbank ihre Kundin entsprechend ihrem Wissensstand über Aktienanlagen, ihrer individuellen Risikobereitschaft und ihrem konkreten Anlegeziel beraten. Im Falle einer Diskrepanz zwischen einem konkreten Anlagewunsch der Kundin und ihrem Anlageziel musste die Bank darauf hinweisen (vgl. BGH, EWIR 2003, 1011). Zum anderen war die Volksbank gegenüber ihrer Kundin verpflichtet, über die allgemeinen Risiken von Aktien (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und die speziellen Risiken der ausgewählten Aktien zu beraten. Die Beratung der Volksbank musste richtig und sorgfältig, dabei für die Kundin verständlich und vollständig sein (vgl. BGHZ 123, 126 ff, BGH, NJW 1993, 2433 ff; BGH, NJW 2006, 2041).

Das Vorbringen der Klägerin war in Bezug auf eine Pflichtverletzung der Volksbank schlüssig. Die Volksbank hatte ihre Mutter nicht anlegergerecht aufgeklärt. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte ihre Mutter die Substanz des Anfang Januar 1994 freiwerdenden Geldes erhalten und regelmäßig Ausschüttungen erzielen wollen. Auch hatte sie in der Vergangenheit ausschließlich in sichere Vermögensanlagen investiert. Ebenfalls hatte die Volksbank nach Vorbringen der Klägerin ihre Mutter nicht anlagegerecht beraten. Denn sie hatte nicht erwähnt, dass Aktien ein Kursrisiko innewohnt, das zum teilweisen oder gesamten Verlust des Kapitals führen kann. Des Weiteren hatte sie auch nicht über das im Vergleich zu Aktienfonds höhere Kursrisiko einzelner Aktien, über die Entstehung von Depotgebühren und die Thesaurierung der Erträge belehrt. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz neu behauptet, dass der Kursverfall für die Volksbank vorhersehbar gewesen sei, ist dieser Vortrag nicht nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO zuzulassen. Im Übrigen hat die Klägerin trotz Hinweises des Senates nicht dargelegt, aus welchem Grund die Bank über das allgemeine Risiko einer negativen Entwicklung von Aktienkursen hinausgehend den konkreten Kursverfall Anfang 1994 hätte vorhersehen können.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer gegen die Volksbank gerichteten Schadensersatzklage musste der Beklagte zu 2) weiter prüfen, ob sich die Volksbank in einen Prozess in erheblicher Weise einlassen würde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH obliegt es bei einer behaupteten Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung der beratenen Partei, substantiiert zu bestreiten und darzulegen, wie im Einzelnen beraten und aufgeklärt worden sein soll. Dies gilt auch für den Bereich der Anlageberatung (vgl. BGH, NJW 2006, 1429, 1430; BGH, WM 2000, 1441, 1443). Aus der damaligen Sicht des Beklagten zu 2) war es nicht sicher zu beurteilen, ob die Volksbank dieser Last in einem Prozess nachkommen würde.

Vorgerichtliches Schreiben der Volksbank konnte der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigen. Dem Schreiben des S vom 16.01.1998 (Bl. 200 d.A.) konnte lediglich indirekt entnommen werden, dass nach früherer Darstellung der Volksbank die Mutter der Klägerin von sich aus den Wunsch geäußert habe, das frei werdende Geld in Aktien anzulegen, sie nach ihren damaligen Erklärungen bereits Erfahrungen in Aktien gesammelt habe und Ende 1993 Anfang 1994 in verschiedenen Medien optimistische Prognosen über weitere Kurssteigerungen erstellt worden seien. Allein diese Angaben der Volksbank hätten in einem Prozess nicht ausgereicht, um ihre Darlegungslast für eine anlegergerechte und anlagegerechte Beratung zu erfüllen. Denn nach dieser Darlegung war unklar, ob sie sich bei der Mutter der Klägerin erkundigt hatte, in welchem Umfang sie in Aktiengeschäften erfahren war. Auch ergab sich aus dieser Schilderung nicht, ob sie die Mutter der Klägerin auf den Widerspruch zwischen ihrem bisherigen sicherheitsorientierten Anlageverhalten und ihrem nunmehr geäußerten Anlagewunsch hingewiesen und nach ihren eigentlichen Anlagezielen und ihrer tatsächlichen Risikobereitschaft gefragt hatte. Den Angaben ließ sich schließlich nicht entnehmen, ob sie pflichtgemäß über die anlagebezogenen Risiken aufgeklärt hatte.

