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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.05.1999
Aktenzeichen: 29 U 89/98
Rechtsgebiete: BGB, GmbH-Gesetz, ZPO


Vorschriften:

BGB § 607 Abs. 1
BGB § 267 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 278
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
GmbH-Gesetz §§ 53 ff
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Redaktioneller Leitsatz:

Die im Vertrauen auf eine gleichberechtigte Partnerschaft in einer finanziell angeschlagenen Unternehmensgesellschaft im voraus geleistete Zahlung ist wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zurückzuerstatten, wenn die Gegenpartei nicht unmißverständlich zu erkennen gibt, daß sie eine gleichberechtigte Partnerschaft nicht ernsthaft erwägt. Allerdings muß sich der Leistende ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er zahlt, ohne auf einer Absicherung seines Risikos zu bestehen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

29 U 89/98 OLG Hamm 4 O 394/97 LG Hagen

Verkündet am 11. Mai 1999

Klement, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

der Frau L ,

Beklagte und Berufungsklägerin,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Eick, Dr. Bergmann, Schumacher, Dr. Mennemeyer, Dr. Heß, Dr. Uebbert, Dr. Alberts, Mecklenbrauck, Dr. Menken, Dr. Brinkmann und Dr. Hüsing-Exner in Hamm

gegen

Herrn W

Kläger und Berufungsbeklagter,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Rinsche, Dr. Speckmann, Dr. Müller, Dr. Batereau, Dr. Schlüter, Dr. Apel, Dr. Terbille, Dr. Berninghaus, Dr. Deppen, Dr. Brocker, Dr. Wohlleben, Dr. Neumann, Dr. Born, Dr. Raming, Dr. Barbasch, Dr. Ockenfels, Dr. Lange und Rechtsanwältin Kloppenburg in Hamm hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröder und die Richter am Oberlandesgericht Rethemeier und Vogt für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.02.1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 91.044,81 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.01.1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 93.500,00 DM abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Kläger wird nachgelassen, die Sicherheit durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Die Beschwer beider Parteien liegt über 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Beklagte war alleinige Kommanditistin der Firma D GmbH & Co. KG und alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH, der Firma Verwaltungs GmbH. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH waren die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge L, der bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma am 07. November 1996 im wesentlichen die Geschäfte der Gesellschaft allein führte. Der Kläger war seit Gründung der Firma Mitarbeiter und zuletzt Betriebsleiter der KG. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des wesentlichen Teils eines am 30. November 1995 auf das Konto der Gesellschaft eingezahlten Betrages in Höhe von 200.000,00 DM in Anspruch.

Im Verlaufe der 90er Jahre geriet die Firma D insbesondere wegen wachsender Konkurrenz auf einem angestammten Geschäftsfeld, der Herstellung von Paßschrauben, zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Hausbank der Firma, die Bank AG Unna, drängte spätestens in der 2. Hälfte des Jahres 1995 auf eine Neustrukturierung der Geschäftsfelder. Im Oktober 1995 war die Kontokorrentlinie der Firma D, die 250.000,00 DM betrug, mit etwa 100.000,00 DM überzogen; das Gesamtkreditvolumen bewegte sich im Bereich von 700.000,00 - 800.000,00 DM. Hinzu kamen Steuerschulden in Höhe von rund 120.000,00 DM.

In dieser Situation kam es am 25. Oktober 1995 im Hause der Beklagten zu einem Gespräch mit dem Kläger, an dem außer dessen Ehefrau auch der Ehemann der Beklagten, der Zeuge L, und die beiden Töchter der Eheleute L teilnahmen. Wesentlicher Gegenstand des Gesprächs waren der Verkauf des Unternehmenssegments Paßschraubenproduktion und eine finanzielle Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft, die nach Vorstellung des Klägers grundsätzlich gleichberechtigt gegenüber der Beklagten sein sollte. Die Einlage des Klägers sollte 200.000,00 DM betragen.

