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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: 3 (s) Sbd. 1 - 8/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 462 a
Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer gegenüber dem Gericht des ersten Rechtszuges ist bereits mit der Aufnahme der Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt ihres Bezirks begründet worden. Unerheblich für die Frage der Zuständigkeit ist dagegen, ob die Strafvollstreckungskammer während der Dauer der Strafhaft mit einer bestimmten Entscheidung befasst war.
Beschluss

Strafsache

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

(hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts).

Auf die Vorlage der Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 14 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 09. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Paderborn vom 07. September 2001 - 1 KLs 441 Js 947/01 AK 47/01 - beziehen, ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld zuständig.

Gründe:

I.

Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Paderborn hat die Verurteilte am 07. September 2001 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 07. September 2001 rechtskräftig.

Die Verurteilte befand sich zunächst vom 21. Juni 2001 bis zum 15. Juli 2001 in vorliegender Sache in Untersuchungshaft. Sodann verbüßte sie mehrere Ersatzfreiheitsstrafen und seit dem 27. November 2001 die nach der Anrechnung von Untersuchungshaft noch verbleibende Rest-Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 07. September 2001 in der JVA Bielefeld-Brackwede I.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2002 hat das Landgericht Paderborn die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung in vorliegender Sache gem. §§ 35, 36 BtMG erklärt. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin mit Verfügung vom 03. Juni 2002 die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 07. September 2001 gem. § 35 Abs. 1 BtMG für die Dauer von einem Jahr, beginnend am 24. Juli 2002, zurückgestellt.

Die Verurteilte befand sich dann nach vorangegangener Entgiftung seit dem 24. Juli 2002 in einer stationären Drogenentwöhnungstherapie bis zum 13. Januar 2003 in der Therapieeinrichtung Release und anschließend bis zum 06. April 2003 in einer Adaptionseinrichtung des Arbeitskreises für Jugendhilfe e.V. in Hamm. Mit Beschluss vom 26. Februar 2003 hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Paderborn die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 07. September 2001 unter Anrechnung der von der Verurteilten nachgewiesenen Zeiten ihrer Aufenthalte in den Therapieeinrichtungen zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschluss ist seit dem 11. Mai 2003 rechtskräftig. Die Verurteilte ist am 06. April 2003 in eine eigene Wohnung entlassen worden.

Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Paderborn hat sodann mit Verfügung vom 28. Mai 2003 gegenüber der Staatsanwaltschaft die Rechtsauffassung vertreten, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld für die weiteren im Rahmen der Bewährungsaufsicht anfallenden Maßnahmen zuständig sei. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft die Akten mit Verfügung vom 11. Juni 2003 dem Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Bielefeld mit der Bitte um weitere Veranlassung übersandt.

Die 24. b Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Bielefeld hat sich demgegenüber mit Beschluss vom 30. Juni 2003 für sachlich nicht zuständig erklärt, und zwar "unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm".

Nachdem die Akten an die 1. große Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückgelangt waren, hat diese sich ihrerseits mit Beschluss vom 12. August 2003 ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die 1. große Strafkammer des Landgerichts Paderborn für die weitere Durchführung des Verfahrens für zuständig zu erklären.

II.

Der Senat ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14 StPO).

Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld. Deren Zuständigkeit ergibt sich aus § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO.

Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ist bereits mit der Aufnahme der Verurteilten in eine JVA ihres Bezirks, hier mit dem Beginn der Strafvollstreckung in vorliegender Sache in der JVA Bielefeld-Brackwede I am 27. November 2001, begründet worden, § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO. Unerheblich für die Frage der Zuständigkeit ist dagegen, ob die Strafvollstreckungskammer während der Dauer der Strafhaft mit einer bestimmten Entscheidung befasst war. Das Befasstsein mit einer bestimmten Sache hindert lediglich bis zur abschließenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit auf eine andere Strafvollstreckungskammer begründet dagegen nicht die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer gegenüber dem Gericht des ersten Rechtszuges (BGH, NStZ 2000, 111; BGH, NStZ 1984, 380 f; OLG Düsseldorf, JMBl. NRW 2002, 114; Senat, Beschluss vom 13.08.2003, 3 (s) Sbd. 1 - 6/03 OLG Hamm). Soweit der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in seinem Beschluss vom 22. April 2003 - 4 Ws 152/03 OLG Hamm - die Ansicht vertritt, die Fortwirkungszuständigkeit des § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO setze voraus, dass die Strafvollstreckungskammer bereits tätig geworden bzw. mit dem Strafvollstreckungsverfahren befasst gewesen sei, folgt der Senat dem nicht. Das Befasstsein mit der Sache - § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO - regelt nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes lediglich die Frage der örtlichen Zuständigkeit mehrerer Strafvollstreckungskammern untereinander, betrifft dagegen aber gerade nicht die Frage, ob überhaupt eine Strafvollstreckungskammer sachlich zuständig ist (OLG Düsseldorf, a. a. O.). Dementsprechend ist auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass in den Fällen, in denen das Gericht des ersten Rechtszuges nach vorangegangener Zurückstellung der Strafvollstreckung aufgrund der besonderen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (§ 36 Abs. 2 BtMG) die Vollstreckung des Restes der gegen einen Verurteilten verhängten Strafe zur Bewährung ausgesetzt hat, die Strafvollstreckungskammer und nicht das Gericht des ersten Rechtzuges für die infolge dieser Strafrestaussetzung anfallenden Nachtragsentscheidungen zuständig ist (BGH, NStZ 1991, 355; NStZ-RR 1996, 56; NStZ-RR 2001, 343; NStZ 2001, 110; BGH, Beschluss vom 11.09.2002 - 2 ARs 267/02 und Beschluss vom 10.04.2002, 2 ARs 88/02), und zwar unabhängig davon, ob sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung noch in Strafhaft befunden hat (BGHR BtMG § 36 Abs. 2 Zuständigkeit 1; BGH, NStZ-RR 2001, 343; BGH, Beschluss vom 10.04.2002 - 2 ARs 88/02).

Örtlich zuständig ist hier die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld, weil die Verurteilte zuletzt bis zu ihrer Entlassung am 17. Juli 2002 in der JVA Bielefeld-Brackwede I die Freiheitsstrafe in vorliegender Sache verbüßt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10.04.2002 - 2 ARs 88/02). Deren Fortwirkungszuständigkeit gem. § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO ist unbeschadet der zwischenzeitlichen Durchführung einer stationären Drogenentwöhnungstherapie bestehen geblieben (BGH, Beschluss vom 11.09.2002 - 2 ARs 267/02 -) und endet erst mit der vollständigen Erledigung der Vollstreckung aller Strafen hinsichtlich derer die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ggf. auch aufgrund des Konzentrationsprinzips (§ 462 a Abs. 4 StPO) entstanden ist oder aber mit der Aufnahme der Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer (ebda.). Sollte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld im letzteren Fall zum Zeitpunkt der Aufnahme der Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer aber bereits mit einer anstehenden Nachtragsentscheidung befasst sein, bliebe sie hierfür gem. § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO gleichwohl zuständig.

Ende der Entscheidung

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