Angesichts der Ungewissheit, ob sich die Volksbank erheblich verteidigen würde, musste der Beklagte zu 2) weiter berücksichtigen, wie im Falle eines erheblichen Vorbringens der Bank die Beweislast verteilt war und wie hoch die Chancen des Beweisbelasteten waren, den erforderlichen Beweis zu erbringen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH obliegt dem Bankkunden der Nachweis, dass die Gegendarstellung der Bank zur Anlageberatung nicht zutrifft (BGH, NJWRR 2000, 1497; BGH NJW 2000, 3558; BGH, NJW 2006, 1429). Einer etwaig abweichenden Ansicht des Schleswig Holsteinischen Oberlandesgerichts in seinem Urteil vom 13.11.1996 hätte der Beklagte zu 2) keine maßgebliche Beachtung schenken dürfen. Denn ein Rechtsanwalt muss die Tätigkeit für den Mandanten in erster Linie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausrichten (BGH, NJW 2001, 675, 678).

Entgegen der Ansicht des Klägers bestand keine Dokumentationspflicht der Volksbank, die zu einer Beweiserleichterung oder einer Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin hätte führen können. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2006, 1429, 1430) sind Gründe für die Annahme einer Dokumentationspflicht einer Anlageberatung gem. § 242 BGB nicht ersichtlich, da der beratene Anleger auch ohne besondere Fachkunde eigene Aufzeichnungen über das Beratungsgespräch fertigen oder zum Gespräch einen Zeugen hinzuziehen kann. Selbst ohne Zeugen besteht im Prozess für ihn die Möglichkeit, durch Abtretung oder durch Parteivernehmung/Anhörung eine beweisrechtliche ebenbürtige Stellung mit der Bank herzustellen. Eine Dokumentationspflicht folgt nach der Rechtsprechung des BGH, a.a.O. auch nicht aus dem Wertpapierhandelsgesetz. Dieses Gesetz war im Übrigen auf den vorliegenden Beratungsvertrag gar nicht anwendbar, da es erst am 26.07.1994 erlassen wurde (BGBl I S. 1794).

Eine Beweiserleichterung oder eine Beweislastumkehr musste der Beklagte zu 2) auch nicht deshalb annehmen, weil Mitarbeiter der Volksbank ein Aufklärungsverschulden mündlich oder schriftlich eingeräumt hätten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die zu den Akten gereichte Korrespondenz insoweit unergiebig. Aus keinem Schreiben ergibt sich hinreichend deutlich, dass Mitarbeiter der Volksbank geäußert hätten, die Mutter der Klägerin falsch beraten zu haben.

Auch die Erklärungen, die die Bankmitarbeiter nach den Behauptungen der Klägerin in ihrer Gegenwart abgegeben haben sollen, reichen in diesem Zusammenhang nicht aus. Die von dem Zeugen L in der Besprechung im Juni 1994 erteilte Zusage, er werde sich persönlich um das Konto der Mutter der Klägerin kümmern und Herr O werde sich bei ihnen melden, ist nicht hinreichend sicher als ein Schuldeingeständnis der Volksbank zu bewerten. Entscheidend für diese Erklärung konnte auch aus der damaligen Sicht der Klägerin und ihrer Mutter der etwaige Wunsch der Bank sein, die Mutter der Klägerin als langjährige Kundin zufrieden zu stellen und weitere Geschäfte mit ihr abzuschließen. Gleiches gilt für die von der Klägerin behauptete Erklärung von Herrn L, die er in einem späteren Gespräch u.a. mit dem Vorsitzenden des S getätigt haben soll: "Jetzt erst recht nicht, weil Ihre Mutter an den Genossenschaftsverband geschrieben hat". Zudem ergibt sich aus der Formulierung "jetzt erst recht nicht" zwangsläufig, dass bereits zuvor eine Regulierung für die Volksbank nicht in Betracht kam. Schließlich hat auch nicht Herr O ein Aufklärungsverschulden der Volksbank eingeräumt, als er wie die Klägerin in ihrer Anhörung bekundet hat ihr in einem Telefonat im September 1994, bezogen auf einen Schadensausgleich, gesagt hatte:"Wenn wir das einmal machen würden". Diese Äußerung kann aus Empfängersicht ohne weiteres dahingehend interpretiert werden, dass die Bank es ablehnte, den Schaden aus Kulanz zu ersetzen. Dagegen, dass die Volksbank ein Aufklärungsverschulden eingeräumt hat, spricht im Übrigen das eigene, an das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel gerichtete Schreiben der Klägerin vom 22.01.2003, demzufolge eine Einigung mit der Volksbank nicht habe erzielt werden können, weil die Bank kein Fehlverhalten habe feststellen können.

