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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.08.2009
Aktenzeichen: 28 W 36/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 287
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 675 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 26.Juni 2009 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 12.Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 10.Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beklagte begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen die Gebührenklage des Klägers sowie für eine Widerklage. Insofern macht er gegen den Kläger Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von anwaltlichen Pflichten geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger vertrat den Beklagten in einem Streitverfahren erster und zweiter Instanz, in welchem der Beklagte gegen die W AG und die M AG vor dem Landgericht Düsseldorf bzw. dem Oberlandesgericht Düsseldorf einen Zahlungsanspruch aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter für diese Unternehmen geltend machte. Zur Begründung seines Klagebegehrens behauptete der Beklagte in jenem Rechtsstreit, er habe sich mit der Gegenseite in einem Gespräch am 21.02.03 verbindlich auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 480.000,00 € verständigt. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme, in deren Rahmen die Lebensgefährtin des Klägers und drei leitende Mitarbeiter der Wsgruppe vernommen wurden, wies das Landgericht Düsseldorf die Klage mit Urteil vom 27.11.07 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde auf Hinweis des OLG Düsseldorf zurückgenommen.

Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage restliche Vergütungsansprüche aus der Vertretung des Beklagten in diesen Verfahren in Höhe von insgesamt 9.025,13 € nebst Zinsen geltend. Der Beklagte verteidigt sich hiergegen mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch und erhebt insoweit Widerklage.

Der Beklagte wirft dem Kläger eine fehlerhafte Prozessführung vor. Dazu hat er behauptet, der Kläger habe es im Prozess gegen die W AG und die M AG unterlassen vorzutragen, dass die Gegenseite in einem Vergleichsgespräch am 09.11.02 bereit gewesen sei, 410.000,00 € zu zahlen. Diese Verhandlungsbasis wäre jedoch ein Indiz für die Richtigkeit seiner Behauptung gewesen, dass man sich am 21.02.03 auf 480.000,00 € geeinigt hätte. Der Kläger hätte sich daher auf das Zeugnis des bei dem Gespräch anwesenden Rechtsanwalts M2 beziehen und dessen Aktenvermerk vom 06.12.02 vorlegen müssen. In diesem Fall wäre die Beweisaufnahme zu seinem Gunsten ausgegangen, jedenfalls aber ein 100.000,00 € Vergleich gelungen. Unter Berücksichtigung der Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 34.497,50 €, der an den Kläger gezahlten Gebühren in Höhe von 5.628,90 € und der an seinen jetzigen Prozessbevollmächtigen gezahlten Kosten in Höhe von 5.000,00 € sei ihm daher ein Schaden in Höhe von mindestens 145.126,40 € entstanden.

Der Beklagte hat daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt für den Klageabweisungsantrag sowie den Widerklageantrag,

den Kläger zu verurteilen, an ihn 145.126,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2009 zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.06.09 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt, da der Schadensersatzanspruch in keiner Weise substantiiert dargetan sei, insbesondere eine Pflichtverletzung des Klägers nicht erkennbar sei.

Gegen den am 16.06.09 zugestellten Beschluss des Landgerichts richtet sich die am 26.06.09 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und im Übrigen auch zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Voraussetzungen, unter denen nach §§ 114, 115 ZPO der bedürftigen Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen nicht vor, denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt neben der Bedürftigkeit des Antragstellers voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussichten auf Erfolg hat ( § 114 ZPO).

Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger gemäß §§ 280 Abs.1, 675 Abs. 1, 611 BGB ist jedoch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage weder im Hinblick auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung noch des Eintritts eines dadurch bedingten Schadens erkennbar.

a)

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer anwaltlichen Pflichtverletzung obliegt dem Mandanten [Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Auflage, Rn. 651]. Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Beklagten nicht gerecht. Eine Pflichtverletzung des Klägers ist nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Die Rechtsprechung verlangt von einem Anwalt, dass er den Mandanten innerhalb der Grenzen seines Auftrages umfassend berät und dessen Interessen in optimaler Weise wahrnimmt [vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7.Auflage, Rn.401]. In diesem Rahmen hat der Rechtsanwalt im Aktiv- wie im Passivprozess alle zugunsten seiner Partei sprechenden Umstände vorzutragen [vgl. BGH NJW 2000, 3560, 3561] und alle in Betracht kommenden Beweismittel vollständig und rechtzeitig in den vorbereitenden Schriftsätzen zu bezeichnen [vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7.Auflage, Rn.1536].

aa)

Hieran gemessen ist jedoch eine Pflichtverletzung des Klägers dadurch, dass er sich nicht auf das Zeugnis des Rechtsanwalts M2 berief, nicht feststellbar.

Dem Vortrag des Klägers, sich in der Klageschrift vom 20.02.06 an das Landgericht Düsseldorf auf die Zeugeneinvernahme des Rechtsanwalts M2 im Kontext mit dem Gespräch vom 09.11.02 und den dort eingenommenen Verhandlungspositionen berufen zu haben, ist der Beklagte nicht entgegen getreten.

bb)

Auch der Vorwurf der Nichtvorlage des Aktenvermerkes des Zeugen M2 vom 06.12.02 vermag eine Pflichtverletzung nicht zu begründen.

Die Pflicht des Anwalts, alle in Betracht kommenden Beweismittel anzugeben, beinhaltet zwar auch, alle schriftlichen Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen und genau zu studieren [vgl. BGH WM 1982, 1313 f.; BGH NJW 1981, 2741, 2743; Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Auflage, Rn. 451 f.]. Der Beklagte hat aber auf Bestreiten des Klägers weder konkret darlegt noch unter Beweis gestellt, dass sich der Aktenvermerk in den dem Kläger zur Verfügung stehenden Unterlagen des Rechtsanwalts M2 bzw. des Beklagten befand, noch sind Umstände dargetan, aus denen sich für den Kläger Anhaltspunkte für die Existenz eines solchen Vermerkes hätten ergeben können und müssen. Darüber hinaus brauchte der Kläger - nachdem er schon die Zeugen C und M2 zu dem Inhalt der Besprechung vom 09.11.02 benannt hatte - nicht nach weiteren Beweismitteln zu forschen [vgl. OLG Köln NJW 1986, 725 f.].

b)

Weiterhin ist aber auch ein dem Beklagten aufgrund der (vermeintlichen) Pflichtverletzungen des Klägers entstandener Vermögensschaden nicht ersichtlich.

Nach der herrschenden Differenzhypothese ist ein Schaden grundsätzlich durch einen rechnerischen Vergleich zwischen der durch ein schädigendes Ereignis bewirkten mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenen Umstand eingetreten wäre [vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Auflage, Rn. 819]. Ein Vermögensschaden ist dann gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde [vgl. BGH NJW-RR 2005, 611].

Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Beklagte in dem Prozess obsiegt hätte bzw. zumindest ein Vergleich in Höhe von 100.000,00 € geschlossen worden wäre, wenn Rechtsanwalt M2 als Zeuge vernommen und sein Aktenvermerk vom 06.12.02 zur Gerichtsakte gereicht worden wäre.

aa)

Ob und welcher Beweis und in welchem Umfang im Vorverfahren hätte erhoben werden müssen, hat das Regressgericht aus seiner eigenverantwortlichen Sicht zu klären [vgl. BGH NJW 1996, 2501, 2502]. Ferner hat das Regressgericht selbständig darüber zu entscheiden, ob die Beweisaufnahme unter Berücksichtigung auch der vom Rechtsanwalt pflichtwidrig nicht eingeführten Beweismittel anders ausgegangen wäre [st. Rspr., vgl. BGH NJW 2002, 1417, 1418 m.w.N.].