Im November 1995 kam es in den Geschäftsräumen der Firma D zu einer weiteren Besprechung, an der außer dem Kläger und dem Zeugen der Zeuge B der Bank AG Unna und eine weitere Mitarbeiterin des Kreditinstituts teilnahmen. Der Zeuge in drängte auf Rückführung der Überziehung der Kontokorrentlinie, auf einen Verkauf des unrentablen Paßschraubensegments und, wie bereits in einem früheren Gespräch im September 1995, auf eine Nachfolgeregelung in der Gesellschaft durch Aufnahme des Klägers als Gesellschafter. Es wurden unterschiedliche prozentuale Beteiligungsmöglichkeiten erörtert, wobei jedoch Einigkeit darüber erzielt wurde, daß der Kläger zunächst einen Betrag in Höhe von 200.000,00 DM zur Deckung der dringendsten Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufbringen und auf das Konto der Gesellschaft einzahlen sollte.

Der Kläger schloß daraufhin mit der Bank AG Unna zwei Kreditverträge über je 100.000,00 DM ab; die Darlehnesvaluta wurde auf seine Weisung hin am 30. November 1995 auf das Konto der Firma D überwiesen. Als Sicherheit bestellte der Kläger zu Gunsten der Bank AG eine Grundschuld in Höhe von 200.000,00 DM an seinem Privatgrundstück.

Die Firma D zahlte zunächst direkt an die Bank AG die fälligen Zins- und Tilgungsleistungen für den Kläger. Im April 1996 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, der Familie L und deren Steuerberater über den Wert der Gesellschaft und die daraus für die Höhe der prozentualen Beteiligung des Klägers zu ziehenden Konsequenzen. Das Angebot, ihn zu 30 % zu beteiligen, akzeptierte der Kläger nicht. Ab Juni/Juli 1996 kam die Firma D für die Zins- und Tilgungsverpflichtungen des Klägers gegenüber der Bank AG nicht mehr auf. Mit Anwaltsschreiben vom 02. Juli 1996 kündigte der Kläger das seiner Ansicht nach bestehende Darlehensverhältnis fristlos, hilfsweise zum 10. Oktober 1996. Die Familie der Beklagten übernahm noch bis einschließlich August 1996 die Zins- und Tilgungsleistungen des Klägers gegenüber der Bank AG Unna persönlich, stellte dann aber ebenfalls ihre Zahlungen ein. Der Debetsaldo auf den Kreditkonten des Klägers betrug am 1. September 1996 182.089,62 DM; dieser Betrag entspricht der Klageforderung.

Der Kläger hat behauptet, im November 1995 mit der Beklagten, vertreten durch den Zeugen L vereinbart zu haben, für die Zahlung der 200.000,00 DM an der Gesellschaft beteiligt zu werden. Dies habe alsbald nach Vorlage eines aktuellen Vermögensstatus geschehen sollen, von denen der prozentuale Umfang seiner Beteiligung abhängig gemacht worden sei. Bis zum Abschluß eines notariellen Gesellschaftsvertrages habe die Firma D seine Kreditverpflichtungen gegenüber der Bank AG Unna übernehmen sollen. Er hat die Ansicht vertreten, daß entweder ein Darlehensvertrag mit der Beklagten zustandegekommen sei, den er wirksam gekündigt habe, oder daß seine Zahlung als Vorschuß auf den Kauf der Gesellschaftsanteile gewertet werden müsse.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 182.089,62 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 01. September 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, daß der Zeuge L bevollmächtigt gewesen sei, in ihrem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber dem Kläger abzugeben. Auch sei weder im Oktober noch im November 1995 eine Einigung über die Aufnahme des Klägers als Gesellschafter getroffen worden. Mit der Zahlung von 200.000,00 DM habe der Kläger allenfalls den Zweck verfolgt, sie zu bewegen, ihm Anteile an der Gesellschaft abzutreten. Sie hat die Ansicht vertreten, daß ein Darlehensvertrag allenfalls mit der Firma D, nicht jedoch mit ihr persönlich, zustandegekommen sei.

Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben. Es hat einen Bereicherungsanspruch des Klägers wegen Zweckverfehlung für begründet erachtet und dazu im wesentlichen ausgeführt, daß der Kläger der Beklagten den Betrag in Höhe von 200.000,00 DM zu dem Zweck zugewandt habe, einen Vorschuß auf die Gegenleistung für eine spätere Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu leisten. Der Zeuge L sei zur Abgabe der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des angefochtenen Urteils wird auf Bl. 55 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 26. März 1998 zugestellte Urteil richtet sich die fristgerecht am 22. April 1998 eingelegte und nach Fristverlängerung ebenfalls fristgerecht am 22. Juni 1998 begründete Berufung der Beklagten. Sie behauptet nunmehr, daß es zwar im Oktober und November 1995 zu Gesprächen mit dem Kläger über dessen Beteiligung an der Gesellschaft gekommen sei, daß sie aber den Wunsch des Klägers nach einer gleichberechtigten Partnerschaft abgelehnt und auf einer Mehrheitsbeteiligung von mindestens 51 % bestanden habe. Eine Einigung darüber sei nicht erzielt worden. Im übrigen habe auch eine Bewertung des Unternehmens durchgeführt werden sollen, da auch über den Firmenwert keine Einigung geherrscht habe. Sie vertritt die Ansicht, daß weder ein Darlehensvertrag mit ihr persönlich zustandegekommen sei noch eine Zweckvereinbarung, so daß auch der vom Landgericht angenommene Bereicherungsanspruch ausscheide. Im übrigen sei eine etwaige Bereicherung auch wegen des eingetretenen Vermögensverfalls der Firma D. weggefallen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, greift jedoch seinen erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt, daß ein Darlehensvertrag mit der Beklagten zustandegekommen sei, nicht mehr auf, sondern hält sie unter anderen rechtlichen Gesichtspunkt für verpflichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B L und W . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom 24. November 1998 (Bl. 171 ff der Akten und vom 16. März 1999 (Bl. 212 ff der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Dem Kläger steht nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu; dieser ist jedoch wegen Mitverschuldens zu kürzen.

I.

1.

Ein vertraglicher Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens aus § 607 Abs. 1 BGB besteht, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht.

Der Senat geht schon nicht davon aus, daß überhaupt eine Einigung über die wesentlichen Bestandteile eines Darlehensvertrages getroffen worden ist bzw. getroffen werden sollte. Eine solche Einigung hätte vorausgesetzt, daß die Parteien darin übereingestimmt hätten, daß der Kläger der Beklagten 200.000,00 DM verschaffen, für bestimmte oder unbestimmte Zeit belassen und die Beklagte sodann das empfangene Kapital zurückerstatten sollte. Insoweit hat der Senat erwogen, ob der erstinstanzlichen Argumentation des Klägers gefolgt werden könnte, wonach dieser der Beklagten den Betrag darlehensweise zur Verfügung stellen sollte, damit diese ihn ihrerseits der Firma D als Gesellschafterdarlehen gewähren konnte. Die unstreitig vereinbarte direkte Überweisung der 200.000,00 DM auf das Konto der Firma D auf Weisung des Klägers hätte sich danach als dessen Leistung im Verhältnis zur Beklagten dargestellt, die Tilgung der Kreditverbindlichkeiten des Klägers bei dessen Bank direkt durch die Firma D als Leistung nach § 267 Abs. 1 BGB, durch die zugleich eine mögliche Verpflichtung der Firma D gegenüber der Beklagten, jedenfalls aber deren Verpflichtung gegenüber dem Kläger erfüllt werden sollte (vgl. dazu BGH NJW 1978, 1375, 1377 m.w.N.). Für eine solche Konstruktion haben aber weder die Anhörung der Parteien in beiden Instanzen noch die erst- oder zweitinstanzliche Beweisaufnahme hinreichende Anhaltspunkte ergeben; in der Berufungsinstanz hat sie der Kläger auch selbst nicht mehr vertreten.

Der Kläger hat in seiner ergänzenden Anhörung durch den Senat - im wesentlichen deckungsgleich mit seinen erstinstanzlichen Angaben - deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Überweisung auf das Konto der Firma D ein Vorschuß für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf ihn habe sein sollen, zu deren Vollzug es noch des Abschlusses eines notariellen Vertrages bedurft habe. Angestrebt war mithin aus der Sicht des Klägers eine Vermehrung der Gesellschafterzahl (auch) der Komplementär GmbH, die nach den §§ 53 ff GmbH-Gesetz in notarieller Form hätte erfolgen müssen, während der KG-Vertrag auch formlos hätte geändert werden können. Vertragspartner des Klägers wäre dafür die D Verwaltungs GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer oder gegebenenfalls auch durch ihre Alleingesellschafterin, die Beklagte, als deren Organ gewesen (vgl. Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH und Co. KG,