Die Chance der Klägerin, den ihr obliegenden vollen Beweis einer pflichtwidrigen Beratung seitens der Volksbank zu erbringen, musste der Beklagte zu 2) allenfalls mit 50 % bewerten. Die Klägerin wäre in einem Prozess gem. § 141 ZPO persönlich anzuhören gewesen. Der Beklagte zu 2) konnte zudem in dem Prozess die Vernehmung des Zeugen U beantragen. Der Beklagte zu 2) musste es grundsätzlich als unsicher beurteilen, was der Zeuge U aussagen und welchen persönlichen Eindruck er beim Gericht hinterlassen würde. Bedenken dagegen, eine Aussage zugunsten der Klägerin erwarten zu dürfen, mussten sich für ihn aus dem Umstand ergeben, dass der Zeuge als Angestellter der Volksbank und als derjenige, der die Beratung durchgeführt hatte, sowohl wirtschaftlich als auch persönlich am Ausgang des Rechtsstreits zugunsten der Volksbank interessiert sein würde. Eine Parteivernehmung der Klägerin kam ernsthaft nur unter den Voraussetzungen des § 448 ZPO in Betracht. Von Amts wegen konnte die Klägerin nur vernommen werden, wenn nach der Würdigung des gesamten Verhandlungsergebnisses, also auch unter Berücksichtigung der Anhörung der Klägerin als Partei und der Vernehmung des Zeugen U zwar noch keine Überzeugung, aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbracht sein würde (vgl. Zöller-Greger, 26. Aufl., § 448 ZPO, Rdn. 2 a, 4). Ohne einen solchen Anbeweis erfordert der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses keine Vernehmung der beweisbelasteten Partei. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist Genüge getan, wenn die Partei gem. § 141 ZPO angehört wird. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet, dass das Ergebnis der Anhörung ausreichend Gewicht hat (vgl. BGH, NJW 2006, 1429, 1431 m.w.N.; BVerfG, NJW 2001, 2531 f.). Ob nach der mündlichen Verhandlung ein Anbeweis gegeben war, konnte der Beklagte zu 2) nicht vorhersehen. Für einen solchen Anbeweis konnte das damalige Vorbringen der Klägerin allein insofern Indizien liefern, als die Mutter der Klägerin bei der Volksbank über 30 Jahre lang stets sicherheitsorientiert angelegt hatte. Jedoch musste es dem Beklagten zu 2) als zumindest plausible Möglichkeit erscheinen, dass die Mutter der Klägerin aufgrund der im Jahr 1993 stark angestiegenen DAX-Werte an der positiven Entwicklung der Aktienkurse partizipieren wollte und pflichtgemäße erteilte Risikohinweise innerlich verdrängte.

c)

Der Beklagte zu 2) musste des Weiteren prüfen, welche Chancen die Klägerin im Falle des Nachweises einer Pflichtverletzung der Volksbank haben würde, den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung der Bank und dem von ihr geltend gemachten Schaden darzulegen und zu beweisen. Zugunsten der Klägerin griff in diesem Zusammenhang die Erleichterung des § 287 ZPO, wonach eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit bereits genügt. Auch unter Berücksichtigung des § 287 ZPO blieb aber ein erhebliches Beweisrisiko für die Klägerin. Der Beklagte zu 2) konnte nicht als sicher unterstellen, dass zugunsten der Klägerin die Grundsätze des Anscheinsbeweises heranzuziehen waren. Denn die Anwendung des Anscheinsbeweises hätte vorausgesetzt, dass nach einer pflichtgemäßen Beratung der Bank für die Mutter der Klägerin nicht mehrere Handlungsalternativen offen standen, die sämtlich mit Vor- und Nachteilen verbunden waren, sondern ernsthaft nur ein Verhalten in Betracht kam (vgl. BGHZ 124, 151 ff zum Fall der Anlageberatung; Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., § 280 BGB Rdn. 38 - 39). Diese Voraussetzungen konnten nur erfüllt sein, wenn die Klägerin - was aber als unwahrscheinlich einzuschätzen war - hätte beweisen können, dass ihre Mutter ausschließlich eine sichere Geldanlage gewünscht hatte und daher nur der Rat der Volksbank richtig gewesen wäre, keine Aktien zu kaufen, sondern ihr Geld in Sparbriefen, Festgeldern etc. anzulegen.

