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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 3 Ss 107/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB 315 c
Leitsatz

Zur Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert


Beschluss Strafsache gegen H.L.,

wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort u.a.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 08.11.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und Anhörung der Verteidiger des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Schuldausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a und Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt worden ist.

Außerdem wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der für die Tat gemäß § 315 c StGB verhängten Einzelgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 45,- DM, hinsichtlich der verhängten Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 45,- DM sowie hinsichtlich der angeordneten Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Bestimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 8 Monaten aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Herford vom 08.11.2000 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 45,- DM verurteilt worden.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Angeklagte am 21.06.2000 gegen 22.00 Uhr in Herford mit seinem PKW Renault die Straße "In der Ottelau", obwohl er zuvor Alkohol zu sich genommen hatte, der bei ihm zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,79 o/oo führte. Der Angeklagte bog nach rechts in die Straße "Steinbrink" ab, auf der sich unmittelbar im Einmündungsbereich eine Fahrbahnerhöhung befindet, die Kraftfahrer zu einer Reduzierung ihrer Geschwindigkeit veranlassen soll. Bei dem Abbiegevorgang verlor der Angeklagte alkoholbedingt die Kontrolle über sein Fahrzeug, geriet mit diesem teilweise auf die Fahrbahnerhöhung, kam nach rechts von der Fahrbahn ab und stieß mit seinem PKW gegen den zu dem Eckhaus "In der Ottelau" Nr. 24 gehörenden gemauerten Grundstückspfeiler, der dadurch aus seiner Verankerung gerissen wurde. Der Angeklagte hatte den von ihm verursachten Sachschaden bemerkt und hielt sein Fahrzeug noch in der Nähe der Unfallstelle an. Der Eigentümer des o.g. Eckhauses, der Zeuge Sch., dem der Angeklagte als eine in der Nachbarschaft wohnende Person auch namentlich bekannt war, begab sich zu dem Fahrzeug des Angeklagten und sprach ihn auf das Unfallgeschehen an. Der Angeklagte öffnete die Fahrzeugtür, sprach einige unverständliche Worte und Beschimpfungen aus, stieg sodann aus seinem Fahrzeug aus, nahm einige Teile seines beschädigten Fahrzeugs von der Fahrbahn auf und entfernte sich sodann zu Fuß von der Unfallstelle. Der Zeuge Sch. hatte den Angeklagte zuvor noch aufgefordert, sich einmal mit ihm über den Unfall zu unterhalten und die Angelegenheit zu regeln. Hierauf reagierte der Angeklagte indes nicht. Er wurde später von inzwischen herbeigerufenen Polizeibeamten auf der Straße "Steinbrink" angetroffen. Der an dem Grundstückspfeiler entstandene Schaden belief sich nach den Urteilsfeststellungen nach einem Kostenvoranschlag, der in den Urteilsgründen nicht näher beschrieben wird, auf 1.757,40 DM. Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Angeklagten hat diesen Schaden mit einem Betrag in Höhe von 1.500,- DM abschließend reguliert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er unter näheren Ausführungen eine Verletzung sachlichen Rechts rügt.

II.

Die Revision ist nur zum Teil begründet.

1.

Die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 StGB hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen nämlich nicht die Annahme, der Angeklagte habe bei der ihm vorgeworfenen Trunkenheitsfahrt fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Ob eine Sache einen bedeutenden Wert aufweist, beurteilt sich nach dem Sachwert der gefährdeten Sache selbst, nicht nach dem Wiederherstellungsaufwand (vgl. BGH NStZ 1999, 350). Von einem bedeutenden Sachwert ist nach der wohl herrschenden Meinung ab einem Wert von über 1.500,- DM auszugehen (vgl. König in LK, StGB, 11. Aufl., § 315 Randziffer 95 m.w.N.; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 315 c StGB, Randziffer 6).

Vorliegend ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, welchen Sachwert der von dem Angeklagten angefahrene Eckpfeiler hatte. Dass sich nach den Urteilsgründen der an diesem Pfeiler eingetretene Schaden nach einem Kostenvoranschlag auf 1.757,40 DM beläuft, rechtfertigt nicht den Rückschluss, dass der Sachwert des beschädigten Pfeilers über 1.500,- DM liegt. Denn in dem angefochtenen Urteil wird nicht ausgeführt, ob dieser Kostenvoranschlag die Kosten für die Wiederbeschaffung eines neuen Eckpfeilers oder die Kosten für eine Reparatur des beschädigten Pfeilers enthält. Ebenso wenig wird mitgeteilt, welche einzelnen Kosten in dem Kostenvoranschlag berücksichtigt worden sind. Es sind aber nicht sämtliche Kosten, die für einen Schadenersatzanspruch von Bedeutung sind, auch für die Bestimmung des Sachwertes heranzuziehen. Der Wert einer Sache beurteilt sich vielmehr, soweit ein Marktpreis existiert, nach diesem. Ansonsten sind nur der stoffliche Wert der Substanzen, aus denen sich die Sache zusammensetzt, sowie die Kosten für die Herstellung zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind ggf. für Wertminderungen aufgrund von Alterungsprozessen oder Abnutzung Abzüge vorzunehmen (vgl. König in LK, a.a.O., § 315 Randziffer 85).

Im Übrigen ist anzumerken, dass es auch Ausführungen dazu bedurft hätte, aus welchen Gründen das Amtsgericht dem Kostenvoranschlag über 1.757,40 DM gefolgt ist, da in den Urteilsgründen außerdem ausgeführt wird, dass die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Angeklagten den an dem Eckpfeiler eingetretenen Schaden lediglich mit einem Betrag in Höhe von 1.500,- DM, der also unter dem o.g. Schwellenwert liegt, abschließend reguliert hat.

Das angefochtene Urteil war daher hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung aufzuheben.

Das angefochtene Urteil war außerdem hinsichtlich der verhängten Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 45,- DM sowie hinsichtlich der verhängten Maßregel - Entziehung der Fahrerlaubnis und Verhängung einer Sperre für deren Wiedererteilung von noch 8 Monaten - aufzuheben. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass zwischen der verhängten Gesamtgeldstrafe und der angeordneten Maßregel eine Wechselwirkung besteht.

Im Umfang der Aufhebung war das angefochtene Urteil zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford zurückzuverweisen.

3.

Im Übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen, da die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB Rechtsfehler zu dessen Lasten nicht hat erkennen lassen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Geschädigte Sch. weitere Feststellungen jedenfalls zum Unfallgeschehen hatte treffen wollen, da er den Angeklagten aufgefordert hatte, sich einmal mit ihm über den Unfall zu unterhalten und die Angelegenheit zu regeln. Angesichts dessen hatte der Angeklagte, als er sich vom Unfallort entfernte, seiner Feststellungs- und Duldungspflicht noch nicht genügt und sich somit gemäß § 142 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Ende der Entscheidung

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