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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: 28 W 33/2000
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 568 Abs. 2
ZPO § 850 c Abs. 4
ZPO § 139
ZPO § 539
ZPO § 540
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

28 W 33/2000 OLG Hamm 7 T 754/99 LG Bochum 50 M 859/99 AG Bochum

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 06. März 2000 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 02. Februar 2.000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Fahrendorf, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Szafran und die Richterin am Amtsgericht Niewerth am 29. Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin werden der Beschluß des Amtsgerichts Bochum vom 14. Juli 1999 und der Beschluß des Landgerichts Bochum vom 02. Februar 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig und begründet.

I.

Nach § 568 Abs. 2 ZPO ist eine sofortige weitere Beschwerde nur zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung des Landgerichts einen neuen selbständigen Beschwerdegrund zum Nachteil des Beschwerdeführers enthält. Das ist hier der Fall.

1.

Es ist schon fraglich, ob der den Antrag nach § 850 c Abs.4 ZPO zurückweisende Beschluß des Amtsgerichts Bochum vom 14. Juli 1999 und der die Beschwerde gegen diesen Beschluß zurückweisende Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum über den Streitgegenstand im Ergebnis gleich entschieden hat. Während das Amtsgericht zwar auch unzureichende Angaben zum Namen der Ehefrau des Schuldners und der ungefähren Art und Hölle des Einkommens bemängelt hat, hat es doch unter Berufung auf St ("Forderungspfändung", 11. Aufl., Rdn. 1064, 1065) im wesentlichen den Antrag jedoch wegen fehlender Glaubhaftmachung dieser Angaben zurückgewiesen. Auch wenn das Landgericht pauschal auf die zutreffenden Gründe des Amtsgerichts zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen verwiesen hat, hat es sich im folgenden doch nur mit der nach seiner Ansicht fehlenden Substantiierung der Angaben der Gläubigerin befaßt. Ob ein Vortrag aber schon unschlüssig ist öder ob ihm mangels Glaubhaftmachung nicht nachgegangen werden kann, stellt einen unterschiedlichen und neuen Entscheidungsgrund zum Nachteil der Gläubigerin dar.

2.

Diese Frage kann aber letztlich dahin stehen. Das Landgericht hat einen wesentlichen, entscheidungserheblichen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften des Beschwerdeverfahrens, nämlich gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, begangen. Ein solcher Verstoß eröffnet aber nach ständiger Rechtsprechung des bislang zuständigen 14. Zivilsenates, der sich der Senat anschließt, das Rechtsmittel der weiteren sofortigen Beschwerde selbst dann, wenn wie im vorliegenden Fall Amtsgericht und Landgericht insoweit übereinstimmend den Antrag nach § 850 c Abs. 4 ZPO zurückgewiesen haben. Das Landgericht hat gegen den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es erhebliches Vorbringen übergangen und es unterlassen hat, sich mit Tat- und Rechtsfragen auseinanderzusetzen. Der Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, deren Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 27,248,251 f.; 42,364,367 f. m.w.N.). Dabei ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen der Parteien auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, zumal sie nicht verpflichtet sind, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfGE a.a.O.).

Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist.

Solche Umstände liegen hier vor. Obwohl der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin mehrfach gerügt hatte, daß das Zwangsvollstreckungsverfahren keine Glaubhaftmachung kenne, sondern auch hier unbestrittener Vortrag als zugestanden gelte, hat sich das Landgericht mit dieser Frage mit keinem Wort auseinandergesetzt, sondern nur pauschal auf den "zutreffenden" Beschluß des Amtsgerichts verwiesen. Auch mit der ausdrücklichen Behauptung in der Antragsschrift, daß die Ehefrau des Schuldners "Arbeitseinkommen" in Höhe von 1.500,00 DM beziehe, und dein Vortrag in der Beschwerdeschrift, daß infolge der im Bundesgebiet herrschenden Einehe eine Verwechslung der Ehefrauen nicht möglich sei, sowie daß andere Amtsgerichte seine Angaben als ausreichend angesehen hätten, geht das Landgericht nicht ein. Es beschränkt sich auf die Wiedergabe von allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und denn - selbst nur allgemein gehaltenen - Satz, daß "die hier vorgebrachten allgemein gehaltenen Angaben und inhaltsleeren Behauptungen der Gläubigerin unzureichend sind". Eine derart knappe Begründung ist aber, zumal das Landgericht nicht etwa zuvor gemäß § 139 ZPO auf die von ihm vermißten Angaben hingewiesen hat, unzureichend und verfahrensfehlerhaft. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß sich das Landgericht bei einer ausreichenden Auseinandersetzung mit dein Vortrag der Gläubigerin anhand von Rechtsprechung und Schrifttum anders entschieden hätte.

Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts sind auch in der Sache unzutreffend. Eine Glaubhaftmachung ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erforderlich. Die vom Amtsgericht für seine Auffassung angeführte Fundstelle belegt das Gegenteil. St ("Forderungspfändung", 12. Aufl., Rdn. 1066, 1067) vertritt m.w.N. ausdrücklich die Ansicht, daß der Antrag nach § 850 c Abs.4 ZPO keines Beweises und keiner Glaubhaftmachung bedarf. Er fordert nur schlüssigen Vortrag, der gegebenenfalls nach Bestreiten des Schuldners in vollem Umfang zu beweisen ist. An die Schlüssigkeit des Vortrages dürfen aber nach seiner Auffassung gerade keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. Stöber, "Forderungspfändung", 12. Aufl., Rdn. 1067, 1059).

Ein Sachvortrag ist zudem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erheblich, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht, zu begründen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Insbesondere wenn es sich bei den behaupteten Vorgängen um Tatsachen außerhalb des Kenntnisbereiches einer Partei handelt, kann der Vortrag näherer Einzelheiten nicht verlangt werden (vgl. insoweit BGH in NJW-RR 1998, 712 ff.; NJW 1999, 1859 [1860]; NJW-RR 1999, 360). Die Angabe, daß die als solche unverwechselbare Ehefrau eines Schuldners einen eigenen Arbeitsverdienst von 1.500,00 DM netto monatlich erzielt, reicht aber zur Begründung der Rechtsfolge des § 850 c Abs.4 ZPO aus. Es ist nunmehr Sache des Shuldners, sich zu dieser Behauptung zu äußern und die Angaben des Gläubigers konkret zu bestreiten (vgl. Stöber, "Forderungspfändung", 12. Aufl., Rdn. 1067). Da zudem die Lebensverhältnisse des Schuldners nicht dem eigenen Wahrnehmungsbereich des Gläubigers unterliegen, darf dieser grundsätzlich auch seine nur vermuteten Vorstellungen über die Einkommensverhältnisse in die Form einer konkreten Behauptung kleiden (vgl. BGH in NJW-RR 1999, 360 und 361). Insoweit reichten die Angaben der Gläubigerin für die Antragstellung nach § 850 c Abs.4 ZPO aus. In welchem Umfang ihm entsprochen werden kann, kann erst nach der Stellungnahme des Schuldners entschieden werden.

II.

Der Senat hat gem. § 539 ZPO den Beschluß im Hinblick auf den wesentlichen Verfahrensfehler aufgehoben und wegen der falschen Sachbehandlung die Sache gemäß § 575 an das Amtsgericht zurückverwiesen (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 575 Rdn. 18). Von der in § 540 ZPO eingeräumten Befugnis, von der Zurückverweisung abzusehen und selbst in der Sache zu entscheiden, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Der Senat hält es für sachgemäß, dass das Amtsgericht unter Berücksichtigung auch des weiteren Vortrags der Gläubigerin in dem weiteren Beschwerdeverfahren zunächst die unterlassene Anhörung des Schuldners durchführt und dann aufgrund der zugestandenen oder gegebenenfalls nach einer Beweisaufnahme festgestellten Umstände über den Antrag der Gläubigerin befindet.

Ende der Entscheidung

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