d)

Weiterhin musste der Beklagte zu 2) überlegen, welchen Schaden nach der sog. Differenzhypothese die Klägerin hätte ersetzt verlangen können, falls ihr der Nachweis gelingen sollte, dass ihre Mutter im Falle pflichtgemäßen Verhaltens der Volksbank keine Aktien gekauft hätte. Zu dem ersatzfähigen Schaden würde in dieser Fallkonstellation der Kursverlust zählen (vgl. auch BGH, BGHZ 124, 151 ff) sowie gem. § 252 BGB die Zinsen, die sie im Falle einer sicheren Geldanlage erzielt hätte (vgl. auch BGH, 2000, 1204 ff). Auch die durch den Verkauf der Aktien entstandenen Gebühren hätte die Klägerin ersetzt verlangen können.

e)

Es ergaben sich für den Beklagten zu 2) keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Mutter der Klägerin. Es war ihr weder anzulasten, nicht sofort, nachdem sie einen Kursverfall der Aktien bemerkt hatte, diese Aktien verkauft zu haben. Noch war es ihr vorzuwerfen, dass sie Ende 1994 die Aktien verkaufte, anstatt sie länger zu halten. Denn die Mutter der Klägerin, die über kein spezielles Fachwissen verfügte, konnte die weitere Kursentwicklung nicht voraussehen.

f)

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin war auch nicht bereits bei Beauftragung des Beklagten zu 2) verjährt. Die kurze 3jährige Verjährungsfrist gem. § 37 a WpHG war hier nicht einschlägig, weil der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch vor Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes entstanden ist (s.a. § 43 WpHG). Die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 195 BGB a.F. wurde gem. Art. 229 § 6 EGBGB zum 01.01.2002 durch die kürzere 3jährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB ersetzt und lief erst zum 31.12.2004 ab.

4.

Neben der zu negativen Darstellung der Erfolgsaussichten einer gegen die Volksbank gerichteten Klage verhielt sich der Beklagte zu 2) nicht pflichtwidrig, als er nicht vorsorglich auf den Eintritt der Verjährung zum 31.12.2004 hinwies. Denn es drohte damals keine Verjährung; vielmehr war bis zum Ablauf der Verjährungsfrist noch mehr als ein Jahr Zeit. Im Übrigen kann nicht mit einer gem. § 287 ZPO hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass für die Klägerin ein pflichtgemäß erteilter Hinweis zumindest mitursächlich dafür gewesen wäre, Klage zu erheben. Denn eine drohende Verjährung erhöht grundsätzlich nur den Druck, sich nunmehr zu entscheiden, beeinflusst aber nicht die sich im vorliegenden Fall allein stellende Frage, wie zu entscheiden ist.

II.

Der Senat ist nicht in dem erforderlichen Maße davon überzeugt, dass der Pflichtverstoß der Beklagten zu 2), die Klägerin zu negativ über ihre Erfolgschancen einer gegen die Volksbank gerichteten Schadensersatzklage aufgeklärt zu haben, für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ursächlich gewesen ist.