4. Auflage, S. 361); der "zu verrechnende Vorschuß" des Klägers stellte sich demnach als Vorwegnahme der mit einer Übertragung der Gesellschaftsanteile notwendigerweise verbundenen Kapitalerhöhung dar. Für diese Betrachtungsweise spricht insbesondere auch der Umstand, daß die Firma D, und nicht die Beklagte persönlich, verpflichtet wurde, bis zum Abschluß des Gesellschaftsvertrages die Darlehensverpflichtungen des Klägers gegenüber seiner Bank zu übernehmen. Die Behauptung der Beklagten, der Betrag habe durch die Firma D insgesamt zurückgezahlt werden sollen, ist durch die glaubhafte Aussage des Zeugen BW in zweiter Instanz, wonach die Firma D die Darlehensverpflichtungen des Klägers nur bis zur Übertragung der Gesellschaftsanteile habe übernehmen sollen, widerlegt. Auch der Zeuge L hat bereits in seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, daß dem Kläger mit der Zahlung die Möglichkeit gegeben werden sollte, "als Gesellschafter in die neue Formation einzutreten" und auch in zweiter Instanz die grundsätzliche Einigkeit über eine Aufnahme des Klägers als Gesellschafter hervorgehoben. Letztlich hat auch die Zeugin W, die an dem Gespräch vom 25. Oktober 1995 teilgenommen hat, bekundet, daß der Kläger für den Kapitaleinschuß Gesellschaftsanteile habe erhalten sollen. Daß der Kläger seine Zuwendung zunächst als eine solche gegenüber der Familie der Beklagten gesehen hat, erklärt sich zur Überzeugung des Senats aus der vielfach erkennbar gewordenen und auch von der Zeugin W für die Verhandlungen vom 25. Oktober 1995 bestätigten mangelnden Differenzierung zwischen der Firma D und der Beklagten als alleiniger Gesellschafterin der Komplementär-GmbH und als alleiniger Kommanditistin der KG.

2.

Die erst zweitinstanzlich aufgeworfene Frage eines möglichen Schuldbeitritts der Beklagten stellt sich nach den vorstehenden Ausführungen nicht.

Auch eine Haftung der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB, wie sie das Landgericht angenommen hat, scheidet aus, weil die erforderliche tatsächliche Einigung über den mit der Zahlung bezweckten Erfolg (vgl. BGH NJW 1992, 2690 m.w.N.) bereits aus der Sicht des Klägers nicht mit der Beklagten persönlich, sondern mit der Firma im Vorfeld der angestrebten Änderung des Gesellschaftsvertrages zustandegekommen ist.

II.

1.

Die Beklagte haftet dem Kläger aber auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo), weil sie, vertreten durch den Zeugen L, als eine an den Vertragsverhandlungen Beteiligte den Kläger über ihre mangelnde Bereitschaft zu einer gleichberechtigten Partnerschaft in der Gesellschaft im Unklaren gelassen, dadurch in seiner nach den Verhandlungen berechtigten Erwartung auf das Zustandekommen einer Beteiligung enttäuscht und zugleich zu einer Vorleistung auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen veranlaßt hat.

Der Kläger hat in beiden Instanzen substantiiert behauptet, stets auf eine grundsätzlich gleichberechtigte Partnerschaft in der Gesellschaft gedrungen zu haben, um maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsentwicklung zu erhalten. Über diese Forderung sei schon in dem Gespräch der beiden Familien am 25. Oktober 1995 gesprochen worden, wobei die Höhe der prozentualen Beteiligung noch offen geblieben sei. Es sei aber in diesem Gespräch vereinbart worden, daß er gleichberechtigter Gesellschafter sein solle, wobei es ihm letztlich darum gegangen sei, bei einem Ausscheiden des Zeugen L aus der Firma "keine Tochter vor seiner Nase" zu haben. Auch während der Verhandlungen mit der Bank AG Unna Mitte November 1995 sei man sich unabhängig von der prozentualen Aufteilung 50:50 bzw. 49:51 über eine grundsätzlich gleichberechtigte Partnerschaft im Prinzip einig gewesen. Demgegenüber hat die Beklagte zwar das Verlangen des Klägers nach einer gleichrangigen Gesellschafterstellung bestätigt, eine dahingehende Einigung aber bestritten.