Es ist jedoch unter Berücksichtigung des Maßstabes des § 287 ZPO anhand des Vortrages des Beklagten nicht erkennbar, dass der Beklagte im Vorprozess aufgrund einer Aussage des Rechtsanwaltes M2 und dessen Aktenvermerkes vom 06.12.02 hätte nachweisen können, dass die vom ihm behauptete Abfindungsvereinbarung bestand. Dagegen sprechen zwei gewichtige Umstände:

Zum einen war schon aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten und damaligen Klägers in einem vorangegangenen Verfahren ernsthaft in Zweifel zu ziehen, ob die von ihm behauptete Abfindungszusage der W AG bzw. M AG verbindlich war. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Berufungsurteil des OLG Hamm vom 24.06.05 - Aktenzeichen 9 U 201/04 - und dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 04.09.06 - Aktenzeichen 16 W 64/04 - verwiesen.

Zum anderen lässt der Ablauf und Inhalt des Gespräches vom 09.11.02 - die Richtigkeit des Beklagtenvortrages insoweit unterstellt - nicht den hinreichenden Schluss zu, dass am 21.03.03 eine Abfindungsvereinbarung in Höhe von 480.000,00 € geschlossen wurde. Fazit des Verhandlungstermins vom 09.11.02 war, dass die W AG und die M AG allenfalls bereit waren, dem Beklagten 410.000,00 € zu zahlen. Gründe, aufgrund derer sich die Gegenseite drei Monate später veranlasst sah, ihr ursprüngliches Angebot auf 480.000,00 € zu erhöhen, zeigt der Beklagte nicht auf.

Der Beklagte hat schließlich auch nicht konkret vorgetragen, dass vor dem Hintergrund des Gespräches vom 09.11.02 die Glaubhaftigkeit der Aussagen der drei leitenden Mitarbeiter der Gegenseite bzw. ihre Glaubwürdigkeit derart erschüttert worden wäre, dass der Klage aufgrund der (glaubhaften) Aussage seiner Lebensgefährtin stattzugeben gewesen wäre. Der insofern fehlende Sachvortrag vermag auch nicht durch den Antrag des Beklagten auf Beiziehung der Akten des Vorprozesses ersetzt zu werden. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts, den fehlenden Vortrag der Parteien selbständig aus Beiakten zu ermitteln [vgl. BverfG NJW 94, 2683; BGHReport 2002, 257].

bb)

Es ist auch nicht hinreichend ersichtlich, dass sich der Beklagte mit der W AG bzw. der M AG auf einen Vergleichsbetrag in Höhe von 100.000,00 € verständigt hätte.

Dem vorgelegten Schriftverkehr, insbesondere dem Schriftsatz des jetzigen Prozessbevollmächtigen des Beklagten in dem Berufungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf vom 26.09.08 ist zu entnehmen, dass der Beklagte vorprozessual auf einen Zahlungsbetrag von über 520.000,00 € bestanden hatte und in den späteren Verhandlungen nicht auf einen Betrag unter 600.000,00 € zurückgehen wollte. Der Beklagte legt vor diesem Hintergrund keinen konkreten Gesichtspunkte dar, dass er sich im Prozess mit einem Betrag von 100.000,00 € zufrieden gegeben hätte.

Es bestehen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich die W AG bzw. der M AG auf einen solchen Vergleich eingelassen hätte. In der diesbezüglich vom Kläger vorgelegten Email vom 26.02.06 kommt unzweideutig zum Ausdruck, dass seitens der W AG bzw. der M AG kein Interesse an weiteren Vergleichsgesprächen (mehr) bestand.

c)

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist zur behaupteten Schadenshöhe nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass seitens des Beklagten nicht berücksichtigt ist, dass der geschädigte Mandant im Regressprozess so zu stellen ist, als sei eine fehlerfreie anwaltliche Tätigkeit erfolgt. Deshalb bleibt der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts auch bei einer mangelhaften Dienstleistung bestehen [vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7.Auflage, Rn.911, 923]

2.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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