Wie bereits oben ausgeführt, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität der Mandant (BGHZ 123, 311, 313), wobei jedoch die Beweisführung nach § 287 ZPO erleichtert ist. Eine deutliche überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit genügt (BGH, NJW 2006, 923, 925). Bei der Frage, welche hypothetische Entscheidung der Regresskläger bei vertragsgemäßer Beratung des Rechtsanwalts getroffen hätte, darf die in dem Regressverfahren bekundete mutmaßliche Reaktion des Klägers nicht unbesehen als bewiesen angenommen werden. Vielmehr müssen alle Umstände des Einzelfalles insgesamt gewürdigt werden. Dabei ist in der Regel entscheidend, welches Verhalten damals aus objektiver Sicht vernünftiger oder aus anderen besonderen Gründen zu jenem Zeitpunkt naheliegend war (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 719 und 731 m.w.N.).

Der Senat sieht nicht mit einer für § 287 ZPO ausreichenden Wahrscheinlichkeit die Bekundung der Klägerin während ihrer Anhörung vor dem Senat als richtig an, sie hätte stets Klage eingereicht, wenn der Beklagte zu 2) einen gegen die Volksbank gerichteten Schadensersatzanspruch nicht als aussichtslos beurteilt hätte. Allein der Umstand, dass sich die Klägerin unstreitig in dieser Wertpapierangelegenheit überdurchschnittlich stark engagiert hat, stellt kein hinreichendes Indiz für die Richtigkeit der Angaben über ihr hypothetisches Verhalten dar - zumal die Klägerin trotz Frage des Senates keinen plausiblen Grund dafür genannt hat, warum sie nach endgültigem Scheitern der Verhandlungen mit der Volksbank 1998 erst nach weiteren fünf Jahren einen Anwalt aufgesucht hat. Ihre Bekundung, das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel habe ihr Ende 2002/Anfang 2003 eine Verjährungsfrist von 10 Jahren genannt, erklärt ihr zögerliches Verhalten insoweit nicht. Dagegen, dass die Klägerin bei Erfolgschancen von allenfalls 50 % eine Klage eingereicht hätte, spricht bereits das mit der Prozessführung verbundene Kostenrisiko. Dass für die Klägerin die Rechtsverfolgungskosten nicht gleichgültig waren, ergibt sich aus ihrem eigenen an den Beklagten zu 2) gerichteten Schreiben vom 19.11.2003, in dem sie von sich aus die Frage des Honorars des Beklagten zu 2) erwähnt. Auch die in diesem Schreiben zum Ausdruck kommende vorsichtige Herangehensweise der Klägerin, mit der sie den Beklagten zu 2) zunächst um eine Vorprüfung der Angelegenheit bittet, kann ebenso wie die mit einer Prozessführung verbundenen sonstigen Nachteile wie Zeitaufwand und psychische Belastung als Argument gegen die Richtigkeit der Bekundungen der Klägerin über ihr mutmaßliches Verhalten bei pflichtgemäßer Aufklärung seitens des Beklagten zu 2) gewertet werden. Schließlich spricht dagegen, dass die Klägerin bei pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten zu 2) Klage eingereicht hätte, der Umstand, dass sie im Herbst 2003 unstreitig keine Klage gegen die Deutsche Bank erhoben hatte, obwohl der Beklagte zu 2) sie zuvor unstreitig darüber belehrt hatte, ein solcher Prozess sei risikoreich, aber nicht aussichtslos.

Auf einen Anscheinsbeweis kann sich die Klägerin nicht stützen. Denn ein solcher Beweis greift wie oben bereits ausgeführt nur ein, wenn bei sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Menschen eindeutig eine bestimmte Reaktion nahegelegen hätte, also nicht mehrere Verhandlungsalternativen offen standen, die sämtlich Vor- und Nachteile aufwiesen, somit zu gewichten und abzuwägen waren (BGH NJWRR 2003, 1569; Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 721 f.). Bei Erfolgschancen von maximal 50 % erweist sich aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Menschen eine mit einem Kostenrisiko sowie mit einer zeitlichen und psychischen Belastung verbundene Klageerhebung nicht als einzig sachgerechte Entscheidung.

B.

Gem. § 538 Abs. 2 ZPO war das erstinstanzliche Urteil nicht aufzuheben und an das Landgericht zurückzuweisen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind keine Verfahrensfehler i.S.d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO des erstinstanzlichen Gerichts ersichtlich. Im Übrigen wäre im Falle des Vorliegens solcher Verfahrensfehler keine aufwändige oder umfangreiche Beweisaufnahme notwendig geworden. Der Rechtsstreit ist vielmehr entscheidungsreif.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

D.

Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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