Der Senat ist von der grundsätzlichen Richtigkeit des Vortrags des Klägers überzeugt. Dessen in sich schlüssige und stimmige Darstellung ist im wesentlichen durch die glaubhaften Aussagen des neutralen Zeugen B in beiden Instanzen bestätigt worden. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien befand sich die defacto allein von dem Zeugen L geführte Firma D in einer erheblichen Schieflage, die nur durch eine Neustrukturierung der Geschäftsfelder und Zuführung weiteren Kapitals abgemildert oder beseitigt werden konnte. Die Hausbank der Firma drang auf einen Generationswechsel, dessen Garant die Aufnahme des Klägers als Gesellschafter mit maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung sein sollte. Allein der Kläger hatte es in der Hand, durch den Ausgleich der dringendsten Verpflichtungen der Firma D mit Eigenmitteln den Bestand der Gesellschaft zu sichern; es wäre danach nicht nachvollziehbar gewesen, wenn er nach seinem Drängen auf eine gleichberechtigte Beteiligung im Vorgriff auf eine Kapitalerhöhung eine für seine finanziellen Verhältnisse hohe Summe ohne jede Sicherheit eingeschossen hätte, ohne auf die Bereitschaft der Beklagten als der bisherigen Alleingesellschafterin der Komplementär GmbH und alleinigen Kommanditistin der GmbH und Co. KG zur Herstellung einer gleichberechtigten Partnerschaft vertrauen zu können.

Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte, vertreten durch den Zeugen L, während der Verhandlungen auch die Grundlage für dieses Vertrauen gelegt. Dem Verlangen des

Klägers nach Gleichberechtigung ist sie nicht entgegengetreten. Zwar hat der Zeuge L ihre Behauptung, darauf bestanden zu haben, daß eine maßgebliche Mehrheitsbeteiligung in jedem Falle bei ihrer Familie verbleibe, bestätigt; weder die Darstellung der Beklagten noch die Aussage dieses Zeugen erscheint jedoch dem Senat glaubhaft. Das Auskunftsverhalten der Beklagten, die der Senat mehrfach angehört hat, ist von äußerster Zurückhaltung geprägt gewesen. Sie hat die Fragen des Senats überwiegend nur ausweichend beantwortet und ist in einem wesentlichen Punkt ihres mündlichen Vortrags, nämlich daß sie überhaupt keine Verpflichtung gesehen habe, Gesellschaftsanteile zu übertragen, selbst hinter der Aussage des Zeugen L zurückgeblieben, im übrigen auch durch die des Zeugen B widerlegt worden. Der Zeuge L hat mit der Antwort auf die konkrete Frage des Senats, ob er dem Kläger gesagt habe, daß eine Beteiligung in Höhe von 50 % nicht in Betracht komme, - nach im übrigen recht detaillierter, präziser und flüssiger Aussage - so lange gezögert, daß die Bekundung, sich derart geäußert zu haben, nicht mehr glaubhaft erscheint. Auch die Aussage des Zeugen L wird im übrigen durch die widerspruchsfreie und ersichtlich um Unparteilichkeit bemühte Aussage des Zeugen B widerlegt, der bekundet hat, daß die Höhe der prozentualen Beteiligung noch variabel gewesen sei und der Zeuge auch eine Beteiligung des Klägers sogar von mehr als 50 % nicht ausgeschlossen habe.

Der Senat ist weiterhin davon überzeugt, daß die Beklagte, wie sie selbst vorgetragen und wie auch der Zeuge L bestätigt hat, tatsächlich eine gleichberechtigte Partnerschaft mit dem Kläger für sich ausgeschlossen hat. Es kann insoweit letztlich dahinstehen, ob sie den Kläger bewußt darüber getäuscht hat, da eine Aufklärungspflicht schon dann besteht, wenn ein am Vertragsschluß Beteiligter bei der anderen Partei, wenn auch unvorsätzlich, einen Irrtum erregt hat und sie erkennen kann oder muß, daß die andere Partei dadurch zum Eingehen einer Verpflichtung veranlaßt wird (vgl. nur BGH NJW 1974, 849, 851 f; 1978, 41, 42; 1981, 1440 1441; 1984, 2814, 2815; Münchener Kommentar/Emmerich, BGB, 3. Auflage, vor § 275 Rdnr. 94, jeweils m.w.N.). Tatsächlich bestand insbesondere nach der Aussage des Zeugen B am Ende der Verhandlungen im November 1995 allseits kein Zweifel daran, daß der Kläger die von ihm aufzunehmende Darlehensvaluta der Firma D in der nach den Verhandlungen berechtigten Erwartung zuwenden werde, - unabhängig von dem noch zu bestimmenden prozentualen Anteil gleichberechtigt und maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt zu werden. Daß zwischen der Verletzung der Aufklärungspflicht und der Vorleistung des Klägers eine Kausalität nicht bestanden habe, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. BGH NJW 1991, 1673, 1675 m.w.N.) nicht nachweisen können.

2.

Auch wenn die Beklagte an den Verhandlungen im November 1995 selbst nicht teilgenommen hat, haftet sie nach § 278 BGB für den Zeugen L als eine Person, deren Hilfe sie sich bei den Verhandlungen bedient hat. Auf eine Vertretungsmacht des Zeugen käme es insoweit zwar nicht an (vgl. nur Münchener Kommentar/Emmerich, aaO Rdnr. 170); die Beklagte hat aber auch die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, daß sie den Zeugen L zu den Verhandlungen mit dem Kläger bevollmächtigt habe, nicht substantiiert angegriffen. Zwar ist davon auszugehen, daß der Zeuge L die Verhandlungen über eine Beteiligung des Klägers an der Firma D primär formal als Geschäftsführer der Gesellschaft geführt hat. Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen setzt aber nicht notwendig voraus, daß der in Anspruch genommene Verhandlungspartner auch Beteiligter des angestrebten Vertrages ist oder werden soll. Es kann vielmehr nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichen, daß er in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat oder daß er selbst an dem Vertragsabschluß wirtschaftlich stark interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt (vgl. die Nachweise bei Münchener Kommentar/Emmerich, aaO, Fußnote 433).

Hier bestand eine so enge Beziehung der Beklagten zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen, daß über ein bloß persönliches oder mittelbares wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluß hinaus ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse (vgl. BGH NJW 1987, 2511, 2512 m.w.N.; Münchener Kommentar/Emmerich, aaO, Rdnr. 182 m.w.N.) festgestellt werden kann. Zwar reicht dafür die Beteiligung des Gesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH allein ebensowenig aus wie eine beherrschende Kommanditistenstellung in einer GmbH und Co. KG (BGH NJW 1986, 586 ff; 1988 2234 ff; 1989, 292, 293; 1990, 389 f, jeweils m.w.N.). Das unmittelbare eigene Interesse der Beklagten ergibt sich aber daraus, daß nach ihrem eigenen Vortrag in der Berufungsinstanz bereits 1993 auf in ihrem Miteigentum stehenden Immobilien eingetragene Grundschulden in Höhe von 123.000,00 DM und 32.000,00 DM zur Absicherung der Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Hausbank abgetreten worden waren, so daß durch eine Insolvenz der Gesellschaft auch ihr eigenes Vermögen unmittelbar betroffen gewesen wäre.

Es kann damit dahinstehen, ob die Beklagte bei den Verhandlungen über die Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft am 25. Oktober 1995 insbesondere dadurch in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, daß sie - so die Behauptung des Klägers - erklärt hat, persönlich für die Sicherung des Vorschusses des Klägers einstehen zu wollen.

3.

Der Kläger kann damit verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das Verhalten der in Anspruch genommenen Beklagten während der Vertragsverhandlungen stünde (vgl. nur BGH NJW 1981, 1673; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Auflage, § 276 Rdnr. 99; Münchener Kommentar/Emmerich, aaO, Rdnr. 194, jeweils m.w.N.). Da er bei gehöriger Aufklärung über den Umstand, daß die Beklagte seine gleichberechtigte Partnerschaft in der Gesellschaft nicht wirklich in Erwägung zog, von der in Aussicht genommenen Beteiligung Abstand genommen und auch keinen Vorschuß für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen gezahlt hätte, kann er grundsätzlich die Rückzahlung des auf das Konto der Firma D gezahlten Betrages abzüglich der zwischenzeitlich von der Firma D bzw. der Familie der Beklagten erbrachten Tilgungsleistungen verlangen.

III.

Der Anspruch des Klägers ist aber nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen, weil ihn ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung des Schadens trifft. Jedermann hat in seinem geschäftlichen und privaten Bereich im Rahmen des Zumutbaren die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich vor Schaden zu bewahren (Palandt/Heinrichs, aaO, § 254 Rdnr. 16). Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger dadurch verstoßen, daß er in Kenntnis der finanziellen Schieflage der Gesellschaft eine Vorleistung in erheblicher Höhe erbracht hat, ohne in irgendeiner Weise auf eine Absicherung seines Risikos bestanden zu haben.

Der Kläger hat bereits bei seiner erstinstanzlichen Anhörung angegeben, die Erklärung der Beklagten und des Zeugen L, daß Sicherheiten für seine Vorleistungen zeitnah nicht gestellt werden könnten, ohne weiteres akzeptiert zu haben. In der Berufungsinstanz hat er im Kern wiederholt, daß er auf die mündlichen Erklärungen der Beklagten bzw. des Zeugen L in Gegenwart der Angestellten der Bank AG vertraut habe. Er hat aber nicht verdeutlichen können, warum er die Erklärung der Familie L, keine Sicherheiten stellen zu können, aus seiner starken Verhandlungsposition heraus nicht kritisch hinterfragt hat. Wie die Beklagte in der Berufungsinstanz selbst vorgetragen hat, hätten noch Anfang 1996 Sicherheiten in erheblichem Umfang zur Verfügung gestanden, die der Hausbank der Firma D zur Absicherung deren Kreditengagements zugute gekommen seien. Gerade angesichts der von dem Kläger selbst mit den Worten "es brannte an allen Ecken und Enden, drei Tage später hätte das Finanzamt Konkursantrag gestellt" geschilderten Krisensituation erscheint seine bereits in erster Instanz vorgenommene Einschätzung, daß der Bestand der Gesellschaft nicht gefährdet gewesen sei, auch unter Berücksichtigung der geplanten Neustrukturierung der Geschäftsfelder kaum nachvollziehbar und allenfalls damit erklärbar, daß der Kläger auf den positiven Einfluß seiner eigenen - ebenfalls aber noch in keiner Weise näher vereinbarten oder gar vertraglich gesicherten - zukünftigen Geschäftsführertätigkeit vertraute. Andererseits verkennt der Senat nicht, daß das Verhältnis der Parteien über das zwischen Arbeitgeber und -nehmer deutlich hinausging und, wie beide Parteien geschildert haben, familiäre Züge aufwies, so daß der Kläger aus seiner Sicht möglicherweise ein besonderes Vertrauen in Erklärungen der Beklagten setzen durfte. Daß diese Überlegung aber nicht uneingeschränkt gilt, ist durch seine Angabe, die Vereinbarungen seien ja unter Zeugen getroffen worden, deutlich geworden. Nicht unberücksichtigt bleiben kann der Umstand, daß es letztlich auch um den Bestand des Arbeitsplatzes des Klägers ging. Der Senat geht bei alledem nicht davon aus, daß, wie die Beklagte es dargestellt hat, der Kläger selbst seine finanzielle Beteiligung initiiert hat.

Muß demnach dem Kläger ein erheblicher Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, so fällt andererseits auf seiten der Beklagten ins Gewicht, daß sie ihn bewußt darüber im unklaren gelassen hat, daß er seine Vorleistung auf Grund einer unzutreffenden Einschätzung der erwarteten Gegenleistungen erbrachte. Es ist aber nicht nachweisbar, daß die Beklagte den Kläger zielgerichtet und planmäßig über ihre wahren Absichten getäuscht hat. Der Senat geht vielmehr davon aus, daß sie eher gewisse Unschärfen des Verhandlungsergebnisses in der Erwartung nicht präzisiert hat, durch das Gutachten ihres Steuerberaters nachträglich objektive Grundlagen für das Beibehalten ihrer Mehrheitsbeteiligung schaffen zu können. Eine Schädigungsabsicht im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen kann der Beklagten nach den Feststellungen des Senats auch deshalb nicht unterstellt werden, weil die Firma D unstreitig die Darlehensverpflichtungen des Klägers gegenüber der Bank AG bis zur Zahlungsunfähigkeit ordnungsgemäß erfüllt hat und weitere Teilbeträge anschließend noch von der Familie der Beklagten erbracht worden sind.

Bei Abwägung der gegenseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile hält es der Senat für angemessen und sachgerecht, das erhebliche Verschulden des Klägers gegen sich selbst durch eine Halbierung der Klageforderung zu berücksichtigen. Bezogen auf den gesamten geleisteten Vorschuß ohne Berücksichtigung der bereits erbrachten Tilgungsleistungen liegt das Mitverschulden des Klägers damit prozentual bei 46 %.

IV.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB. Den über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehenden bestrittenen Zinsschaden hat der Kläger nicht unter Beweis gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Ausspruch über die Beschwer beider Parteien beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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